JudikaturJustiz12Os10/24y

12Os10/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2024 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin OKontr. Kolar in der Strafsache gegen * T* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. Dezember 2023, AZ 31 Bs 358/23h, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

* T* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit (im Schuldspruch rechtskräftige m [vgl 12 Os 41/23f]) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juli 2022, GZ 124 Hv 3/22b-687, wurde * T* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A./I./AA./ und A./II./AA./) sowie des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 Z 1, Abs 4 erster Fall StGB (B./I./) schuldig erkannt.

[2] Mit Beschluss vom 24. November 2023, GZ 124 Hv 3/22b-858, setzte das Landesgericht für Strafsachen Wien die über den Beschwerdeführer am 4. Dezember 2021 verhängte (ON 212) Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss keine Folge und bejahte das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO.

[4] Mit seiner Grundrechtsbeschwerde bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO.

[5] Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme von Haftgründen nach § 173 Abs 2 StPO nur dahin, ob sie aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich, demnach als nicht oder als offenbar unzureichend begründet, angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806, RS0118185; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 49).

[6] Die Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO leitete das Beschwerdegericht – auf Basis der rechtskräftigen Schuldsprüche – daraus ab, dass der Beschwerdeführer federführend an einem international strukturierten, professionell organisierten Cybertradingbetrug mitgewirkt hat, im Zuge dessen potentielle Anleger für vermeintlich lukrative Investitionsgeschäfte durch die Überweisung von teils beträchtlichen sechsstelligen Summen in einem Tatzeitraum von wenigen Monaten in einem insgesamt fünf Millionen Euro übersteigenden Betrag geschädigt wurden, in zahlreichen Angriffen einen betrügerisch erlangten Betrag von rund zwei Millionen Euro auf weitere seinem Zugriff unterliegende Bankkonten überwies und zum Nachteil mehrerer Versicherungsunternehmen in einer Vielzahl von Angriffen einen Versicherungsbetrug beging. Überdies verwies das Oberlandesgericht auf vier „im engsten Sinn einschlägige“ Vorstrafen des Beschwerdeführers, der die nunmehr abgeurteilten, über einen längeren Zeitraum gesetzten Taten bereits anlässlich seines letzten mehrjährigen Strafvollzugs plante und nach seiner letzten Haftentlassung zeitnah umsetzte (BS 23 f).

[7] Diesen Erwägungen setzt * T* bloß eigene – vom Beschwerdegericht im Übrigen ohnedies berücksichtigte (BS 25) – Schlussfolgerungen in Bezug auf seine familiäre Situation und seine geständige Verantwortung sowie die Beteuerung entgegen, nach Haftentlassung an einer Dissertation arbeiten zu wollen. Ein Begründungsgebrechen im oben dargelegten Sinn wird solcherart nicht aufgezeigt.

[8] Beim elektronisch überwachten Hausarrest (§ 173a StPO) handelt es sich um eine besondere Form des Vollzugs der Untersuchungshaft, nicht aber um ein diese substituierendes gelinderes Mittel. Da die Bedingungen des Vollzugs von Freiheitsentzug nicht in den Schutzbereich des GRBG fallen (RIS Justiz RS0122737 [T16], RS0123350 [T3]; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 54), kann die von der Beschwerde kritisierte Ablehnung des Begehrens, die Untersuchungshaft in Form des Hausarrests fortzusetzen, somit nicht mit Grundrechtsbeschwerde bekämpft werden (RIS Justiz RS0126401).

[9] Die weitwändigen Ausführungen über die insoweit nach Beschwerdeansicht vorliegende „Verfassungswidrigkeit der ständigen Rechtsprechung des OGH zu § 1 Abs 2 GRBG“ geben keinen Anlass, die kritisierte Judikatur in Frage zu stellen. Bleibt im Übrigen anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof jüngst einen von * T* gestellten Antrag auf Überprüfung des § 1 Abs 2 GRBG abgelehnt hat (vgl VfGH 28. 11. 2023, G 2150/2023).

[10] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rechtssätze
5
  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.