JudikaturJustiz13Os179/01

13Os179/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marcello Aldo Sp***** und Hannelore Sp***** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4. September 2001, GZ 10 Vr 636/99-148, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurden Marcello Aldo Sp***** und dessen Mutter Hannelore Anita Sp***** des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 2 erster Fall StGB als Beitragstäter nach § 12 - zweiter oder (auch) dritter - Fall StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie mit dem Vorsatz, dass die Frauen in F***** gewerbsmäßige Unzucht treiben, Franz R***** durch Auffordern bestimmt, insgesamt sieben namentlich genannte Frauen rumänischer Staatsangehörigkeit unter dem Vorwand, sie würden als Tänzerinnen beschäftigt, zu verleiten, sich im Sommer und Herbst 1999 nach Österreich zu begeben, oder dazu beigetragen.

Die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten verfehlen - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme im Ergebnis zutreffend darlegt - ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Soweit Feststellungen nur die Art strafbarer Beteiligung nach § 12 StGB betreffen, ist - nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung - ein Anspruch auf präzise "Urteilswahrheit" nicht gegeben. Ist doch die Einordnung einer Tat unter die richtige Täterschaftsform aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO nicht anfechtbar und § 314 Abs 1 StPO als Sonderbestimmung nur im Verfahren vor dem Geschworenengericht beachtlich (EvBl 1999/27; 13 Os 67, 68/99; EvBl 2001/75; treffend:

Fuchs AT I4 306 f und Fabrizy WK2 § 12 Rz 120 ff; aM Kienapfel/Höpfel AT I9 E 2 Rz 47). Solche Feststellungen berühren demnach keine für Strafbarkeit oder Subsumtion entscheidende Tatsache und sind folgerichtig einer Anfechtung mit Mängelrüge nach Z 5 entrückt (hier: Einordnung des geleisteten Beitrags zu den Taten des Franz R*****). Für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage gleichermaßen unerheblich (Z 5) ist es, ob die "Bestellung" noch vor Täuschung und Einreise der einzelnen Frauen erfolgte, weil bei strafbaren Handlungen mit überschießendem Vorsatz ein Tatbeitrag bis zu dem als materielle Vollendung bezeichneten Zeitpunkt, in dem das über die formale Vollendung hinaus gewollte einzutreten beginnt, geleistet werden kann (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 94, 30 f, Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 134, Leukauf-Steininger Komm3 § 12 RN 48, F/F StGB7 § 217 Rz 10, Schick, ÖJZ 1984, 475; Jescheck/Weigend5 518 f, 692 ff; EvBl 1967/188, 1970/336; 1972/154; aM Kienapfel/Schmoller BT III § 217 Rz 65; Triffterer AT2 385 f; kritisch auch Fuchs AT I4 277 f). Dass der Beitrag der Angeklagten erst nach Aufnahme der gewerbsmäßigen Unzucht durch die zur Einreise verleiteten Frauen geleistet wurde und damit bei der Beeinträchtigung des von § 217 Abs 2 StGB geschützten Rechtsgutes nicht mehr ins Gewicht gefallen wäre, behauptet die Beschwerde nicht (vgl Fuchs AT I4 203 f). Ein Textverständnis, demzufolge § 12 dritter Fall StGB, der auf einen Beitrag "zur Ausführung" abstellt, zwar auch, aber nicht nur eine Ausführungshandlung des unmittelbaren Täters in den Blick nimmt, liegt durchaus innerhalb des Wortsinns der Vorschrift (§ 1 StGB). Der Mängelrüge (Z 5) konnte daher insgesamt kein Erfolg beschieden sein. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist ausdrücklich bloß auf die "technische" bzw "formale" Vollendung der geförderten Taten hin und führt kein Argument ins Treffen, warum jeder geleistete Beitrag zur Realisierung des vom Beitragstäter Gewollten nach dem Zeitpunkt, ab dem der unmittelbare Täter wegen der vollendeten Tat haftet, straflos sein soll. Solcherart sagt sie nicht deutlich und bestimmt, weshalb durch den bekämpften Ausspruch die Vorschrift des § 12 dritter Fall StGB unrichtig angewendet worden sei (zur Frage, wer iS des § 12 StGB die strafbare Handlung begeht, vgl im Übrigen EvBl 2000/162 = JBl 2001, 194 m Anm von Moos).

Während das Vorbringen der Angeklagten insoweit des erforderlichen Bezugs zu § 12 StGB entbehrt, nimmt die Kritik an angeblich fehlenden Feststellungen zu Täterwillen und Art des geleisteten Beitrags nicht Maß am Urteilssachverhalt (US 7). Schließlich werden jene Feststellungen nicht genannt, die nach Ansicht der Beschwerdeführer die konstatierte "Bestellung" erst zum Tatbeitrag gemacht hätten, und die - der Sache nach - begehrte Tatbestandseinschränkung nicht deutlich gemacht (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; zum Begriff des Tatbeitrags vgl SSt 61/115, zu dessen "Kausalität" Moos, Aktuelles zum Finanzstrafrecht 1996, 85 [102 f]).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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