JudikaturBVwG

W228 2313043-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2025

Spruch

W228 2313043-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Kurt SCHEBESTA sowie Philipp KUHLMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , SVNr: XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Wagramer Straße vom 29.10.2024, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 22.01.2025, betreffend Widerruf/Berichtigung und Rückforderung von Arbeitslosengeld zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Spruch ist insoweit abzuändern, sodass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag für den Zeitraum zu lauten hat: „€ 4,00“.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Wagramer Straße (im Folgenden: AMS) vom 29.10.2024 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von 01.05.2024 bis 10.05.2024 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und wurde XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 360,70 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den genannten Zeitraum in ungerechtfertigter Höhe bezogen habe, da er aus beiden geringfügigen Beschäftigungen ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielte. Arbeitslosigkeit sei somit nicht vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin berief sich der Beschwerdeführer auf die Rechtswidrigkeit des Bescheids. Außerdem liege kein Anwendungsbereich für § 12 Abs. 3 lit h AlVG vor.

In der Beschwerdeergänzung vom 29.11.2024 bestritt der BF das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze im, da bei der tageweisen geringfügigen Beschäftigung € 60 verdient wurden, in denen € 5,20 pauschale Urlaubsabgeltung enthalten seien. Die Urlaubsabgeltung habe bei der Beurteilung der Geringfügigkeit außer Betracht zu bleiben. Zudem wurde die Anrechnung gem. § 21a AlVG begehrt.

Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 22.01.2025 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin erkennen hätte müssen, dass auch nach Abzug der pauschalen Urlaubsabgeltung die Geringfügigkeitsgrenze überschritten sei. Der Beschwerdeführer gelte aufgrund der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nicht als arbeitslos im Sinne des Gesetzes, wie sich aus einer Auskunft des Dachverbands der Sozialversicherungsträger ergebe. Eine Anwendbarkeit des § 21a AlVG sei mangels Arbeitslosigkeit nicht gegeben.

Mit Schreiben vom 07.02.2025 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage.

Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 22.05.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 03.06.2025 legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 16.06.2025 für den Fall einer Stattgabe noch die Anspruchsberechnungen offen. Zudem teilte sie mit, dass sie einerseits aus mehreren Gründen keine Anwendbarkeit des § 21a AlVG sehe. Andererseits sei die Durchführungsanweisung zu § 12 Abs. 3 lit. h AlVG kein Thema im Verfahren und irrelevant. Jedenfalls liege eine reine Rechtsfrage vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat vom 01.05.2024 bis 10.05.2024 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich € 36,07 bezogen.

Der BF verrichtete tageweise Einsätze am 04.04.2024, 11.05.2024, 19.06.2024 sowie 05.09.2024 beim Dienstgeber XXXX .

Der Beschwerdeführer hat im Mai 2024 ein Einkommen in Höhe von € 477,50 aus der geringfügigen Beschäftigung beim Dienstgeber XXXX GmbH und weitere € 54,80 aus der geringfügigen Beschäftigung beim Dienstgeber XXXX GmbH, somit insgesamt € 532,30 erzielt.

Die Lohntabelle für Servicekräfte der Lohngruppe 5 in Wien wurde 2024 mit dem Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe im November 2024 angepasst. Die Erhöhungen traten laut Beilage A (Gehaltstabellen) teilweise rückwirkend mit 1. Mai 2024 und teilweise mit 1. November 2024 in Kraft.

Die monatliche Geringfügigkeitsgrenze betrug im Jahre 2024 € 518,44, die Einkünfte des Beschwerdeführers übersteigen daher im Mai 2024 die geltende Geringfügigkeitsgrenze.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.04.2024 mit Geltendmachungsdatum 11.05.2024 einen Antrag auf Notstandshilfe. Die Fragen „Ich habe ein eigenes Einkommen“ und „Ich bin beschäftigt oder selbstständig“ beantwortete er jeweils mit „nein“.

Der Beginn der Pflichtversicherung trat am 21.05.2024 ein. Das Ende der Pflichtversicherung fiel auf den 31.05.2024.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen basieren auf dem Akteninhalt bzw. dem Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe 2024 (Beilage A) und sind bis auf Beginn und Ende der Pflichtversicherung unstrittig.

Strittig ist, ob der Beschwerdeführer unwahre Angaben gemacht hat. Die Feststellungen zu den unwahren Angaben zumindest betreffend die geringfügige Beschäftigung beim Dienstgeber XXXX GmbH ergeben sich aus seinem Notstandshilfeantrag vom 11.05.2024. Diesen Angaben ist er nicht substantiiert entgegengetreten.

Strittig sind der Beginn und das Ende der Pflichtversicherung, weshalb diese beiden Eckpunkte festzustellen waren. Diesbezüglich ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Wien Wagramer Straße.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Im vorliegenden Fall stützte die belangte Behörde das Fehlen von Arbeitslosigkeit auf die Speicherung des Dachverbandes. Dazu hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 24.07.2013, GZ 2011/08/0221, ausgeführt: „[…] Die belangte Behörde, die ihre rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtversicherung lediglich auf eine "Speicherung im Hauptverband (F3)" gestützt hat, hätte die Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Beschäftigung bzw. der Versicherungspflicht einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Vorfrage iSd § 38 AVG selbst beurteilen und die erforderlichen Feststellungen dafür treffen müssen. […]“

Zu klären ist daher die Vorfrage, ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterlag.

Die Speicherung beim Dachverband der Sozialversicherungsträger weist laut Überlagerungsmeldung als Dienstgeber den Beschwerdeführer aus und einen Pflichtversicherungsbeginn mit 01.05.2024. Das Pflichtversicherungsende wird mit 30.06.2024 im Versicherungsdatenauszug ausgewiesen.

Bei dieser Speicherung handelt es sich anscheinend um einen technischen Behelf, damit die Beiträge, welche aufgrund des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze vorzuschreiben sind, dem Beschwerdeführer vorgeschrieben werden können.

Rechtlich sieht § 471h ASVG vor: „(1) Die Pflichtversicherung beginnt in dem Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, und zwar rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist.

(2) Die Pflichtversicherung endet mit dem Ablauf des Kalendermonates, in dem die Voraussetzungen hiefür wegfallen.“

Erstmalig wurde die tageweise Beschäftigung am 21.05.2024 aufgenommen. Ein Hinweis auf eine verdeckte durchgehende Beschäftigung ist aufgrund der festgestellten und vereinzelt gebliebenen tageweisen Einsätze des Beschwerdeführers für den Dienstgeber XXXX GmbH für das Jahr 2024 nicht ableitbar.

In der Literatur wird folgende Auffassung vertreten: „Darauf, dass die geringfügige Beschäftigung im entscheidenden Monat überhaupt zum ersten Mal ausgeübt wird, sollte es nicht ankommen“ (Karl, ASoK 1998, 357). Die zitierte Publikation sieht einen Wertungswiderspruch, wenn bei Fallvariante 1 das Dienstverhältnis 1 am 01.09.xxx beginnt und das Dienstverhältnis 2 am 15.09.xxxx beginnt, dass als Folge daraus die Pflichtversicherung hier mit 01.09.xxxx eintreten soll, und wenn bei Fallvariante 2 das Dienstverhältnis schon vor dem September bestand und das Dienstverhältnis 2 am 15.09.xxxx beginnt, dass als Folge daraus die Pflichtversicherung hier mit 15.09.xxxx eintreten soll. Daher plädiert sie für den Eintritt der Pflichtversicherung schon ab Monatsbeginn, wie bei Fallvariante 1.

Diese Literaturstelle scheint jedoch mehr den versicherungsrechtlichen Zeitenerwerb im ASVG vor Augen zu haben, übersieht jedoch die systematischen Auswirkungen auf das AlVG. Aus diesem Grund schließt sich der Senat dieser Literaturmeinung nicht an, auch wenn diese bisher in der Praxis von der ÖGK umgesetzt wird.

Somit gelangt der Senat bei der Beurteilung der Vorfrage zum – der Ansicht in der Stellungnahme des AMS vom 16.06.2025 gegenläufigen – Ergebnis, dass eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erst ab 21.05.2024 für den Monat Mai besteht. Somit ist der Beschwerdeführer ab 21.05.2024 für den restlichen Monat Mai nicht arbeitslos, da „Vollversicherungspflicht für alle geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ein[tritt]“ (siehe VwGH vom 22.01.2003, Geschäftszahl 2000/08/0185).

Da im verfahrensgegenständlichen Zeitraum umgekehrt vom 01.05.2024 bis 10.05.2024 Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG vorliegt, ist nunmehr die Anwendbarkeit des § 21a AlVG auf den gegenständlichen Fall zu prüfen. Demnach ist laut Abs. 1 „Das aus vorübergehender Erwerbstätigkeit erzielte Nettoeinkommen in einem Kalendermonat […] auf das an den verbleibenden Anspruchstagen gebührende Arbeitslosengeld in diesem Kalendermonat anzurechnen. Als vorübergehende Erwerbstätigkeit gelten Beschäftigungen, die für weniger als vier Wochen vereinbart wurden, und selbständige Erwerbstätigkeiten, die weniger als vier Wochen lang ausgeübt werden.“ Zur Berechnung führt Abs. 3 aus: „Bei der Anwendung des Abs. 1 ist der tägliche Anrechnungsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass das Nettoeinkommen um den der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrag zu vermindern und 90 vH des verbleibenden Betrages durch die Zahl der Tage im Kalendermonat zu teilen ist.“

Folgt man rein dem Wortlaut der Bestimmung, geht es um die Anrechnung von Einkommen aus einer vorübergehenden Erwerbstätigkeit/Beschäftigung. Da die Bedingung nur durch das Dienstverhältnis zur XXXX GmbH am 21.05.2024 erfüllt wird, nicht jedoch durch das Dienstverhältnis zur XXXX GmbH, könnte dem ersten Anschein nach der Schluss gezogen werden, dass die Bestimmung gar nicht auf die verfahrensgegenständliche Konstellation anwendbar ist.

Dies würde jedoch aus Sicht des Senats zu einem gleichheitswidrigen und somit verfassungswidrigen Ergebnis führen, würde es bei einem fiktiven eintägigen fallweisen Dienstverhältnis, welches direkt die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, zu einer Anrechnung des Einkommens kommen, im gegenständlichen Fall aber nicht.

Die Bestimmung ist daher aus Sicht des Senates verfassungskonform Absatz 3 so zu lesen, dass das Nettoeinkommen des Kalendermonats um den der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrag zu vermindern und 90 vH des verbleibenden Betrages durch die Zahl der Tage im Kalendermonat zu teilen ist. Damit kann nunmehr auch die Konstellation zweier geringfügiger DV, bei dem eines eine vorübergehende Erwerbstätigkeit/Beschäftigung ist, verfassungskonform abgedeckt werden.

Zur Höhe des täglichen Arbeitslosengeldanspruchs nach Anrechnung:

Die Berichtigung der Bemessung hat daher gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in Höhe von 40 Cent für den Zeitraum 01.05.2024 bis 10.05.2024 pro Kalendertag zu erfolgen, gesamt also in Höhe von € 4,00.

Die Rückforderung hat ebenso in Höhe von 40 Cent für den Zeitraum 01.05.2024 bis 10.05.2024 pro Kalendertag zu erfolgen, gesamt also in Höhe von € 4,00.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung vom 29.11.2024 darauf verweist, dass er den Tatbestand des Erkennen-Müssens nicht erfülle, so ist ihm diesbezüglich noch recht zu geben, da die Erhöhung der Gehälter per Kollektivvertrag im November 2024 rückwirkend per 01.05.2024 erfolgte.

Jedoch hat der Beschwerdeführer am Tag nach dem Ende des verfahrensgegenständlichen Zeitraums unwahre Angaben betreffend Beschäftigung und Einkommen getätigt. Dazu führt der VwGH in der Entscheidung vom 15.05.2013, Geschäftszahl 2011/08/0388, aus: „Die sich aus der in § 25 Abs 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen. Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist (vgl aus der ständigen hg Rechtsprechung zB das Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl 2007/08/0228).“

Der Beschwerdeführer erfüllt mit seinen Angaben daher aus Sicht des Senats den Rückforderungstatbestand der unwahren Angaben gem. § 25 Abs. 1 AlVG. An der Kausalität und dem Eventualvorsatz bestehen - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in der Beschwerdeergänzung vom 29.11.2024 - somit seitens des Senats keine Zweifel, zumal die monatliche Vorlage der Gehaltszettel erst im Nachhinein, also frühestens Ende Mai oder Anfang Juni erfolgen konnte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder diese Entscheidung davon abweicht.

Hinsichtlich der Bestimmung des § 471h ASVG hatte der VwGH, soweit ersichtlich, keine Fälle der Anwendbarkeit der genannten Bestimmung zu beurteilen, insbesondere nicht soweit es den Beginn der Versicherungspflicht betraf.

Es wurde zwar in der Entscheidung des VwGH vom 02.07.2019, Geschäftszahl Ro 2019/08/0011, in RZ 17 folgende Aussage getroffen: „§ 5 Abs. 2 ASVG stellt auf das in einem Kalendermonat insgesamt gebührende Entgelt ab (vgl. auch § 471f ASVG). Auf die zeitliche Lagerung der Tätigkeiten innerhalb des betreffenden Kalendermonats kommt es nicht an.“ Dort war jedoch bei Vorliegen einer Beschäftigung nur das Zutreffen des § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d, e oder g AlVG (Geringfügigkeit) als Verweisobjekt aufgrund eines eingeschränkten Verweises des damaligen § 26 Abs. 3 AlVG als Verweisnorm zu prüfen. Im gegenständlichen Fall ist jedoch § 12 AlVG auch hinsichtlich dessen Absatz 1 zu prüfen.

Zudem kam es bisher zu keiner Auseinandersetzung mit dem Wortlaut des Absatz 1 des § 21a AlVG hinsichtlich der Einzahlverwendung der Wortfolge „vorübergehende Erwerbstätigkeit“ sowie der Berechnungsanordnung des Absatz 3, und ob eine verfassungskonforme Interpretation zum Zwecke der Ausdehnung der Anwendbarkeit über den Wortlaut hinaus berechtigt ist. Es kam somit auch nicht zur allfälligen Auseinandersetzung, ob die fallgegenständliche Konstellation überhaupt unter die Anwendbarkeit des § 21a AlVG fällt.