JudikaturJustiz13Os27/15t

13Os27/15t – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Dr. Anatoly R*****, AZ 311 HR 50/14g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag des Dr. Anatoly R***** auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO und den damit verbundenen Antrag des Genannten auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, sowie des Verteidigers Dr. Kresbach zu Recht erkannt:

Spruch

In der Auslieferungssache AZ 311 HR 50/14g des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b (ON 82), § 33 Abs 1 und 3 ARHG iVm Art 3 und 6 MRK.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien eine neue Entscheidung aufgetragen.

Mit seinem gegen jenen Beschluss gerichteten Erneuerungsantrag wird Dr. Anatoly R***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Soweit sich der Erneuerungsantrag gegen die in der Auslieferungssache ergangene Entscheidung des Bundesministers für Justiz wendet, wird er zurückgewiesen, desgleichen der Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 10. Juli 2014, GZ 311 HR 50/14g-55, erklärte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die mit Note der Russischen Föderation vom 24. März 2014, Nr 81/3-757-09, begehrte Auslieferung des Dr. Anatoly R***** zur Strafverfolgung wegen der im Ersuchen samt Unterlagen beschriebenen Verdachtslage (ON 30) unter der Bedingung für zulässig, dass über den Betroffenen nicht die Todesstrafe verhängt wird. Der erstgerichtlichen Begründung zufolge seien die vorliegende Zusicherung der Russischen Föderation, wonach über Dr. Anatoly R***** keine Todesstrafe verhängt wird, aufgrund von Art 59 Abs 2 Punkt 1 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation, der dies ausschließe, ausreichend (BS 6 f) und auch keine sonstigen Auslieferungshindernisse gegeben (BS 17).

Der dagegen gerichteten Beschwerde der betroffenen Person (ON 57) gab das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b, mit der Maßgabe nicht Folge, dass unter Bezugnahme auf die von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation abgegebene Garantieerklärung vom 15. Dezember 2014 die Auslieferung von folgenden Bedingungen abhängig gemacht wird, nämlich dass

1) die Haftbedingungen nicht unmenschlich oder erniedrigend im Sinn von Art 3 MRK sind;

2) die physische und psychische Integrität der ausgelieferten Person und ihre allenfalls erforderliche medizinische Versorgung gewahrt sein muss;

3) Dr. Anatoly R***** jederzeit das Recht hat, sich an die diplomatische Vertretung Österreichs zu wenden und diese berechtigt ist, den Genannten jederzeit und unangemeldet ohne jegliche Überwachungsmaßnahmen zu besuchen;

4) der österreichischen diplomatischen Vertretung der Ort der Inhaftierung des Dr. Anatoly R***** bekannt gegeben und die österreichische Vertretung über eine allfällige Verlegung des Betroffenen in ein anderes Gefängnis unverzüglich informiert wird;

5) Dr. Anatoly R***** das Recht hat, mit seinem Verteidiger uneingeschränkt und unbewacht zu verkehren;

6) die Angehörigen des Ausgelieferten das Recht haben, ihn im Gefängnis zu besuchen (BS 1 f).

Der Nachweis des Vorliegens von Auslieferungshindernissen, die sich aus Art 3 und 6 MRK ergeben könnten, wurde vom Oberlandesgericht mit ausführlicher Begründung verneint (BS 9 bis 12). Dabei fanden die Stellungnahmen der österreichischen Botschaft (BS 10), die als völkerrechtlich verbindlich und verlässlich angesehene Zusicherung russischer Behörden (S 2 in ON 30; BS 12 f) und auch der „grundsätzlich besorgniserregende Zustand des russischen Strafvollzugs“ Berücksichtigung (BS 12 f).

Ungeachtet dieser Erwägungen sah sich das Beschwerdegericht aber auch aufgrund der bereits erwähnten Stellungnahme der österreichischen Botschaft und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR 10. 12. 2012, 42525/07 und 60800/08, Ananyev ua/Russland), worin wiederholt Verletzungen des Art 3 MRK durch den Zielstaat im Bereich des Strafvollzugs festgestellt wurden, veranlasst, den ersuchenden Staat im Weg des Bundesministeriums für Justiz zur Einhaltung der aus dem Spruch ersichtlichen Verfahrensgarantien als Bedingung für den Fall der Auslieferung zu verpflichten. Dabei fügte es hinzu, dass deren Einhaltung von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation bereits im Übermaß zugesichert worden sei. In Würdigung der gegebenen Umstände lasse sich das Risiko einer menschenrechtswidrigen Behandlung des Beschwerdeführers auf ein so geringes Maß herabsetzen, dass es nur noch theoretisch erscheine (BS 14). In diesem Zusammenhang verwies das Rechtsmittelgericht auch auf die Möglichkeit der Kontrolle der Einhaltung der abgegebenen Garantien durch das Bundesministerium für Europa, Intergration und Äußeres und führte aus, dass bei einem - fallbezogen nicht zu erwartenden - Nichteinhalten der Garantie auch die Wiederaufnahme des Verfahrens samt Zurückstellung des Ausgelieferten in Betracht käme. In diesem Fall wäre die Verlässlichkeit russischer Zusicherungen pro futuro derart in Frage gestellt, dass künftige Überstellungen sogar als unzulässig eingestuft werden müssten (BS 14).

Vom Bundesminister für Justiz wurde die Auslieferung des Dr. Anatoly R***** zur Strafverfolgung unter Bezugnahme auf die von der Russischen Föderation am 27. Juni 2014 und 15. Dezember 2014 abgegebenen Zusicherungen unter Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes bewilligt (ON 86).

Im Erlass vom 5. Februar 2015, GZ BMJ 4060431/0002-IV 4/2015, vertrat das Bundesministerium für Justiz die Rechtsauffassung, dass die Auslieferung nicht unter der Maßgabe der Einhaltung von Bedingungen für zulässig erklärt werden könne (ON 86).

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts, aber auch gegen die Bewilligung der Auslieferung durch den Bundesminister für Justiz richtet sich der mit einem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung verbundene, eine Verletzung von Art 2, 3 und 6 MRK reklamierende Erneuerungsantrag des Dr. Anatoly R***** (§ 363a Abs 1 StPO).

Die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wendet sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b (ON 82).

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes:

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, steht der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 33 Abs 3 ARHG hat das Gericht die Zulässigkeit der Auslieferung in rechtlicher Hinsicht umfassend in Bezug auf Auslieferungsvoraussetzungen und -hindernisse zu prüfen. Dabei hat es auf zwischenstaatliche Vereinbarungen ebenso Bedacht zu nehmen wie auf die der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte. Auch wenn § 1 ARHG den Vorrang zwischenstaatlicher Vereinbarungen vor dem ARHG normiert, sind jedenfalls die sich aus der MRK und ihren Zusatzprotokollen ergebenden Auslieferungshindernisse zu beachten, sofern sie nach der Rechtsprechung des EGMR einer Auslieferung entgegenstehen (vgl EBRV 294 BlgNR 22. GP 33; Martetschläger in WK 2 ARHG § 1 Rz 3; Göth Flemmich in WK 2 ARHG Vor §§ 10-25 Rz 6, § 33 Rz 8).

Der Bundesminister für Justiz kann eine Auslieferung aus politischen Erwägungen („Interessen der Republik Österreich“) oder aus völkerrechtlichen Gründen ablehnen (§ 34 Abs 1 erster und zweiter Satz ARHG, EBRV 294 BlgNR 22. GP 33), an eine die Auslieferung rechtskräftig für unzulässig erklärende Entscheidung des Gerichts ist er gebunden (§ 34 Abs 1 letzter Satz ARHG).

Eine Auslieferung kann für den Aufenthaltsstaat eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person der tatsächlichen Gefahr einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung im Empfangsstaat ausgesetzt sein könnte ( vgl EGMR 7. 7. 1989, 14038/88, Soering / Vereinigtes Königreich , EuGRZ 1989, 314; RIS-Justiz RS0123229; RS0123201; Göth Flemmich in WK 2 ARHG § 19 Rz 7 mwN). Die bloße Möglichkeit von Übergriffen, die in jedem Rechtsstaat vorkommen können, macht die Auslieferung nicht unzulässig (RIS Justiz RS0118200).

D ie betroffene Person hat die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr schlüssig nachzuweisen (RIS-Justiz RS0123229). Ein solcher Nachweis ist nur dann verzichtbar, wenn der ersuchende Staat eine ständige Praxis umfassender und systematischer Menschenrechtsverletzungen aufweist.

Haftbedingungen können eine unmenschliche oder

erniedrigende Behandlung darstellen, auch wenn sie nicht darauf abzielen, den Gefangenen zu demütigen oder zu erniedrigen. Sie verletzen Art 3 MRK, wenn sie erhebliches psychisches oder physisches Leid verursachen, die Menschenwürde beeinträchtigen oder Gefühle von Demütigung und Erniedrigung erwecken. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände, so zB Überbelegung, mangelhafte Heizung oder Lüftung, übergroße Hitze, sanitäre Verhältnisse, Schlafmöglichkeit, Ernährung, Erholung und Außenkontakte sowie gegebenenfalls ihr kumulativer Effekt (RIS-Justiz RS 0123229 [T4]; EGMR 15. 7. 2002, 47095/99, Kalashnikov/Russland ; Meyer-Ladewig , EMRK 3 Art 3 Rz 29).

Bei einer Auslieferung an einen Konventionsstaat wie hier an die Russische Föderation ist die Verantwortlichkeit des ersuchten Staats eingeschränkt, wenn die betroffene Person im Zielstaat Rechtsschutz gegen Konventionsverletzungen erlangen kann. Eine Mitverantwortung des ausliefernden Staates besteht nur dann, wenn Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den EGMR nicht rechtzeitig zu erreichen ist (13 Os 139/12h mwN).

Zwar fällt das Auslieferungsverfahren selbst nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 MRK, doch können dessen Verfahrensgarantien für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung dann (ausnahmsweise) Relevanz erlangen, wenn die betroffene Person nachweist, dass ihr im ersuchenden Staat eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens („a flagrant denial of justice“) droht (vgl EGMR 7. 7. 1989, 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich , EuGRZ 1989, 314; RIS Justiz RS0123200; Meyer-Ladewig , EMRK 3 Art 6 Rz 167; weitere Nachweise bei Göth-Flemmich in WK 2 ARHG § 19 Rz 14).

Vor diesem Hintergrund begegnet der ursprüngliche Ansatz des Beschwerdegerichts, unter dem Aspekt der Art 3 und 6 MRK auf einen Nachweis durch die betroffene Person abzustellen, keinen Bedenken.

Geht das Gericht nach seiner Prüfung vom Vorliegen aller rechtlichen Voraussetzungen für die Auslieferung und vom Fehlen von Auslieferungshindernissen aus, hat es die Auslieferung für zulässig zu erklären. Bestehen hingegen noch Zweifel am Vorliegen eines Auslieferungshindernisses, muss das Gericht versuchen, sie vor der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen. Gelingt dies nicht, hat es die Auslieferung für unzulässig zu erklären (vgl Göth-Flemmich in WK 2 ARHG Vor §§ 10-25 Rz 7; Murschetz , Auslieferung und Europäischer Haftbefehl 189, 295 f).

Diesen Prüfkriterien entspricht der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b, nicht.

Das Oberlandesgericht hat vorliegend das Risiko „einer menschenrechtswidrigen Behandlung des Beschwerdeführers“ (erkennbar im Sinn des Art 3 MRK) als (nur) dadurch ausreichend herabgesetzt erachtet, dass es den ersuchenden Staat zur Einhaltung bestimmter (im Spruch ersichtlicher) Verfahrensgarantien „als Bedingung für den Fall der Auslieferung“ verpflichtete (BS 1 f und 14).

Eine Erklärung der Zulässigkeit der Auslieferung setzt aber als Ergebnis der Prüfung das Nichtvorliegen von Auslieferungshindernissen voraus. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Auslieferung an die Bedingung zu knüpfen, dass sich die Russische Föderation in Bezug auf die betroffene Person in Zukunft konventionskonform verhält, widerspricht § 33 Abs 1 und 3 ARHG iVm Art 3 und 6 MRK.

Auf eine diplomatische Zusicherung darf übrigens nur dann vertraut werden, wenn sie geeignet ist, die Gefahr für die betroffene Person zu beseitigen, sie muss aus Sicht des Gerichts verbindlich und verlässlich sein (vgl Göth Flemmich in WK 2 ARHG Vor §§ 10 25 Rz 7).

Wenn objektive Quellen von der Anwendung oder Tolerierung von Praktiken berichten, die den Prinzipien der Konvention entgegenstehen, sind diplomatische Zusicherungen generell nicht ausreichend, um adäquaten Schutz vor Folter oder Misshandlung der ausgelieferten Person zu gewährleisten (EGMR 20. 5. 2010, 21055/09, Khaydarov/Russland ; vgl auch Göth-Flemmich in WK 2 ARHG Vor §§ 10 25 Rz 8). In diesen Fällen schließt es die allgemeine Menschenrechtslage im Empfangsstaat bereits von vornherein aus, irgendeine Zusicherung zu akzeptieren. Sonst wird die allgemeine Lage in einem Land selten dazu führen, dass einer Zusicherung gar kein Gewicht zugemessen werden kann (vgl EGMR 17. 1. 2012, 8139/09, Othman [ Abu Qatada ]/ Vereinigtes Königreich ).

Mit der Erwägung des Oberlandesgerichts, im Fall der Nichteinhaltung der Bedingungen wäre die Verlässlichkeit von Zusicherungen des ersuchenden Staats in Auslieferungsverfahren derart in Frage gestellt, dass künftig Auslieferungen als unzulässig eingestuft werden müssten, wird eine Dr. Anatoly R***** allenfalls betreffende Gefahr einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung im Empfangsstaat nicht ausgeräumt.

Die Ausführungen zur verfehlten Verknüpfung des Ausspruchs der Zulässigkeit der Auslieferung mit Bedingungen gelten, wie angemerkt sei, auch für den vom Oberlandesgericht unbeanstandet gelassenen Spruch des Erstgerichts, soweit er die Auslieferung des Dr. Anatoly R***** unter der Bedingung der Nichtverhängung der Todesstrafe für zulässig erklärt. Nach Art 11 des im Verhältnis zur Russischen Föderation zur Anwendung gelangenden Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (BGBl 320/1969) und des dazu erklärten Vorbehalts Österreichs (vgl auch § 20 Abs 1 ARHG) kann die Auslieferung abgelehnt werden, sofern nicht der ersuchende Staat eine vom Gericht ( Göth-Flemmich in WK 2 ARHG § 33 Rz 9) als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, dass die Todesstrafe nicht ausgesprochen wird. Die der Zulässigerklärung zugrunde gelegte Zusicherung der Russischen Föderation wurde vom Erstgericht in der Begründung zu Recht als ausreichend erachtet, weil dem Ausspruch der Todesstrafe im ersuchenden Staat bereits rechtliche Hindernisse, und zwar Art 59 Abs 2 Punkt 1 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation, entgegenstehen. Die Beifügung der Bedingung im Spruch trägt der Einschätzung der Zusicherung als ausreichend aber nicht Rechnung.

Da eine Benachteiligung der betroffenen Person durch die aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht ausgeschlossen werden kann, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Falls das Beschwerdegericht im Zusammenhang mit besorgniserregenden Zuständen im Bereich des Strafvollzugs auch im neuen Verfahren auf eine diplomatische Zusicherung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation abstellt, wird zu beachten sein, dass eine solche Zusicherung nur dann der Beseitigung einer Gefahr dienen kann, wenn die genannte Behörde die Möglichkeit hat, den Staat zu binden, wenn es etwa in ihre Kompetenz fällt, den Vollzug in einer konkreten, den Vorschriften der MRK entsprechenden Strafvollzugsanstalt anzuordnen (vgl zur Zulässigkeit einer diplomatischen Zusage als ausreichendes Schutzinstrument die im Verfahren Othman [ Abu Qatada ]/ Vereinigtes Königreich dazu herausgearbeiteten Beurteilungskriterien des EGMR, dargestellt von Schneider , EuGRZ 2014, 174).

Mit seinem gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts gerichteten Erneuerungsantrag war Dr. Anatoly R***** auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verweisen (RIS-Justiz RS0126458).

Soweit der Antragsteller auch die in der Auslieferungssache ergangene Entscheidung des Bundesministers für Justiz, also keine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung kritisiert, verfehlt er den gesetzlichen Bezugspunkt (§ 363a Abs 1 StPO).

Mit Blick auf die Kompetenznorm des § 362 Abs 5 StPO hat der Oberste Gerichtshof zwar mit Beschluss vom 9. März 2015, 13 Os 27/15t-8, die Befugnis in Anspruch genommen, den Vollzug der mit Erneuerungsantrag bekämpften Entscheidung des Oberlandesgerichts zu hemmen. Ein diesbezügliches Antragsrecht kommt der betroffenen Person aber nicht zu (RIS-Justiz RS0125705).

In diesem Umfang waren die Anträge des Dr. Anatoly R***** daher als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Blick auf die Frage allfälligen Auflebens der in § 29 Abs 6 erster Satz ARHG normierten Höchstfrist der Auslieferungshaft von einem Jahr ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit der Auslieferung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 29 ARHG keine Voraussetzung für die Auslieferungshaft bildet (RIS-Justiz RS0120452). Weder durch die Aufhebung des Beschlusses auf Zulässigerklärung der Auslieferung durch den Obersten Gerichtshof noch durch die vom Bundesministerium für Justiz für diesen Fall bereits in Aussicht genommene Aufhebung der Bewilligung durch den Bundesminister für Justiz leben die in § 29 Abs 5 und Abs 6 ARHG normierten Fristen wieder auf (vgl für den Bereich der Untersuchungshaft RIS-Justiz RS0098035; Kirchbacher/Rami , WK StPO § 178 Rz 7; § 29 Abs 1 zweiter Satz ARHG).

Die Auslieferungshaft bleibt aber weiterhin durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 29 Abs 1 ARHG iVm § 173 Abs 1 StPO) begrenzt. Auch das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) ist unverändert zu beachten. Sollte die Auslieferung rechtskräftig für unzulässig erklärt werden, ist die Auslieferungshaft aufzuheben.

Rechtssätze
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