Rückverweise
187 2317444-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der AAAA , vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, Domgasse 2, 3100 St. Pölten, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „A12 Inntal Autobahn Naturgefahren Oberland 2025-2026 Bauleistungen Verfahrens-ID 136901“, der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), Schnirchgasse 17, 1030 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle, ASFINAG Bau Management GmbH, Schnirchgasse 17, 1030 Wien, vertreten durch die CHG Czernich Haidlen Gast Partner Rechtsanwälte GmbH, Bozner Platz 4, Palais Hauser, 6020 Innsbruck, vom 11. August 2025:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der AAAA : „Der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Schnirchgasse 17, A-1030 Wien, wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bei sonstiger Exekution untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.“ gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin ASFINAG Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „A12 Inntal Autobahn Naturgefahren Oberland 2025-2026 Bauleistungen Verfahrens-ID 136901“, den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 11. August 2025, beim Bundesverwaltungsgericht am 12. August 2025 eingelangt, beantragte die AAAA , vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, Domgasse 2, 3100 St. Pölten, in der Folge Antragstellerin, die Einleitung eines Verfahrens zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, die Akteneinsicht, die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „A12 Inntal Autobahn Naturgefahren Oberland 2025-2026 Bauleistungen Verfahrens-ID 136901“, der Auftraggeberin ASFINAG Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Schnirchgasse 17, 1030 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle, ASFINAG Bau Management GmbH, Schnirchgasse 17, 1030 Wien, vertreten durch die CHG Czernich Haidlen Gast Partner Rechtsanwälte GmbH, Bozner Platz 4, Palais Hauser, 6020 Innsbruck.
1.1 Nach der Bezeichnung des Vergabeverfahrens, der Bezeichnung des Auftraggebers und der angefochtenen Entscheidung, Angaben zur Rechtzeitigkeit, der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, Angaben zur Entrichtung der Pauschalgebühren, der Darstellung des Sachverhalts sowie Angaben zum Interesse am Vertragsabschluss und dem drohenden Schaden erachtete sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens samt Möglichkeit der Beteiligung und anschließender Zuschlagserteilung ua gemäß § 20 Abs 1 BVergG 2018, insbesondere in ihrem Recht auf Abgabe und Bewertung eines dem Gesetz, der Ausschreibung und generell vergabekonformen sowie chancenreichen Angebotes verletzt. Dies vor allem aufgrund der verletzten Pflicht der Auftraggeberin, dem ausschreibungskonformen Angebot der Antragstellerin, welches besser zu bewerten sei als das Angebot der präventiven Zuschlagsempfängerin zuzuschlagen.
1.2 Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zuschlagsentscheidung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass ihr Angebot im Zuschlagskriterium 00B107A falsch bewertet worden sei. Ausschlaggebender Unterschied seien die 1,8 Punkte in diesem Kriterium, die die Antragstellerin – zu Unrecht – nicht erhalten habe. Zusätzlich zum Preisangebot – neben dem ausgepreisten Preisleistungsverzeichnis – seien innerhalb der Angebotsfrist zwingend das Angebotsdeckblatt, die K2-, K3- und K7-Blätter sowie ein allenfalls relevantes Subunternehmerverzeichnis abzugeben gewesen. Die Antragstellerin habe diese Vorgabe auch erfüllt. Zusätzlich hätten die Bieter auch Angaben zu Qualitätskriterien anbieten können, die im Rahmen der Angebotsprüfung seitens der Antragsgegnerin zu bewerten gewesen seien. Sämtliche dieser Kriterien seien auf Basis eines Kriterienkataloges über eine Selbstdeklaration zu den Positionen 00B106A bis 00B107Aff anzugeben gewesen. Auch diesbezüglich hab die Antragstellerin einen vollständig ausgefüllten Qualitätskriterienkatalog innerhalb der Angebotsfrist übermittelt. Die Vorgaben in der Ausschreibungsunterlage hätten einerseits aus Festlegungen, die in weiterer Folge im Rahmen der Bauabwicklung einzuhalten seien, und andererseits aus Nachweisen, die im Zuge der Angebotsprüfung vorzulegen gewesen seien, bestanden. Nachweise für die Zertifizierungen und das Schlüsselpersonal habe sich die Auftraggeberin vorbehalten, im Zuge der Angebotsprüfung nachzufordern. In Punkt 1.1.17 „Form und Einreichung der Angebote“ sei ausdrücklich festgehalten, dass jene Unterlagen, die im Angebotsblatt unter „zwingend mit dem Angebot abzugebenden Unterlagen“ aufgelistet seien, schon im Zeitpunkt „der Angebotsöffnung“ vorliegen müssten. Sonstige in den Ausschreibungsunterlagen verlangte Unterlagen seien über Aufforderung nachzureichen. Die gegenständlich nachgereichten Formblätter und Nachweise seien nicht dort aufgelistet – sie könnten demnach nachgereicht werden und seien bei der Bewertung der Angebote zu berücksichtigen. Dass der im Rahmen der Selbstdeklaration im Anhang zum Angebotsdeckblatt verlangte Lebenslauf schon mit dem Angebot vorzulegen sei, verlange die Ausschreibung nicht. Die Antragstellerin habe alle Angaben vollständig unterbreitet, jedoch die Nachweise noch nicht dem ursprünglichen Angebot beigeschlossen. Diesbezüglich sei sie daher von der Auftraggeberin mittels Aufforderung vom 30. Juni 2025 um Aufklärung ersucht worden, der sie fristgerecht mit Schreiben vom 7. Juli 2025 nachgekommen sei und alle Formblätter und Nachweise nachgereicht habe. Aus der gemäß §§ 914 und 915 ABGB vorzunehmenden Auslegung der Ausschreibungsunterlagen ergebe sich, dass die relevanten Unterlagen auf Aufforderung der Auftraggeberin nachzureichen seien. Dies habe die Antragstellerin getan. Ein Bieter hätte keine Möglichkeit, etwas zu erstellen oder sich in irgendeiner Weise besser zu stellen. Sollte es sich um einen Mangel handeln, wäre es ein verbesserbarer Mangel. Die Formulierung „mit dem Angebot abzugeben“ sei demnach so zu verstehen, dass ein Angebot aus einem Preisangebot innerhalb der Angebotsfrist und den nachzureichenden Unterlagen für alle Qualitätskriterien zur abschließenden Gesamtbewertung bestehe. Jedenfalls sei ein Angebot nur dann vollständig bewertbar, wenn sämtliche Nachreichungen, Prüfungen und Unterlagen dazu vorlägen und somit als wertbares Angebot bzw „Angebot“ bezeichnet werden könne. Das habe die Antragstellerin erfüllt. Aus diesem Grunde seien die von der Antragstellerin angebotenen Punkte des Qualitätskriteriums Schlüsselpersonal jedenfalls zu werten. Die Bewertung des Zuschlagskriteriums 00B107Aff mit 0 Punkte erfolge zu Unrecht.
1.3 Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und führte im Wesentlichen aus, dass ein Unternehmen gemäß § 350 BVergG 2018 die Anordnung vorläufiger Maßnahmen beantragen könne, die notwendig und geeignet erschienen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung zu beseitigen oder zu verhindern. Im Rahmen der anzustellenden Interessensabwägung sei zunächst festzuhalten, dass die Antragstellerin dann, wenn die Auftraggeberin die angefochtene Entscheidung aufrecht halte, die Chance auf die Zuschlagserteilung bzw Abschluss des Werkvertrages verliere. Auf der anderen Seite würde durch die Erlassung der gegenständlich beantragten einstweiligen Verfügung keine öffentlichen Interessen des gegenständlichen Vergabeverfahrens oder Antragsgegnerin beeinträchtigt oder gar verletzt werden. Abgesehen der ohnehin nicht gegebenen Dringlichkeit des gegenständlichen Auftrages hätten öffentliche Auftraggeber gegenständlicher Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden mit der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Verzögerung des Vergabeverfahrens durch eine einstweilige Verfügung zu rechnen und dementsprechend die Zeitplanung zu gestalten.
2. Mit Schriftsatz vom 11. August 2025, beim Bundesverwaltungsgericht am 12. August 2025 eingelangt, gab die Antragstellerin bekannt, dass ihr die Zuschlagsentscheidung am 1. August 2025 zugestellt worden sei, legte den Zahlungsbeleg über die Pauschalgebühr vor und wiederholte ihre Anträge.
3. Mit Schriftsatz vom 13. August 2025 teilte die Auftraggeberin die Vollmachtsverhältnisse mit und stellte die fristgerechte Auskunftserteilung und Stellungnahme in Aussicht.
4. Mit Schriftsatz vom 14. August 2025 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.
5. Mit Schriftsatz vom 18. August 2025 legte die Auftraggeberin eine Kopie der Unterlagen des Vergabeverfahrens in elektronischer Form vor, nahm zum Umfang der Akteneinsicht Stellung und stellte die mögliche Form der Einsicht in den elektronischen Vergabeakt der Auftraggeberin klar.
6. Mit Schriftsatz vom 18. August 2025 erhob die BBBB , vertreten durch Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwältin, Magtstraße 4, 6020 Innsbruck, in der Folge in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, begründete Einwendungen und führte nach Darlegung des Vertretungsverhältnisses und Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass die Nachweise für das Schlüsselpersonal nachgereicht werden könnten, weil das Fehlen dieser Formblätter nicht zum sofortigen Ausscheiden des Angebots führe. Allerdings sei das Fehlen der Nachweise im Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht sanktionslos, sondern führe dazu, dass dieses Kriterium mit 0 Punkten gewertet werde. Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin im Zuschlagskriterium 00B107A mit 0 Punkten sei zu Recht erfolgt, da die Antragstellerin die Nachweise für das Schlüsselpersonal nicht mit dem Angebot vorgelegt habe. Im Formblatt zu B.6 finde sich die entsprechende Festlegung. Durch eine Nachreichung der Unterlagen könne ein Bieter seine Wettbewerbsstellung verbessern. Auch aus der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nach §§ 914 und 915 ABGB lasse sich das Vorbringen des Nachprüfungsantrags nicht erzielen. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin beantragt die Abweisung, in eventu die Nichtstattgabe des Nachprüfungsantrags.
7. Mit Schriftsatz vom 22. August 2025 nahm die Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag Stellung. Darin führte sie nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass die Ausschreibungsunterlagen bestandsfest geworden seien. Unter dem Zuschlagskriterium 00B107A Schlüsselperson 1 – Qualifikation würden für den nominierten Bauleiter Straßen- bzw. Verkehrswegebau maximal 2 Punkte vergeben; einer für Referenzprojekt A, einer für Ausbildung und Berufserfahrung. Die Angaben zum Schlüsselpersonal Bauleiter Straßen- bzw Verkehrswegebau durch die Bieter habe auf dem Angebotsdeckblatt und den dort angeschlossenen Formblättern zu erfolgen. Das Angebotsdeckblatt enthalte auf Seite 3 von 17 die Vorgabe, dass die Formblätter zur Wertung des Zuschlagskriteriums mit dem Angebot abzugeben seien. Sofern diese Formblätter nicht mit dem Angebot abgegeben würden, gelte das Kriterium als nicht angeboten und werde mit 0 Punkten berücksichtigt. Die abzugebenden Formblätter seien das Formblatt Personenbezogene Referenzprojekte und das Formblatt Ausbildung und Berufserfahrung. Weiters sei auf Seite 3 von 17 ganz unten noch der Hinweis, dass in dem Fall, dass die zum angebotenen Kriterium abzugebenden Formblätter nicht mit dem Angebot abgegeben würden, das Kriterium als nicht angeboten gelte. Die Angaben im Formblatt Personenbezogene Referenzprojekte und im Formblatt Ausbildung und Berufserfahrung fänden sich an keiner anderen Stelle im Angebot der Antragstellerin. Aus den Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen folge, dass die Nichtabgabe der Formblätter Personenbezogene Referenzprojekte sowie Ausbildung und Berufserfahrung zur Nichtwertung des Zuschlagskriteriums Schlüsselpersonal führe. Ein Nachreichen der Formblätter und deren Wertung des Zuschlagskriteriums würde der bestandsfesten Ausschreibung und deren Bedingungen widersprechen und somit die anderen Bieter diskriminieren. Aus der Nachforderung durch die örtliche Bauaufsicht und erst nachträglich Prüfung durch die Rechtsabteilung der Auftraggeberin folge die Zulässigkeit der Nachreichung nicht. Die Behebbarkeit von Mängeln hänge an der Beeinflussung der Wettbewerbsstellung, die bei der Nachreichung von Nachweisen für bewertungsrelevante Mängel gegeben sei. Die Auftraggeberin beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den Nachprüfungsantrag zurückweisen, in eventu abweisen, die erlassene einstweilige Verfügung aufheben und den Antrag auf Ersatz der Gebühren abweisen. Die Auftraggeberin legte weitere Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1 Die Autobahnen- und Schnellstraßen Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) schreibt unter der Bezeichnung „A12 Inntal Autobahn Naturgefahren Oberland 2025-2026 Bauleistungen Verfahrens-ID 136901“ einen Bauauftrag mit den CPV-Codes 45223000-6 „Bau von Konstruktionen und baulichen Anlagen“, 45233100-0 „Bauarbeiten für Fernstraßen und Straßen“, 45000000-7 „Bauarbeiten“, 45233110-3 „Bauarbeiten für Autobahnen“ und 45221000-2 „Bauarbeiten für Brücken, Tunnel, Schächte und Unterführungen“ in einem offenen Verfahren nach dem Bestangebotsprinzip, wobei mit Qualitätskriterien 13 Punkte und mit dem Angebotspreis 87 Punkte erzielt werden konnten. Der geschätzte Auftragswert liegt im Unterschwellenbereich. Vergebende Stelle ist die ASFINAG Bau Management GmbH. Sie ist im Sinne des § 1007 ABGB unumschränkt bevollmächtigt und beauftragt, das gegenständliche Vorhaben im „Vollmachtsnamen“ abzuwickeln. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte in Österreich am 2. Juni 2025 zur Zahl PROVIA ID-Nr: 136901. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens).
1.2 Die Angebotsöffnung fand am 26. Juni 2025, von 10.00 Uhr bis 10.52 Uhr, elektronisch über die Beschaffungsplattform ohne Anwesenheit von Bietern statt. Das Protokoll über die Öffnung der Angebote wurde den Bietern unmittelbar danach über die Beschaffungsplattform übermittelt und enthielt neben den Angebotspreisen die weiteren bewertungsrelevanten Angaben. Dabei öffnete die Auftraggeberin folgende Angebote mit den genannten Angebotspreisen ohne USt:
XXXX € 2.496.739,16
BBBB € 2.478.152,31
XXXX € 2.589.682,18
XXXX € 1.869.998,98
XXXX (Alternativangebot) € 1.799.999,99
AAAA € 2.466.968,41
XXXX € 2.522.363,89
(Angebotsöffnungsprotokoll, Datei „136901_Oeffnungsprotokoll_signiert.pdf“ in den Unterlagen des Vergabeverfahrens in OZ 13)
1.3 Am 1. August 2025 übermittelte die Auftraggeberin ua der Antragstellerin Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin über die elektronische Vergabeplattform. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Auftrag erteilt. (Angaben der Auftraggeberin)
1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 4.861,50. (gegenständlicher Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2.1 Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen.
2.2 Diese Quellen sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2025/50 lauten:
„Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2024/147, lauten:
„Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
…
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) …
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
…“
3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:
„Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) …
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) …
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) …
Antragstellung
§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) …
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.
Verfahrensrechtliche Bestimmungen
§ 352. (1) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.
(2) Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unverzüglich, längstens jedoch binnen 10 Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen 15 Tagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.
(3) …“
3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG). Sie ist nach ständiger Rechtsprechung öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (BVwG 25. 11. 2016, W187 2135663-2/24E, BVwG 21. 10. 2022, W279 2256889-2/31E; BVwG 30. 4. 2025, W139 2307952-2/27E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls unter dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin gemäß § 2 Z 15 lit aa BVergG 2018 und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.
3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Fortführung des Vergabeverfahrens beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang der Zuschlagserteilung im gegenständlichen Verfahren mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – die Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und den Erhalt des Zuschlags ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige späteren Zuschlagserteilung an das Angebot der Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E; BVwG 25. 9. 2023, W139 2278158-1/2E).
3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Zuschlagserteilung auf ihr Angebot.
3.3.2.3 Die Auftraggeberin sprach sich einerseits im Schriftsatz vom 14. August 2025 nicht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, beantragte jedoch in weiterer Folge im Schriftsatz vom 22. August 2025 ohne nähere Begründung die Aufhebung der noch nicht erlassenen einstweiligen Verfügung.
3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; BVwG 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), auch wenn ein Interesse der Allgemeinheit an einem Vertragsabschluss über einen öffentlichen Auftrag ohne übermäßige Verzögerung bestehen kann (EuGH 18. 1. 2024, C-303/22, CROSS Zlín, ECLI:EU:C:2024:60, Rn 62), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, ECLI:EU:C:2003:213, Rn 30, Slg 2003, I-3249; EuGH 14. 7. 2022, C-274/21 und C-275/21, EPIC Financial Consulting, ECLI:EU:C:2022:565, Rn 94).
3.2.2.5 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Auch wenn die Auftraggeberin sich schließlich gegen eine einstweilige Verfügung wendet, müsste sie dies näher begründen und wäre sie ungeachtet eines ausdrücklichen gesetzlichen Auftrags verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Andernfalls könnte eine Vergabekontrolleinrichtung den vergaberechtlichen Rechtsschutz zu einem Zeitpunkt, zu dem ein behaupteter Verstoß noch beseitigt werden kann, nicht gewährleisten. Da der Zweck des Vergaberechtsschutzes die Durchsetzung subjektiver Rechte und die Beseitigung von Verstößen bei erster Gelegenheit ist, ist auch der Vorrang des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes vor einem Verweis auf bloße Schadenersatzansprüche im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und die Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Eine besondere Dringlichkeit konnte nicht erblickt werden. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, ECLI:EU:C:2003:213, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVwG 10. 8. 2022, W187 2257846-1/2E; BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; BVA 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).
3.2.2.6 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
3.2.2.8 Bei einer bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; BVwG 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; BVwG 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E; BVwG 28. 4. 2022, W187 2254118-1/2E). Es soll somit lediglich der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert wird, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; BVwG 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; BVwG 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2; Pimmer in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 § 391 [Stand 1.7.2021, rdb.at]). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Eine Begrenzung der Dauer der angeordneten Maßnahme könnte mit einer besonderen Dringlichkeit des Auftraggebers begründet werden, wurde aber nicht belegt. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt jedoch keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung derzeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; VwGH 30. 6. 2004, 2004/04/0028; VwGH 1. 2. 2005, 2005/04/0004; VwGH 29. 6. 2005, 2005/04/0024; VwGH 1. 3. 2007, 2005/04/0239; VwGH 27. 6. 2007, 2005/04/0254; VwGH 29. 2. 2008, 2008/04/0019; VwGH 14. 1. 2009, 2008/04/0143; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.