JudikaturJustiz13Os88/95

13Os88/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter Josef Leo F***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Satz 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld und Strafe des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 15.März 1995, GZ 5 Vr 2622/94-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1 (Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Satz 2 StGB) und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die Schuld wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruches über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter Josef Leo F***** (unter anderem) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Satz 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 17.September 1994 in Graz Helmut P***** dadurch, daß er ihm mehrere Faustschläge und auch Tritte gegen das Gesicht versetzte und dem bereits am Boden Liegenden eine Gelbgoldkette mit Panzermuster samt Sternzeichenanhänger vom Hals riß und an sich nahm, mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen hatte, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung des Genannten, nämlich einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke, zur Folge hatte.

Der Schuldspruch stützt sich auf den Wahrspruch der Geschworenen, die stimmenmehrheitlich (7 : 1) die anklagekonforme Hauptfrage nach schwerem Raub bejahten und die für den Fall der Verneinung dieser Hauptfrage allein gestellte Eventualfrage nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB folgerichtig unbeantwortet ließen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8 und 10 a StPO gegen den Raubvorwurf erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist aus der Z 6 - mit der er eine (weitere) Eventualfrage in Richtung Diebstahl vermißt - berechtigt.

Der Schwurgerichtshof ist zur Stellung einer Eventualfrage nicht nur dann verpflichtet, wenn sich ein diesbezügliches Tatsachenvorbringen aus der Verantwortung des Angeklagten ergibt, sondern auch dann, wenn sonst im Beweisverfahren in der Hauptverhandlung Umstände der im § 314 StPO vorausgesetzten Art in einer Darstellung vorgekommen sind, die über den Rahmen einer bloßen Mutmaßung hinausgehen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 314 E 18).

Der Angeklagte bekannte zwar, daß er sich aus Eifersucht sowie aus Verärgerung über das sonstige Auftreten Helmut P*****s in eine tätliche Auseinandersetzung mit diesem eingelassen hatte, bei der dieser auch (schwer) verletzt wurde, eine Wegnahme der Kette bestritt er und behauptete zudem, daß diese ihm schon lange vorher von seiner Lebensgefährtin geschenkt worden sei. Daraus ergibt sich - entgegen den Beschwerdeausführungen - jedoch kein Vorbringen in Richtung einer diebischen Sachwegnahme, wohl aber aus der Darstellung des Opfers und der Zeugin B*****. Letztere brachte vor, daß der Angeklagte - nach Beendigung seiner Attacken gegen P***** - diesem die Kette "heruntergerissen" habe (S 397/I) als sich dieser am Boden aufzurichten begann. P***** bemerkte nach seiner Aussage die Wegnahme überhaupt erst, als er die Kette in der Hand des Angeklagten sah (S 391/I). Daraus ergeben sich aber gar wohl konkrete Hinweise, daß die Sachwegnahme vom Angeklagten erst nach beendeter Gewaltanwendung gegen das Opfer ins Auge gefaßt wurde und nach dem Tatplan derart spontan erfolgen sollte, daß das überraschte Opfer keinerlei Abwehr zeigen, ja nicht einmal einen Widerstandsentschluß fassen konnte, womit (neben schwerer Körperverletzung) Diebstahl (allenfalls in qualifizierter Form nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB) vorliegen würde (s Leukauf-Steininger, Komm3 § 142 RN 21). Die Prüfung des Geschehens in diesem Sinne war aber den Geschworenen genommen, weil ihnen zwar eine Eventualfrage VI nach schwerer Körperverletzung gestellt worden war, nicht aber eine solche nach (qualifiziertem) Diebstahl (obwohl die Rechtsbelehrung einen Hinweis auf eine weitere Eventualfrage VII enthält).

Das Unterbleiben einer solchen Eventualfrage kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben (§ 345 Abs 4 StPO), weil nicht auszuschließen ist, daß die Geschworenen nur mangels ausreichender, aber gebotener Alternativen zum angeklagten Verbrechen zur (mehrheitlichen) Bejahung der Hauptfrage kamen.

Angesichts dessen ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht nicht zu vermeiden und war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung der zum Vorteil des Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben (§§ 344, 285 e StPO).

Ein Eingehen auf die vom Angeklagten weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe erübrigt sich angesichts der erforderlichen Aufhebung des Wahrspruchs zum schweren Raub und des diesbezüglichen Schuldspruches.

Die (angemeldete) im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Schuldberufung des Angeklagten war zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruches über die Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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