JudikaturJustiz11Os70/17d

11Os70/17d – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtshörerin cand. iur. Schwarzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nikola P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nikola P***** und Risto M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. Februar 2017, GZ 79 Hv 135/16h 68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten P***** und M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB Mitangeklagten Jürgen K***** enthält, wurden Nikola P***** und Risto M***** des Verbrechens des schweren Raubes – M***** nach § 12 zweiter Fall StGB – nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB, M***** schuldig erkannt.

Danach haben

I) Nikola P***** am 8. April 2016 in A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Marko Ma***** dem Hans und der Hildegard R***** mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Jagdmessers, fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld und nicht näher bekannte Fahrnisse mit dem Vorsatz wegzunehmen bzw abzunötigen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Marko Ma***** ein Messer gegen Hans R***** richtete, sie gemeinsam versuchten, in das Wohnhaus zu gelangen, wobei eine Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung des Genannten zur Folge hatte (Schnittverletzung im Bereich des Handrückens mit Teildurchtrennung der Strecksehnen zum III. und IV. Finger der linken Hand, Läsion bzw Teildurchtrennung des VII. Fingernervs im Bereich einer weiteren Schnittverletzung am Ringfinger der linken Hand) und die Tat lediglich aufgrund der Hilferufe der Hildegard R***** sowie der Nachbarin Christine May***** beim Versuch blieb;

II.) Risto M***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang April 2016 sowie am 8. April 2016 in V***** und A***** „Jürgen K***** zur Leistung von Aufpasserdiensten und Absicherung der Tat durch psychischen Tatbeitrag“ sowie Nikola P***** und den abgesondert verfolgten Marko Ma***** als unmittelbare Täter zu der unter Punkt I.) angeführten Tat bestimmt.

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten P***** und M*****, wobei P***** sein Rechtsmittel auf Z 4 und 5 und M***** seines auf Z 4, 5, 5a, 10 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:

Die Angeklagten P***** und M***** hatten im Verfahren einen Vorsatz in Richtung Nötigung und auf unrechtmäßige Bereicherung iSd § 142 StGB bestritten und sich dahin verantwortet, Hans R***** hätte bloß – im Hinblick auf dessen zurückliegende Differenzen mit M***** – eine körperliche „Abreibung“ erteilt werden sollen (ON 67 S 8 ff, 13 f).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der vom (gemeinsamen; ON 67 S 2) Verteidiger dieser Angeklagten gestellten Anträge (ON 67 S 23) auf

1./ Vernehmung des Igor S***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass er als Bankberater für M***** „eine Finanzierung über 700.000 Euro vorbereitet [...] und es daher kein finanzielles Motiv für einen Raubüberfall gegeben hat“,

2./ Vernehmung des Julian Ki***** als Zeugen zum Beweis dafür, „dass es sehr wohl massive Streitigkeiten gab, die heute vom Zeugen R***** in Abrede gestellt wurden“,

Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers P***** nicht verletzt.

Denn die Tatrichter gingen ohnehin davon aus, dass zwischen dem Initiator M***** und dem Tatopfer die von M***** dargestellten (zu 2./ unter Beweis zu stellenden) Differenzen und Streitigkeiten bestanden hatten (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO), zogen daraus bloß nicht die von den Antragstellern angestrebten Schlüsse betreffend den Tatplan (US 9).

Weshalb das Vorhandensein von legalen Möglichkeiten zur Abdeckung oder selbst das Fehlen eines Geldbedarfs geeignet sein sollten, einen (Raub )Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung auszuschließen und damit den Ausspruch über entscheidende Tatsachen zu beeinflussen, ließ der Antrag nicht erkennen (RIS-Justiz RS0118444).

Im Übrigen berührt das Tatmotiv für einen Raub weder die Schuldfrage noch den anzuwendenden Strafsatz (RIS-Justiz RS0088761) und können subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge nicht der Begründung eines Antrags auf Vernehmung eines Zeugen dienen (RIS Justiz RS0097540).

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS Justiz RS0099413).

Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).

Einen Urteilsmangel im dargestellten Sinn vermag die Mängelrüge (Z 5) mit dem Verweis auf eine isoliert hervorgehobene Passage der Depositionen des Zeugen R*****, wonach er keine „größeren Bargeldsummen wie etwa 10.000 Euro“ zu Hause aufbewahre (ON 67 S 18), nicht aufzuzeigen. Denn dieser Aussageteil wurde im Urteil nicht zitiert, sodass die behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) von vornherein ausscheidet. Im Übrigen hatte der Zeuge angegeben, zu Hause Schmuck, Bilder und Wandteppiche von gewissem Wert sowie gelegentlich höhere Bargeldbeträge von einigen Tausend Euro aufzubewahren.

Die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite, wonach ua der als Initiator der Tat in Erscheinung getretene Angeklagte M***** im Zuge von Renovierungsarbeiten im Haus des Opfers einen Tresor wahrgenommen und in der Folge mit den weiteren Beteiligten geplant hatte, unter Gewaltanwendung und Einsatz eines Messers ua Bargeld aus dem Tresor zu holen (US 5, 7, 11), wurden der Beschwerde zuwider willkürfrei (Z 5 vierter Fall) aus dem äußeren Tatgeschehen und den Angaben des Drittangeklagten K***** (ON 4 S 39 f in ON 55; ON 67 S 4) abgeleitet (US 8 f, 11).

Gleichfalls begründet der Umstand, dass die Tatrichter aus den Angaben des Mitangeklagten K***** im Ermittlungsverfahren zum gemeinsamen Tatplan und zur Tatausführung (ON 5 S 5, 7 in ON 55) andere Schlüsse in Bezug auf das bei der Tat eingesetzte Messer zogen (US 6, 8, 11) als der Beschwerdeführer, keine Urteilsnichtigkeit im angesprochenen Sinn (Z 5 vierter oder Z 5 letzter Fall).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) wird der Angeklagte M***** auf die entsprechende Erledigung des (inhaltsgleichen) Rechtsmittels des Angeklagten P***** verwiesen.

Der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen ist mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall), wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch“ – im Sinn einer logischen Unverträglichkeit – besteht (RIS Justiz RS0119089).

Dem Beschwerdeeinwand zuwider gingen die Tatrichter im Gesamtkontext gerade nicht davon aus, dass die Sachgewalt ohne den Einsatz von Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erlangt werden sollte (US 5 ff, 9, 11), sodass auch kein entscheidende Tatsachen (zur Abgrenzung zwischen § 129 Abs 2 Z 2 StGB und § 142 StGB) betreffender Widerspruch (Z 5 dritter Fall) innerhalb der Feststellungen zur beabsichtigten Verwendung – im Bedarfsfall – (auch) des Messers besteht.

Ebensowenig erweisen sich die Urteilsannahmen zur angestrebten (möglichst hohen) Raubbeute (Geld aus dem Tresor sowie Wertgegenstände; US 5, 7) aus den Angaben des Angeklagten K***** (US 8, 11; ON 67 S 4; ON 5 S 5 f in ON 55) als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall).

Die gegen die rechtliche Unterstellung der Tat auch unter die Qualifikation nach § 143 Abs 2 erster Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) erklärt mit der bloßen Berufung auf eine Fundstelle im Schrifttum ( Eder-Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 24) nicht (RIS Justiz RS0117321), weshalb im konkreten Fall „aktive oder passive Abwehrbewegungen“ des Hans R***** auf Grund eines „Losgehens“ eines der vermummten Täter auf ihn mit einem Messer der (objektiven und subjektiven) Zurechnung (iSd § 7 Abs 2 StGB; vgl RIS-Justiz RS0089377, RS0089140, RS0089230) des konkreten Verletzungserfolgs (iSd § 84 Abs 1 StGB), der aus „drei voneinander isolierten Einwirkungen und zum Teil auch aus den geschilderten Abwehrbewegungen“ resultierte (US 6 f), entgegenstehen sollten (vgl RIS Justiz RS0089267, RS0111354, RS0089377, RS0089140, RS0089230; Eder-Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 25; Leukauf/Steininger/Flora StGB 4 § 143 Rz 17a; Hintersteininger in SbgK § 143 Rz 32 f, 35).

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) erblickt in der erschwerenden Wertung des Umstands, dass der Beschwerdeführer zwei Beteiligte zur unmittelbaren Tatausführung und einen weiteren Beteiligten zu einem Tatbeitrag bestimmt und den Tatplan entwickelt hat (US 11), – wie schon die gesetzliche Statuierung eines eigenen Erschwerungsgrundes für bestimmte Fälle (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB), zeigt – zu Unrecht einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB.

Denn der Beschwerdeführer hat nicht bloß Nikola P***** und Marko Ma***** zur unmittelbaren Tatausführung (durch mehrere Täter) bestimmt, sondern sich nach den Feststellungen darüber hinaus (mehrfach) an der Tat (iSd § 12 dritter Fall StGB) beteiligt, indem er tatplangemäß – gemeinsam mit dem Angeklagten K***** – Chauffeur- und Aufpasserdienste leistete, während des Überfalls via Mobiltelefon und Head-Set eine permanente Gesprächsverbindung zu Ma***** unterhielt und zuvor auch den Angeklagten K***** zur Leistung eines Tatbeitrags angeworben hatte (US 5 ff, 9).

Bestimmungstäter iSd § 12 zweiter Fall StGB ist nämlich nur derjenige, der einen anderen vorsätzlich dazu veranlasst, eine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung unmittelbar vorzunehmen. Die vorsätzliche Veranlassung eines anderen (hier: K*****) zur Leistung eines sonstigen Tatbeitrags ist zwar keine Bestimmungshandlung, kann aber einen (indirekten) Tatbeitrag (iSd § 12 dritter Fall StGB) darstellen (RIS-Justiz RS0089665). Bei Beteiligung an derselben Tat sowohl durch Bestimmung als auch durch Leistung eines sonstigen Tatbeitrags geht die Beitragstäterschaft in der Bestimmungstäterschaft auf (RIS Justiz RS0113616), kann aber bei der Strafbemessung zusätzlich als erschwerend berücksichtigt werden (RIS Justiz RS0090381, RS0090975).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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