JudikaturJustiz10ObS87/22z

10ObS87/22z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dora Camba (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Dr. Michael Rück, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, *, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2022, GZ 25 Rs 17/22v 49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin zog sich anlässlich eines Arbeitsunfalls am 29. April 2013 eine Schnittwunde im Bereich der Hohlhand und am Kleinfinger rechts mit Fremdkörpereinsprengung zu. Aufgrund der Folgen dieses Arbeitsunfalls wurde der Klägerin mit Urteil vom 23. November 2016 (AZ 46 Cgs 64/14d 41 des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht) zunächst eine Versehrtenrente als vorläufige Rente und ab 1. März 2015 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 25 % der Vollrente als Dauerrente gewährt. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrug im Zeitpunkt der Gewährung der Dauerrente aus medizinischer Sicht 25 % und erfuhr danach infolge Wegfalls des Karpaltunnelsyndroms und weitgehenden Abklingens des CRP-Syndroms eine Verbesserung, sodass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht seit 1. März 2020 nur noch 5 % beträgt.

[2] Mit Bescheid vom 13. Jänner 2020 entzog die Beklagte die gewährte Dauerrente ab 1. März 2020.

[3] Die Vorinstanzen verneinten übereinstimmend den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Versehrtenrente über den Zeitpunkt der Entziehung hinaus. Im Vergleich zu den vormaligen Verhältnissen hätten sich die Arbeitsunfallfolgen seit 1. März 2020 wesentlich gebessert und habe sich die kausale Minderung der Erwerbsfähigkeit seither erheblich verringert. Es sei daher eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iSd § 183 Abs 1 ASVG eingetreten, die eine Durchbrechung der Rechtskraft der die Dauerrentengewährung beinhaltenden Vorentscheidung rechtfertige.

[4] In der außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen für eine Neufestsetzung der Versehrtenrente nach § 183 ASVG nicht erfüllt seien und die Rechtskraft des die Dauerrente gewährenden Urteils der Entziehung entgegenstehe. Tatsächlich habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert, was durch die dem Rechtsmittel beiliegenden Urkunden belegt werde; allenfalls möge ein neues Sachverständigengutachten eingeholt werden. Hinzu komme, dass den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen sei, das sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch mehr als drei Monate um mindestens 10 % geändert habe.

Rechtliche Beurteilung

[5] Damit wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dargestellt.

[6] 1.1. Nach § 183 Abs 1 Satz 1 ASVG hat der Unfallversicherungsträger bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung einer Rente maßgebend waren, auf Antrag oder von Amts wegen die Rente neu festzustellen, das heißt zu erhöhen, herabzusetzen oder zu entziehen. Als wesentlich gilt eine Änderung der Verhältnisse unter anderem, wenn durch sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch mehr als drei Monate um mindestens 10 % geändert wird (§ 183 Abs 1 Satz 2 ASVG). Zum Vergleich dafür, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, ist der Tatsachenkomplex heranzuziehen, der jener Entscheidung zugrunde lag, deren Rechtskraftwirkung bei unveränderten Verhältnissen einer Neufeststellung der Rente im Wege steht (RS0084151; RS0084226).

[7] 1.2. Die Frage, wie weit die Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht gemindert ist, gehört dem Tatsachenbereich an (RS0113678; RS0086443; RS0043525; RS0088964 [T9]) und ist im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar (RS0043525 [T1]). Die Vorinstanzen legten ihrer Beurteilung zugrunde, dass aus medizinischer Sicht die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Gewährungszeitpunkt 25 % betrug und nunmehr seit 1. März 2020 5 % beträgt. Dabei handelt es sich nach dem Gesagten um dem Tatsachenbereich zuzuordnende Sachverhaltsannahmen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist.

[8] 1.3. Ausgehend davon ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, die Minderung der Erwerbstätigkeit habe sich um mehr als 10 % verändert und erreiche das rentenbegründende Ausmaß von 20 % seit 1. März 2020 nicht mehr, nicht zu beanstanden.

[9] 2.1. Mit der nicht näher begründeten Behauptung, die Voraussetzungen des § 183 Abs 1 ASVG würden entgegen der unrichtigen Ansichten der Vorinstanzen nicht vorliegen, legt die außerordentliche Revision nicht dar, aus welchen konkreten Gründen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig erscheint. Die weitere Behauptung der Klägerin, ihr Gesundheitszustand habe sich (nicht verbessert, sondern sogar) verschlechtert, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[10] 2.2. Soweit die Revisionswerberin Feststellungen zur Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch mehr als drei Monate um mindestens 10 % vermisst, ist sie auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen. Ausgehend von der festgestellten Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin und der nunmehrigen Minderung der Erwerbsfähigkeit seit 1. März 2020 von 5 % veränderte sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht somit um 20 %. Warum angesichts dieses – in der Revision nicht weiter strittigen – Sachverhalts unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Verfahren (3. November 2021; ON 31) die in § 183 Abs 1 Satz 2 ASVG genannte Dauer von drei Monaten nicht erfüllt sein soll, lässt sich dem Rechtsmittel nicht entnehmen.

[11] 3. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Rechtssätze
4