JudikaturJustiz11Os55/17y

11Os55/17y – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Dr. Sadoghi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jana L***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Jana L***** und Aren W***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 8. März 2017, GZ 27 Hv 62/16v 106a, sowie die Beschwerden des Aren W***** und der Staatsanwaltschaft gegen einen gemäß § 494a StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jana L***** zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG sowie mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A) und mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und vierter Fall SMG (C) und § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (D) sowie Aren W***** zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 fünfter Fall SMG sowie mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall SMG, § 15 StGB und § 12 dritter Fall StGB (B), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und vierter Fall SMG (C), nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (E/1) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (E/2) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 siebenter Fall SMG (E/3) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit (vom Schuldspruch [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] ausgehend) für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden relevant – in L***** und an anderen Orten

A/ Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Mengen anderen überlassen, wobei sie die Straftat nach § 28a Abs 1 SMG gewerbsmäßig begingen, und zwar

I/ Jana L***** und Aren W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Heroin (mit einem Reinheitsgehalt von ca 8,51 %; US 13) sowie Buprenorphin an unbekannte Abnehmer und

1/ von Anfang 2015 bzw Aren W***** von 25. Mai 2015 bis 30. Mai 2016 in zahlreichen Angriffen insgesamt 156 Gramm Heroin an Denis N*****;

2/ von Anfang Jänner 2016 bis zum 28. Mai 2016 in zahlreichen Angriffen insgesamt zumindest 34 Gramm Heroin an Marko S*****;

3/ im Zeitraum von April 2016 bis Ende Mai 2016 in fünf bis zehn Angriffen insgesamt zumindest 4,5 Gramm Heroin an Jan K*****;

4/ im Zeitraum von 29. April 2016 bis zum 17. Mai 2016 in vier Angriffen insgesamt 1.280 mg Buprenorphin an Patrick F***** und Bianca Mü*****;

II/ Aren W***** alleine an unbekannte und nachgenannte Abnehmer, unter anderem

1/ im Mai 2016 in mehreren Angriffen insgesamt 0,6 mg Buprenorphin an Farzad I*****;

2/ im Mai 2016 in mehreren Angriffen insgesamt 0,5 mg Buprenorphin an Aime Ny*****;

3/ im Zeitraum von 25. Mai 2015 bis zum April 2016 in vier bis sechs Angriffen insgesamt zumindest 4 g Amphetamin an David Sc*****;

4/ Ende Mai 2015 Methadon an Dragan Sp*****;

5/ von Herbst 2015 bis zum 30. Mai 2016 in zahlreichen Angriffen insgesamt zumindest 20 Stück Tramal (Tramadol) an Christian B*****;

III/ Jana L***** alleine im Oktober 2015 3 Gramm Amphetamin an Aren W*****;

B/ Aren W***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Terry O***** Anfang Mai 2016 zur vorschriftswidrigen Ein und Ausfuhr von Suchtgift beigetragen, indem er Denis N***** den Ankauf von ca 20 Gramm Heroin in den Niederlanden vermittelte und 600 Euro für den Ankauf von Heroin überweisen ließ, wobei die Ausfuhr nach Österreich aufgrund einer Kontrolle des deutschen Zolls beim Versuch blieb;

C/ Jana L***** und Aren W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken vorschriftswidrig Suchtgift

1/ erworben und besessen, und zwar am 30. Mai 2016 24,5 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 9,87 % Heroin;

2/ befördert, und zwar im Zeitraum von März 2016 bis Ende Mai 2016 von Marc Mo***** bei Mihailo C***** bei vier Beschaffungsfahrten in W***** angekauftes Heroin;

D/ Jana L***** alleine ausschließlich zum persönlichen Gebrauch vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, und zwar von Februar 2015 bis zum 30. Mai 2016 geringe Mengen Heroin und von zumindest Anfang 2015 bis Oktober 2015 Amphetamin und Cannabis bis zum Eigenkonsum;

E/ Aren W***** alleine vorschriftswidrig Suchtgift

1/ bis zur polizeilichen Sicherstellung am 30. Mai 2016 1,5 Gramm Heroin sowie 13 Stück Subutex á 8 mg (Wirkstoff Buprenorphin) und 9 Stück Subutex á 2 mg erworben und besessen,

2/ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch im Zeitraum von Dezember 2015 bis zum 30. Mai 2016 geringe Mengen Heroin sowie seit etwa Oktober 2015 bis zum 30. Mai 2016 Cannabis und Amphetamin bis zum Eigenkonsum erworben und besessen

3/ Jan K***** Subutex (mit dem Wirkstoff Buprenorphin) zum Kauf angeboten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 8 und 9 lit a StPO gestützten (inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Eine aus Z 3 beachtliche Verletzung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO liegt vor, wenn das Referat der (in den Entscheidungsgründen als erwiesen angenommenen) entscheidenden (somit für die Subsumtion [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] maßgeblichen) Tatsachen die Tat mangels hinreichender Individualisierung nicht von anderen (strafbarkeitsrelevanten) historischen Sachverhalten abgrenzt (RIS-Justiz RS0117435, RS0120334; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 272 f; Lendl , WK-StPO § 260 Rz 6 ff).

Soweit die Verfahrensrügen (Z 3) zu A/ monieren, dass sich dem Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO nicht entnehmen ließe, welche Mengen zum Eigenkonsum aufgewendet worden seien, und behaupten, dass deshalb auch die an andere Personen überlassenen Suchtgiftmengen unbestimmt geblieben seien, sprechen sie mit Blick auf im Spruch angeführte Verkaufsmengen von insgesamt 194,5 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 16,55 Gramm Heroin und 1.280 mg Buprenorphin keine für die Subsumtion entscheidende Tatsache an. Im Übrigen geht aus den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0116587) klar hervor, dass die für den Eigenkonsum aufgewendete Menge Heroin 132 Gramm betrug (US 22).

Da die zu A/I/ festgestellte Überlassung von Suchtgiften in einer das 6-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an andere die Schuldsprüche A/ zu tragen vermag (US 13 iVm 10 f), sprechen die Mängelrügen (Z 5) mit ihrer Kritik an davon unabhängigen Konstatierungen, etwa zum Eigengebrauch, Ankauf, zu Restmengen, zur Überlassung weiterer Suchtgifte oder zur Gesamtmenge der überlassenen Suchtgifte (US 23), keinen entscheidenden Aspekt an.

Die Ausführungen zum Ausmaß des Eigenkonsums, zur Suchtmittelgewöhnung und zum deshalb behaupteten Vorliegen der Voraussetzungen des § 28a Abs 3 SMG (Z 5 und 5a) beziehen sich nicht auf entscheidende Tatsachen (siehe aber RIS-Justiz RS0106268), weil das kumulativ erforderliche zweite Privilegierungserfordernis (Delinquenz vorwiegend zur Beschaffung von Suchtmitteln zum persönlichen Gebrauch; im Gegenstand ausdrücklich negiert – US 13 f, 20) nicht einmal erwähnt wird (11 Os 159/08d mwN, 12 Os 65/10s, 11 Os 60/14d ua).

Indem die Rügen eigene Beweiswerterwägungen anstellen, bezeichnen sie keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt.

Inwiefern die von ihm selbst konsumierte Menge an Suchtgift für die „Täterschaft“ des Angeklagten W***** entscheidend sein könnte, lässt die Mängelrüge offen.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS Justiz RS0115902).

Der Verweis der Tatsachenrüge des Angeklagten W***** auf das Vorbringen der Mängelrüge entspricht daher nicht der Strafprozessordnung.

Mit der Bezugnahme auf die Festellungen zur Suchtmittelgewöhnung, zum Eigenkonsum und zu Restmengen ist die Tatsachenrüge (Z 5a) der Angeklagten L***** auf die Antwort zur Mängelrüge zu verweisen.

Ob das Urteil die Anklage überschreitet, ist anhand des prozessualen Tatbegriffs zu beurteilen. Meinen Anklage und Urteil denselben Sachverhalt, dieselbe Tat, liegt Anklageüberschreitung nicht vor (RIS Justiz RS0113142). Die von den Beschwerdeführern unter dem Aspekt der Z 8 ins Treffen geführte Abweichung des Urteils bezüglich der von Mihailo C***** erworbenen Suchtgiftmenge stellt eine bedeutungslose (weil nicht subsumtionsrelevante) Modalität eines von Anklage und Urteil gleichermaßen umfassten Sachverhalts dar (vgl RIS Justiz RS0098487, RS0088302).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS Justiz RS0099810).

Daran orientiert sich die Rechtsrüge der Angeklagten L***** nicht, indem sie Feststellungen zur gesamt in Verkehr gesetzten Suchtgiftmenge vermisst (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), aber nicht darlegt, weshalb die festgestellte Überlassung von Suchtgift in einer das 6-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an andere (US 13 iVm 10 f) die Schuldsprüche A/ nicht tragen sollten und verfehlt damit die prozessförmige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes.

Der Verweis der Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten W***** auf das Vorbringen anderer Nichtigkeitsgründe entspricht – einmal mehr – nicht der Strafprozessordnung. Die auf das Übersteigen der Grenzmenge um das 10-fache abstellenden rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts wiederum sind nicht der Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit. Darauf bezogene Einwände der Rechtsrüge entziehen sich somit einer meritorischen Erwiderung. Ein Rechtsfehler läge nur dann vor, wenn der im Erkenntnis über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) zum Ausdruck kommende rechtliche Schluss aus dem gesamten Sachverhaltsubstrat des Urteils nicht ableitbar wäre (RIS Justiz RS0122721 [T1]). Dies wird von der Beschwerde nicht behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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