JudikaturJustiz10ObS104/07b

10ObS104/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Anton S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufrechnung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2007, GZ 8 Rs 77/07p 20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichtes Wien vom 23. Jänner 2007, GZ 22 Cgs 73/06w 16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1) Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es insgesamt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, von der Aufrechnung eines Überbezuges an vorzeitiger Alterspension in Höhe von EUR 46.837,91 ab 1. 2. 2006 in monatlichen Raten von jeweils EUR 713,17 auf die Pension des Klägers Abstand zu nehmen und dem Kläger die bereits einbehaltenen Beträge binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Begehren des Klägers auf Zahlung von 4 % Zinsen aus den einbehaltenen Beträgen wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen der Klagsvertreterin die mit EUR 1.144,13 (darin enthalten EUR 8, - Barauslagen und EUR 191,50 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen der Klagsvertreterin die mit EUR 818,98 (darin enthalten EUR 136,50 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2) Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem zunächst unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 7. 11. 2001 hat die beklagte Partei dem am 22. 4. 1941 geborenen Kläger eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab dem 1. 11. 2001 in der Höhe von damals brutto ATS 30.156, - (EUR 2.191,52) zuerkannt.

Mit Bescheid vom 23. 11. 2004 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass 1.) das Verfahren über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß den §§ 69 f AVG wieder aufgenommen und der seinerzeitige in Rechtskraft erwachsene Gewährungsbescheid vom 7. 11. 2001 aufgehoben und 2.) die vorzeitige Alterspension gemäß § 253b ASVG auf Grund der Pflichtversicherung am Stichtag nicht gebühre und der vom 1. 11. 2001 bis 31. 10. 2003 entstandene Überbezug von EUR 46.837,91 rückgefordert werde. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass auf Grund der GSVG Pflichtversicherung des Klägers ab 1. 11. 2001 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nicht gebühre. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen Punkt 1.) des Spruches binnen einem Monat ab Zustellung des Bescheides ein Einspruch bei der beklagten Partei und gegen Punkt 2.) des Spruches binnen drei Monaten ab Zustellung des Bescheides eine Klage beim zuständigen Arbeits und Sozialgericht eingebracht werden könne. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass über die Art der Rückzahlung bzw der Verrechnung des festgestellten Überbezuges später entschieden werde.

Während der Kläger gegen die im Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 ausgesprochene Abweisung des Anspruches auf vorzeitige Alterspension sowie die ebenfalls ausgesprochene Rückforderung eines entstandenen Überbezuges von EUR 46.837,91 trotz der erwähnten Rechtsmittelbelehrung keine Klage beim zuständigen Arbeits und Sozialgericht eingebracht hat, wurde seinem gegen Punkt 1.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 (Wiederaufnahme des Verfahrens über den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer) erhobenen Einspruch mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. 6. 2005 stattgegeben und festgestellt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die beklagte Partei nicht zu Recht erfolgt sei. In der Begründung führte die Behörde aus, dass der Kläger erstmals am 7. 9. 2002 von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft von einem Pflichtversicherungsverhältnis nach dem GSVG als geschäftsführender Gesellschafter der G***** GmbH ab 1. 2. 2001 verständigt worden sei und die beklagte Partei die vorzeitige Alterspension nicht nur auf Grund der Angaben des Klägers, sondern auch auf Grund der vorliegenden Auszüge des Hauptverbandes gewährt habe. Die „Erschleichung" eines Bescheides im Sinne des § 69 Abs 1 Z 1 AVG und damit die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension lägen daher nicht vor. Hingewiesen wurde darauf, dass die in Punkt 2.) des Bescheides ausgesprochene Rückforderung des Überbezuges nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens sei, weil es sich dabei um eine Leistungssache handle.

In der Folge beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 14. 7. 2005 bei der beklagten Partei die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs 1 Z 3 ASVG iVm § 357 Abs 1 ASVG hinsichtlich Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004. Mit Bescheid vom 30. 12. 2005 wies die beklagte Partei diesen Antrag des Klägers mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Rückforderung einer zu Unrecht erbrachten Sozialversicherungsleistung nicht von der Beseitigung der über die Leistung ergangenen Entscheidung abhänge und daher die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension keine Vorfrage für die Entscheidung über die Rückforderung des entstandenen Überbezuges sei.

Mit Bescheid vom 19. 6. 2006 gab der Landeshauptmann von Wien dem dagegen erhobenen Einspruch des Klägers statt und stellte fest, dass die Abweisung des Antrages des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens (zu Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004) nicht zu Recht erfolgt sei. In ihrer Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass es sich beim Punkt 1.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 um eine Vorfrage im Sinn des § 69 Abs 1 Z 3 AVG für den Punkt 2.) dieses Bescheides handle, da der rechtskräftige (und auch nicht durch Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG beseitigte) Gewährungsbescheid dem Rückforderungsanspruch entgegenstehe. Das gegenständliche Verfahren sei daher wieder aufzunehmen gewesen. Die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme hinsichtlich der rechtskräftigen Entscheidung über die Rückforderung des Überbezuges an Pensionsleistung durch die beklagte Partei sei somit nicht zu Recht erfolgt. Die Frage, ob die Rückforderung ohne vorherige Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig sei, sei von den Sozialgerichten zu entscheiden. Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 hat die beklagte Partei beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben, über die bisher noch nicht entschieden wurde.

Zwischenzeitig hatte die beklagte Partei dem Kläger mit Bescheid vom 21. 12. 2004 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab dem 1. 11. 2003 in der Höhe von EUR 2.231,35 monatlich zuerkannt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger zur AZ 23 Cgs 70/05k des Arbeits und Sozialgerichtes Wien Klage mit dem Begehren auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß bereits ab dem 1. 11. 2001. Das Arbeits und Sozialgericht Wien wies diese Klage mit Beschluss vom 29. 1. 2007 zurück. Das Oberlandesgericht Wien gab dem vom Kläger dagegen erhobenen Rekurs keine Folge (10 Rs 63/07v). Der Oberste Gerichtshof wies den vom Kläger dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zurück (10 ObS 98/07w).

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. 1. 2006 sprach die beklagte Partei aus, dass der vom Kläger zur Rückzahlung geschuldete Überbezug an vorzeitiger Alterspension in Höhe von EUR 46.837,91 ab dem 1. 2. 2006 in monatlichen Raten zu jeweils EUR 713,17 auf den laufenden Pensionsanspruch des Klägers aufgerechnet werde.

In der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er der beklagten Partei keinen Überbezug an vorzeitiger Alterspension zur Rückzahlung schulde, sodass die beklagte Partei gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Aufrechnung mit dem laufenden Pensionsanspruch besitze. Weiters begehrt der Kläger die Zahlung der ab dem 1. 2. 2006 in Abzug gebrachten monatlichen Aufrechnungsraten in der Höhe von jeweils EUR 713,17 samt 4 % an gestaffelten Zinsen. Er brachte unter Hinweis auf die beiden erwähnten Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 20. 6. 2005 und 19. 6. 2006 vor, dass der von der beklagten Partei vorgenommenen Aufrechnung jede Rechtsgrundlage fehle und er von der beklagten Partei keine Leistungen zu Unrecht empfangen habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Feststellung der Zulässigkeit der bescheidmäßig ausgesprochenen Aufrechnung. Sie verwies insbesondere darauf, dass der von ihr vorgenommenen Aufrechnung die mit Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 hinsichtlich eines Überbezuges von EUR 46.837,91 rechtskräftig festgestellte Rückzahlungsverpflichtung des Klägers zugrunde liege.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren und dem Leistungsbegehren des Klägers - mit Ausnahme der rechtskräftig gewordenen Abweisung des Zinsenbegehrens - statt. Nach seiner rechtlichen Beurteilung stelle der Landeshauptmann von Wien in der strittigen Verwaltungsrechtssache die letzte ordentliche Instanz dar, sodass das Wiederaufnahmeverfahren nunmehr rechtskräftig abgeschlossen sei. Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 19. 1. 2006 halte neuerlich die Aufrechnung betreffend eines Überbezuges von EUR 46.837,91 fest und ändere nur den Beginn der Aufrechnung (nun ab 1. 2. 2006). Auf Grund rechtskräftig entschiedener Sache sei davon auszugehen, dass der Kläger für den Zeitraum ab 1. 11. 2001 zu Recht eine vorzeitige Alterspension bezogen habe, weshalb ein Überbezug nicht entstehen habe können. Einer neuerlichen Aufrechnung für denselben Zeitraum stehe daher die Rechtskraft des früheren Bescheides, mit dem dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer zuerkannt worden sei, entgegen. Die von der beklagten Partei getätigten Einbehalte seien demnach nicht zulässig gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass es das Klagebegehren auf Feststellung der Unzulässigkeit der von der beklagten Partei ausgesprochenen Aufrechnung sowie auf Rückzahlung der im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Beträge von EUR 713,17 pro Monat ab 1. 2. 2006 samt gestaffelten Zinsen abwies und den Kläger schuldig erkannte, ab 1. 2. 2006 die Aufrechnung eines Betrages von monatlich EUR 713,17 zur Deckung eines rückgeforderten Überbezuges an vorzeitiger Alterspension von EUR 46.837,91 zu dulden. Nach seiner rechtlichen Beurteilung sei zwischen der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen (§ 107 ASVG) und der Aufrechnung (§ 103 ASVG) zu unterscheiden. Während in § 107 ASVG dem Versicherungsträger unter den dort normierten Voraussetzungen das Recht eingeräumt sei, mit dem Rückforderungsbescheid eine Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der zu Unrecht erbrachten Leistung zu schaffen, werde dem Versicherungsträger im § 103 ASVG nur die Möglichkeit der Aufrechnung auf die von ihm zu erbringende Geldleistung eingeräumt. Die beklagte Partei habe daher folgerichtig zunächst in Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 einen Überbezug von EUR 46.837,91 rückgefordert und damit eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers geschaffen. Da der Kläger gegen diese Entscheidung (trotz ausdrücklicher Rechtsmittelbelehrung) keine Klage erhoben habe, sei diese Rückzahlungsverpflichtung in Rechtskraft erwachsen. Auch die der beklagten Partei zwischenzeitlich mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 aufgetragene Wiederaufnahme des Verfahrens über Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 ändere nichts daran, dass die dort festgestellte Rückzahlungsverpflichtung jedenfalls bis dato von der beklagten Partei noch nicht aufgehoben worden sei. Es entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass auch der Grundsatz der materiellen Rechtskraft von Entscheidungen einer Auslegung des § 107 Abs 1 ASVG in der Richtung, dass die Rückforderung ohne Wiederaufnahme zulässig sei, nicht entgegenstehe. Daher beeinträchtige auch die rechtskräftige Abweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens über den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab dem 1. 11. 2001 (Punkt 1.) des Bescheides der beklagten Partei vom 23. 11. 2004) und damit die Rechtskraft des weiter bestehenden seinerzeitigen Gewährungsbescheides der beklagten Partei vom 7. 11. 2001 die Rechtskraft der festgestellten Rückforderungsverpflichtung nicht. Schließlich sei mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid entgegen der Ansicht des Erstgerichtes auch nicht „neuerlich" eine Aufrechnung ausgesprochen worden, da die beklagte Partei, wie bereits erwähnt, zunächst eine - unangefochten in Rechtskraft erwachsene - Rückzahlungsverpflichtung ausgesprochen und in der Folge mit dem nun verfahrensgegenständlichen Bescheid - erstmals - diese Rückzahlungsverpflichtung mittels Aufrechnung einbringlich gemacht habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV NF 3/9) nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen zu einer vergleichbaren Fallkonstellation im Bereich der „Nahtstelle" zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren noch nicht vorliegt. Sie ist auch berechtigt.

Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Klägers zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, soweit sie geltend machen, die von der beklagten Partei in ihrer Berufung erhobene Rechtsrüge wäre nicht gesetzmäßig ausgeführt worden. Im Wesentlichen macht der Kläger in seinem Rechtsmittel weiters geltend, der Bescheid der beklagten Partei vom 23. 11. 2004 gehöre in seinem vollen Umfang nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die im Punkt 1.) dieses Bescheides ausgesprochene Wiederaufnahme des Verfahrens über seinen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und Aufhebung des seinerzeitigen Gewährungsbescheides vom 7. 11. 2001 zufolge Einspruchsentscheidung des Landeshauptmannes von Wien vom 20. 6. 2005 für rechtswidrig erklärt worden und zu der im Punkt 2.) des Bescheides vom 23. 11. 2004 seinerzeit rechtskräftig ausgesprochenen Rückzahlungsverpflichtung die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt worden sei. Eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückzahlungsverpflichtung bestehe daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht mehr. Statt dessen gehöre der seinerzeitige Gewährungsbescheid vom 17. 11. 2001 weiterhin dem Rechtsbestand an. In die Rechtskraft dieser Entscheidung könne nur unter ganz bestimmten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen eingegriffen werden. Im Übrigen wären auch inhaltlich die Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch nach § 107 Abs 1 ASVG nicht erfüllt.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Gemäß § 103 Abs 1 Z 2 ASVG dürfen die Versicherungsträger auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen von Versicherungsträgern zu Unrecht erbrachte, vom Anspruchsberechtigten rückzuerstattende Leistungen, soweit das Recht auf Rückforderung nicht verjährt ist, aufrechnen. Die von der beklagten Partei im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. 1. 2006 gemäß § 103 Abs 1 Z 2 ASVG ausgesprochene Aufrechnung eines vom Kläger zur Rückzahlung geschuldeten Überbezuges an vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Höhe von EUR 46.837,91 setzt somit voraus, dass der Kläger den aufgerechneten Betrag gemäß § 107 Abs 1 ASVG zurückzuerstatten hat und das Recht auf Rückforderung nach § 107 Abs 2 ASVG nicht verjährt ist (vgl SSV NF 13/119; 5/4).

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zwischen der Frage der Zulässigkeit der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen (§ 107 ASVG) und der Frage der Zulässigkeit eine Aufrechnung (§ 103 ASVG) zu unterscheiden. Während dem Versicherungsträger in § 107 ASVG unter den dort normierten Voraussetzungen ganz allgemein das Recht eingeräumt ist, mit dem Rückforderungsbescheid eine Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der zu Unrecht erbrachten Leistung zu schaffen, wird dem Versicherungsträger im § 103 Abs 1 Z 2 ASVG nur die Möglichkeit der Aufrechnung dieser Leistungen auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen eingeräumt (vgl SSV NF 13/46). Es muss daher nach dem Gesagten auch für die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG zumindest einer der Rückforderungstatbestände nach § 107 ASVG vorliegen; liegt ein solcher nicht vor, ist die Aufrechnung zu unterlassen. Das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes nach § 107 ASVG kann daher vom Versicherten auch bei einer Aufrechnung bestritten werden. In diesem Fall besteht für den Versicherungsträger die Pflicht zur Erlassung eines Bescheides, mit dem das Vorliegen eines solchen Rückforderungstatbestandes bekämpfbar festgestellt wird (vgl Stolzlechner, Probleme des Irrtums im Leistungsrecht der Sozialversicherung, DRdA 1986, 288 ff [304]).

In diesem Sinne hat die beklagte Partei bereits mit Bescheid vom 23. 11. 2004 ausgesprochen, dass 1.) das Verfahren über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß den §§ 69 f AVG wieder aufgenommen und der seinerzeit in Rechtskraft erwachsene Gewährungsbescheid vom 7. 11. 2001 aufgehoben werde und 2.) die vorzeitige Alterspension gemäß § 253b ASVG auf Grund der Pflichtversicherung am Stichtag nicht gebühre und der vom 1. 11. 2001 bis 31. 10. 2003 entstandene Überbezug von EUR 46.837,91 rückgefordert werde (vgl zu dieser Vorgangsweise auch Schrammel, Rückforderung und Entziehung von zu Unrecht erbrachten Sozialversicherungsleistungen, ZAS 1990, 73 ff [80 f]). Verfügt der Sozialversicherungsträger - wie im vorliegenden Fall - die Wiederaufnahme von Amts wegen und erlässt er zugleich einen neuen Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren (§ 70 Abs 1 AVG), so kann sich der Versicherte zum einen gegen die Verfügung der Wiederaufnahme wenden, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen, zum anderen aber (auch) den neuen Sachbescheid bekämpfen. Für beide Varianten ist der Rechtsschutz unterschiedlich gestaltet: Gegen die Verfügung der Wiederaufnahme steht ein administrativer Instanzenzug (mit anschließender Beschwerdemöglichkeit beim Verwaltungsgerichtshof bzw Verfassungsgerichtshof) offen, während der neue Sachbescheid durch Klage beim Arbeits und Sozialgericht außer Kraft gesetzt werden kann (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995] 583 mwN). Es hat daher eine strenge verfahrensrechtliche Trennung der bescheidmäßigen Verfügung der Wiederaufnahme als Verwaltungssache von dem darauf basierenden neuen Leistungsbescheid zu erfolgen (Oberndorfer/Muzak in Tomandl, SV System 19. Erg Lfg 673). Es entspricht nunmehr weitgehend einhelliger Auffassung, dass die Entscheidung über die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch dann eine Verwaltungssache im Sinn des § 355 ASVG ist, wenn es sich bei dem hievon betroffenen Verfahren - wie im vorliegenden Fall - um eine Leistungssache handelt (SSV NF 4/54; 1/58 mwN) und die Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme durch den Sozialversicherungsträger vom Leistungsempfänger durch Einspruch an den Landeshauptmann selbständig angefochten werden kann (Schrammel aaO ZAS 1993, 81 mwN ua). Der Landeshauptmann hat darüber zu befinden, ob ein Wiederaufnahmsgrund vorliegt. Bejaht er das Vorliegen, so hat er die Verfügung der Wiederaufnahme zu bestätigen; kommt er zur Auffassung, dass kein Wiederaufnahmsgrund vorliegt, so hat er den angefochtenen Bescheid zu beheben. Die Behebung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides hat nach der von Schrammel aaO ZAS 1993, 81 und Fink, Die sukzessive Zuständigkeit aaO 592 f vertretenen Rechtsansicht zur Folge, dass der durch die Verfügung der Wiederaufnahme außer Kraft getretene Erstbescheid wieder in Kraft tritt und dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Zweitbescheid (neuer Leistungsbescheid) die rechtliche Grundlage entzogen wird und ihm daher keine rechtliche Wirkung mehr zukommt.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger gegen die von der beklagten Partei in ihrem Bescheid vom 23. 11. 2004 verfügte Wiederaufnahme einen Einspruch an den Landeshauptmann von Wien erhoben, während er den von der beklagten Partei gleichzeitig erlassenen neuen Sachbescheid (Leistungs und Rückforderungsbescheid) nicht durch Klage beim Arbeits und Sozialgericht bekämpft hat. Eine solche Vorgangsweise wäre eigentlich nur dann sinnvoll, wenn der Betroffene nur die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme, nicht jedoch auch die Richtigkeit des neuen Sachbescheides in Frage stellt (vgl Fink, Die sukzessive Zuständigkeit aaO 592). Der Landeshauptmann von Wien hat dem vom Kläger gegen die Wiederaufnahme erhobenen Einspruch mit Bescheid vom 20. 6. 2005 stattgegeben und festgestellt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die beklagte Partei mangels Vorliegens eines tauglichen Wiederaufnahmsgrundes nicht zu Recht erfolgt ist. Das Sozialgericht, dem die Beurteilung der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme als Vorfrage entzogen ist (vgl SSV NF 9/16 mwN), ist an diese rechtskräftige Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien gebunden. Im Sinne der zitierten Ausführungen von Schrammel aaO ZAS 1993, 81 und Fink, Die sukzessive Zuständigkeit aaO 592 wäre daher davon auszugehen, dass durch diese Behebung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides der beklagten Partei vom 23. 11. 2004 auch dem in diesem einheitlichen Bescheid enthaltenen neuen Sachbescheid (Leistungs und Rückforderungsbescheid) die rechtliche Grundlage entzogen worden sei und somit insbesondere ein rechtskräftiger Bescheid über das Bestehen eines Rückforderungstatbestandes beim Kläger im Sinn des § 107 ASVG nicht mehr vorliege.

Dem gegenüber wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung einer Pensionsleistung und die Geltendmachung des Rückersatzes um zwei verschiedene Entscheidungen handle, welche gesondert in Rechtskraft erwachsen, weshalb von dem Wegfall des Ausspruches über die Wiederaufnahme des Verfahrens die im angefochtenen Bescheid (auch) enthaltene Entscheidung über die Geltendmachung des Rückersatzes nicht betroffen sei (vgl SSV NF 2/29; 13/126).

Es muss hier zu dieser Frage nicht abschließend Stellung genommen werden, weil im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen ist, dass mit dem weiteren Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 auch dem Wiederaufnahmsantrag des Klägers hinsichtlich des zu Punkt 2.) des Bescheides der beklagten Partei vom 23. 11. 2004 erlassenen neuen Sachbescheides (neuer Leistungs und Rückforderungsbescheid) stattgegeben wurde. Dies ergibt sich eindeutig aus den den Spruch tragenden Gründen des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 (vgl VwSlg 10.455 A/1981). Dieser der Wiederaufnahme stattgebende Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 setzte den in Punkt 2.) des Bescheides der beklagten Partei vom 23. 11. 2004 enthaltenen neuen Leistungs und Rückforderungsbescheid nach herrschender Ansicht jedenfalls außer Kraft, weil der Vorbescheid bereits durch die Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme und nicht erst durch einen neuen Sachbescheid beseitigt wird (vgl Fink, Die sukzessive Zuständigkeit aaO 585 ff mwN). An der Bindung des Sozialgerichtes an diesen rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. 6. 2006 über die Bewilligung der Wiederaufnahme vermag auch der Umstand, dass von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, nichts zu ändern (vgl SSV NF 13/33 mwN).

Es wurde bereits am Beginn der rechtlichen Ausführungen des erkennenden Senates darauf hingewiesen, dass die von der beklagten Partei im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. 1. 2006 gemäß § 103 Abs 1 Z 2 ASVG ausgesprochene Aufrechnung eines vom Kläger zur Rückzahlung geschuldeten Überbezuges an vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Höhe von EUR 46.837,91 zur Voraussetzung hat, dass der Kläger den aufgerechneten Betrag gemäß § 107 Abs 1 ASVG zurückzuerstatten hat und das Recht auf Rückforderung nach § 107 Abs 2 ASVG nicht verjährt ist (vgl SSV NF 13/119; 5/4). Da ein solcher rechtswirksamer Bescheid über eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Klägers nach den dargelegten Ausführungen nicht (mehr) vorliegt, kommt auch die von der beklagten Partei mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG nicht in Betracht. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt wesentlich von dem der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV NF 3/9 zugrundeliegenden Sachverhalt. Es erübrigt sich daher auch eine Auseinandersetzung mit der in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsansicht, wonach die Rückforderung einer zu Unrecht erbrachten Leistung gemäß § 107 ASVG auch ohne formelle Wiederaufnahme des Verfahrens über die Gewährung der Leistung nach den §§ 69 f AVG zulässig sei, und der in der Lehre an dieser Rechtsansicht geübten Kritik.

Es war somit in Stattgebung der Revision des Klägers das Ersturteil mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass die beklagte Partei schuldig zu erkennen war, von der Aufrechnung eines Überbezuges von EUR 46.837,91 ab 1. 2. 2006 in monatlichen Raten von jeweils EUR 713,17 auf die Pension des Klägers Abstand zu nehmen und dem Kläger die bereits einbehaltenen Beträge binnen 14 Tagen zu bezahlen (vgl 10 ObS 273/90 ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG. Bildet eine Feststellung oder ein Anspruch auf eine wiederkehrende Leistung den Gegenstand des Rechtsstreites, sind die Kosten auf der Basis von EUR 3.600, - zu berechnen, und zwar unabhängig vom Ausmaß des Obsiegens. Damit soll die Kostenlast in Grenzen gehalten werden. Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen sind unter anderem auch Aufrechnungen mit laufenden Leistungen (vgl Neumayr in ZellKomm § 77 ASGG Rz 16 mwN). Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist allein die im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. 1. 2006 ausgesprochene Aufrechnung Verfahrensgegenstand, während die Rückforderung eines Überbezuges von EUR 46.837,91 bereits den Gegenstand des Bescheides der beklagten Partei vom 23. 11. 2004 dargestellt hat.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei ist verspätet und daher zurückzuweisen. Gemäß § 507a Abs 2 Z 3 iVm § 508a Abs 2 ZPO begann die Frist für die Revisionsbeantwortung mit der Zustellung des Freistellungsbeschlusses (18. 9. 2007) zu laufen. Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO wäre die Revisionsbeantwortung nicht, wie von der beklagten Partei vorgenommen, beim Erstgericht sondern beim Obersten Gerichtshof einzubringen gewesen. Wird eine Rechtsmittelschrift bei einem funktionell nicht zuständigen Gericht eingebracht, ist sie zwar von Amts wegen an das funktionell zuständige Gericht weiterzuleiten; es ist jedoch für die Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelschrift der Zeitpunkt des Einlangens bei diesem Gericht maßgebend (RIS Justiz RS0043678). Zufolge der falschen Adressierung reichte daher die nach der Aktenlage am 11. 10. 2007 erfolgte Postaufgabe für die Annahme der Rechtzeitigkeit nicht aus. Vielmehr wäre in diesem Fall das rechtzeitige Einlangen der Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof erforderlich gewesen (Klauser/Kodek, ZPO16 § 507a E 2 mwN uva). Im Zeitpunkt des Einlangens beim Obersten Gerichtshof (18. 10. 2007) war die Revisionsbeantwortungsfrist aber bereits abgelaufen.

Rechtssätze
3