JudikaturBVwG

W246 2316295-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
29. August 2025

Spruch

W246 2316295-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael SUBARSKY, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 01.07.2025, Zl. PAD/24/965594/4, betreffend Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung gemäß §§ 23a und 23b GehG den Beschluss:

A) Das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren betreffend die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2025, Zl. W244 2297322-1/5E, erhobene außerordentliche Revision ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 03.05.2024 ersuchte der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Beamter des Exekutivdienstes der Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: die Behörde), gemäß § 23b GehG um Auszahlung des Verdienstentgangs iHv EUR 1.570,65 brutto. Dazu führte er aus, dass er am 19.01.2024 im Dienst eine Verletzung erlitten habe, weshalb er sich vom 21.01. bis 26.02.2024 im Krankenstand befunden habe. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer u.a. seine Unfallmeldung vom 19.01.2024 an die Behörde (wonach er sich im Zuge einer Amtshandlung am 19.01.2024 beim Fixieren des Schädigers am linken Ellenbogen verletzt habe), das Schreiben der BVAEB vom 19.03.2024 (wonach dieser Unfall als Dienstunfall gewertet werde) und die Berechnung der Logistikabteilung der Behörde vom 29.04.2024 betreffend die Höhe seines Verdienstentgangs bei.

2. In der Folge dehnte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.04.2025 im Wege seines Rechtsvertreters sein o.a. Ersuchen aus, indem er zudem die Gewährung von Schmerzensgeld iHv EUR 3.480,-- (für zwei Tage starke, vier Tage mittelstarke und 15 Tage leichte Schmerzen) geltend machte. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass eine Durchsetzung der Ansprüche beim Schädiger im Zivilrechtsweg aufgrund der bei ihm vorliegenden Zurechnungsunfähigkeit nicht möglich und eine Klagsführung daher von vornherein aussichtslos sei. Eine strafgerichtliche Verfolgung des Schädigers sei aufgrund seiner Zurechnungsunfähigkeit unzulässig. Es werde daher die bescheidmäßige Erledigung der geltend gemachten Ansprüche nach § 23b Abs. 4 GehG beantragt. Diesem Schreiben legte der Beschwerdeführer mehrere medizinische Unterlagen betreffend die bei ihm vorliegende Verletzung seines linken Unterarms / Ellenbogens bei.

3. Mit E-Mail vom 28.05.2025 legte der Beschwerdeführer der Behörde im Wege seines Rechtsvertreters gemäß dem von ihr zuvor gestellten Ersuchen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 13.09.2024 (wonach der Schädiger die gegenüber dem Beschwerdeführer am 19.01.2024 begangene Tat unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, aufgrund der er im Tatzeitraum zurechnungsunfähig gewesen sei, begangen habe und wonach gegenüber dem Schädiger gemäß § 434 Abs. 1 StPO die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet werde) vor.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Vorschusses (für Schmerzensgeld und Verdienstentgang) aus Anlass seines Dienstunfalls vom 19.01.2024 gemäß § 23b Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 4 GehG ab. Dazu führte die Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass für die Zuerkennung eines Vorschusses nach den Bestimmungen der §§ 23a f. GehG und nach den dazu ergangenen Materialien ein Schaden vorliegen müsse, der dem Beamten durch eine andere Person schuldhaft zugefügt worden sei. Da im vorliegenden Verfahren mangels Zurechnungsfähigkeit des Schädigers kein Fremdverschulden vorliegen könne, sei ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Vorschusses, welcher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Voraussetzung für die Zuerkennung dieser besonderen Hilfeleistung sei, von vornherein ausgeschlossen. Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher abzuweisen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 16.07.2025 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Am 19.01.2024 erlitt der Beschwerdeführer, ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehender Beamter des Exekutivdienstes, im Dienst bei der Durchführung einer Amtshandlung (Überwältigung des Schädigers bei der Durchsuchung seiner Wohnung) eine Verletzung im Bereich des linken Unterarms / Ellenbogens. Dieser Unfall wurde von der BVAEB als Dienstunfall anerkannt. Aufgrund der angeführten Verletzung befand sich der Beschwerdeführer vom 21.01. bis 26.02.2024 im Krankenstand. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 13.09.2024 wurde festgestellt, dass der Schädiger die gegenüber dem Beschwerdeführer am 19.01.2024 begangene Tat unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, aufgrund der er im Tatzeitraum zurechnungsunfähig gewesen sei, begangen habe; gleichzeitig wurde gegenüber dem Schädiger gemäß § 434 Abs. 1 StPO die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet.

1.2. Mit Bescheid vom 15.05.2024 wies die Bundesministerin für Justiz den Antrag einer Beamtin der Justizwache auf Gewährung eines Vorschusses mangels Vorliegens von Fremdverschulden (Zurechnungsunfähigkeit der dortigen Schädigerin) nach den §§ 23a f. GehG als unbegründet ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.05.2025, Zl. W244 2297322-1/5E, als unbegründet ab. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision ist aktuell beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Beim Bundesverwaltungsgericht sind mittlerweile mehrere Beschwerdeverfahren nach § 23a f. GehG anhängig, in welchen die im Rahmen von Dienstunfällen erfolgten Körperverletzungen / Gesundheitsschädigungen den dortigen Beschwerdeführern / Beschwerdeführerinnen jeweils durch zurechnungsunfähige Schädiger zugefügt wurden (s. etwa die beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zln. W246 2274728-2, W293 2287040-2, W246 2292413-1, W293 2315999-1, W257 2316980-1, W257 2317200-1, W293 2317619-1, W293 2317744-1 und W213 2317786-1 anhängigen Beschwerdeverfahren).

2. Beweiswürdigung:

Die unter Pkt. II.1. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im erstinstanzlichen Verwaltungsakt des vorliegenden Verfahrens einliegenden und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes unbedenklichen Aktenteilen (s. die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.05.2024 und E-Mail vom 28.05.2025 vorgelegten Unterlagen [Unfallmeldung vom 19.01.2024, Schreiben der BVAEB vom 19.03.2024 und Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 13.09.2024], den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde) und aus der Einsicht in die Beschwerdeakten betreffend die beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zln. W246 2274728-2, W293 2287040-2, W246 2292413-1, W244 2297322-1, W293 2315999-1, W257 2316980-1, W257 2317200-1, W293 2317619-1, W293 2317744-1 und W213 2317786-1 geführten Beschwerdeverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Nach § 31 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 147/2024, (in der Folge: VwGVG) erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2025, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

3.1. Nach § 34 Abs. 3 erster Absatz VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3 zweiter Absatz VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

3.2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (s. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8).

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell größeren Zahl von Revisionseinbringungen geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm. 14 zu § 34 VwGVG).

Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleiche Rechtsfrage strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.

3.3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind mittlerweile mehrere gleichgelagerte Verfahren, denen dieselbe Rechtsfrage zugrunde liegt, anhängig (s. oben unter Pkt. II.1.2.), wobei aufgrund der potentiell österreichweit betroffenen Beamten und Beamtinnen des Exekutivdienstes und der Justizwache in Zukunft das Anhängig-Werden weiterer solcher Verfahren zu erwarten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem derartigen Verfahren bereits entschieden und die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid (Abweisung des Antrages einer Beamtin der Justizwache auf Gewährung eines Vorschusses mangels Vorliegens von Fremdverschulden [Zurechnungsunfähigkeit der Schädigerin]) mit dem o.a. Erkenntnis im Verfahren zur Zl. W244 2297322-1 abgewiesen (vgl. Pkt. II.1.2.). Beim Verwaltungsgerichtshof ist nach gegen dieses Erkenntnis erhobener außerordentlicher Revision das im Spruch angeführte (Revisions)Verfahren anhängig, dem dieselbe Rechtsfrage wie dem vorliegenden Verfahren (Ausschluss von Fremdverschulden bei Zurechnungsunfähigkeit des Schädigers / der Schädigerin) zugrunde liegt. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist daher auch für das vorliegende Verfahren relevant. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage liegt bislang nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind somit gegeben. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.