JudikaturBVwG

W158 2307195-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
21. Juli 2025

Spruch

W158 2307195-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatenlos, vertreten durch XXXX wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Säumnisbeschwerde) betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

XXXX wird ipso facto gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, dass er am XXXX in Aleppo, Syrien geboren worden und staatenlos sei. Er sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der Palästinenser an. Er sei ledig, habe zwölf Jahre die Grundschule und vier Jahre die Universität besucht und zuletzt als Lehrer gearbeitet. Er wies darauf hin, dass sein Bruder XXXX anerkannter Flüchtling in Österreich sei.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er seine Heimat wegen dem Krieg verlassen habe. Er sei zum Militär einberufen worden, wolle aber weder kämpfen noch töten. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien fürchte er sich vor dem Krieg.

Am XXXX erhob der Bf Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Begründend führte er aus, dass seit der Antragstellung die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG von sechs Monaten verstrichen sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) habe seinen Antrag bis dato nicht entschieden. Die belangte Behörde treffe das ausschließliche, jedenfalls aber das überwiegende, Verschulden an der Verzögerung. Es wurde daher beantragt, das Verwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem gestellten anhängigen Antrag stattgeben.

Eine für XXXX anberaumte Einvernahme bei der belangten Behörde wurde von dieser mit Schreiben vom XXXX wieder abberaumt.

Mit E-Mail vom XXXX übermittelte der Bf Kopien einer „UNRWA – Family Registration Card“ (AS 99) und eines „UNRWA-Family Registration Certificate“ (AS 100) an die belangte Behörde und wies darauf hin, dass es sich bei ihm um einen Palästinenser handle.

Mit Schreiben vom XXXX legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Sie wies darauf hin, dass eine Erledigung nicht innerhalb der 3-Monatsfrist erfolgen habe können und der Akt deshalb in Vorlage gebracht werde.

Am XXXX übermittelte der Bf Fotos einer „UNRWA – Family Registration Card“ und eines „UNRWA-Family Registration Certificate“ an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schreiben vom XXXX gab die belangte Behörde bekannt, dass eine Teilnahme eines informierten Vertreters an der anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Zudem wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt und um Übersendung des Verhandlungsprotokolls ersucht.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine mündliche Verhandlung durch.

Mit Schreiben XXXX wurde das Bundeskriminalamt vom Bundesverwaltungsgericht mit der Überprüfung eines in Vorlage gebrachten Beweismittels (UNRWA – Family Registration Card) beauftragt.

Am XXXX übermittelte das Bundeskriminalamt einen Untersuchungsbericht betreffend die Überprüfung des Beweismittels an das Bundesverwaltungsgericht, in welchem das vorgelegte Beweismittel als authentisch beurteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Bf führt die im Spruch genannten Personalien. Er ist staatenloser Palästinenser. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er ist ledig und kinderlos.

Der Bf wurde im Flüchtlingslager XXXX geboren und lebte dort durchgehend bis zu seiner Ausreise aus Syrien Anfang des Jahres 2024.

Er hat zwölf Jahre die Grundschule und vier Jahre die Universität besucht.

Die Eltern des Bf leben mit den Schwestern des Bf mittlerweile im Libanon.

Der Herkunftsort des Bf steht unter Kontrolle der neuen Übergangsregierung bzw. der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS).

Der Bf ist gesund.

Der Bf ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Bf ist bei der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) registriert.

Er hat den Schutz der UNRWA tatsächlich in Syrien in Anspruch genommen.

Der Bf hat den Schutz der UNRWA unfreiwillig aufgrund der damaligen Lage bzw. des Bürgerkrieges in Syrien aufgeben müssen. Er hat damit aufgrund nicht von ihm selbst verursachter, nicht von ihm selbst zu kontrollierender und nicht von seinem Willen abhängiger Gründe das Gebiet der UNRWA verlassen müssen.

UNRWA bietet Unterstützungsleistungen in zwölf Flüchtlingslagern in Syrien an (neun offizielle und drei inoffizielle). Diese Lager werden von der UNRWA jedoch nicht verwaltet und UNRWA ist nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig, diese liegt in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates.

Im Falle der Rückkehr in das UNRWA-Mandatsgebiet in Syrien besteht für den Bf auch aktuell die reale Gefahr, in eine existenzbedrohende Notsituation zu geraten und aufgrund der instabilen Sicherheitslage einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens ausgesetzt zu sein. Dies insbesondere auch aufgrund von aktuellen Finanzierungslücken, der Zerstörung vieler Lager und Siedlungen und des generellen Versorgungsmangels. Deshalb kann die UNRWA auch gegenwärtig keinen adäquaten Beistand bzw. Schutz für palästinensische Flüchtlinge leisten und ist die aktuelle Sicherheitslage in Syrien insbesondere auch die verfahrensrelevante Situation für staatenlose Palästinenser in den UNRWA-Flüchtlingslagern verfahrensrelevant schlecht.

Eine legale Umsiedlung von staatenlosen palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien nach Jordanien oder in den Libanon ist nicht vorgesehen.

Auch eine etwaige UNRWA-Registrierung führt nicht zu einer Legalisierung des Aufenthaltes oder etwa zu einem gesicherten, dauerhaften Aufenthaltsrecht, wie das seit Oktober 2012 geltende Einreiseverbot Jordaniens für Palästinenser zeigt.

Ebenso ist auch eine Niederlassung in Gaza dem Bf aufgrund der dort vorherrschenden volatilen Sicherheitslage sowie der allgemeinen Menschenrechtslage nicht zumutbar.

Dem Bf ist es insgesamt auch aktuell nicht zumutbar und möglich nach Syrien, bzw. in ein sonstiges UNRWA-Mandatsgebiet einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten.

1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:

- Informationssammlung der Staatendokumentation zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad auf www.ecoi.net

- Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10. Dezember 2024

- Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024 und Version 12 vom 08.05.2025

- UNHCR Position on returns to the syrian arab Republic, Dezember 2024

- UNHCR Flashupdates

- Syria Socio-Economic Survey 2024

- Ecoi.net ACCORD – Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG) Zwangsrekrutierungen (a-12592-v2) vom 21.03.2025

- ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen zu Möglichkeiten der Erlangung eines syrischen Reisedokuments (Möglichkeiten, Voraussetzungen, Rolle des konkreten Herkunftsortes, persönliche Anwesenheit, Folgen für Antragsteller·innen im Inland und Verwandte im Herkunftsstaat) (Update von a-12313) [a-12558_v2], 19.03.2025

- EUAA Syria, Country Focus, März 2025

- Interim EUAA Country Guidance Syrien, Juni 2025.

Gemäß Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 27.03.2024 (Version 11) ist daher festzustellen:

[…]

Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat

Laut UNHCR-Schätzung halten sich zusätzlich zu den palästinensischen Flüchtlingen ungefähr 22.800 Flüchtlinge oder Asylsuchende in Syrien auf, die mit Stande Ende September 2022 bei UNHCR registriert waren. Flüchtlinge und Asylsuchende waren Risiken, mehrfacher Vertreibung, verstärkten Sicherheitsmaßnahmen an Checkpoints und Schwierigkeiten beim Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung ausgesetzt, was ihre Bewegungsfreiheit beeinträchtigte (USDOS 20.3.2023).

Das syrische Gesetz bietet die Möglichkeit, den Flüchtlingsstatus zu gewähren. UNHCR bietet Hilfsleistungen für Flüchtlinge, wobei Gewalt den Zugang zu vulnerablen Personen verhindern kann. Das Gesetz garantiert Flüchtlingen nicht explizit das Recht auf Arbeit, außer Palästinensern mit einem bestimmten rechtlichen Status. Die Regierung gewährt Nicht-Palästinensern selten Arbeitsgenehmigungen, und viele Geflüchtete finden im informellen Sektor Arbeit, z. B. als Wachpersonal, Bauarbeiter, Straßenhändler oder in anderen manuellen Berufen (USDOS 20.3.2023).

Die Regierung gewährt irakischen Flüchtlingen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, wie Gesundheitsversorgung und Bildung, doch Aufenthaltsgenehmigungen sind nur für jene erhältlich, die legal einreisten, und über einen gültigen Pass verfügten. Diese Kriterien erfüllen nicht alle Flüchtlinge. Sie sind dadurch den Risiken von Schikanen und Ausbeutung ausgesetzt und die fehlende Aufenthaltsgenehmigung hatte schwere Auswirkungen auf ihren Zugang zu öffentlichen Leistungen (USDOS 20.3.2023).

Anm.: Für Informationen zu palästinensischen Flüchtlingen in Syrien siehe Kapitel Palästinensische Flüchtlinge.

Palästinensische Flüchtlinge

Letzte Änderung 2023-07-13 14:21

Rechtlicher Status der palästinensischen Flüchtlinge in Syrien und das Mandat der UNRWA

Die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) ist entsprechend der Resolution 302 IV (1949) der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einem Mandat zur Förderung der menschlichen Entwicklung palästinensischer Flüchtlinge ausgestattet. Per definitionem sind palästinensische Flüchtlinge Personen, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort zwischen 1.6.1946 und 15.5.1948 Palästina war, und die sowohl ihr Zuhause wie auch ihre Mittel zur Lebenshaltung aufgrund des Konflikts von 1948 verloren haben. Dienste von UNRWA stehen all jenen Personen offen, die im Einsatzgebiet der Organisation leben, von der Definition umfasst und bei UNRWA registriert sind, sowie Bedarf an Unterstützung haben. Nachkommen männlicher palästinensischer Flüchtlinge können sich ebenfalls bei UNRWA registrieren. Darüber hinaus bietet UNRWA ihre Dienste auch palästinensischen Flüchtlingen und Vertriebenen des Arabisch-Israelischen Konflikts von 1967 und nachfolgender Feindseligkeiten an (STDOK 8.2017). Im Dezember 2022 beschloss die UN-Generalversammlung eine Verlängerung des UNRWA-Mandats bis 30.6.2026 (UN 14.12.2022).

Laut UNO befanden sich mit Stand Juli 2022 noch ungefähr 438.000 palästinensische Flüchtlinge von vormals 575.234 Personen im Land. Mehr als die Hälfte der von den verbliebenen PalästinenserInnen ist mindestens einmal intern vertrieben worden und 95% benötigten humanitäre Hilfe (USDOS 20.3.2023).

In Syrien lebende Palästinenser werden in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer Ankunft in Syrien in verschiedene Kategorien eingeteilt, von denen jeweils auch ihre rechtliche Stellung abhängt. Zu unterscheiden ist zwischen jenen Palästinensern, die als Flüchtlinge in Syrien anerkannt sind, und jenen, die in Syrien keinen Flüchtlingsstatus genießen. Da Syrien nicht Vertragspartei der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist, richtet sich der Flüchtlingsstatus nach syrischem Recht. Die Unterteilung in verschiedene Kategorien hat Auswirkungen auf die Art des Reisedokumentes, im Besitz dessen Palästinenser in Syrien sind (ÖB Damaskus 12.2022):

1) Die größte Gruppe (rund 85% der Palästinenser vor Ausbruch der Krise) bilden Palästinenser, die bis zum oder im Jahr 1956 nach Syrien gekommen waren sowie deren Nachkommen. Diese Palästinenser fallen unter die Anwendung des Gesetzes Nr. 260 aus 1956, welches Palästinenser, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes einen Wohnsitz in Syrien hatten, im Hinblick auf Arbeit, Handel, Militärdienst und Zugang zum öffentlichen Dienst syrischen Staatsbürgern gleichstellt. Ausgeschlossen ist diese Gruppe jedoch vom Wahlrecht, dem Innehaben öffentlicher Ämter sowie vom Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen. Sie erhalten auch nicht die syrische Staatsbürgerschaft. Unter diese Kategorie fallende Personen sind bei der GAPAR (General Authority for Palestinian Arab Refugees) registriert (ÖB Damaskus 12.2022).

2) Für jene Palästinenser, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 260 noch im Jahr 1956 in Syrien niedergelassen haben, gelten bestimmte Modifikationen und Einschränkungen (v. a. Anstellung im öffentlichen Dienst nur auf Grundlage zeitlich befristeter Verträge; keine Ableistung von Militärdienst). Berichtet wurde, dass Angehörige dieser Gruppe von der PLO rekrutiert werden und sich sonstigen regimetreuen bewaffneten Gruppierungen anschließen. Sie sind aber ebenfalls bei GAPAR registriert (ÖB Damaskus 12.2022).

Diese unter 1) genannten Gruppen von Palästinensern und ihre Nachkommen sind somit als Flüchtlinge in Syrien anerkannt (ÖB Damaskus 12.2022). Die Identitätskarte für staatenlose PalästinenserInnen in Syrien heißt übersetzt ’Temporäre Aufenthaltskarte für PalästinenserInnen’, hat aber kein Ablaufdatum. Voraussetzung für den Erhalt dieser Karte ist die Registrierung bei GAPAR - eine Registrierung bei UNRWA reicht nicht (NMFA 5.2022). Diese Identitätskarte ist nötig, um Zugang zu Basisleistungen wie syrische StaatsbürgerInnen zu erhalten (USDOS 20.3.2023). Zu einem Großteil verfügen Personen, die bei GAPAR registriert sind, auch über eine UNRWA-Registrierung und haben dadurch in der Regel Anspruch auf UNRWA-Leistungen.

Da UNRWA eine enger gefasste Definition für Registrierungsberechtigte (’Palästina-Flüchtlinge’) zugrunde legt, sowie in bestimmten Zeiträumen keine Neuregistrierungen akzeptierte, kann es sich - trotz späterer Möglichkeiten, sich nachträglich zu registrieren sich nachträglich zu registrieren - ergeben, dass palästinensische Flüchtlinge in Syrien zwar bei GAPAR, nicht aber bei UNRWA registriert sind. GAPAR veröffentlicht daher höhere Zahlen der erfassten palästinensischen Flüchtlinge als UNRWA (BAMF 2.2023).

2) Die nach 1956, insbesondere ab 1967 nach Syrien gekommenen Palästinenser und deren Nachkommen umfassen ihrerseits eine Reihe weiterer Untergruppen. Unter anderem fallen darunter Personen, die nach 1970 aus Jordanien, nach 1982 aus dem Libanon und während der letzten beiden Dekaden aus dem Irak gekommen waren. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nicht bei GAPAR registriert und nicht von Syrien als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind. In Syrien gelten sie als „Arabs in Syria“ und werden wie Staatsbürger arabischer Staaten (unterschieden wird in Syrien in vielen Bereichen zwischen syrischen Staatsbürgern, Staatsbürgern arabischer Staaten und sonstigen ausländischen Staatsbürgern) behandelt. Sie können ihren Aufenthalt in Syrien alle zehn Jahre beim Innenministerium erneuern lassen und müssen Arbeitsgenehmigungen erhalten (ÖB Damaskus 12.2022). Diese PalästinenserInnen ohne GAPAR-Identitätskarte müssen mit ihrer UNRWA-Registrierung oder anderen Dokumenten das Auslangen finden. PalästinenserInnen ohne gültige Identitätsdokumente können mit einer Reihe von Problemen konfrontiert sein, z. B. bzgl. Bewegungsfreiheit und Zugang zur Gesundheitsversorgung (NMFA 5.2022). Doch auch zwischen einzelnen Profilen in dieser Personengruppe ohne GAPAR-Registrierung finden sich Unterschiede, je nach Zeitpunkt ihrer Migration nach Syrien. Einige, aber nicht alle verfügen über eine Registrierung bei UNRWA. Einige fallen hingegen unter das Mandat des UNHCR, darunter bspw. einige palästinensische Geflüchtete, welche zunächst in den Irak, nach Ägypten, Libyen oder in andere Staaten flohen, die nicht zum UNRWAMandatsgebiet zählen (BAMF 2.2023) (Anm.: für nähere Informationen zu weiteren, komplexen Aspekten der verschiedenen Profile in dieser Kategorie siehe BAMF 2.2023).

Einige Kategorien von PalästinenserInnen erfüllen zwar nicht die Kriterien für eine Registrierung als palästinensische Flüchtlinge bei UNRWA, können sich aber für UNRWA-Leistungen registrieren lassen (UNRWA 5.2022).

Syrien kooperiert in gewissem Maß mit UNRWA (USDOS 20.3.2023). Weiterhin kommt es zu Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für palästinensische Flüchtling, die in Flüchtlingslagern leben (USDOS 20.3.2023). Obwohl die syrische Verfassung die Bewegungsfreiheit für syrische Bürger und GAPAR-registrierte PalästinenserInnen garantiert, hat die Regierung seit Beginn des Konflikts Gebiete, darunter auch die Palästinenserlager in der Umgebung von Damaskus, durch die Einrichtung bemannter und unbemannter Kontrollpunkte voneinander getrennt. Die syrische Regierung hat außerdem Militärpersonal und physische Begrenzungen eingesetzt, um die Abgrenzung der Gebiete zu verstärken. Die Zahl der Kontrollpunkte in Damaskus wurde seit 2018 reduziert; es gibt jedoch immer noch Kontrollpunkte in Damaskus und an den Hauptstraßen, die verschiedene Gebiete miteinander verbinden, auch in der Nähe der Lager, sowie an den Hauptstraßen nach Damaskus. Palästinenser müssen viele Kontrollpunkte passieren, wenn sie sich in Gebieten zwischen den dortigen Lagern bewegen. Einige Palästinenser, die nicht bei der GAPAR registriert sind, müssen mit weiteren Bewegungseinschränkungen rechnen, weil die Dokumente in ihrem Besitz nicht an allen Kontrollpunkten akzeptiert werden. Nach Einschätzung einer internationalen Organisation laufen sie Gefahr, inhaftiert zu werden, weil ihr Aufenthalt in Syrien als illegal angesehen werden könnte (DIS 10.2021).

Berichten zufolge müssen PalästinenserInnen z. B. in Damaskus eine Genehmigung der Geheimdienste (Mukhabarat) und der Sicherheitskräfte erhalten, um ihren Wohnsitz verlegen zu können. Diese Registrierungsvorschrift führt dazu, dass manche Personen nicht an palästinensische Flüchtlinge vermieten wollen (STDOK 8.2017).

Bei GAPAR registrierte palästinensische Flüchtlinge unterliegen der Wehrpflicht, Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee (Palestinian Liberation Army, PLA) trägt. Es liegen keine Informationen darüber vor, die besagen, dass wehrdienstpflichtige Palästinenser von Regelungen zum Reservedienst ausgenommen wären (BAMF 2.2023).

Frauen können die syrische Staatsbürgerschaft nicht an ihre Kinder weitergeben. Politiker argumentieren hierbei auch, dass Kinder einer syrischen Mutter und eines palästinensischen Vaters keine Syrer werden, sondern Palästinenser bleiben sollen, um das Recht auf Rückkehr in einen palästinensischen Staat zu behalten (STDOK 8.2017).

Die Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern und Wohngebieten

Laut UN-Schätzung aus dem Jahr 2019 wurden seit 2011 mindestens 120.000 PalästinenserInnen aus Syrien vertrieben (USDOS 20.3.2023). Vor Ausbruch des Bürgerkrieges lebten geschätzte 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien und davon mehr als 80% in und um Damaskus (USAID 8.2.2019). Schon vor dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 waren diese Personen eine vulnerable Bevölkerungsgruppe (STDOK 8.2017).

Zu Beginn des Konfliktes versuchten die BewohnerInnen der meisten palästinensischen Flüchtlingslager neutral zu bleiben (NOREF 24.1.2017). Mittlerweile sind die PalästinenserInnen zwischen den Konfliktparteien gespalten. Die PalästinenserInnen sind hauptsächlich SunnitInnen und werden vonseiten des Regimes und dessen Verbündeten auch wie solche behandelt - also mit Misstrauen, wobei es Ausnahmen hierzu gibt. Was die Vulnerabilität betrifft, scheint jedoch die Herkunft einer Person aus einem bestimmten Gebiet wichtiger zu sein, als ihre Konfession, und ob sie der palästinensischen Minderheit angehört oder nicht. Dabei determinierten die Anfangsjahre des Konflikts 2011-2013, welche Gebiete zu welchen Konfliktparteien zugeordnet werden (STDOK 8.2017).

Die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien waren von schweren Kämpfen in und um manche palästinensische Flüchtlingslager und Stadtteile erheblich betroffen (USAID 8.2.2019). Sowohl Regime- als auch Oppositionskräfte belagerten, beschossen oder machten auf eine andere Art einige palästinensischen Flüchtlingslager oder Stadtteile unzugänglich. Das führte zu schwerer Mangelernährung, fehlendem Zugang zu Gesundheitsversorgung und zu humanitärer Hilfe sowie zu zivilen Todesfällen. Laut Action Group of Palestinians of Syria wurden zwischen März 2011 und Oktober 2022 638 PalästinenserInnen, einschließlich Kindern, von Regimekräften gefoltert. 77 der Opfer wurden durch die ’Caesar’-Fotos [Anm.: durch den Fotografen mit Decknamen Caeser hinausgeschmuggelte Fotos von in Haft Getöteten/Verstorbenen] identifiziert (USDOS 20.3.2023). Die palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk, Ain el-Tel und Dara’a wurden im Zuge von Militäroperationen großteils zerstört. Mitte 2021 führten Kampfhandlungen in Dara’a zur Flucht von ungefähr 3.000 PalästinenserInnen. (NMFA 5.2022) Im Lager Yarmouk kam es auch zu groß angelegten Plünderungen durch regierungsnahe Milizen und syrische Regierungstruppen, während es in den anderen Lagern keine Plünderungen in ähnlichem Ausmaß gab. Es gibt Berichte darüber, dass Palästinenser während des gesamten Konflikts in ganz Syrien, auch in den beiden Gouvernements Damaskus und Rif Dimashq, ins Visier der syrischen Behörden geraten sind. Palästinenser, die beispielsweise in Gebieten südlich von Damaskus leben, wurden an Kontrollpunkten kontrolliert und erpresst. Es kam zu Verhaftungen von Einzelpersonen ohne bekannten Grund sowie zu Verhaftungen von Palästinensern, die zum Militärdienst eingezogen werden sollten und auch von mehr als 50 Kindern. Es wurde auch von nicht-explodierten Kampfmittelrückständen (unexploded ordnances, UXOs) in manchen palästinensischen Flüchtlingslagern berichtet (DIS 10.2021).

Die Leistungen der UNRWA im Rahmen ihrer Zugangsmöglichkeiten

Anm.: Da die Leistungen von der aktuellen finanziellen Lage von UNRWA und der Lage vor Ort (Stichwort zusätzlicher humanitärer Bedarf durch Erdbeben) abhängen, kann es relativ kurzfristig zu Änderungen kommen - es handelt sich somit eine Skizzierung der Ausgangslage.

PalästinenserInnen, die bereits vor dem Konflikt deutlich ärmer als SyrerInnen waren, sind nun eine der am meisten vom Konflikt betroffenen Bevölkerungsgruppen in Syrien. Sie sind außerdem häufig von mehrfachen Vertreibungen betroffen: Der Konflikt breitete sich bereits früh auch entlang der Siedlungsgebiete von Palästinensern in Syrien aus, wodurch diese vertrieben wurden und, auch weil Jordanien und der Libanon ihre Grenzen geschlossen haben, Schutz in anderen UNRWA-Lagern und Siedlungen suchten. Wenn dann diese Regionen vom Krieg eingeholt waren, wurden sie erneut vertrieben. Allgemein gesprochen, sind die PalästinenserInnen vulnerabler als der Durchschnitt der SyrerInnen, was auch mit fehlenden Identitätsdokumenten in Verbindung steht (STDOK 8.2017). So kehrten internvertriebene PalästinenserInnen in die drei zerstörten Lager zurück, weil sie sich die Miete andernorts nicht leisten konnten (NMFA 5.2022).

Laut UNRWA-Schätzung benötigen 90% der 62.000 PalästinenserInnen in den Lagern in Lattakia, Neirab, Ein el-Tel und Hama aufgrund des Erdbebens Hilfe (UNRWA 7.2.2023). 1.076 Unterkünfte von palästinensischen Flüchtlingen in den Provinzen Aleppo. Lattakia und Hama waren von dem Erdbeben betroffen: 166 wurden schwer und 309 teilweise beschädigt. 601 Unterkünfte wiesen geringe Schäden auf. 75% der beschädigten Gebäude befinden sich in der Provinz Aleppo, 23% in Lattakia und 2% in Hama. Hinzukommen Schäden an elf UNRWA-Gebäuden, darunter Schulen und Gesundheitseinrichtungen. Mit Berichtsstand 13.4.2023 waren nur 6% des Spendenaufrufs der UNRWA zur Bewältigung der Erdbebenfolgen eingelangt (UNRWA 14.4.2023).

Die palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien sind nicht durch physische Begrenzungen wie z. B. Mauern eingefriedet, sondern sie sind Teil der Städte und gleichen eher Wohnvierteln. In Syrien leben Teile der palästinensischen Bevölkerung innerhalb und andere außerhalb der Lager. Das Land, auf welchem sich die UNRWA-Lager befinden, ist Eigentum des Gaststaates.

Den palästinensischen Familien wurden in der Vergangenheit Grundstücke zugeteilt, worauf Häuser gebaut wurden. Rechtlich gehört den palästinensischen BewohnerInnen das Land, auf dem die Häuser stehen, nicht. Dennoch werden die dort errichteten Wohnungen und Häuser mittlerweile auch vermietet und verkauft. Der Zugang zu UNRWA-Lagern ist rechtlich nicht eingeschränkt, es kann jedoch faktische Probleme geben, die den Zugang einschränken. Für PalästinenserInnen ist es zudem schwierig, sich durch Checkpoints zu bewegen, z.B. wenn sie keine gültigen syrischen Dokumente vorweisen können. Ihre Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens ist aufgrund der Notwendigkeit, die Genehmigung für einen Wohnortwechsel einzuholen, und aufgrund der Registrierungspflicht eingeschränkt (STDOK 8.2017).

UNRWA ist auf den Einsatz in staatlich kontrollierten Gebieten beschränkt, auch angesichts wachsender Budgetknappheit. UNRWA hat keine Präsenz in von der Opposition gehaltenen Gebieten im Nordwesten Syriens (Syria Direct 4.3.2019) Die Durchführung ihrer Aufgaben ist von der jeweiligen Sicherheitslage und den jeweils vor Ort dominanten Organisationen abhängig (STDOK 8.2017). UNRWA bietet Unterstützungsleistungen in zwölf Flüchtlingslagern in Syrien an (neun offizielle und drei inoffizielle Lager), gibt aber gleichzeitig an, nur Zugang zu zehn der zwölf Lager zu haben (UNRWA 8.2022). Die offiziellen UNRWA-Flüchtlingslager sind Gebiete, die UNRWA von der Regierung des jeweiligen Gastlandes zur Errichtung eines Lagers und der notwendigen Infrastruktur überlassen werden. Die Aktivitäten von UNRWA erstrecken sich jedoch auch auf nicht offiziell diesem Zweck zugewiesene Gebiete (Anm.: sog. ’inoffizielle Lager’) wie z. B. Yarmouk. Die (offiziellen und inoffiziellen) Lager werden von UNRWA jedoch nicht verwaltet, und UNRWA ist nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig. Diese liegt in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates. Die meisten Einrichtungen von UNRWA befinden sich in den Flüchtlingslagern. UNRWA unterhält jedoch teils auch Schulen, Gesundheitszentren und Verteilungszentren in Gebieten außerhalb der offiziellen Lager. Alle Dienstleistungen von UNRWA stehen allen registrierten palästinensischen Flüchtlingen zur Verfügung - auch denen, die nicht in den Lagern leben (UNRWA o.D. A). Laut Experteneinschätzung sind die UNRWALeistungen zurückgegangen und reichen nicht aus, um den hohen Bedarf durch den Konflikt zu decken (DIS 10.2021).

Die meisten UNRWA-Schulen befinden sich in den palästinensischen Flüchtlingslagern selbst. Die Schulen haben unter dem Konflikt gelitten, viele wurden geschlossen. Im Schuljahr 2021/2022 stellte UNRWA in 102 Schulen Unterricht für ungefähr 50.000 SchülerInnen zur Verfügung. Die Schulen befinden sich in Damaskus, Rif Damaskus, Aleppo, Hama, Homs, Lattakia und Dara’a. Die syrische Regierung lieh zudem UNRWA 39 Schulen für das Schuljahr 2021/ 2022 (UNRWA o.D. B). Laut Expertenauskunft geht die Hälfte der palästinensischen Kinder im Grundschulalter aus Gründen wie hohe Transportkosten und einem Niedergang der Bildungsqualität nicht mehr zur Schule (DIS 10.2021).

Die Zukunft von UNRWA gilt als ungewiss (CMI 9.2022). Aufgrund ihrer eigenen Finanzkrise musste UNRWA (2019 z. B.) das Programm für Geldhilfen um die Hälfte reduzieren (MEE 20.2.2020). Es ist daher wichtig, zwischen allgemeinen Leistungen und solchen für bestimmte Zielgruppen zu unterscheiden, für welche die Erfüllung von Kriterien zum Bezug einer Leistung nötig ist. Die tatsächliche Inanspruchnahme hängt so vom sozioökonomischen Status (Leistbarkeit von Alternativen), Bedürfnissen bei der Gesundheitsversorgung (UNRWA deckt nicht alle Bedarfskategorien ab), Ort der Leistungen in Relation zum Wohnort (Reiseentfernung, kosten) und der wahrgenommenen Qualität ab (CMI 9.2022). Mit Stand Mai 2021 lebten einer UNRWA-Studie zufolge 82 % der Personen in den befragten 503 Haushalten von weniger als 1,9 USD am Tag - inklusive allfälliger UNRWA-Finanzunterstützung - um 8 % mehr Personen als bei der letzten Studie 2017/18. 48 %t der Haushaltsausgaben entfielen auf Lebensmittel, was auf die Schwere der Lage der Familien hinweist. Etwa 96 % der in Syrien verbliebenen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung von ungefähr 420.000 Menschen hängt von humanitärer Hilfe ab, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. 145.000 von ihnen - das sind 35 % - gelten als am meisten vulnerabel: Haushalte mit weiblichen Vorständen, Familien mit Mitgliedern mit Behinderungen, Familien mit älteren Familienoberhäuptern sowie unbegleitete Minderjährige und Waisen (UNOCHA 22.2.2022). Bei der Vergabe von Nothilfe haben diese Priorität, weshalb 28.622 Personen z. B. zwecks Hilfe bei der Deckung ihrer Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Obdach oder Heizung 14 USD (11,86 EUR) pro Monat über einen Zeitraum von fünf Monaten erhalten (ReliefWeb 7.3.2022). Mit Stand März 2022 erhielten circa 145.000 palästinensische Flüchtlinge, die in die vulnerabelsten Kategorien fallen, eine finanzielle Unterstützung (UNRWA 25.3.2022). Im August 2022 verlautbarte UNRWA (Anm.: ohne nähere Angaben über Höhe und Bezugskriterien), dass 417.000 eine Geldhilfe erhalten würden, und betonte, dass laut einer Studie von 2021 82 % der palästinensischen Flüchtlinge in absoluter Armut (mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag) leben. 347.246 palästinensische Flüchtlinge erhielten zudem im Juni 2022 Lebensmittelkörbe, die ein Drittel des täglichen Kalorienbedarfs decken. Es gibt außerdem ein Mikrofinanzierungsprogramm (UNRWA 8.2022). Die Lebensmittel- und Geldhilfen decken in den meisten Fällen nicht die Grundbedürfnisse, und aufgrund der Finanzierungsstrukturen ist viel von der Hilfe schwer vorhersehbar (CMI 9.2022).

UNRWA unterhält zudem in den ihr zugänglichen Lager Wasser- und Sanitärleistungen. UNRWA verfügt über 3.000 Angestellte in Syrien in ungefähr 177 Einrichtungen, darunter ÄrztInnen, LehrerInnen und IngenieurInnen. Allerdings sind die Leistungen vom Konflikt betroffen, und viele Einrichtungen unzugänglich oder schwer beschädigt. So können aktuell ein Viertel der Gesundheitszentren nicht verwendet werden, was UNRWA durch ’health points’ (Anm.: improvisierte Arzt-, Behandlungspraxen statt Kliniken) zu kompensieren versucht. Mit Stand August 2022 hat UNRWA 18 Todesfälle unter den UNRWA-Angestellten zu verzeichnen (UNRWA 8.2022).

Reisedokumente und Ausreiseregelungen für Palästinenser

Je nach Kategorie unterscheidet sich auch die Art der Reisedokumente der in Syrien lebenden PalästinenserInnen. Nur jene PalästinenserInnen, die als palästinensische Flüchtlinge von Syrien anerkannt sind, d.h. nur jene, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien gekommen sind, (bzw. deren Nachkommen) erhalten ein von syrischen Behörden ausgestelltes Reisedokument (siehe Liste der EK über visierfähige Dokumente „Syria – Travel Document for Palestinian Refugees“, Anfangsbuchstabe der Dokumentennummer „P“) (ÖB Damaskus 12.2022).

Alle anderen Palästinenser, d. h. jene, die ab 1957 nach Syrien gekommen sind, (bzw. deren Nachkommen) hatten/haben in Abhängigkeit nach deren Herkunft (Westbank, Gaza) in der Regel von anderen Staaten ausgestellte Dokumente, meistens von Jordanien oder Ägypten.

So hatten beispielsweise die nach dem Schwarzen September 1970 aus Jordanien exilierten PalästinenserInnen bei ihrer Ankunft in Syrien jordanische Reisedokumente, die seither nicht mehr erneuert werden konnten. Ähnlich war die Situation für nach 1991 aus dem Irak nach Syrien eingereiste PalästinenserInnen, die zum Teil noch (alte) ägyptische Reisedokumente und IDs hatten, deren Erneuerung jedoch ebenso mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. PalästinenserInnen, die unter die in 2) genannten – mannigfaltigen – Personengruppen fallen, erhalten daher kein durch syrische Behörden ausgestelltes Reisedokument. Viele leben daher bis heute mit abgelaufenen jordanischen oder ägyptischen Dokumenten. In Einzelfällen anerkennt Syrien zwar auch nach 1956 eingereiste PalästinenserInnen als Flüchtlinge und stattet sie mit dem Status gemäß dem Gesetz 260 aus 1956 aus; dies erfolgt jedoch nur im Ermessen des Staates und einzelfallorientiert (ÖB Damaskus 12.2022).

Nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens 1993 erhielt die Palästinensische Autonomiebehörde das Recht, Reisedokumente auszustellen (erfolgt in der Praxis seit 1995). Seit 2009 werden biometrische Reisedokumente ausgestellt. Diese von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellten Reisedokumente werden laut der Liste der visafähigen Dokumente (Stand: 28.09.2016) in ARGUS von allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt (siehe Beilage). Ausstellungsort dieser durch die Palästinensische Autonomiebehörde ausgestellten Reisedokumente ist stets Ramallah, auch dann, wenn die Antragstellung an einer palästinensischen Vertretung im Ausland erfolgt. Eine persönliche Vorsprache in Ramallah ist für die Ausstellung dieses Reisedokuments nicht erforderlich (ÖB Damaskus 12.2022).

Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Bild hinsichtlich der unterschiedlichen Reisedokumente, die Palästinenser aus Syrien vorweisen (ÖB Damaskus 12.2022):

PalästinenserInnen, die als Flüchtlinge in Syrien anerkannt sind: Dies betrifft Palästinenser, die bis 1956 nach Syrien gekommen sind. Diese Personen sind mit von syrischen Behörden ausgestellten Reisedokumenten ausgestattet: blaue Reisedokumente mit der Bezeichnung ’Travel Document for Palestinian Refugees’ (Nummer beginnend mit „P“) (ÖB Damaskus 12.2022).

PalästinenserInnen, die von Syrien nicht als Flüchtlinge anerkannt sind, weil sie nach 1956 nach Syrien gekommen waren: Diese Personen haben in Syrien den Status als ’Arabs in Syria’ und erhalten keine Reisedokumente von Syrien. Mangels anderer gültiger Reisedokumente beantragen Personen aus dieser Kategorie bei der Vertretung der Palästinensischen Behörde (Botschaft Palästinas in Syrien) in Damaskus die Ausstellung eines Reisedokuments durch die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah: schwarze Reisedokumente, ausgestellt von der ’Palestinian Authority’ mit der Bezeichnung ’Passport – Travel Document’; Ausstellungsort Ramallah (ÖB Damaskus 12.2022).

Diesen palästinensischen Reisepass können Palästinenserinnen und Palästinenser in Syrien und anderen Ländern über die Auslandsvertretung der Autonomiebehörde ausgehändigt bekommen. Er dient in der Praxis als Nachweis einer palästinensischen (Volks-)Identität und als internationales Reisedokument für staatenlose Palästinenserinnen und Palästinenser. Anders aber als „vollwertige“ Reisepässe der Palästinensischen Autonomiebehörde für dort registrierte (das heißt dort wohnhafte bzw. gemeldete) Personen erhalten Palästinenserinnen und Palästinenser im Ausland den Reisepass ohne gültige Identifikationsnummer. Im Feld für die Identifikationsnummer steht dann eine ’fiktive’ Nummer, welche üblicherweise mit mehreren Nullen beginnt (BAMF 2.2023).

Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch wieder von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab. Für Palästinenser ist es nicht nur schwieriger als für syrische Flüchtlinge in Nachbarländer einzureisen, sondern auch dort zu verbleiben und einen legalen Aufenthaltsstatus aufrechtzuhalten sowie folglich Leistungen zu bekommen (STDOK 8.2017).

Ein Palästinenser, der in Syrien bei UNRWA registriert ist, und sich dann in ein anderes Land begibt, das auch im Mandatsgebiet der UNRWA liegt (wie z. B. der Libanon), bleibt in Syrien registriert („registered“), wird aber z. B. im Libanon erfasst („recorded“) und hat dort Zugang zu UNRWA-Leistungen. UNRWA schränkt den Zugang zu UNRWA-Leistungen für Palästinenser aus anderen Staaten nicht ein, jedoch können die Staaten die Einreise von Palästinensern und somit deren Zugang zu UNRWA Leistungen in Nachbarstaaten einschränken (STDOK 8.2017).

Anmerkung: Für weitere Informationen zu Einreisemöglichkeiten in Nachbarländer siehe Abschnitt „Bewegungsfreiheit“ sowie die jeweiligen Länderinformationsblätter (LIB) zum Libanon und Jordanien, den einzigen Nachbarstaaten, welche ebenfalls Mandatsgebiet von UNRWA sind [Dort finden sich auch Informationen, wonach eine legale Umsiedlung staatenloser palästinensischer Flüchtlingen aus Syrien seit Längerem nicht vorgesehen ist und auch eine etwaige UNRWA-Registrierung nicht zu einer Legalisierung des Aufenthalts oder etwa zu einem gesicherten, dauerhaften Aufenthaltsrecht führt, wie das seit Oktober 2012 geltende Einreiseverbot Jordaniens für PalästinenserInnen aus Syrien illustriert].

Gemäß Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 08.05.2025 (Version 12) ist daher festzustellen:

Palästinensische Flüchtlinge (Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024))

Letzte Änderung 2025-05-08 16:50

[Derzeit gibt es nur wenige Quellen und eine dünne Informationslage. Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehensweise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformation entspricht den in der Methodologie der Staatendokumentation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.]

Nach dem Krieg im Jahr 1948 flüchteten Palästinenser nach Syrien. Sie leben in neun offiziellen Flüchtlingscamps in Dara'a, Homs, Hama, an-Nayrab, Sayyida Zaynab, Jaramana, Khan Ash-Shayh, Khan Dannoun und as-Sabina sowie in drei inoffiziellen Flüchtlingscamps in ar-Raml in Latakia, 'Ayn at-Tall nordöstlich von Aleppo und Yarmouk in Damaskus. Im Jahr 1949 registrierte das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East - UNRWA) etwa 80.000 Palästinenser, die nach Syrien geflohen waren, im Jahr 2020 lag die Zahl der Palästinenser in Syrien bei ca. 600.000. Die palästinensischen Geflüchteten erhielten in Syrien einen Rechtsstatus, der es ihnen erlaubt, zu arbeiten, Eigentum zu besitzen, Krankenhäuser zu besuchen, eine Ausbildung zu absolvieren und zu studieren, ohne die syrische Staatsbürgerschaft zu innezuhaben. Für die Belange der palästinensischen Geflüchteten wurde am 25.1.1949 eine eigene Institution in Syrien geschaffen, die General Authority for Palestine Arabian Refugees. Diese Behörde ist seit 1958 dem syrischen Ministerium für Soziales und Arbeit unterstellt und galt als strategisches Bindeglied zwischen der UNRWA und der syrischen Regierung. Dank der syrischen Gesetze konnten die Palästinenser am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben in Syrien teilnehmen und wurden so im Gegensatz zu den im Libanon lebenden Palästinenser ein Teil der Gesellschaft (Disor 19.1.2025). Vor dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs lebten in Syrien über 526.000 Palästinenser (MRG 1.2025). Laut der Menschenrechtsorganisation Action Group for Palestinians of Syria wurden in den vergangenen dreizehn Jahren mehr als 4.000 Palästinenser getötet und mehr als 3.000 in den Foltergefängnissen des Regimes inhaftiert. Ihre Häuser sind ganz oder teilweise zerstört, Zehntausende wurden innerhalb und außerhalb Syriens vertrieben. Allein seit 2011 verließen etwa 150.000 palästinensische Flüchtlinge aufgrund der Sicherheits- und Wirtschaftslage Syrien und verteilten sich hauptsächlich auf den Libanon, Jordanien und die Türkei. Einige Tausend leben auch in Ägypten und Europa. Die neue Führung in Syrien berief Palästinenser in Schlüsselpositionen wie dem Energieministerium trotz fehlender syrischer Staatsbürgerschaft. Bisher sieht es also nach einer angemessenen Beteiligung von Palästinensern am Wiederaufbau in Syrien aus (Disor 19.1.2025). Anfang 2025 lebten nach Schätzungen der UNRWA 438.000 Palästinenser in Syrien, von denen 60 % mindestens einmal vertrieben worden waren und 40 % schätzungsweise weiterhin vertrieben blieben (MRG 1.2025).

UNRWA ist für palästinensische Geflüchtete in Syrien sowie im Libanon, in Jordanien und im Gazastreifen zuständig und hat in Syrien den Auftrag, den palästinensischen Vertriebenen Gesundheits-, Bildungs-, Hilfs- und Sozialdienste zur Verfügung zu stellen (Disor 19.1.2025).

[…]

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, in aktuelle Länderinformationen und durch Einvernahme des Bf in der mündlichen Verhandlung.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Bf ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Bf gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Bf im Asylverfahren. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Bf in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht darauf aufmerksam gemacht hat, dass sein Vor- und Nachname bisher falsch geschrieben wurde (VHS, S. 7). Er verwies zur korrekten Schreibweise auf die in Vorlage gebrachte UNRWA-Family Registration Card (OZ 6; AS 99 ff.) und das „UNRWA-Family Registration Certificate“ seines Vaters (OZ 6, AS 100) auf welchen er als „ XXXX “ geführt wird.

Die Feststellungen zur Muttersprache des Bf, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen und seiner Ausbildung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Bf zu zweifeln.

Die Feststellung, dass der Bf ein staatenloser Palästinenser ist, ergibt sich aus seinen übereinstimmenden Angaben in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (AS 1; AS 3) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VHS, S. 5) in Zusammenschau mit seiner in Vorlage gebrachten UNRWA-Family Registration Card (OZ 6; AS 99 ff.).

Die Feststellungen zu den Familienmitgliedern des Bf und deren aktuelle Aufenthaltsorte ergeben sich aus den Angaben des Bf in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VHS, S. 7).

Die Feststellung, dass sich der Herkunftsort des Bf unter Kontrolle der neuen Übergangsregierung bzw. der HTS befindet, ergibt sich aus einem Einblick in die Landeskarte „Live Universal Awareness Map, Map of Syrian Civil War“ (abrufbar unter syria.liveuamap.com) sowie die Seite Exploring Historical Control in Syria (cartercenter.org) in Übereinstimmung mit den entsprechenden Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 12 vom 08.05.2025.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Bf in der mündlichen Verhandlung (VHS, S. 3) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Bf ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Aufgrund des schlüssigen Vorbringens des Bf im Rahmen der Erstbefragung (AS 1 f.) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VHS, S. 5 f.) in Zusammenschau mit der vorgelegten UNRWA-Family Registration Card (OZ 6; AS 99) und dem „UNRWA-Family Registration Certificate“ seines Vaters (OZ 6, AS 100), auf welchen unter anderem sein Name (dort geführt als „ XXXX “) aufscheint, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Bf bei der UNRWA registriert ist und dadurch den Schutz der UNRWA in Anspruch genommen hat (vgl. rechtliche Beurteilung, die Inanspruchnahme des Schutzes der UNRWA ist bereits durch die Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt).

Die Feststellung, dass der Bf den Schutz der UNRWA unfreiwillig aufgegeben hat und das Gebiet der UNRWA aufgrund nicht von ihm zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in dessen Rahmen er angab, dass er in einem Lager gelebt habe, in dem er keine Rechte und keinen Schutz gehabt habe. Raketen, die Milizen bzw. die Oppositionskräfte, die nun die Kontrolle übernommen hätten, auf den Flughafen Aleppo abgeworfen hätten, seien im nahe gelegenen Lager niedergegangen (VHS, 6). Er erklärte in diesem Zusammenhang, dass sie das Opfer in Auseinandersetzungen zwischen dem syrischen Regime und der Opposition gewesen seien, da das Lager zwischen den Parteien gelegen sei (VHS, S. 8). Er fügte hinzu, dass der Militärdienst auch ein Grund für seine Ausreise gewesen sei. Wenn er dortgeblieben wäre, hätten sie ihn rekrutiert, da er aufgrund seines Studienabschlusses keine weiteren Aufschübe mehr erhalten habe können. Er sei daher wegen der Rekrutierung verfolgt worden (VHS, S. 8).

Die Feststellung, dass UNRWA zwar Unterstützungsleistungen – in zwölf Flüchtlingslagern in Syrien anbietet, wobei es neun offizielle und drei inoffizielle sind -, die jedoch nicht von der UNRWA verwaltet werden und auch nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig ist, diese in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates liegen, ergibt sich aus der Länderinformation der Staatendokumentation (LIB, Version 11, S. 227).

Die Feststellung zur sehr schlechten Situation für staatenlose Palästinenser in den UNRWA-Flüchtlingslagern ergibt sich zum einen aus den Länderinformationen der Staatendokumentation (vgl. „Die Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern und Wohngebieten“, LIB, Version 11, S. 225). Aus den Länderberichten ergibt sich auch, dass UNRWA aufgrund von Finanzierungslücken, der Zerstörung vieler Lager und Siedlungen und des generellen Versorgungsmangels keinen adäquaten Beistand bzw. Schutz leisten kann (vgl. Interim EUAA Country Guidance, Juni 2025, S. 52, der darauf verweist, das die Schlussfolgerung im EUAA Country guidance Syria, April 2024, „4.10.7. Palestinians“ weiterhin gültig ist).

Die Feststellung, wonach der Bf keine Möglichkeit hat, in ein sonstiges UNRWA-Mandatsgebiet einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten, stützt sich ebenfalls auf die herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation: Dabei geht hervor, dass eine legale Umsiedlung von staatenlosen palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien nach Jordanien oder in den Libanon nicht vorgesehen ist, und auch eine etwaige UNRWA-Registrierung nicht zu einer Legalisierung des Aufenthalts oder etwa zu einem gesicherten, dauerhaften Aufenthaltsrecht führt, wie das seit Oktober 2012 geltende Einreiseverbot Jordaniens für Palästinenser zeigt (vgl. LIB, Version 11, S. 229 ff.). Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass es dem Bf nicht möglich ist, in den Libanon oder nach Jordanien zu reisen und dort ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Aufgrund der im Westjordanland vorherrschenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Palästinenser durch israelische Behörden kann auch nicht angenommen werden, dass der Bf das dortige UNRWA-Mandatsgebiet sicher und legal erreichen könnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien eingetreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Bei Einlagen einer rechtmäßigen Säumnisbeschwerde steht der Behörde eine dreimonatige Frist zur Nachholung des Bescheides gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG zur Verfügung. Die Frist beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der zuständigen Behörde. Bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist bleibt die Zuständigkeit der Behörde zur Entscheidung in der Sache bestehen, es sei denn, die Behörde legt die Säumnisbeschwerde bereits vor Ablauf der Frist dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vor. Gleichzeitig mit dem Übergang der Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht erlischt die Behördenzuständigkeit (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001).

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom XXXX , eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX , die vom Bf erhobene Säumnisbeschwerde vom XXXX dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit der Vorlage der Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten ging die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits vor Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist - auf das Bundesverwaltungsgericht über.

3.2. Zur Verletzung der Entscheidungspflicht:

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die gegenständliche Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des BFA erweist sich im gegenständlichen Fall als zulässig und begründet:

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am XXXX gestellt. Die belangte Behörde traf demnach eine Pflicht zur Entscheidung innerhalb von sechs Monaten. Ausgehend von der Antragstellung am XXXX war zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde am XXXX die sechsmonatige Entscheidungsfrist bereits verstrichen. Es liegt somit Säumnis der belangten Behörde vor.

Zu prüfen bleibt, ob die Verletzung der Entscheidungspflicht des BFA auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist:

Ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung ist dann anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei (vgl. VwGH 22.12.2010, 2009/06/134; VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115) – ein schuldhaftes Verhalten des Bf ist im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht hervorgekommen – oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (vgl. VwGH 26.9.2011, 2009/10/0266); etwa, wenn die Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. VwGH 26.1.2012, 2008/07/0036). In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein „überwiegendes“ Verschulden der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 8 VwGVG, Anm. 9, mwH.).

Grundsätzlich haben Behörden dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2012, 2008/07/0036; vgl. zur Pflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auch die Möglichkeiten innerbehördlicher (Umverteilung-)Maßnahmen auszuschöpfen, das Erkenntnis des VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0252).

Zur Verletzung der Entscheidungspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits in der Vergangenheit wiederholt festgehalten, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen ist, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2015/10/0063). Der VwGH hat ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087 mwN.). Weiters hat der VwGH ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (vgl. VwGH 18.04.1979, 2877/78, mwN). Grundsätzlich haben Behörden dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist (vgl. etwa VwGH 25.04.2019, Ra 2019/07/0035 mwN.).

Zur gegenständlich maßgeblichen Situation hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass im Jahr 2021 und 2022 keine Situation vorgelegen sei, wie sie im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, für die Jahre 2015 und 2016 beschrieben wurde. Die im hier fraglichen Zeitraum bestehende Situation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der ihm zur Vollziehung zugewiesenen Verfahrensmaterien möge mit jener Lage, in der sich andere Behörden üblicherweise befinden, nicht vergleichbar sein. Das treffe aber in diesem Rechtsbereich schon auf den regelmäßigen Dienstbetrieb dieser Behörde zu. Anders als früher habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aber auch selbst mit wiederkehrend erhöhten Antragszahlen gerechnet. Bereits im Jahr 2019 habe das BFA Überlegungen zur Arbeitsbewältigung im Fall eines zukünftigen starken (Wieder-)Anstiegs der Asylantragszahlen angestellt und sich im Jahr 2021 in diesem Zusammenhang „einen flexiblen Personaleinsatz als wesentliches Ziel „gesetzt. Die Entscheidungsfristen seien bis zum vierten Quartal 2021 im Regelfall eingehalten worden, da die durchschnittliche Erledigungsdauer dieser Behörde zu dieser Zeit etwa vier Monate betragen habe. Die Fluktuation im Personalstand des BFA sei gegenüber der aufgrund der Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 erfolgten massiven Aufstockung des Personals bloß als gering anzusehen. Es sei zwar anzuerkennen, dass die Behörde Maßnahmen verfolgt habe, um den Einsatz des bei ihr tätigen Personals effizient zu gestalten. Dennoch könne nicht abgeleitet werden, dass die im hier maßgeblichen Zeitraum sich darbietende Lage - im Besonderen vor dem Hintergrund der anderen Ausgangssituation - jene Exzeptionalität aufgewiesen hätte, die im Fall des oben erwähnten Erkenntnisses Ro 2016/01/0001 bis 0004 gegeben gewesen sei (vgl. VwGH 20.12.2023, Ra 2012/20/0228).

Die durchschnittliche Erledigungsdauer im Jahr 2024 betrug im arithmetischen Mittel 7,8 Monate, weshalb davon auszugehen ist, dass gegenständlich eine rechtzeitige Bescheiderlassung möglich gewesen ist.

Nach Antragstellung und Erstbefragung setzte die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungsschritte mehr, insbesondere wurde keine niederschriftliche Einvernahme des Bf durchgeführt. Auch nach Einlangen der Säumnisbeschwerde am 15.11.2024 holte die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen nicht nach, sondern beraumte eine für 08.01.2025 geplante Einvernahme des Bf wieder ab und legte die Beschwerde mit den Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Zusammengefasst kann somit gesagt werden, dass im gegenständlichen Fall von der Behörde sechs Monate lang keine Schritte iS einer zweckentsprechenden und zügigen Verfahrensführung gesetzt worden sind. Die belangte Behörde hat kein geeignetes Vorbringen erstattet und keine stichhaltigen Gründe angegeben, weshalb der Bescheid nicht rechtzeitig erlassen wurde. Die belangte Behörde ist damit ihrer Verfahrensförderungspflicht gemäß § 39 Abs. 2a AVG nicht nachgekommen, weshalb ohne weitere Ermittlungsschritte von einer durch die Behörde zu verantwortenden Untätigkeit ausgegangen wird, die das Kriterium des „überwiegenden Verschuldens“ der Behörde erfüllt. Zudem hat der Gesetzgeber der Gesamtbelastungssituation der belangten Behörde nicht damit Rechnung getragen, dass die Entscheidungsfrist (wie in der Vergangenheit geschehen) verlängert wurde, weshalb die Gesamtbelastungssituation der belangten Behörde nicht als ein das Verschulden der Behörde ausschließender Grund für die nicht fristgerechte Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gewertet werden kann.

Insgesamt erweist sich die Säumnisbeschwerde daher als zulässig, weshalb nunmehr das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist, über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden (vgl. VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001 mit Verweis auf VwGH 27.05.2015, Ra 2015/19/0075).

3.3. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

Artikel 12 der Richtlinie 2011/95/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes lautet auszugsweise:

„Ausschluss

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er

a) den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie […]“

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Bf, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt.

Gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder den Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen der Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) ist ein Drittstaatangehöriger oder Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.

Zu § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 01. März 2018, Ra 2017/19/0273, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. die E des EuGH vom 19.12.2012, El Kott, C-364/11) zu Art. 12 Abs. 1 lit. a der Statusrichtlinie, festgehalten, dass mit Art. 1 Abschnitt D GFK, auf den Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL verweist, in Anbetracht der besonderen Situation der palästinensischen Flüchtlinge, für diese gezielt eine privilegierte Rechtsstellung geschaffen wurde. Asylwerber, welche unter dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation oder Institution stehen, sind im Gegensatz zu anderen Asylwerbern gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, genießen jedoch bei Wegfall ebendieses Schutzes oder Beistands „aus irgendeinem Grund“ „ipso facto“ den Schutz der Status-RL (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 80).

Dabei bezieht sich die Wendung „genießt (…) den Schutz dieser Richtlinie“ in Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz der Status-RL als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft und nicht auf die Eigenschaft eines subsidiär Schutzberechtigten (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 66 ff); eine Verfolgung im Sinne des Art. 2 lit. c Status-RL muss in diesem Fall gerade nicht dargetan werden. Voraussetzungen für den ipso-facto Schutz sind lediglich die Stellung eines Asylantrags sowie die Prüfung durch die Asylbehörden, ob der Beistand von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dieser nicht länger gewährt wird und keiner der Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL vorliegt.

Für die erforderliche Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz von UNRWA im Sinne der Status-RL bzw. des Art. 1 Abschnitt D GFK tatsächlich nicht länger gewährt wird, haben die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen, ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebietes zwingen und somit daran hindern den von UNRWA gewährten Beistand zu genießen (vgl. VwGH, 01.03.2018, Ra 2017/19/0273 mit Hinweis auf EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 61; siehe auch VfGH 29.06.2013, U 706/2012).

Ein Zwang, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, und somit ein Wegfall des Schutzes von UNRWA, hängt nicht vom Vorliegen individueller Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK ab, sondern ist vielmehr auch gegeben, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es von UNRWA unmöglich ist, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stehen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0274 mit Hinweis auf EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 63, 65).

Der Bf konnte unter anderem durch die Vorlage der UNRWA Familienregistrierung („Family Registration Card“) glaubhaft machen, dass er als bei UNRWA registrierter palästinensischer Flüchtling unter dem Schutz und Beistand von UNRWA stand und die Hilfe von UNRWA tatsächlich in Anspruch nahm.

Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation im Sinne des Art. 1 Abschnitt D GFK und § 12 Abs. 1 lit a der Status-RL. Es war auch von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA auszugehen, zumal dafür bereits die bloße Registrierung ausreicht (vgl. VfGH 14.06.2022, E 761/2022, Rz 3.1.; VfGH 29.06.2013, U 706/2012 mit Hinweis aus EuGH 17.06.2010, Nawras Bolbol, C-31/09, Rz. 52).

Aus den vorliegenden aktuellen Länderberichten ergibt sich, dass UNRWA aufgrund der Finanzierungslücken, der Zerstörung vieler Lager und Siedlungen und des generellen Versorgungsmangels, keinen adäquaten Beistand bzw. Schutz leisten kann. Der Bf befindet sich somit angesichts der Situation in Syrien in einer unsicheren persönlichen Lage, da er dort Gefahr läuft, einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens ausgesetzt zu sein. Demnach ist es für den Bf unmöglich, nach Syrien zurückzukehren und sich dort unter den Schutz bzw. den Beistand von UNRWA zu stellen.

Dass sich an der diesbezüglich für den Bf verfahrensrelevanten Situation seit dem Sturz des Assad Regimes und der Machübernahme durch die HTS mit Dezember 2024 hierauf bezogen verfahrensrelevante und nachhaltige Veränderungen zum Positiven ergeben hätten, kann sämtlichen aktuell verfügbaren Berichten ausreichend gesichert nicht entnommen werden. Auch der aktuelle Interim EUAA Country Guidance Syria, Juni 2025, S. 52, verweist darauf, dass die Schlussfolgerung im EUAA Country Guidance Syria, April 2024, „4.10.7. Palestinians“ weiterhin gültig ist, wonach Palästinensischen Flüchtlingen in Syrien der Schutz oder die Unterstützung des UNRWA nicht in einem Umfang zur Verfügung stehe, der gewährleisten würde, dass die „Lebensbedingungen in diesem Gebiet der dieser Organisation übertragenen Aufgabe angemessen sind“.

Im Ergebnis sind von dem Bf nicht zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe für die nicht längere Gewährung des Beistandes und Schutzes von UNRWA zu bejahen.

Das Bundesamt und das Gericht, bei dem ein Rechtsbehelf gegen deren Entscheidung anhängig ist, müssen alle maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhalts berücksichtigen, die Aufschluss über die Frage geben können, ob der betreffende Staatenlose palästinensischer Herkunft in dem Zeitpunkt, in dem er aus dem Einsatzgebiet des UNRWA ausreiste, die konkrete Möglichkeit hatte, in eines der fünf Operationsgebiete des UNRWA einzureisen, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen, sofern diese Organisation imstande ist, ihm diesen in dem fraglichen Operationsgebiet zu gewähren (vgl. EuGH 13.01.2021, C-507/19, Bundesrepublik Deutschland gegen XT, Rn 59). Maßgeblich bei der individuellen Beurteilung der relevanten Umstände ist dabei nicht nur der Zeitpunkt, zu dem die betreffende Person das UNRWA-Einsatzgebiet verlassen hat, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Verwaltungsbehörden einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft prüfen oder die zuständigen Gerichte über den Rechtsbehelf gegen eine die Anerkennung als Flüchtling versagende Entscheidung entscheiden (EuGH 03.03.2022, C-349/20, NB, AB gegen Secretary of State for the Home Departement, Rn 53).

Dem Bf ist es aufgrund der vorliegenden Informationen und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in Syrien nach dem Sturz des Assad Regimes und der Machübernahme durch die HTS gegenwärtig nicht erkennbar zumutbar, sich in ein Mandatsgebiet der UNWRA, auch außerhalb Syriens zu begeben und dort den Schutz und die Hilfe von UNWRA in Anspruch zu nehmen.

Laut den vorliegenden Länderinformationen können insbesondere die anderen Staaten, die auch im Mandatsgebiet der UNRWA liegen, die Einreise von Palästinensern und somit deren Zugang zu Leistungen von UNRWA einschränken, zumal es für Palästinenser nicht nur schwieriger als für syrische Flüchtlinge ist, in Nachbarländer einzureisen, sondern auch dort zu bleiben und einen legalen Aufenthaltsstatus beizubehalten und folglich Leistungen zu erhalten.

Dem Bf steht eine legale Einreisemöglichkeit in den Libanon, nach Jordanien oder in die besetzten palästinensischen Gebiete nach den aktuellen Länderberichten nicht offen.

Nachdem kein Ausschlussgrund gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 oder 3 Status-RL vorliegt, fällt der Bf daher in den Anwendungsbereich des Art. 1 Abschnitt D der GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL und genießt daher "ipso facto" den Schutz dieser Richtlinie.

Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht.

Da auch keine Hinweise auf das Vorliegen von in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründen vorliegen, war dem Antrag auf internationalen Schutz stattzugeben, und dem Bf gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status von Asylberichtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Bf damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.