JudikaturBVwG

W116 2282325-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
22. Juli 2025

Spruch

W116 2282325-1/22E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI über den Antrag des XXXX , vertreten durch XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgericht Krems an der Donau vom 09.10.2023, 201 Jv 1383/23x-33, beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgericht Krems an der Donau vom 09.10.2023, 201 Jv 1383/23x-33, wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 21.11.2023 und 04.12.2023 Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid vom 09.10.2023, mit dem ihm in einem Grundbuchsverfahren angefallene Gebühren/Kosten vorgeschrieben wurden.

2. Mit Beschlüssen vom 09.01.2024, W116 2282325-1/2E, W116 2282541-1/2E, W116 2282327-1/2E wurden der gegenständliche Verfahrenshilfeantrag und zwei weitere Verfahrenshilfeanträge vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach § 8a VwGVG Voraussetzung für die Gewährung von Verfahrenshilfe sei, dass eine solche auf Grund des Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) geboten ist, dass aber die Eintreibung von Gerichtsgebühren weder in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK, noch des Art. 47 GRC falle. Bereits aus diesem Grund seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe hier nicht gegeben.

3. Mit Erkenntnis vom 03.10.2024, G 3504/2023, hob der Verfassungsgerichtshof in § 8a Abs. 1 VwGVG die Wort- und Zeichenfolge "dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist,", als verfassungswidrig auf. Mit Erkenntnis vom 11.12.2024, E 779/2024-18 wurden daraufhin vom VfGH auch die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2024, W116 2282325-1/2E, W116 2282541-1/2E, W116 2282327-1/2E aufgehoben. Da zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren bereits ein Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers beim Verfassungsgerichtshof anhängig war, sei der vorliegende Beschwerdefall einem Anlassfall gleichzuhalten gewesen und habe die Aufhebung der Wortfolge auch auf den Beschwerdefall zurückwirkt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Schriftsatz vom 16.01.2023, erhob der Antragsteller Rekurs gegen den im Verfahren TZ 7594/2022 ergangenen Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 27.12.2022. Dieser wurde elektronisch eingebracht.

1.2. Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Krems an der Donau vom 09.10.2023, 201 Jv 1383/23x-33, wurde festgestellt, dass im Grundbuchsverfahren TZ 512/23 Gebühren/Kosten in Höhe von insgesamt EUR 74,00 (darin enthalten Eingabegebühr TP 9 lit a Anm. 1a GGG in Höhe von EUR 66,00 und Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG EUR 8,00) angefallen seien, für die der Beschwerdeführer zahlungspflichtig sei.

1.3. Der Beschwerdeführer bezieht monatlich € 1.288,00 Euro über das AMS, trägt Wohnkosten in Höhe von ca. € 600,00 und hat kein nennenswertes Vermögen. Er hat einen Kredit bei der Bank Austria über ca. € 39.000,00 mit einer monatlichen Rate von ca. € 580,00. Er ist nicht im Stande, die Kosten der Führung des Verfahrens XXXX ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellung zu 1.1. ergeben sich aus dem im Grundverfahren an das Bezirksgericht Krems an der Donau erhobenen Rekurs und hinsichtlich der Einbringung aus dem zugehörigen Deckblatt auf dem die elektronische Einbringung vermerkt ist.

2.2. Die Feststellung zu 1.2. gründet unmittelbar auf dem gegenständlich angefochtenen Bescheid.

2.3. Die Feststellung zu 1.3. ergeben sich aus dem am 26.02.2024 vorgelegten Vermögensverzeichnis.

3. Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG war einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies aufgrund des Art 6 Abs. 1 EMRK oder des Art 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Mit Erkenntnis vom 03.10.2024, G 3504/2023, hob der Verfassungsgerichtshof die Wort- und Zeichenfolge "dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist," in § 8a Abs. 1 VwGVG, als verfassungswidrig auf. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Dem in Art. 140 Abs. 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren. Im Fall einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des zugrundeliegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (vgl. VfGH 26.11.2018, E3711/2017). Die Aufhebung tritt zwar erst mit 31.03.2026 in Kraft. Da es sich bei gegenständlichen Fall aber um einen Quasi-Anlassfall handelt – wie der VfGH in seiner Entscheidung vom 11.12.2024, E 779/2024-18 ausgeführt hat – ist auf den gegenständlichen Verfahrenshilfeantrag bereits die bereinigte Rechtslage anzuwenden. Dem Antrag ist daher stattzugeben soweit die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Der Antragsteller beantragte Verfahrenshilfe um Beschwerde gegen den Bescheid zu erheben, mit welchem ihm die Pauschalgebühr und die Einhebungsgebühr zur Zahlung vorgeschrieben wurden. Mit Schriftsatz vom 16.01.2023, erhob der Antragsteller Rekurs gegen einen im Grundbuchsverfahren ergangenen Beschluss. Gemäß TP 9 lit. a GGG beträgt die Pauschalgebühr in Grundbuchsachen um Eintragung in das Grundbuch € 47,00.--. Gemäß Anm. 1 zu TP 9 fallen unter die Gebührenpflicht nach TP 9 lit. a auch die Rechtsmittelschriften gegen Beschlüsse des Grundbuchsgerichtes. Die Eingabegebühr erhöht sich gemäß Anmerkung 1 zu TP 9 um € 19,00 --, wenn nicht die Eingabe und sämtliche Urkunden im elektronischen Rechtsverkehr übermittelt werden. Gegenständlich wurde der Rekurs elektronisch übermittelt, jedoch dennoch eine Gebühr von € 66,00 statt € 47,00 vorgeschrieben, sodass bereits aus diesem Grund die Beschwerde nicht offenbar aussichtlos erscheint. Für die Frage, ob die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens zu bestreiten, sind die Bestimmungen der ZPO maßgeblich (siehe § 63 Abs. 1 ZPO zur Definition des notwendigen Unterhalts). Bei natürlichen Personen ist die wirtschaftliche Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenshilfe die „Mittellosigkeit“ (OLG Linz 11 Rs 26/08). Der notwendige Unterhalt liegt zwischen den Extremen „notdürftiger“ und „standesgemäßer“ Unterhalt (OLG Wien 18 R 20/81, LGZ Wien 48 R 83/07), also abstrakt zwischen dem Existenzminimum (Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit a ASVG bzw. dem unpfändbaren Betrag bei einer Lohnpfändung nach § 291a EO und dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen. Vermögenswerte (Liegenschaften, Wertpapiere, etc.) und Erträgnisse aus Vermögenswerten sind zu berücksichtigen. Geringfügige und angemessene Rücklagen stehen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entgegen, wobei Ersparnisse von EUR 3.000,00 als noch angemessene Rücklage angesehen wurden (LGZ Wien 48 R 334/10p). Ob die Bedürftigkeit verschuldet oder unverschuldet ist, ist grundsätzlich bedeutungslos, sofern die Partei nicht etwa eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit gerade deshalb unterlässt, um in den Genuss der Verfahrenshilfe zu kommen bzw. in Kenntnis des zu führenden Prozesses Barmittel ohne Notwendigkeit für andere Zwecke verwendet (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 II/1 § 63 ZPO (Stand 1.9.2014, rdb.at) Rz 1). Da der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen für das Jahr 2025 EUR 1.273,99 beträgt und das Einkommen des Beschwerdeführers nur knapp über dem notdürftigen Unterhalt liegt, ist (mangels einem nennenswerten Vermögen und angesichts seiner Verschuldung) zweifelsohne von Mittellosigkeit auszugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision: Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich an der unter A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, daher ist keine offene Rechtsfrage zu sehen. Die Revision ist daher unzulässig.