JudikaturBVwG

I425 2318035-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
30. September 2025

Spruch

I425 2318035-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Philipp RAFFL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Abnahme der Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Abnahme der Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber des Beschwerdeführers am 14.07.2025 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 1.709,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 22.08.2025 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen eine dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) zuzurechnende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein, wonach ihm im Rahmen einer polizeilichen Amtshandlung von Beamten der LPD XXXX am 14.07.2025 ohne Rechtsgrundlage seine Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber abgenommen worden sei, obwohl er sich zum betreffenden Zeitpunkt in einem laufenden Asylverfahren befunden habe. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den bezughabenden Akt der belangten Behörde beischaffen, die in Beschwerde gezogene Amtshandlung vom 14.07.2025 (Abnahme der Aufenthaltsberechtigungskarte) für rechtswidrig erklären und überdies der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens sowie den Ersatz der Eingabengebühr auferlegen.

Am 25.08.2025 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht nach entsprechender Aufforderung den Verfahrensakt vor.

Am 18.09.2025 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, einer Vertreterin der belangten Behörde sowie eines der einschreitenden Exekutivbeamten als Zeugen abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Mit Schriftsatz vom 26.09.2025 reichte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht auf entsprechende Aufforderung noch eine schriftliche Stellungnahme nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und stellte erstmalig am 09.01.2023 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.08.2023, Zl. XXXX , im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, zugleich wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Türkei festgestellt. Eine dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.02.2024, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen. Eine dagegen wiederum erhobene außerordentliche Revision wurde letztlich mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.06.2025, Zl. XXXX , zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 25.06.2025 richtete das BFA ein Erhebungsersuchen zur Zl. XXXX an die LPD XXXX , an der Meldeadresse des Beschwerdeführers eine Hauserhebung durchzuführen und wenn er hierbei angetroffen werden sollte, ihm ein angehängtes Informationsblatt Rückkehrberatung zuzustellen und zu überprüfen, „ob der Fremde über ein gültiges Dokument verfügt (Reisepass, ID Karte, Nüfus, etc…)“ und wenn er sich mit einem solchen ausweisen sollte, dieses gemäß § 39 Abs. 1 BFA-VG sicherzustellen und der belangten Behörde schnellstmöglich zu übermitteln.

Am 30.06.2025 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Aufgrund dessen wurde ihm seitens der belangten Behörde am 04.07.2025 eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005 (Karten-Nr.: XXXX ) ausgefolgt. Das Asylverfahren ist nach wie vor zur Zl. XXXX beim BFA anhängig.

Am 14.07.2025 wurde dem Beschwerdeführer seitens einer Polizeistreife der LPD XXXX im Rahmen einer aufgrund des Erhebungsersuchens des BFA vom 25.06.2025 initiierten Amtshandlung die ihm am 04.07.2025 ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005 (Karten-Nr.: XXXX ) abgenommen. Die Karte wurde in der Folge seitens der LPD der BFA RD XXXX übermittelt. Am 16.07.2025 wurde die Karte letztlich postalisch seitens der BFA RD XXXX an die BFA RD XXXX übermittelt.

Am 24.07.2025 sprach der Beschwerdeführer persönlich bei der belangten Behörde vor und wurde ihm an jenem Tag – in Anbetracht seines nach wie vor anhängigen (zweiten) Asylverfahrens – eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005 (Karten-Nr.: XXXX ) ausgestellt. Die ihm am 04.07.2025 zur Nr. XXXX ausgestellte Karte wurde infolge dessen nach Rücksprache zwischen der BFA RD XXXX und der RD XXXX auf "ungültig" gesetzt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Beschwerdeschriftsatz, in den beigeschafften Akt der belangten Behörde sowie in den vorliegenden Gerichtsakt.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.09.2025 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, einer Vertreterin der belangten Behörde sowie eines der einschreitenden Exekutivbeamten als Zeugen.

Das Erhebungsersuchen des BFA an die LPD XXXX vom 25.06.2025 (AS 101f) liegt ebenso im Behördenakt ein wie der Bericht der LPD XXXX über die entsprechende Amtshandlung (AS 111f). Dem Bericht angeschlossen ist im Übrigen auch eine Kopie der dem Beschwerdeführer im Zuge der Amtshandlung am 14.07.2025 abgenommenen Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005, auf der die Karten-Nr. " XXXX " sowie das Ausstellungsdatum "04.07.2025" ersichtlich ist (AS 114f).

Durch die seitens der belangten Behörde letztlich auf entsprechende Aufforderung noch nachgereichte schriftliche Stellungnahme vom 26.09.2025 samt den angeschlossenen IFA-Auszügen konnte letztlich zweifelsfrei geklärt werden, dass dem Beschwerdeführer die im Zuge der polizeilichen Amtshandlung am 14.07.2025 abgenommene Aufenthaltsberechtigungskarte – wie sich bereits aus der entsprechenden Verfahrenszahl ergibt, die zugleich auch Teil der Karten-Nr. ist - am 04.07.2025 aufgrund seiner Asylfolgeantragstellung vom 30.06.2025 ausgestellt worden war, während ihm schlussendlich nach der in Beschwerde gezogenen Abnahme am 24.07.2025 eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005 (mit der Karten-Nr.: XXXX ) ausgestellt und die vorherige Karte auf ungültig gesetzt wurde (OZ 13).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Stattgabe der Beschwerde:

Hinsichtlich der Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teils des BFA-VG 2014 ist die Zuständigkeit des BFA - einer Bundesbehörde - zur Vollziehung vorgesehen (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-VG 2014). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Bei der Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - wie etwa Anhaltungen nach § 40 BFA-VG 2014 - durch die Landespolizeidirektionen (vgl. § 5 BFA-VG 2014) handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung. Die Landespolizeidirektionen - bei denen es sich um Bundesbehörden im organisatorischen Sinn handelt - werden bei der Vollziehung von Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG 2014 nach dem Willen des Gesetzgebers nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung tätig. Ausgehend davon kommt in diesen Angelegenheiten auch nicht § 88 Abs. 1 SPG 1991 als Rechtsgrundlage für eine an das LVwG zu richtende Maßnahmenbeschwerde gegen eine Landespolizeidirektion in Betracht (vgl. VwGH 25.04.2017, Ro 2016/01/0005, mwN).

Gegenständlich wurde dem Beschwerdeführer am 14.07.2025 von Polizeibeamten der LPD XXXX aufgrund eines Erhebungsersuchens des BFA vom 25.06.2025, wonach zu überprüfen sei, ob der Beschwerdeführer „über ein gültiges Dokument verfügt (Reisepass, ID Karte, Nüfus, etc…)“ und wenn er sich mit einem solchen ausweisen sollte, dieses gemäß § 39 Abs. 1 BFA-VG sicherzustellen und der belangten Behörde schnellstmöglich zu übermitteln, seine ihm zuvor am 04.07.2025 infolge seiner Asylfolgeantragstellung vom 30.06.2025 ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber gemäß § 51 AsylG 2005 abgenommen.

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist dann rechtmäßig, wenn die Behörde im Zeitpunkt der Anordnung und der Vornahme der in Rede stehenden Maßnahme vertretbar davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen für deren Rechtmäßigkeit - fallbezogen nach § 39 Abs. 1 BFA-VG 2014, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt sind, Gegenstände oder Dokumente, die für ein Verfahren vor dem BFA oder für eine Abschiebung als "Beweismittel" benötigt werden, vorläufig sicherzustellen - seien gegeben (vgl. VwGH 18.01.2024, Ra 2022/21/0171, mwN).

§ 39 Abs. 1 BFA-VG 2014 ermächtigt zur vorläufigen Sicherstellung von Gegenständen und Dokumenten, die für ein Verfahren vor dem BFA oder für die Abschiebung gemäß § 46 FrPolG 2005 als Beweismittel benötigt werden. Dazu zählt auch (und vor allem) ein Reisepass (vgl. VwGH 18.12.2024, Ra 2022/21/0226, mwN).

Wie auch seitens der Behördenvertreterin im Rahmen der Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, wurde die am 04.07.2025 ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber des Beschwerdeführers weder als Beweismittel für ein Verfahren vor dem BFA, noch für eine Abschiebung benötigt. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Abnahme und Sicherstellung der Karte nach § 39 Abs. 1 BFA-VG im Zuge der Amtshandlung am 14.07.2025 lagen sohin nicht vor.

Darüber hinaus lagen auch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Entzug der Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 53 Abs. 1 AsylG 2005 vor. Weder war zum Abnahmezeitpunkt am 14.07.2025 die Gültigkeitsdauer der Karte abgelaufen (Z 1), noch hätten die durch die Karte bestätigten Umstände nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprochen (Z 2). Ausweislich der im Akt einliegenden Kopie der Karte war der Beschwerdeführer auch auf dem aufgebrachten Lichtbild noch zweifelsfrei zu erkennen (Z 3) und waren auch keine anderen amtlichen Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden (Z4).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und die Abnahme der Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber des Beschwerdeführers am 14.07.2025 spruchgemäß für rechtswidrig zu erklären.

3.2. Zum Kostenausspruch:

Nach der Bestimmung des § 35 Abs. 7 VwGVG 2014 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten. Es kommt gemäß § 35 VwGVG 2014 für den Ersatzanspruch einer Partei darauf an, in Bezug auf wie viele Verwaltungsakte sie obsiegt. Hinsichtlich des Ausmaßes des zuerkannten Ersatzes ist dieses Antragsprinzip gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG 2014 stets zu berücksichtigen und ziffernmäßig verzeichnete Kosten sind nur in der beantragten Höhe zuzusprechen (vgl. VwGH 12.06.2025, Ra 2023/21/0059, mwN).

Da der Beschwerde stattzugeben und die Abnahme der Aufenthaltsberechtigungskarte für Asylwerber des Beschwerdeführers am 14.07.2025 für rechtswidrig zu erklären war, ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG der begehrte Kostenersatz in der Höhe von € 737,60 für den Schriftsatzaufwand (§ 1 Z 1 VwG-AufwErsV), € 922,00 für den Verhandlungsaufwand (§ 1 Z 2 VwG-AufwErsV) sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 50,--, sohin insgesamt € 1.709,60.

Dem BFA gebührt als unterlegene Partei gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG kein Kostenersatz.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.