JudikaturBVwG

W246 2292413-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
29. August 2025

Spruch

W246 2292413-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Cathrina RIEDER, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 25.04.2024, Zl. PAD/24/419165/001/AA, betreffend Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung gemäß § 23a und § 23b GehG den Beschluss:

A) Das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren betreffend die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2025, Zl. W244 2297322-1/5E, erhobene außerordentliche Revision ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 23.02.2024 ersuchte der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Beamter des Exekutivdienstes der Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: die Behörde), im Wege seines damaligen Rechtsvertreters um „Erledigung [seiner] Ansprüche […] iSd § 23b Abs. 4 GehG“. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer u.a. den Anlassbericht der Behörde vom 21.06.2023 an die Staatsanwaltschaft XXXX betreffend den Verdacht des versuchten Mordes am 20.06.2023 zum Nachteil des Beschwerdeführers, das Schreiben der BVAEB vom 11.07.2023 (wonach der Unfall des Beschwerdeführers als Dienstunfall gewertet werde) und das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.12.2023 (wonach der Schädiger die gegenüber dem Beschwerdeführer am 20.06.2023 begangene Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand begangen habe und gemäß § 21 Abs. 1 StGB in einem forensisch-psychiatrischen Zentrum untergebracht werde) bei.

2. In der Folge legte der Beschwerdeführer der Behörde mit Schreiben vom 25.03.2024 im Wege seines damaligen Rechtsvertreters gemäß dem von ihr zuvor gestellten Ersuchen das im o.a. Strafverfahren eingeholte ärztliche Gutachten eines gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vom 12.07.2023 vor, wonach der Beschwerdeführer bei dem Vorfall am 20.06.2023 eine an sich noch leichte Körperverletzung erlitten habe, aufgrund der einen Tag an mittelstarken Schmerzen und vier bis fünf Tage an leichten Schmerzen gelitten habe. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass die im Gutachten erfolgte Festsetzung der Schmerzperioden nicht der gegenständlich vorzunehmenden Gesamtbeurteilung entsprechen würde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei nämlich davon auszugehen, dass bei der Bemessung von Schmerzensgeldansprüchen nicht nur eine Störung der körperlichen Integrität, sondern auch eine solche des allgemeinen Wohlbefindens und die Folgen einer psychischen Belastung maßgeblich seien. Er habe sich vom 20.06. bis 30.06.2023 im Krankenstand befunden, sein körperliches Wohlbefinden sei darüber hinaus noch jedenfalls für einen Zeitraum von 14 Tagen beeinträchtigt gewesen.

3. Mit Schreiben vom 26.03.2024 teilte die Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund der im Gutachten vom 12.07.2023 angeführten Schmerzperioden beabsichtigt sei, einen dem Beschwerdeführer zustehenden Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung iSd § 23b Abs. 4 GehG in Höhe von EUR 700,-- (einen Tag mittelschwere Schmerzen [EUR 200,--] und fünf Tage leichte Schmerzen [fünf Mal EUR 100,--]) bescheidmäßig festzustellen.

4. Der Beschwerdeführer führte dazu mit Schreiben vom 04.04.2024 im Wege seines damaligen Rechtsvertreters aus, dass es sich bei dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld um einen solchen nach § 1325 ABGB handle. Im Sinne der dazu ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes gehe es bei der Zuerkennung von Schmerzensgeld um die Genugtuung für das Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden habe. Es solle damit der Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgegolten und die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgeglichen werden, was durch den von der Behörde angebotenen Betrag von EUR 700,-- nicht geschehe.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid gewährte die Behörde dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die im aus ihrer Sicht ausführlichen und nachvollziehbaren Gutachten vom 12.07.2023 angeführten Schmerzperioden nach § 23a iVm § 23b Abs. 4 GehG hinsichtlich des von ihm am 20.06.2023 erlittenen Dienstunfalls ein Schmerzensgeld iHv EUR 700,-- und einen Verdienstentgang iHv EUR 328,32, somit insgesamt einen Betrag iHv EUR 1028,32.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seines damaligen Rechtsvertreters insoweit Beschwerde, als ihm „aufgrund seines am 20.06.2023 […] erlittenen Dienstunfalls lediglich EUR 700,-- an Schmerzensgeld ohne gesetzliche Zinsen auch aus dem zuerkannten Verdienstentgang ab Antragstellung, dem 23.02.2024, zuerkannt wurden“.

7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 22.05.2024 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Am 20.06.2023 erlitt der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Beamter des Exekutivdienstes, im Dienst bei der Durchführung einer Amtshandlung (Aufforderung an den Schädiger in den Räumen des XXXX , sein Messer abzulegen) durch einen heftigen Messerstich des Schädigers eine ca. 5 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberarms, in dem die Messerklinge aufgrund der Wucht des Messerstichs abgebrochen stecken blieb. Dieser Unfall wurde von der BVAEB als Dienstunfall anerkannt. Aufgrund der angeführten Stichverletzung befand sich der Beschwerdeführer vom 20.06. bis 30.06.2023 im Krankenstand. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.12.2023 wurde festgestellt, dass der Schädiger die gegenüber dem Beschwerdeführer am 20.06.2023 begangene Tat aufgrund einer paranoiden Schizophrenie in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand begangen habe und daher gemäß § 21 Abs. 1 StGB in einem forensisch-psychiatrischen Zentrum untergebracht werde.

1.2. Mit Bescheid vom 15.05.2024 wies die Bundesministerin für Justiz den Antrag einer Beamtin der Justizwache auf Gewährung eines Vorschusses mangels Vorliegens von Fremdverschulden (Zurechnungsunfähigkeit der dortigen Schädigerin) nach den §§ 23a f. GehG als unbegründet ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.05.2025, Zl. W244 2297322-1/5E, als unbegründet ab. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision ist aktuell beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Beim Bundesverwaltungsgericht sind mittlerweile mehrere Beschwerdeverfahren nach § 23a f. GehG anhängig, in welchen die im Rahmen von Dienstunfällen erfolgten Körperverletzungen / Gesundheitsschädigungen den dortigen Beschwerdeführern / Beschwerdeführerinnen jeweils durch zurechnungsunfähige Schädiger zugefügt wurden (s. etwa die beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zln. W246 2274728-2, W293 2287040-2, W293 2315999-1, W246 2316295-1, W257 2316980-1, W257 2317200-1, W293 2317619-1, W293 2317744-1 und W213 2317786-1 anhängigen Beschwerdeverfahren).

2. Beweiswürdigung:

Die unter Pkt. II.1. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im erstinstanzlichen Verwaltungsakt des vorliegenden Verfahrens einliegenden und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes unbedenklichen Aktenteilen (s. die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23.02.2024 vorgelegten Unterlagen [Anlassbericht der Behörde vom 21.06.2023, Schreiben der BVAEB vom 11.07.2023 und Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.12.2023], den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde) und aus der Einsicht in die Beschwerdeakten betreffend die beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zln. W246 2274728-2, W293 2287040-2, W244 2297322-1, W293 2315999-1, W246 2316295-1, W257 2316980-1, W257 2317200-1, W293 2317619-1, W293 2317744-1 und W213 2317786-1 geführten Beschwerdeverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Nach § 31 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 147/2024, (in der Folge: VwGVG) erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2025, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

3.1. Nach § 34 Abs. 3 erster Absatz VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3, zweiter Absatz, VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

3.2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (s. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8).

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell größeren Zahl von Revisionseinbringungen geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm. 14 zu § 34 VwGVG).

Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleiche Rechtsfrage strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.

3.3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind mittlerweile mehrere gleichgelagerte Verfahren, denen dieselbe Rechtsfrage zugrunde liegt, anhängig (s. oben unter Pkt. II.1.2.), wobei aufgrund der potentiell österreichweit betroffenen Beamten und Beamtinnen des Exekutivdienstes und der Justizwache in Zukunft das Anhängig-Werden weiterer solcher Verfahren zu erwarten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem derartigen Verfahren bereits entschieden und die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid (Abweisung des Antrages einer Beamtin der Justizwache auf Gewährung eines Vorschusses mangels Vorliegens von Fremdverschulden [Zurechnungsunfähigkeit der Schädigerin]) mit dem o.a. Erkenntnis im Verfahren zur Zl. W244 2297322-1 abgewiesen (vgl. Pkt. II.1.2.). Beim Verwaltungsgerichtshof ist nach gegen dieses Erkenntnis erhobener außerordentlicher Revision das im Spruch angeführte (Revisions)Verfahren anhängig, dem dieselbe Rechtsfrage wie dem vorliegenden Verfahren (Ausschluss von Fremdverschulden bei Zurechnungsunfähigkeit des Schädigers / der Schädigerin) zugrunde liegt. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist daher auch für das vorliegende Verfahren relevant. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage liegt bislang nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind somit gegeben. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.