JudikaturJustiz10Ob52/11m

10Ob52/11m – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. November 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. H*****, vertreten durch Harisch Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Lirk, Spielbüchler, Hirtzberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert: 5.100 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 24. Februar 2011, GZ 22 R 33/11y 12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 29. November 2010, GZ 2 C 26/10k 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften samt darauf errichteter, von ihnen bewohnter Gebäude. Die Liegenschaft des Klägers hat eine Fläche von 1.964 m²; das Grundstück des Beklagten hat eine Gesamtfläche von 201.930 m 2 und wird von seinem Onkel als Pächter landwirtschaftlich genutzt.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung (der [Teil-]Zuspruch von 361,20 EUR an Schadenersatz blieb in der Revision unbekämpft) begehrt der Kläger die Unterlassung des Eingriffs in sein Eigentum durch das Eindringen von auf der Liegenschaft des Beklagten gehaltenen Hühnern.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, er habe seine Hühner seit über 70 Jahren freilaufend gehalten. Bis vor ca zehn Jahren seien auch bei den umliegenden Häusern Hühner freilaufend gehalten worden. Daher sei diese Hühnerhaltung als ortsüblich einzustufen. Keines der benachbarten Häuser sei gegenüber den anderen Häusern abgezäunt. Die Errichtung einer Abzäunung würde erhebliche Bewirtschaftungsschwierigkeiten bei der landwirtschaftlichen Nutzung der Liegenschaften bedingen. Es komme zu gar keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Klägers bei der Benutzung seines Grundstücks. Dieser habe das gelegentliche Eindringen einzelner Hühner zu dulden. Dem Beklagten sei es nicht möglich, mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln das Ausschwärmen der Hühner durch „weitreichende Zaunanlagen“ zu verhindern.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und traf dazu unter anderem folgende Feststellungen:

Der Kläger kaufte die Liegenschaft im Jahr 2000. Seit diesem Zeitpunkt hat in der näheren Umgebung niemand außer dem Beklagten Hühner gehalten. Bis zum Jahr 2000 gab es mit den Hühnern keine Probleme, weil die Liegenschaft des Klägers beim Kauf eine „völlige Wildnis“ war und erst durch Bebauung und Anpflanzung von Sträuchern bzw Aufschüttung von Humus fruchtbar gemacht wurde.

Der Hühnerstall des Beklagten befindet sich auf der vom Haus des Klägers abgewandten (hinteren) Seite des vom Beklagten bewohnten Gebäudes. Da der Zufahrtsweg rund um das Stallgebäude des Beklagten herumführt, besteht für ihn bzw für seinen Onkel die Möglichkeit, von der einen oder der anderen Seite des Zufahrtswegs zum Stallgebäude zuzufahren. Durch die Errichtung einer Einzäunung für die Hühner auf der Rückseite des Gebäudes des Beklagten würde daher die Bewirtschaftung nicht wesentlich erschwert.

Weder das Wiesengrundstück des Beklagten noch eines der umliegenden Grundstücke ist eingezäunt. Lediglich rechts neben dem Haus des Klägers befindet sich eine eingezäunte Kuhweide. Auf dem gegenüberliegenden Grundstück eines Dritten befindet sich seit einigen Wochen eine Hühnereinzäunung, wobei dort erst seit einigen Wochen überhaupt Hühner gehalten werden.

Bis vor ca 20 Jahren befanden sich in der Nachbarschaft mehrere Höfe, auf denen Hühner gehalten wurden. In welcher Form dies geschah steht nicht fest. Seit ca 20 Jahren hat mit Ausnahme jenes gemeinsamen Nachbarn der Streitteile, der seit einigen Wochen nunmehr ebenfalls Hühner hält, in der unmittelbaren Umgebung zur Liegenschaft des Beklagten niemand außer ihm Hühner gehalten. Die Hühner des Beklagten waren während der letzten 70 Jahre zu keiner Zeit eingezäunt. Sie werden täglich ab ca 14:00 Uhr bis zum Einbruch der Dämmerung das heißt bis ca 18:00 Uhr (längstens bis 19:30 Uhr) freigelassen und laufen auf der Rückseite des Hauses des Beklagten vorwiegend in den Wiesen frei herum. Sie bewegen sich während dieser Zeit unter anderem auch auf dem Grundstück des Klägers. Die Hühner des Beklagten laufen jedoch nicht nur auf die Liegenschaft des Klägers, sondern sind überall im gesamten Dorfbereich unterwegs und können frei herumlaufen. Bislang gab es mit keinem Nachbarn Probleme bezüglich der Hühner.

Es war früher durchaus üblich, dass Hühner freilaufend gehalten werden. Eine freilaufende Haltung von Hühnern ist heute jedoch nicht mehr üblich; weil sie in Gärten Schäden verursachen können, werden sie nunmehr eingezäunt gehalten.

Die Hühner des Beklagten kommen seit ungefähr drei Jahren auf die Liegenschaft des Klägers, wobei sie um dessen Haus herumlaufen. Die Beschädigungen durch die Hühner zeigen sich besonders am Blumenbeet links neben dem Eingangsbereich des Hauses des Klägers und bestehen darin, dass die Hühner die Erde und den Holzdekor im Blumenbeet herausscharren. Außerdem ist der gepflasterte Vorplatz des Klägers sehr häufig durch Hühnerkot verschmutzt. Weiters wurden diverse Blumenzwiebeln und Blumen, die sich im Blumenbeet des Klägers befanden, durch das Scharren der Hühner beschädigt, sodass die Blumen nicht mehr wuchsen.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, der Unterlassungsanspruch des Klägers gründe sich auf die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die auf jene Tiere anzuwenden sei, bei denen nach der Art und der Lebensweise und der Art des Betriebs, zu dem sie gehören, eine Verhinderung des Eindringens auf eine fremde Liegenschaft für deren Eigentümer mit ihm zumutbaren Maßnahmen möglich sei, während § 364 Abs 2 ABGB vorrangig auf das Eindringen von Tieren mit Körpern unerheblichen Umfangs, deren Fernhaltung faktisch nicht möglich sei, abziele. Die Beeinträchtigung der Liegenschaft des Klägers durch die Hühner des Beklagten könne mittels Errichtung einer Einzäunung wie dies beim benachbarten Grundstück eines Dritten gehandhabt werde verhindert werden. Daher bestehe der Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 523 ABGB zu Recht. Zum selben Ergebnis käme man auch, wenn man von einer Anwendbarkeit des § 364 Abs 2 ABGB ausginge, weil die Beeinträchtigung das Ortsübliche überschreite und wesentlich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Die in der Tatsachen- und Beweisrüge vorgetragenen Argumente seien nicht geeignet, berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zur bekämpften Feststellung, dass es heute nicht mehr üblich sei, Hühner ohne Einzäunung zu halten, zu begründen. Im Übrigen sei dieser Umstand rechtlich nicht von Bedeutung, weil schon aus der Feststellung, dass auch der andere Nachbar der Streitteile „die Hühner eingezäunt hat“, die nach den örtlichen Verhältnissen zumutbare Maßnahme zur Verhinderung des Eindringens der Tiere hervorgehe. Der bekämpften Feststellung komme aber auch aus folgenden Überlegungen keine Bedeutung zu:

Wenn die Rechtsrüge geltend mache, dass die Einwirkung das ortsübliche Ausmaß nicht überschreite und das Einzäunen der Tiere schon deshalb nicht zumutbar sei, weil für den Kläger schon bei seinem Einzug die freilaufenden Hühner erkennbar gewesen seien und der Kläger die Benutzungsart seines Grundstücks (durch Anlegen eines Gartens) geändert habe, sei dem Beklagten zu erwidern, dass hier keine nachbarrechtliche Unterlassungsklage (§ 364 Abs 2 ABGB), sondern eine negatorische Eigentumsklage (§ 523 ABGB) erhoben werde.

Die ältere Rechtsprechung habe das Eindringen von Hühnern auf eine fremde Liegenschaft zwar (noch) als Immission betrachtet, weshalb der Abwehranspruch unter § 364 ABGB subsumiert und dem Gegner die Möglichkeit eröffnet worden sei, die Unterlassungsklage durch den Nachweis abzuwehren, dass die Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreite und dadurch die ortsübliche Benutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt werde.

In der neueren Judikatur habe sich der Oberste Gerichtshof jedoch der in der Lehre vertretenen Auffassung angeschlossen, der nachbarrechtliche Unterlassungsanspruch komme nur bei kleinen Tieren im Frage, bei denen das Eindringen auf die fremde Liegenschaft nicht schlechtweg verhindert werden könne (Insekten, Tauben, Ratten, Mäuse uä). Das Höchstgericht sei damit von der älteren Rechtsprechung abgegangen und habe ausgesprochen, dass dem Eindringen größerer Tiere nur mit der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB entgegengetreten werden könne (4 Ob 250/06b).

Abgesehen davon, dass das Erstgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt sei, dass die von den Hühnern verursachten Einwirkungen im vorliegenden Fall das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und dadurch die ortsübliche Benutzung des klägerischen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt werde, entfalle bei der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, wie sie hier erhoben werde, die Einschränkung des § 364 Abs 2 ABGB. Die nachbarrechtliche Unterlassungsklage bilde nämlich nur einen besonderen Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage, weshalb der Beklagte auch nicht dadurch beschwert sei, dass diese zusätzlichen, aber hier gar nicht erforderlichen Voraussetzungen der Klage nach § 364 Abs 2 ABGB vom Erstgericht bejaht worden seien (2 Ob 167/07h).

Da vorliegend aufgrund der Eigenart der Tiere das Eindringen auf fremde Liegenschaften hätte verhindert werden können, sei der beeinträchtigte Eigentümer durch die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB geschützt, ohne dass es auf die Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs ankomme. Nur dann, wenn das Halten der Tiere gewohnheitsrechtlich anerkannt sei, obwohl deren Einsperren im konkreten Fall nicht möglich oder nicht artgerecht wäre (wie zB bei Bienen oder Katzen), käme eine Anwendung des § 364 ABGB allenfalls mit der Konsequenz der Untersagung der Tierhaltung im Einzelfall (vgl RIS Justiz RS0010588) infrage. Das Ersturteil sei daher zu bestätigen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine neuere Judikatur zur Frage fehle, ob Hühner als „größere Tiere“ iSd zu § 523 ABGB bestehenden Rechtsprechung zu betrachten seien, deren Einwirken durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden könne.

Mit der dagegen erhobenen Revision begehrt der Beklagte, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass es hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Revisionswerber zunächst (neuerlich) geltend macht, die Tatsacheninstanzen hätten die Angaben der Zeugin L***** zur Frage der Ortsüblichkeit nicht den Feststellungen zugrunde legen dürfen, weil ihnen kein über den Lokalaugenschein hinausgehender „Beweiswert“ zukomme, ist ihm zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist; Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RIS-Justiz RS0043371 [vgl insb T16]; RS0040246; jüngst: 5 Ob 65/11m mwN). Davon abgesehen verstößt der Revisionswerber wie der Kläger in der Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt mit seinen dazu erstatteten (neuen) Ausführungen (es handle sich „gegenständlich“ um Vögel, die durch eine Einzäunung nicht daran gehindert werden könnten, auszuschwärmen, weil sie den Zaun überfliegen könnten, es sei denn, man sperre sie dauernd ein, was jedoch nicht artgerecht sei) gegen das Neuerungsverbot.

Gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge der Revision daher nur insoweit, als sie den Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen bekämpft, dass der Oberste Gerichtshof von der Ansicht abgegangen sei, ausschwärmende Hühner könnten als Immissionen gemäß § 364 ABGB beurteilt werden. Der Revisionswerber meint, dafür seien „keine Anhaltspunkte“ zu finden. Lediglich in der Literatur werde darauf hingewiesen, dass die negatorische Eigentumsklage nur dann von den in § 364 Abs 2 ABGB normierten Voraussetzungen abhängig sei, wenn das Eindringen nach der Beschaffenheit der Tiere und der Art des Betriebs, zu dem sie gehörten, nicht schlechtweg verhindert werden könne.

Dazu wurde erwogen:

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Verpflichtung des Beklagten, den Eingriff in das Eigentum des Klägers an seiner Liegenschaft durch das Eindringen von Hühnern, die auf der dem Beklagten gehörenden Liegenschaft gehalten werden, in die Liegenschaft des Klägers zu unterlassen.

1.1. Das Eigentum, auf das sich der Kläger mit diesem Begehren stützt, ist die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen (§ 354 ABGB). Wird in diese Befugnis des Eigentümers eingegriffen, kann er sich dagegen mit der Eigentumsfreiheitsklage ( actio negatoria , §§ 354, 523 ABGB) zur Wehr setzen. Die Eigentumsfreiheitsklage ist die Klage des besitzenden Eigentümers, gerichtet auf die Abwehr von Störungen. Aus dem absoluten Charakter des Eigentumsrechts und einem aus § 523 ABGB gezogenen Größenschluss ergibt sich, dass die Klage gegenüber jedem zusteht, der unbefugt eingreift, mag er nun (irgend )ein Recht hiezu behaupten oder nicht ( Koch in KBB³ § 523 ABGB Rz 7; 4 Ob 250/06b, SZ 2007/23; RIS Justiz RS0012040).

2. Die Abwehr unzulässiger Immissionen als nachbarrechtlicher Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein besonderer Anwendungsfall der Eigentumsfreiheitsklage (RIS Justiz RS0010526; Spielbüchler in Rummel ³ § 364 ABGB Rz 4; Hofmann in Rummel ³ § 523 ABGB Rz 9; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ [2011] Vor §§ 364-364b ABGB Rz 6). In diesem Fall erfasst der Abwehranspruch des Eigentümers nicht die im Gesetz demonstrativ aufgezählten Einwirkungen, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen ( Oberhammer in Schwimann ³ § 364 ABGB Rz 3; Eccher in KBB³ § 364 ABGB Rz 9).

3. Der zweite Absatz des § 364 ABGB wurde durch die III. Teilnovelle, RGBl 1916/69, eingeführt. Bereits vor Einführung dieser Bestimmung herrschte Einigkeit darüber, dass sich der Nachbar gewöhnliche Belästigungen, wie sie das Zusammenleben von Menschen mit sich bringt, gefallen lassen müsse. Die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB stellt demnach die gesetzliche Formulierung der bis zur Novelle herrschenden, von der Rechtsprechung angenommenen Lehre dar. Danach müssen mittelbare Einwirkungen gewöhnlichen Ausmaßes, die eine erhebliche Beeinträchtigung in der Benützung des Grundstücks nicht hervorrufen, geduldet werden (vgl Klang in Klang ² II 168 bzw Kerschner/E. Wagner in Klang ³ [2011] Vor §§ 364-364b ABGB Rz 4 und § 364 ABGB Rz 48).

3.1. Die Aufzählung jener Einwirkungen, die der Eigentümer unter den Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB hinnehmen muss, erfolgt nur demonstrativ. Eine alle denkbaren Fälle umfassende Regel dafür, wann Ereignisse vorliegen, die als den im Gesetz aufgezählten ähnlich anzusehen sind, kann nicht aufgestellt werden ( Klang aaO). Aus der im Gesetz beispielhaft erfolgten Aufzählung wird allgemein abgeleitet, dass „grobkörperliche Immissionen“, also das Eindringen fester Körper größeren Umfangs durch die Eigentumsbeschränkung nicht gedeckt ist ( Oberhammer aaO Rz 4; Spielbüchler aaO Rz 7; Kerschner/E. Wagner in Klang ³ [2011] § 364 ABGB Rz 152, 168, 170 ff; Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 364 Rz 8).

3.2. Grundsätzlich ist anerkannt, dass auch Tiere solchen Einwirkungen gleich gehalten werden können (vgl RIS-Justiz RS0010588). Über die Frage, bei welchen Tiergattungen das Eindringen auf ein fremdes Grundstück noch einen Anwendungsfall des § 364 Abs 2 ABGB darstellt, herrscht hingegen Uneinigkeit:

4. In der Lehre wird vertreten, dass die Eigentumsfreiheitsklage auf Unterlassung des Eindringens von Tieren nur dann von den Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB abhängig ist, wenn das Eindringen nach der Beschaffenheit der Tiere und der Art des Betriebs, zu dem sie gehören, schlechtweg unvermeidbar ist. Dieser, auf Klang (in Klang ² II 171; zust: Kerschner/E. Wagner aaO Rz 168 aE [welche diesen Gedanken für „vorsichtig verallgemeinerbar“ halten]) zurückgehenden Auffassung hat sich Oberhammer (aaO Rz 6 FN 29) angeschlossen. Gaisbauer (Streunende Katzen und Nachbarrecht, wobl 2000, 165) vertritt ebenfalls diese Meinung und führt dazu aus, dass diese Voraussetzung auf größere Tiere nicht zutrifft: Es sei nicht möglich, Körper unerheblichen Umfangs (wie Insekten, Tauben, Ratten, Mäuse uä) vom Nachbargrundstück fern zu halten; verfehlt sei hingegen die Anwendung des § 364 Abs 2 ABGB auf Hühner, Schafe oder Schweine. Nach Spielbüchler (aaO Rz 7) können ausschwärmende Hühner, nicht aber Schafe oder Schweine den Immissionen gleichgestellt werden. Auch Eccher (in KBB³ § 364 Rz 8) und Kerschner/E. Wagner (aaO Rz 172) gehen davon aus, dass dem Eindringen größerer Tiere (Schafe, Ziegen und Schweine, aber auch Hunde udgl) mit der Eigentumsfreiheitsklage zu begegnen sei. Bei diesen Tieren fehle es typischerweise am Kriterium der Unbeherrschbarkeit, weil Abwehrmaßnahmen hier in der Regel zumutbar seien ( Kerschner/E. Wagner aaO Rz 173).

4.1. Die ältere Rechtsprechung hat (zunächst) Schafe, Schweine und Hühner (1 Ob 366/29, SZ 11/174), später weiterhin Hühner (3 Ob 361/33, ZBl 1933/328; 2 Ob 53/39, dEvBl 1939/290; 2 Ob 74/49, SZ 22/197) und in jüngerer Zeit Bienen (4 Ob 2347/96t), aber auch Hunde (1 Ob 23/99k) und Katzen (8 Ob 94/01h) den Immissionen iSd § 364 Abs 2 ABGB gleichgestellt.

4.2. Bereits in der Entscheidung 4 Ob 250/06b, SZ 2007/23 hat der Oberste Gerichtshof jedoch nach eingehender Auseinandersetzung mit der herrschenden Lehre ausgesprochen, dass § 364 Abs 2 ABGB auf das Eindringen größerer Tiere nicht anzuwenden ist, wozu jedenfalls Schafe und Ziegen zählen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es dem Eigentümer in einem solchen Fall möglich ist, die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen zu verhindern. Zuletzt hatte sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 167/07h (RdU 2008, 213 [ Kerschner ]) mit dem Eindringen von Katzen auf das Nachbargrundstück auseinanderzusetzen. Darin bestätigte der Oberste Gerichtshof die in der Entscheidung 4 Ob 250/06b vertretene Auffassung, wonach das Eindringen eines größeren Tieres in das benachbarte Grundstück einen Abwehranspruch begründe, ohne dass es auf die Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs nach § 364 Abs 2 ABGB ankäme, weil es dem Grundeigentümer in einem solchen Fall möglich ist, ein Eindringen auf das Nachbargrundstück mit zumutbaren Maßnahmen zu verhindern. Ob auch Katzen in diesem Sinn „größere Tiere“ darstellten, musste das Höchstgericht in dieser Entscheidung nicht beantworten, weil die im Verhältnis zu § 523 ABGB „strengeren“ Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB für das Unterlassungsbegehren erfüllt waren.

4.3. Aus der Entscheidung 2 Ob 167/07h ist in der Literatur verschiedentlich abgeleitet worden, Katzen würden nach der Rechtsprechung nicht mehr § 364 Abs 2 ABGB unterliegen. So regt Kerschner in seiner Glosse zur Entscheidung 2 Ob 167/07h (RdU 2008, 213) an, die Annahme, Katzen seien den grob körperlichen Einwirkungen gleichgestellt, nochmals zu überdenken. Im Unterschied zum städtischen Bereich sei es am Land üblich, Katzen frei herumlaufen zu lassen. Die Grenzüberschreitung von Schafen und Ziegen wie auch von Hunden könne mit zumutbaren Maßnahmen verhindert werden, nicht aber jene von Katzen im üblichen Ausmaß. Holzner (Das neue Nachbarrecht im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung, Sachverständige 2009, 137) leitet aus der Entscheidung 2 Ob 167/07h ebenfalls ab, dass im Gegensatz zur älteren Judikatur Katzen nicht mehr den Immissionen gleichgehalten werden könnten.

5. Der zitierten jüngeren Rechtsprechung folgend ist die Anwendung des § 364 Abs 2 ABGB im Fall des Eindringens größerer Tiere (wie etwa Schafe und Ziegen [4 Ob 250/06b]) ausgeschlossen, weil der Grundeigentümer in solchen Fällen die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen verhindern kann. Nach Klang aaO, auf den diese Auffassung zurückgeht (vgl 4 Ob 250/06b; 2 Ob 167/07h), ist dabei nicht ausschließlich auf die Körpergröße des Tieres, sondern auch auf dessen Beschaffenheit abzustellen. Daraus ist abzuleiten, dass es dem Grundeigentümer und Halter eines „größeren Tieres“ unter Berücksichtigung von dessen Wesensart möglich sein muss, Vorkehrungen in einem zumutbaren Ausmaß zu treffen, um ein Eindringen auf das Nachbargrundstück zu verhindern.

5.1. Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung der Vorinstanzen in Einklang; sind hier doch nicht Katzen mit freiem Auslauf, bei denen die Grenzüberschreitung gerade auf dem Land mit zumutbaren Maßnahmen wohl nicht verhindert werden kann (vgl Kerschner in seiner Glosse zu 2 Ob 167/07h [RdU 2008, 215] und Kerschner/E. Wagner aaO Rz 174 aE), sondern ausschwärmende Hühner zu beurteilen, für die letzteres gerade nicht zutrifft:

5.2. Entgegen den Ausführungen der Revision entspricht es daher (auch) dem Standpunkt der jüngeren Rechtsprechung (4 Ob 250/06b; 2 Ob 167/07h), dass der Zweck der nachbarrechtlichen Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB deren Anwendung im Fall des Eindringens größerer Tiere (wozu neben Schafen und Ziegen auch Hühner zählen) ausschließt, wenn der Grundeigentümer in solchen Fällen die von seinem Grundstück ausgehenden Beeinträchtigungen eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen verhindern kann.

5.3. Solchen Eigentumseingriffen ist nur mit der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB zu begegnen. Es kommt also darauf an, ob Hühner (iS der Ausführungen von Klang in Klang ² II 171; Kerschner/E. Wagner aaO Rz 168 aE und Rz 171; aber auch von Gaisbauer , Streunende Katzen und Nachbarrecht, wobl 2000, 165 mwN aus der deutschen Rsp) zu den „unbeherrschbaren Tieren“ zu zählen sind. In diesem Zusammenhang ist auf die im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen zu verweisen, dass eine freilaufende Haltung von Hühnern heute nicht mehr üblich ist, dass Hühner vielmehr eingezäunt gehalten werden, weil sie wie hier in Gärten Schäden verursachen können, und dass ein anderer Nachbar der Streitteile seine Hühner bereits eingezäunt hält.

5.4. Davon ausgehend ist auch bei Hühnern eine faktische Beherrschbarkeit, die eine dem mittelbaren Eindringen unwägbarer Stoffe vergleichbare Situation und damit die Gleichstellung mit Immissionen ausschließt, nicht zu bezweifeln. Der gegenteilige Standpunkt von Spielbüchler (aaO Rz 7) und Kerschner/E. Wagner (aaO Rz 172: Kleintiere „wie Bienen und Hühner“) beruht offenbar (noch) auf einer anderen Tatsachengrundlage; auch die Genannten stimmen nämlich jeweils der neuen Rechtsprechung zu und gehen übereinstimmend davon aus, dass Ziegen, Schafe und Schweine, aber auch Hunde nicht nach der Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB zu beurteilen sind, und dass ihr Eindringen mit Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren ist. Nach den dargelegten Grundsätzen ist daher nicht einzusehen, aus welchen Gründen der hier festgestellte, mit diesen Fällen völlig vergleichbare Sachverhalt anders beurteilt werden müsste.

5.5. Da aufgrund der Eigenart der hier in Rede stehenden Tiere (Hühner) die Beeinträchtigung der fremden Liegenschaft mit zumutbaren Maßnahmen verhindert werden kann, liegt kein Anwendungsfall einer allenfalls zulässigen Eigentumsbeschränkung iSd § 364 Abs 2 ABGB vor; der beeinträchtigte Eigentümer ist vielmehr durch die actio negatoria iSd § 523 ABGB (Eigentumsfreiheitsklage) geschützt, ohne dass es auf die Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs ankommt.

Die Revision des Beklagen muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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