JudikaturJustiz13Os88/13k

13Os88/13k – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojić als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Pero K*****, AZ 406 HR 111/13i des Landesgerichts Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde der betroffenen Person gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 30. Juli 2013, AZ 22 Bs 251/13t (ON 39 des HR Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Pero K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Dem Verfahren AZ 406 HR 111/13i des Landesgerichts Korneuburg liegt ein Ersuchen des Ministeriums für Justiz von Bosnien und Herzegowina vom 27. Mai 2013 um Auslieferung des Pero K***** zur Vollstreckung des Restes von zwei Jahren und 28 Tagen der über ihn mit (mit Urteil des Obersten Gerichts der Republik Srpska vom 22. April 2010, Zl 11 0 K 001145 10 Kz, bestätigtem) Urteil des Kreisgerichts in Banja Luka vom 8. Oktober 2009, Zl 11 0 K 001145 09 K, verhängten dreijährigen Freiheitsstrafe zu Grunde.

Pero K***** wurde des versuchten Mordes (§§ 15, 75 StGB) und der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) nach Art 148 Abs 1 iVm Art 20 und Art 155 Abs 1 des Strafgesetzes der Republik Srpska schuldig erkannt, weil er am 2. August 2008 in Banja Luka mit einem Messer mit 8 cm Klingenlänge Dario Ko***** lebensgefährliche Stichwunden (im rechten Lendenbereich mit Beschädigung der Leber und der Niere sowie im Bereich der Bauchwand, des Brustkorbs, des rechten Armes und der linken Faust) und Danijel Ko***** Stichwunden (im Bereich der linken Brust, der rechten Schulter sowie des rechten Unterarmes) zugefügt hat (ON 24 S 5 f; ON 39 S 2).

Mit Beschluss vom 26. Juni 2013 (ON 21) verhängte das Landesgericht Korneuburg die Auslieferungshaft über Pero K***** aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr gemäß § 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG iVm § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO und setzte sie am 10. Juli 2013 (ON 32) fort. Der dagegen gerichteten Haftbeschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nun angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG iVm § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde behauptet eine unrichtige Beurteilung des Haftgrundes und des Tatverdachts sowie Unverhältnismäßigkeit der Haft.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren dahin überprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO; worunter das Gesetz die deutliche Bezeichnung der den Ausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe versteht) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS Justiz RS0118185, RS0117806). Denn § 173 Abs 2 StPO verlangt nur, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen, kennt als Vergleichsbasis des Willkürverbots mithin nur die in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen, weshalb auch eine bei dieser Prognose unterbliebene Erwägung einzelner aus Sicht eines Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftiger Umstände nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden kann (RIS Justiz RS0117806).

Davon ausgehend lässt die vom Oberlandesgericht in seiner (den Bezugspunkt der Grundrechtsbeschwerde bildenden) Entscheidung ins Treffen geführte offenkundige Gewaltbereitschaft des Pero K*****, die es dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht bloß aus der Verurteilung des Genannten wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB im Verfahren AZ 505 Hv 45/13g des Landesgerichts Korneuburg, sondern auch aus fortgesetzten Angriffen gegen Danijel und Dario Ko***** mit einem Messer aus nichtigem Anlass, abgeleitet hat (vgl ON 39 S 4 f), einen einwandfreien Schluss auf die nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO begründete Gefahr zu.

Das Auslieferungsverfahren ist der kontinentaleuropäischen Rechtstradition entsprechend vom formellen Prüfungsprinzip beherrscht, das heißt, Behörden im ersuchten Staat haben grundsätzlich vom Sachverhalt auszugehen, wie er im Ersuchen um Auslieferung dargestellt wird (RIS Justiz RS0125233). Eine Überprüfung dieses Sachverhalts findet nur bei dagegen bestehenden erheblichen Bedenken statt (§ 33 Abs 2 ARHG). Der für das Auslieferungsverfahren und für die Verhängung der Auslieferungshaft hinreichende Tatverdacht wird bei schlüssigen Auslieferungsunterlagen vermutet (RIS Justiz RS0087119; Göth-Flemmich in WK² ARHG § 29 Rz 27 und § 33 Rz 3; Murschetz , Auslieferung und Europäischer Haftbefehl, 292 f).

Das mit der Behauptung „massiver Bedenken am zugrundeliegenden Urteil“ einhergehende Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich gegen Attacken schützen wollen, jedoch habe „das Gericht in Banja Luka der Verteidigung“ „keinen Glauben geschenkt, was nur durch die Nahebeziehung Opfer und dem Polizeiapparat erklärbar ist“, wozu er Beweise angeboten habe, bietet keine Basis für eine Überprüfung des Sachverhalts aus dem im § 33 Abs 2 ARHG bezeichneten Grund.

Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, er sei „bei der Urteilsverkündung nicht anwesend“ gewesen (vgl jedoch ON 24 S 5 und 18, wonach zwar die Entscheidung des Obersten Gerichts der Republik Srpska am 22. April 2010 über die Berufung des ordnungsgemäß benachrichtigten Pero K***** in dessen Abwesenheit gefällt wurde, nicht jedoch das Urteil des Kreisgerichts in Banja Luka vom 8. Oktober 2009), ihm sei „weder ein faires Verfahren noch rechtliches Gehör gewährt“ worden und ihm würden „aufgrund der unsicheren Rechtslage und dem wiederholt sich aus objektiven Quellen bestätigenden Korruptionsverdacht Verfolgunghandlungen im Sinn des Art 3 EMRK“ drohen, genügt der Hinweis, dass die Zulässigkeit der Auslieferung keine Voraussetzung für die Auslieferungshaft ist (RIS Justiz RS0120452, Frowein/Peukert , EMRK³ Art 5 Rz 87, Grabenwarter/Pabel EMRK 5 § 21 Rz 25, Göth-Flemmich in WK² ARHG § 29 Rz 7).

Unverhältnismäßigkeit der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts rund einen Monat dauernden Auslieferungshaft ist bei begehrter Auslieferung zur Vollstreckung des Teils von zwei Jahren und 28 Tagen einer unter anderem wegen des Verbrechens des Mordes verhängten dreijährigen Freiheitsstrafe (vgl auch § 29 Abs 6 zweiter Satz ARHG) entgegen dem entsprechenden, unsubstanziierten Einwand nicht gegeben.

Die Grundrechtsbeschwerde war demnach in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rechtssätze
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