JudikaturJustiz12Os61/15k

12Os61/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Paul F***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michael Fr***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 13. Jänner 2015, GZ 152 Hv 175/14s 41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, des Angeklagten Michael Fr***** und seiner Verteidigerin Mag. Mace zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem Michael Fr***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Michael Fr***** wird für das ihm zur Last liegende Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Michael Fr***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch bereits in Rechtskraft erwachsene Schuld und Freisprüche der Angeklagten Paul F*****, Andre M***** und Slobodan P***** enthält, wurde Michael Fr***** (zu D./2./) des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. Juni 2014 in W***** versucht, Paul F***** vorsätzlich am Körper zu verletzen, indem er mit einer Eisenstange auf ihn einzuschlagen suchte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Michael Fr***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 10a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Sie ist teilweise im Recht.

Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider wurde die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tathandlung - insbesondere die Verwendung einer Eisenstange „in der Länge von ca 50 bis 75 cm und einem Durchmesser von 6 bis 7 cm“ (vgl US 13) mit den übereinstimmenden Aussagen des Angeklagten Paul F***** und des Zeugen Michael Y***** einwandfrei begründet (US 16). Warum es im Lichte mängelfreier Begründung einer noch eingehenderen Beschreibung der Eisenstange bedurft hätte, legt die Rüge nicht dar.

Dass in dem unmittelbar nach dem Vorfall aufgenommenen Polizeibericht „nichts über das Vorhandensein einer Eisenstange aufscheint“, blieb im Urteil nicht unberücksichtigt (US 18) und ist im Übrigen unerheblich, zumal sich das Einschreiten der Polizeibeamten laut Amtsvermerk auf die Befragung anwesender Personen und die Aufnahme von Lichtbildern der beschädigten Eingangstür beschränkte (ON 2 in ON 17 S 29 f und 35 f), womit eine bewusste „Nachschau“ der „intervenierenden Polizeibeamten“ in der Wohnung der Elisabeth S***** nach einer allenfalls vorhandenen Eisenstange nicht aktenkundig ist.

Die (aus Z 5 erster Fall) angefochtenen Feststellungen über die (als notwendige Verteidigung iSd § 3 Abs 1 StGB qualifizierten) Abwehrhandlungen des Paul F***** zunächst (um sich gegen einen Angriff des Angeklagten Michael Fr***** zu wehren) ein „Tritt gegen die Brust“ und dann (nach einem erneuten Versuch des Beschwerdeführers, mit der Eisenstange auf F***** einzuschlagen) ein „Faustschlag ins Gesicht“ (US 13) lassen an Deutlichkeit nichts vermissen. Den Umstand, dass die Abwehrhandlungen vom Angeklagten Paul F***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung zum Teil voneinander abweichend beschrieben wurden, haben die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung mitbedacht (US 15 f).

Soweit der Nichtigkeitswerber in weiterer Folge die Aussagen des Angeklagten Paul F***** sowie jene der Zeugen Michael Y***** und Elisabeth S***** einer eigenständigen Würdigung unterzieht, im Gegensatz dazu seine eigenen Schilderungen als „glaubwürdig“ bezeichnet und solcherart versucht, den festgestellten Tathergang in Frage zu stellen, bekämpft er die dem erkennenden Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Aus Z 10a ist ein Urteil nur dann nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht aber dazu keine Feststellungen getroffen hat. Nicht anders als im Fall von Rechts und Subsumtionsrügen (Z 9 und Z 10) ist somit Gegenstand der Diversionsrüge der Vergleich der im Urteil getroffenen Konstatierungen mit den Diversionskriterien. Hat das Gericht aus Sicht des Beschwerdeführers zu deren Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen, ist ein Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS Justiz RS0119091).

Diesen Kriterien wird die Rüge nicht gerecht, indem sie sich auch unter Missachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen des § 198 StPO (RIS Justiz RS0124801) darauf beschränkt, unter Behauptung weder festgestellter (US 14) noch aktenkundiger (siehe ON 2 in ON 17 S 33: „eine oberflächliche RQW mit Abschürfung[en]“) „erheblicher“ eigener Verletzungen des Beschwerdeführers eine „insofern als gering“ zu beurteilende Schuld zu reklamieren. Drüber hinaus legt sie nicht dar, weshalb trotz der vom Erstgericht zur Begründung der Nichtanwendung der Diversion herangezogenen Umstände (US 24) nämlich der mangelnden Verantwortungsübernahme des Angeklagten, die schon für sich allein einer Anwendung des 11. Hauptstücks der StPO entgegenstehen kann (RIS Justiz RS0116299, RS0126734; Schroll , WK StPO § 198 Rz 36/1 ff), und zweier früheren Diversionserledigungen, die ebenfalls geeignet sind, spezialpräventive Bedenken auszulösen (vgl Schroll , WK StPO § 198 Rz 39) fallbezogen dennoch eine diversionelle Maßnahme geboten sein sollte.

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Hingegen zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zutreffend auf, dass die Nichtannahme des Milderungsgrundes des bisherigen ordentlichen Lebenswandels (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) allein mit der Begründung, es hätte „bereits zwei diversionelle Erledigungen in der Vergangenheit“ gegeben (US 23), Nichtigkeit des Strafausspruchs zur Folge hat. Denn die Tatrichter bringen damit nichts anderes zum Ausdruck, als dass der Angeklagte schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, womit ihm ein gerichtlich strafbares Verhalten ohne gesetzlichen Schuldnachweis (Art 6 Abs 2 EMRK) nachteilig zugerechnet und solcherart beim Ausspruch über die Strafe eine für die Strafzumessung maßgebende entscheidende Tatsache offenbar unrichtig beurteilt wurde (vgl 12 Os 121/11b; Ratz , WK StPO § 281 Rz 713; siehe auch Ebner in WK 2 StGB § 34 Rz 6).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch aufzuheben sowie gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung war als

mildernd das Alter unter 21 Jahren, der bisherige ordentliche Lebenswandel und dass es beim Versuch geblieben ist, als

erschwerend hingegen kein Umstand zu werten.

Die nunmehr verhängte Sanktion von einem Monat Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Angeklagten.

Wie bereits vom Erstgericht war die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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