JudikaturJustiz11Os19/95

11Os19/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärerin Mag.Braunwieser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gertrud B***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 6.Juli 1994, GZ 11 Vr 544/92-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Privatbeteiligtenvertreters Mag.Wutti, der Angeklagten und des Verteidigers Dr.Lechner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gertrud B***** des Verbrechens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihr zur Last, am 21.Mai und 11.Juni 1991 in Steyr mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der V*****bank S*****, der Sparkasse S***** und der C*****, Filiale S*****, durch die Vorgabe, Verfügungsberechtigte über Spareinlagen der Maria K***** zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Realisierung von fünf, im Urteilsspruch näher bezeichneten Sparbücher der verstorbenen Maria K***** mit einer Gesamteinlage von 819.361 S und zur Auszahlung dieses Betrages an sie, somit zu Handlungen verleitet zu haben, die den Nachlaß nach Maria K***** bzw deren Erbin Mathilde Sch***** am Vermögen in der bezeichneten Höhe schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte Gertrud B***** mit einer auf die Gründe der Z 1, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch zur Gänze versagt:

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß der Vorsitzende des Schöffengerichtes aufgrund von Verfahrensergebnissen in der Hauptverhandlung vom 13. April 1994, denenzufolge die Angeklagte auch ein der Maria K***** gehöriges Sparbuch der C***** eingelöst haben soll, mit Beschluß vom 26. Mai 1994 (ON 34) die Eröffnung des betreffenden Sparkontos und die Ausfolgung der bezüglichen Unterlagen verfügt hat. Dadurch sei der Senatsvorsitzende als Untersuchungsrichter tätig geworden und daher gemäß § 68 Abs 2 StPO von der (weiteren) Mitwirkung an der Hauptverhandlung am 6.Juli 1994 (in welcher dieser Umstand auch gerügt worden sei; 401) ausgeschlossen gewesen.

Dieser Einwand versagt schon deshalb, weil der Vorsitzende des Schöffensenates nicht als Untersuchungsrichter sondern vielmehr auf Grund eines vom Staatsanwalt in der Hauptverhandlung (am 13.April 1994 gestellten Antrages (282) tätig geworden war. Der Umstand, daß das solcherart erzielte Erhebungsergebnis den öffentlichen Ankläger sodann zu einer Anklageausdehnung veranlaßte (399), vermag daran nichts zu ändern, beruht doch die Vorgangsweise des Schöffensenatsvorsitzenden auf der Bestimmung des § 254 Abs 2 StPO, die ihn ermächtigt, neben der amtswegigen Vorladung von Zeugen und Sachverständigen auch "andere Beweismittel" beizuschaffen.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor.

Nicht nur in der Rechts- (Z 9 lit a), sondern - prozessual verfehlt - auch in der Mängelrüge (Z 5) behauptet die Beschwerdeführerin das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz. Diese Beschwerdeausführungen übergehen aber den Urteilsinhalt, dem die vermißten Vorsatzkomponenten mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind. Das Erstgericht hat der Angeklagten unmißverständlich unterstellt, von der ihr fehlenden Verfügungsberechtigung über die gegenständlichen Sparbücher gewußt zu haben (US 7, 11, 12). Demnach erweist sich der Beschwerdeeinwand als urteilsfremd.

Soweit in der Rüge Feststellungsmängel zum Bereichungsvorsatz behauptet werden, ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß das angefochtene Urteil nach dem als Einheit zu verstehenden Zusammenhang von Spruch und Gründen auch zu diesem Tatbestandsmerkmal ausreichende Feststellungen enthält. Hat doch das Schöffengericht über den Urteilstenor hinaus auch in den Gründen des angefochtenen Urteils ausdrücklich angeführt, daß die Angeklagte in Kenntnis ihrer fehlenden Berechtigung die Sparbücher auflöste und sich die solcherart widerrechtlich erlangten Gelder zueignete (US 7, 11), womit ihr auf unrechtmäßige Vermehrung ihres Vermögens abzielender Vorsatz unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wurde.

Mit dem Vorwurf der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung wendet sich die Beschwerdeführerin in der Mängelrüge des weiteren gegen die Annahme, daß Maria K***** das (unter Punkt 3./ des Urteilssatzes bezeichnete) Sparbuch der C***** von Ing.Karl R***** geschenkt erhalten habe (US 5). Die in der Beschwerde hervorgehobene und im Urteil ohnedies berücksichtigte (US 13) Habgier (Geiz) des Ing.Karl R***** schließt aber eine Schenkung an seine Lebensgefährtin nicht als denkunmöglich aus. Im übrigen findet die bekämpfte Urteilsfeststellung nicht nur in der Aussage der Zeugin Anna T***** (268), sondern auch in den als erwiesen angenommenen Begleitumständen bei Anlegung dieses Sparbuches (US 12) ihre beweismäßige Deckung.

Nicht zielführend ist auch der Versuch der Beschwerdeführerin, aus den Angaben der vorgenannten Zeugin und der Mathilde Sch*****, denen gegenüber Ing.R***** den Besitz der gegenständlichen Sparbücher bestritten hatte (272, 286), eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe abzuleiten. Das Erstgericht ist vielmehr nach Würdigung der Beweisergebnisse zu der Überzeugung gelangt, daß die Angeklagte "schlechtgläubig" mit Ing.R***** "zusammengearbeitet" habe und deshalb ihrer leugnenden Verantwortung keine Glaubwürdigkeit zukomme (US 12). Diese für die Beschwerdeführerin ungünstigen, aber auf denkrichtigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhenden Schlußfolgerungen sind jedoch als Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen. Dies gilt auch für das der Angeklagten unterstellte Wissen um ihre fehlende Verfügungsberechtigung, welches das Schöffengericht - dem Beschwerdeeinwand einer unzureichenden Begründung zuwider - auf mehrere belastende Indizien gründen konnte (US 11). Die Beschwerdeführerin übersieht im übrigen, daß der Art der Aneignung der gegenständlichen Sparbücher durch Ing.R***** für die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens der Angeklagten keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Hiezu genügt der Hinweis auf die mängelfrei begründete Urteilsannahme, daß sowohl die Angeklagte als auch Ing.R***** vom Fehlen ihrer Verfügungsberechtigung über die gegenständlichen Sparbücher Kenntnis hatten, demnach bei deren Realisierung dolos handelten (US 7, 12). Ob die Angeklagte bei den Sparbuchbehebungen jeweils in Begleitung des Ing.R***** war, berührt gleichfalls keinen für den Schuldspruch wegen Betruges entscheidungswesentlichen Tatumstand.

Versagt somit die - formal verfehlt auch Feststellungsmängel relevierende - Mängelrüge, so entbehrt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil - wie bereits dargelegt - die vom Erstgericht getroffenen, in der Beschwerde jedoch übergangenen Feststellungen zur Beurteilung der subjektiven Tatseite ausreichen.

Mit ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die Beschwerdeführerin eine Tatqualifikation (bloß) in Richtung des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 (Abs 1 und) Abs 4 StGB mit der Begründung an, daß die rechtswidrige Aneignung der Sparbücher durch den Vortäter Ing.Karl R***** als Diebstahl zu beurteilen sei.

Diese Rechtsauffassung erweist sich als verfehlt. Die Beschwerdeführerin verkennt nämlich, daß Gegenstand eines Diebstahls nur Sachen sein können, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Tauschwert aufweisen bzw selbständige Wertträger sind. Anders als bei einem nicht vinkulierten (und damit als selbständiger Wertträger auch diebstahlsfähigen) Sparbuch, dessen Guthaben von jedermann frei und ohne Legitimationszwang behebbar ist, tritt bei einem durch Losungswort gesicherten Sparbuch, selbst wenn der Täter das Losungswort kennt, erst bei der Abhebung des Geldes ein Vermögensschaden ein, sodaß erst mit der (zumindest versuchten) Realisierung eines vinkulierten Sparbuches eine strafbare Handlung gegen fremdes Vermögen (durch Betrug bzw Betrugsversuch) in Frage kommt (Leukauf-Steininger StGB3 RN 10 a zu § 127 StGB; SSt 46/45; 53/18; 15 Os 108/90 ua). Wer daher ein vinkuliertes Sparbuch unter Angabe des Losungswortes vorlegt, um von einem Sparkonto abzuheben, weist damit nicht nur seine formelle Legitimation nach; dieses Verhalten schließt auch die stillschweigende Behauptung mit ein, zur Verfügung über die Spareinlage (materiell) berechtigt zu sein (EvBl 1994/29 = NRsp 1994/18). Nach Lage des Falles hat die Angeklagte durch Ausnützung ihrer (bloß) formellen Legitimation konkludent ihre - tatsächlich nicht gegebene - Verfügungsberechtigung über die Sparguthaben vorgetäuscht und solcherart die für die Auszahlung der Spareinlagen zuständigen Bankangestellten in Irrtum geführt, der für deren den Nachlaß nach Maria K***** am Vermögen schädigende Handlungen, nämlich die Auszahlung der Sparguthaben an die nichtberechtigte Angeklagte, ursächlich war. Dem Erstgericht ist demnach der behauptete Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gertrud B***** war daher zu verwerfen.

Aber auch die Berufung ist nicht im Recht.

Das Schöffengericht hat bei der Strafbemessung als erschwerend die Wiederholung der strafbaren Handlungen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das Wohlverhalten der Angeklagten seit der vor längerer Zeit begangenen Tat gewertet. Darüber hinaus bezog es in seine Strafbemessungserwägungen ein, daß der Angeklagten "die Verfügung über die Sparbücher durch den Geiz und den Haß des Ing. R***** auf die deutsche Verwandtschaft der Frau K***** ermöglicht wurde".

Auf der Basis dieser Strafbemessungsgründe verhängte es über die Angeklagte nach § 147 Abs 3 StGB gemäß § 43 a Abs 2 StGB an Stelle eines Teiles der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen und eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die es im Hinblick auf die unbedingte Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe setzte es eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen und die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 200 S fest. Außerdem wurde die Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Bezahlung des Betrages von 819.363 S an die Privatbeteiligte Mathilde Sch***** verurteilt.

Die Berufung der Angeklagten, mit welcher sie sowohl die Herabsetzung der (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe als auch die Reduktion der Anzahl der Tagessätze anstrebt, zeigt keine Umstände auf, die zu einer solchen Strafmilderung führen könnten. Das Schöffengericht hat vielmehr die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und sie auch ihrem Gewicht entsprechend gewürdigt. Für eine Strafreduktion bestand daher kein Anlaß.

Mit der Behauptung, die der Angeklagten zur Last liegende Straftat sei lediglich als Kurzschlußhandlung zu beurteilen, entfernt sich die Berufung von den gegenteiligen Urteilsannahmen.

Dies gilt im übrigen auch für die Berufungsausführungen gegen das Adhäsionserkenntnis. Mit dem Vorbringen nämlich, das Sparbuch der C*****, Zweigstelle S*****, mit der Sparbuch-Nummer 6092-50-1984 sei nicht Gegenstand einer Schenkung des Ing. R***** an Maria K***** gewesen, übergeht die Berufung die durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens gedeckte ausdrückliche (gegenteilige) Urteilsannahme, wonach dieses Sparbuch der Maria K***** von Ing. R***** im Krankenhaus am 26. März 1994 geschenkt wurde (US 5). Gegen den auf der Basis der Urteilsgrundlagen erfolgten Zuspruch, der somit auch im bekämpfte Umfang berechtigt erscheint, vermag die Berufung aber nichts ins Treffen zu führen.

Aus all diesen Erwägungen war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

Rechtssätze
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