JudikaturJustiz12Os141/07p

12Os141/07p – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann N***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 6. Juni 2007, GZ 11 Hv 6/07y-76, sowie über die Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß §§ 50, 51 und 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Johann N***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (1), des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (zu ergänzen: § 81 Abs 1 Z 1) StGB

(2) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (3) schuldig erkannt. Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz - am 29. November 2006 in Pettenbach

1) Maria O***** dadurch, dass er eine Selbstladepistole Modell Makarov M (9 mm) gegen sie richtete, ihr gegenüber äußerte „jetzt erschieß' i di, du Krüppel du elendigs!" und sodann mit der Waffe einen Schuss in die Luft abgab, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2) dadurch, dass er in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand mit einer geladenen und entsicherten Selbstladepistole Modell Makarov M (9 mm) einen Schuss in Richtung der fünf bis zehn Meter von ihm entfernt stehenden Maria O***** abgab, unter besonders gefährlichen Verhältnissen, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der Maria O***** herbeigeführt, die nur dadurch vor Schaden bewahrt wurde, dass der Schuss sie verfehlte.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen diese Punkte des Schuldspruchs gerichteten - auf die Z 7, 9 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst eine Punkt 2 des Schuldspruchs betreffende Überschreitung der Anklage (§ 345 Abs 1 Z 7 StPO), weil die in der zugrunde liegenden Eventualfrage umschriebenen Sachverhaltselemente der Entfernung von fünf bis zehn Metern zwischen dem Tatopfer und dem Angeklagten sowie dessen Alkoholisierung im Tatzeitpunkt nicht Gegenstand des ursprünglichen, auf das Verbrechen des versuchten Mordes zielenden Anklagetenors waren und die Anklage in der Hauptverhandlung auf diese Punkte nicht ausgedehnt worden war. Damit orientiert er sich aber nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, der ausdrücklich auf den prozessualen Tatbegriff des § 267 StPO abstellt. Somit ist lediglich von Interesse, ob der bekämpfte Schuldspruch im von der Anklagebehörde geschilderten Lebenssachverhalt als historischem Geschehen Deckung findet. Dabei bilden Anklagetenor (§ 207 Abs 2 Z 2 StPO) und Begründung der Anklageschrift (§ 207 Abs 3 StPO), die gerade der Konkretisierung der näheren Tatumstände, maW der genaueren Abgrenzung des Prozessgegenstandes dient, eine Einheit (vgl Fabrizy, StPO9 § 262 Rz 1; Mayrhofer, WK-StPO § 207 Rz 9). Abgesehen davon, dass die Alkoholisierung des Angeklagten und dessen ungefähre Entfernung vom Opfer in der Begründung der Anklageschrift ausdrücklich erwähnt werden (S 109 f/III), bezieht sich der von der Eventualfrage erfasste Sachverhalt einer Schussabgabe in Richtung auf Maria O***** auf die schon im Anklagevorwurf inkriminierte objektive und sich nur vom intendierten Ziel unterscheidende Tathandlung. Ob die Staatsanwaltschaft „den Tatvorwurf des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB" (iSd rechtlichen Kategorie) erhoben hat, ist demgegenüber unter dem Aspekt der behaupteten Nichtigkeit ohne Bedeutung.

Nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers sei der Wahrspruch überdies in sich widersprechend (Z 9 dritter Fall), weil die Geschworenen sowohl die Eventualfrage 3, derzufolge der Angeklagte „mit der Waffe einen Schuss in die Luft", als auch die Eventualfrage 4, nach welcher er „einen Schuss in Richtung der fünf bis zehn Meter von ihm entfernt stehenden Maria O*****" abgab, bejahten. Soweit die Rüge nicht vom Wortlaut des Wahrspruches selbst ausgeht, sondern diesem eine bestimmte (für den Rechtsmittelwerber günstige, jedoch keineswegs zwingende) Bedeutung dahingehend unterstellt, dass aus der Bejahung der Eventualfrage 3 abzuleiten sei, der Angeklagte habe nicht in die Richtung des Tatopfers geschossen, und dabei auf Verfahrensergebnisse, insbesondere (isoliert herausgegriffene) Ausführungen des waffentechnischen Sachverständigen, rekurriert (S 443/III), ignoriert sie die Anfechtungsvoraussetzungen. Denn Mängel iSd Z 9 müssen aus dem Wahrspruch selbst hervorgehen. Aus dem Vergleich des Wahrspruchs mit anderen Ergebnissen des Beweisverfahrens können sie nicht abgeleitet werden (vgl RIS-Justiz RS0101005). Der Beschwerdeführer legt überdies nicht dar, weshalb die positive Beantwortung der beiden Eventualfragen zur Feststellung von Tatsachen geführt haben sollte, die sich nach den Denkgesetzen ausschließen und daher nebeneinander nicht bestehen können, was jedoch Voraussetzung für einen Nichtigkeit begründenden inneren Widerspruch wäre (vgl RIS-Justiz RS0101003, RS0100971). Die Formulierung „einen Schuss in die Luft ..." in der Eventualfrage 3 lässt nämlich die Möglichkeit offen, dass dieser Schuss in Richtung auf Maria O***** abgegeben wurde, das Projektil jedoch am Tatopfer vorbeistrich.

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) lässt über weite Strecken den im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt außer Acht und legt den (angestrebten) rechtlichen Schlussfolgerungen eigene Annahmen zugrunde. So ignoriert der - den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung betreffende - Einwand, wonach kein künftiges Übel angedroht wurde, die im Wahrspruch festgestellte Tatsache, wonach der Angeklagte dem Opfer gegenüber mit entsprechender Einschüchterungsabsicht äußerte: 'jetzt erschieß' i di, du Krüppel du elendigs!' und sodann mit der Waffe einen Schuss in die Luft abgab, womit ein derartiges bevorstehendes Übel im Sinne einer zwischen verbaler Ankündigung und denkbarer Ausführung liegenden zumindest kurzen Zeitspanne (vgl Schwaighofer in WK2 § 107 [2006] Rz 4) klar zum Ausdruck gebracht wurde.

Der Beschwerdestandpunkt, wonach das Tatopfer nachhaltig in Furcht und Unruhe versetzt werden muss, wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet, sondern erschöpft sich in einer bloßen Behauptung. Im Übrigen genügt ein objektiv(-individueller) Maßstab zur Beurteilung der Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen (vgl Jerabek in WK² [2006] § 74 Rz 33; Kienapfel/Schroll, BT I5 § 105 Rz 44).

Ob der Täter die Absicht hatte, beim Opfer einen das ganze Gemüt ergreifenden peinvollen Seelenzustand herbeizuführen, ist hingegen ausschließlich eine Frage des subjektiven Tatbestandes, somit der Täterperspektive (vgl Kienapfel/Schroll, BT I5 § 107 Rz 9; Schwaighofer in WK2 § 107 [2006] Rz 11). Wenn der Beschwerdeführer nunmehr behauptet, es habe ihm an der entsprechenden Absicht gemangelt, vielmehr habe er Maria O***** nur erschrecken wollen, entfernt er sich vom Wahrspruch, welcher die Erfüllung der subjektiven Tatseite durch die Bejahung der Eventualfrage 3 eindeutig feststellte.

Gleiches gilt für den Einwand, die inkriminierte Äußerung sei nicht als Drohung mit dem Tode, sondern „als milieubedingte Unmutsäußerung zu werten", lässt dieser doch die übrigen Tatmodalitäten unberücksichtigt, wobei insbesondere der Einsatz einer Schusswaffe die qualifizierte Besorgniseignung nachhaltig verstärkte (vgl 13 Os 32/06i; 15 Os 118/97).

Auch das im Hinblick auf Punkt 2 des Schuldspruchs erstattete Vorbringen, eine Alkoholisierung alleine könne die Voraussetzungen des § 81 Abs 1 Z 1 StGB nicht erfüllen, setzt sich bloß mit einer der Sachverhaltsannahmen auseinander und negiert die im Wahrspruch bezeichneten weiteren Umstände - nämlich die (geringe) Entfernung zwischen Täter und Tatopfer sowie die Schussabgabe in dessen Richtung - welche durch ihr Zusammentreffen iSd „Mosaiktheorie" (vgl Kienapfel/Schroll, BT I5 § 81 Rz 18; Burgstaller in WK² § 81 Rz 12) besonders gefährliche Verhältnisse begründen.

Mit der Behauptung, ein Rauschzustand sei nicht nachgewiesen, weil ua keine Untersuchung der Atemluft stattgefunden habe, entfernt sich die Rechtsrüge abermals von den im Wahrspruch zu findenden Konstatierungen und bekämpft die von den Geschworenen vorgenommene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Dies trifft schließlich auch auf die erneut bloß auf einen Teil der Ausführungen des waffentechnischen Sachverständigen (S 443/III) verweisende und eine konkrete Gefährdung in Frage stellende Argumentation zu, welche die im Wahrspruch festgehaltenen Tatsachen übergeht, denenzufolge der Schuss in Richtung des Tatopfers abgegeben wurde und dieses verfehlte, womit - der Ansicht des Rechtsmittelwerbers zuwider - eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zur Subsumtion nach § 89 StGB vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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