W218 2314267-1/14E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch die Tochter XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 23.05.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpass, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 23.05.2025 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) aufgrund eines Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses wegen Ungültigkeit fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Gesundheitseinschränkungen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Es läge eine rezidivierende Depression, derzeit schwere Episode mit psychotischen Symptomen vor und sei sie unter Medikation nicht stabil. Die Beschwerdeführerin leide an massiven Konzentrationsstörungen und zunehmender Vergesslichkeit. Dies habe negative Auswirkungen auf die sprachlichen Fähigkeiten und das Erinnerungsvermögen. Die Beschwerdeführerin benötige neben Medikamenten auch die Hilfe ihrer Kinder für Arztbesuche und Therapien. Es läge eine wechselwirksame Verschlechterung der psychischen Beschwerden und der Schmerzen vor. Sie kämpfe mit Todesgedanken und habe kaum Hoffnung auf Besserung.
Bei der Beschwerdeführerin sei eine Operation an der Wirbelsäule vorgesehen und habe bereits eine Rehabilitationsmaßnahme aufgrund zu großer Schmerzen abgebrochen werden müssen.
Aufgrund der Coxarthrose rechts könne die Beschwerdeführerin lediglich 30 bis 40 Minuten auf den Beinen sein, bis sie sich aufgrund von Schmerzen hinsetzen müsse. Die Mobilität und Selbstständigkeit werde dadurch eingeschränkt. Die ungleiche Belastung führe zudem zu arthritischen Beschwerden an anderer Stelle.
Das bei der Beschwerdeführerin vorliegende chronische Schmerzsyndrom bestehe seit einem Jahr und stelle eine eigenständige Funktionseinschränkung dar.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 13.06.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 17.01.2025 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Die belangte Behörde hat zur Beurteilung des Grades der Behinderung ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 14.05.2025, herangezogen.
Die Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung ist nicht nachvollziehbar.
1. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).(Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:
„Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Die belangte Behörde holte zur Beurteilung der Gesundheitseinschränkungen der Beschwerdeführerin lediglich ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 14.05.2025 samt ergänzender Stellungnahme vom 22.05.2025 ein.
In diesem Sachverständigengutachten wurden die orthopädischen Leiden „degenerative Wirbelsäulenveränderungen, lumbale Bandscheibenschäden“, „Depressio“, „Bursitis trochanterica rechts, Coxalgie“ und „Zustand nach Halbschlitteneingriff links“ eingestuft.
Zur persönlichen Untersuchung erschien die Beschwerdeführerin mit einem Rollator und war die Beschwerdeführerin nur kleinschrittig gehfähig. Den Fingerkuppen-Boden-Abstand die Brustwirbelsäulendrehung und die Seitneigung konnte die Beschwerdeführerin aufgrund von Schmerzen nicht durchführen. Der Sachverständige stufte das führende Leiden „degenerative Wirbelsäulenveränderungen, lumbale Bandscheibenschäden“ unter der Positionsnummer 02.01.02 und einem Grad der Behinderung von 30 vH ein, da keine relevanten Störungen der peripheren Sensomotorik vorliegen. Die Beschwerdeführerin monierte diese Einstufung und führte aus, dass eine Operation noch geplant sei und sie aufgrund der Schmerzen bereits eine Rehabilitationsmaßnahme habe abbrechen müssen. Hierzu führte der Sachverständige in der Stellungnahme vom 22.05.2025 lediglich aus: „Das Wirbelsäulenleiden wurde korrekt nach der EVO eingeschätzt“, dies stellt keine Begründung dar und wäre der Sachverständige verpflichtet gewesen, auszuführen, inwiefern aufgrund der vorliegenden Befunde, des klinischen Status und der Ausführungen der Beschwerdeführerin die von ihm gewählte Einstufung aufrecht bleibt. Der Sachverständige unterließ jedoch das Eingehen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, insbesondere zu ihren Schmerzen, sodass die erfolgte Einstufung des führenden Leidens 1 nicht schlüssig und nachvollziehbar ist.
Darüber hinaus ist die Einstufung des Leidens 3 „Bursitis trochanterica rechts, Coxalgie“ mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.07 und einem Grad der Behinderung von 10 vH ebenfalls nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige begründete die Einstufung mit dem Nichtvorliegen von höhergradigen radiologischen Veränderungen. Die Einschätzungsverordnung führte unter dieser Positionsnummer jedoch aus: „Streckung/Beugung bis zu 0-10-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit.“ Hierzu fehlen im Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme Ausführungen des Sachverständigen. Hierbei wird darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin mit Rollator zur Untersuchung erschien und lediglich kleinschrittig gehfähig war. Zum Rollator führte der Sachverständige lediglich auf Seite 5 des Gutachtens aus: „das Verwenden eines Rollators ist weder befunddokumentiert noch klinisch ableitbar.“ Der Sachverständige begründete dies jedoch nicht und ist auch aus dem Untersuchungsergebnis, insbesondere zur Gesamtmobilität-Gangbild hierzu nicht nachvollziehbar zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin keinen Rollator benötigt. Hierzu wird auch auf den ärztlichen Befundbericht vom 16.09.2024 verwiesen, wonach u.a. eine immobilisierende Coxalgie vorliege.
Hinzu kommt, dass das Leiden 4 „Zustand nach Halbbschlitteneingriff links“ eingestuft wurde, obwohl dieser Eingriff am rechten Kniegelenk durchgeführt wurde. In der ergänzenden Stellungnahme begründete der Sachverständige dies wie folgt: „In den befunden ist der Halbschlitten einmal links und einmal rechts festgehalten; deshalb erfolgte die Seitenbennenung links; dies kann gerne geändert werden; allerdings ändert sich nicht die Höhe der Einschätzung diesbezüglich.“ Hierzu wird auf die Anamnese im Sachverständigengutachten verwiesen, wonach 2021 eine Operation am rechten Kniegelenk durchgeführt wurde. Die Benennung des falschen Kniegelenkes vermag die Einstufung nicht als schlüssig zu erkennen, insbesondere da eine persönliche Untersuchung erfolgt ist und im Zuge des Vorliegens einer Prothese das betreffende Kniegelenk ausführlich untersucht werden muss. Die Bezeichnung des falschen Kniegelenkes vermag sohin eine ausreichende Untersuchung nicht zu belegen und im Hinblick auf die im Gutachten ausgewiesene Anamnese kann das Sachverständigengutachten daher nicht als schlüssig und nachvollziehbar erachtet werden.
Schließlich wurde das Leiden 2 „Depressio“ vom orthopädischen Sachverständigen eingestuft. Dieser ist jedoch nicht geeignet, ein psychiatrisches Leiden einzustufen, insbesondere da er als Status Psychicus lediglich erhob: „normale Vigilanz, regulärer Ductus, ausgeglichene Stimmungslage“. Die Beschwerdeführerin monierte die Einstufung dieses Leidens und führte aus, dass sie an einer derzeit schweren Episode leide und nicht unter Medikamenten stabil wäre, sowie an starken Konzentrationsstörungen mit zunehmender Vergesslichkeit leide und ohne ihre Kinder keine Arzttermine und Therapien wahrnehmen könne. Es wurde zudem ausgeführt, dass eine leichte Demenz bereits vorliege. Trotz dieses Vorbringens und der Vorlage eines fachärztlichen Befundberichtes, in dem als Diagnosen eine rezidivierende Depression, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen und eine leichte Demenz angeführt sind, holte die belangte Behörde lediglich eine Stellungnahme desselben Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 22.05.2025 ein, indem dieser ausführte: „Das Wirbelsäulenleiden wurde korrekt nach der EVO eingeschätzt, das gilt auch für die Depression. Ein fachbefund mit Klassifizierung einer eventuellen Demenz liegt nicht vor, somit bleibt das Kalkül aufrecht.“ Wie oben bereits ausgeführt, stellt der Verweis auf eine erfolgte richtige Einstufung keine ordnungsgemäße Begründung dar und hätte die belangte Behörde überdies ein Sachverständigengutachten eines Facharztes/einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie zur Beurteilung der psychiatrischen Leiden der Beschwerdeführerin einzuholen gehabt.
Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des chronischen Schmerzsyndroms und der Diagnoseliste vom 28.03.2025, in der das chronische Schmerzsyndrom angeführt wurde, ging der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 22.05.2025 nicht ein. Hierbei wird erneut darauf verwiesen, dass der Sachverständige zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten und in der Untersuchung auch angegebenen Schmerzen keine Ausführungen tätigte und diese in der Beurteilung somit auch nicht berücksichtigte. Betreffend Schmerzen wird auf den ärztlichen Befundbericht vom 16.09.2025 verwiesen, wonach schmerztherapeutische Maßnahmen vorlägen.
Eine abschließende Beurteilung der Gesundheitseinschränkungen der Beschwerdeführerin war durch das eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie samt ergänzender Stellungnahme nicht möglich.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde weitere ärztliche Sachverständigengutachten unter Heranziehung eines Facharztes/einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie eines noch nicht im Verfahren herangezogenen Facharztes/einer Fachärztin für Orthopädie, jeweils basierend auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin, sowie eine Gesamtbeurteilung einer Ärztin/eines Arztes für Allgemeinmedizin einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung der vorgelegten medizinischen Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Hierbei wird die belangte Behörde auch zu berücksichtigen haben, dass die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben nicht in der Lage ist, Arztgespräche und Therapie ohne Hilfe ihrer Kinder zu absolvieren und wird darauf hinzuwirken sein, dass die Beschwerdeführerin in Begleitung erscheint.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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