JudikaturJustiz13Os138/16t

13Os138/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Georg F***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 31. August 2016, GZ 39 Hv 74/16s 47, sowie über deren Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg F***** (nach US 3 aufgrund eines offenkundigen Schreibfehlers [siehe US 7]: „mehrfach“) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 „und Abs 3 zweiter Fall“ SMG (II) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (I) schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** und W***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich THCA und THC-hältiges Cannabiskraut,

(I) sowie Kokain von Jänner 2014 bis 1. Juni 2016 durch Ankauf und späteren Konsum erworben und besessen;

(II) von September 2014 bis Mai 2016 in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 800 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt an THC von 4 % sowie 4.920 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt an THCA von 14,32 % und an THC von 1,09 %, in einer Vielzahl von Angriffen anderen – im Spruch des angefochtenen Urteils namentlich genannten – Personen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Nichtannahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG (im Schuldspruch II) wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Die Mängelrüge (nominell Z 5 erster und vierter, der Sache nach auch zweiter Fall) bekämpft deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) ausschließlich die Sachverhaltsannahme, es könne nicht festgestellt werden, dass es dem Angeklagten darauf ankam, „bei jedem Verkauf durch den wiederkehrenden Suchtmittelverkauf ein nicht bloß geringfügiges Einkommen von zumindest mehr als € 400,-- zu erzielen“ (US 5). Wie die Beschwerde selbst einräumt, wird damit jedoch keine entscheidende Tatsache ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 399) angesprochen. Denn sowohl für die Schuld- als auch für die Subsumtionsfrage ist weder von Bedeutung, ob der Angeklagte „bei jedem einzelnen Verkauf“, noch, ob er durch wiederkehrende Tatbegehung insgesamt ein 400 Euro übersteigendes Einkommen zu erzielen beabsichtigte. Als „nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen“ (vgl zu diesem Begriff Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 10 ff), auf dessen Erzielung die Absicht des Täters für die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung (§ 70 Abs 1 StGB) unter anderem gerichtet sein muss, ist vielmehr ein solches anzusehen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt (§ 70 Abs 2 StGB).

Allerdings hat das Erstgericht auf Feststellungsebene – unmissverständlich – nicht nur („insbesondere“) den oben erwähnten Umstand, sondern auch die „gewerbsmäßige Absicht“ des Angeklagten (die es für „nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit“ erweislich hielt) in Gänze verneint (US 5, 6).

Über dieses – aus Z 5 unbekämpft gebliebene – Feststellungssubstrat, das der angestrebten rechtlichen Konsequenz jedenfalls entgegensteht, setzt sich die Feststellungsmängel zu Tatbestandselementen des § 70 StGB reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10) hinweg. Damit verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Im Übrigen verlangt die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG – von der Rüge vernachlässigt – ua die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung (nicht von „Suchtmittelverkauf“ schlechthin, sondern) von Taten nach § 28a Abs 1 SMG, also solchen Taten längere Zeit hindurch ein den Voraussetzungen des § 70 Abs 2 StGB entsprechendes Einkommen zu verschaffen, die (nicht bloß insgesamt, sondern) jeweils in Bezug auf eine (allenfalls durch sukzessive Tatbestandsverwirklichung mit entsprechendem Additionsvorsatz – RIS Justiz RS0124018) die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Suchtgiftquantität begangen werden (RIS Justiz RS0123909, RS0112225 [T11]; Fabrizy , Suchtmittelrecht 6 § 28a Rz 10; zum weiteren Tatbestandserfordernis einer vorangegangenen Verurteilung des Täters wegen einer Tat nach § 28a Abs 1 SMG [vgl US 4] siehe RIS Justiz RS0130966).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Bleibt anzumerken, dass die vom Erstgericht (zu Punkt II) angenommene Privilegierung nach § 28a Abs 3 (zweiter Fall) SMG nicht die Subsumtion berührt, sondern bloß den Strafrahmen reduziert (RIS Justiz RS0123175 [insbesondere T6]). Daher ist – worauf klarstellend ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 622 ff) hingewiesen sei – die Aufnahme dieser Bestimmung in den Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; vgl Lendl , WK StPO § 260 Rz 27) verfehlt. Sie zählt zu den von § 260 Abs 1 Z 4 StPO genannten Bestimmungen.

Rechtssätze
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