JudikaturJustiz12Os23/07k

12Os23/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nazmi S***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 2006, GZ 4 U 24/06v-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 2006, GZ 4 U 24/06v-24, mit dem vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. September 2005, GZ 9 Hv 121/05k-15, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, verletzt § 53 Abs 1 StGB und § 495 Abs 2 StPO. Dieser Beschluss wird im Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit - auch Schuldsprüche anderer Beschuldigter enthaltendem - Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. September 2005, GZ 9 Hv 121/05k-15, wurde Nazmi S***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB schuldig erkannt und nach § 84 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Das Urteil ist mit Ablauf des 3. Oktober 2005 in Rechtskraft erwachsen. Mit - auch einen Freispruch dieses Beschuldigten und einer weiteren Mitbeschuldigten enthaltenden - Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 2006, GZ 4 U 24/06v-24, wurde Nazmi S***** des am 18. März 2005 begangenen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt und der Vollzug erneut unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Unter einem fasste das Gericht den Beschluss, gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der mit dem angeführten Urteil des Landesgerichtes St. Pölten gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern. Das Urteil wurde mit Ablauf des 26. Juni 2006 rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 16. November 2006, GZ 4 U 24/06v-28, stellte das Bezirksgericht St. Pölten über Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten fest, dass das Urteil vom 22. Juni 2006 zur oben angeführten Entscheidung des Landesgerichtes St. Pölten im Verhältnis des § 31 StGB steht und setzte deshalb nach § 31a Abs 1 StGB unter nunmehriger Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten gemäß §§ 31, 40 StGB unter Beibehaltung der bedingten Strafnachsicht eine Freiheitsstrafe auf zwei Monate fest.

Den Beschluss vom 22. Juni 2006, mit dem vom Widerruf der im Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. September 2005 gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, aber die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, ließ das Bezirksgericht St. Pölten unberührt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 2006 verletzt - wie der Generalprokurator in der von ihm erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - das Gesetz.

Die vom Bezirksgericht St. Pölten angewandte Bestimmung des § 53 StGB regelt den Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe wegen einer während der Probezeit begangenen Straftat. Die dem Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 2006 zugrunde liegende Tat wurde am 18. März 2005 begangen, somit vor dem Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. September 2005, mit dem die widerrufene bedingte Strafnachsicht gewährt worden war. Dem Bezirksgericht St. Pölten kam demgemäß keine Entscheidungsbefugnis nach dieser Bestimmung zu. Da die beiden angeführten Verurteilungen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, erfolgte die vom Bezirksgericht St. Pölten mit Beschluss vom 16. November 2006, GZ 4 U 24/06v-28, vorgenommene nachträgliche Strafmilderung gemäß § 31a StGB zu Recht (vgl Ratz in WK2 § 31a Rz 4).

Hingegen wäre gemäß § 495 Abs 2 StPO dem Landesgericht St. Pölten die nach § 55 Abs 1 StGB zu treffende Entscheidung über einen allfälligen Widerruf der im Urteil vom 29. September 2005 gewährten bedingten Strafnachsicht zugekommen (vgl 14 Os 184/98, JBl 2000, 130; zuletzt 13 Os 107/06v; überholt daher 15 Os 46/90, EvBl 1990/166, 789). Weil sich dieser die Kompetenz des Landesgerichtes St. Pölten in Anspruch nehmende und vom Widerruf absehende Teil des Beschlusses des Bezirksgerichtes St. Pölten nur zum Vorteil des Nazmi S***** auswirkte, war insoweit lediglich die Gesetzesverletzung festzustellen.

Im Fall des Absehens vom Widerruf dauert nach § 55 Abs 3 StGB jede der zusammentreffenden Probezeiten bis zum Ablauf jener Probezeit, die zuletzt endet, jedoch nicht länger als fünf Jahre. Eine konstitutive Verlängerung der Probezeit durch ein Gericht sieht § 55 StGB nicht vor (RIS-Justiz RS0090596). Der vom Bezirksgericht St. Pölten erfolgte Ausspruch auf Verlängerung der im Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 29. September 2005 bestimmten Probezeit auf fünf Jahre gereicht dem Verurteilten somit zum Nachteil. In diesem Umfang war daher nicht nur die Gesetzesverletzung aufzuzeigen, sondern auch der die Verlängerung der Probezeit aussprechende Teil des angefochtenen Beschlusses zu beseitigen.

Rechtssätze
3
  • RS0107405OGH Rechtssatz

    24. April 2013·3 Entscheidungen

    Nach der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl 1996/762, geänderten Rechtslage kann die gesetzwidrige Nichtanwendung der §§ 31, 40 StGB schon vom Erstgericht - auf Antrag oder von Amts wegen - im Wege über das in § 410 StPO neue Fassung geregelte Verfahren zur Vermeidung eines tilgungsrechtlichen Nachteils für den Verurteilten (§ 4 Abs 4 TilgG) saniert werden, und zwar auch dann, wenn nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 a StGB hervorkommt, dass zu einer nachträglichen Strafmilderung (letztlich doch) kein Anlass besteht. In einem solchen Fall hat das Gericht (im kollegialgerichtlichen Verfahren der Dreirichtersenat - siehe § 13 Abs 3 neue Fassung beziehungsweise § 14 Abs 2 StPO) auszusprechen, dass auch unter Bedacht auf die erst nachträglich bekannt gewordene (oder übersehene), im Verhältnis des § 31 StGB stehende Verurteilung zu einer nachträglichen Milderung der spruchmäßig nunmehr als Zusatzstrafe zu deklarierenden Strafe kein Anlass besteht. Diesen Beschluss hat das Gericht gemäß §§ 2 Abs 1 Z 4 lit k, 3 Abs 1 und Abs 3 StRegG dem Strafregisteramt mitzuteilen. Eine Berichtigung des Strafregisters durch eine formlose Mitteilung im Sinne des § 5 Abs 1 StRegG kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht. Eine Berichtigung hat zur Voraussetzung, dass die im Strafregister enthaltenen Angaben über eine Verurteilung unrichtig sind, also die Eintragung nicht mit dem Entscheidungsinhalt übereinstimmt. Ist aber der dokumentierte Entscheidungsinhalt selbst unrichtig, so bedarf es zunächst der prozessordnungsgemäßen korrigierenden Entscheidung eines zuständigen Richters (eben § 410 StPO; sonst §§ 33, 292; §§ 353 ff oder §§ 363a ff StPO).