JudikaturVwGH

Ra 2016/21/0252 2 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. Oktober 2016

Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 gilt angesichts ihres Wortlauts und ihrer Stellung im 4. Hauptstück "Asylverfahrensrecht" unzweifelhaft nur für Anträge auf internationalen Schutz und nicht auch für andere vom BFA zu erledigende Anträge. Sie ist daher auf eine Säumnisbeschwerde betreffend einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005 nicht anzuwenden. Das VwG hat daher die Säumnisbeschwerde mangels überwiegenden Verschuldens des BFA gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG 2014 abgewiesen. Der diesbezüglichen Beurteilung des VwG kann aber nicht gefolgt werden. Die Gesamtbelastungssituation des BFA war zwar im maßgeblichen Zeitraum außerordentlich hoch. Der Gesetzgeber hat aber die Entscheidung getroffen, dieser Situation dadurch Rechnung zu tragen, dass die dem BFA zur Verfügung stehende Entscheidungsfrist (nur) im Hinblick auf Anträge auf internationalen Schutz verlängert wird. Hinsichtlich der - notorischer Weise bei weitem nicht die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz erreichenden - Anträge auf Aufenthaltstitel nach dem AsylG 2005 ist der Gesetzgeber hingegen davon ausgegangen, dass sie - allenfalls in Verbindung mit geeigneten organisatorischen Maßnahmen innerhalb des BFA - grundsätzlich (weiterhin) innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist von sechs Monaten erledigt werden können. Die Ausnahmesituation, die der VwGH im E vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, bei der Beurteilung des behördlichen Verschuldens im Hinblick auf ab dem Jahr 2015 anhängig gewordene Asylverfahren anerkannt hat, kann daher nicht auch in Bezug auf Verfahren über Anträge auf Aufenthaltstitel nach dem AsylG 2005 ohne weiteres ein überwiegendes behördliches Verschulden an der Säumnis ausschließen. Insoweit hätte das VwG auf den konkreten Fall bezogen - insbesondere im Hinblick auf vom BFA mitzuteilende Umstände - prüfen müssen, ob einer Entscheidung innerhalb des bei Einbringung der Säumnisbeschwerde bereits zwölfmonatigen Zeitraums seit der Antragstellung unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden waren (vgl. E 16. März 2016, Ra 2015/10/0063). Dabei wäre - gerade im Hinblick auf die Dringlichkeit des Antrages der Fremden, die (bis zur Versäumung eines rechtzeitigen Verlängerungsantrages) acht Jahre lang rechtmäßig in Österreich aufhältig und in den Arbeitsmarkt integriert war - auch die Möglichkeit innerbehördlicher (Umverteilungs )Maßnahmen in Betracht zu ziehen gewesen.

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