JudikaturBVwG

I425 2310573-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2025

Spruch

I425 2310573-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Philipp RAFFL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ghana, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2025 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Ein Staatsangehöriger von Ghana (im Folgenden: Beschwerdeführer) stellte am 02.09.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am darauffolgenden Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er in seiner Jugend herausgefunden habe, dass er bisexuell sei, in seiner Heimat sei dies aber verboten. Seine Familie wolle deshalb nicht mehr mit ihm reden. Er sei deswegen auch von einem Mob misshandelt worden, sie hätten ihn mit heißem Wasser überschüttet. Die Polizei habe ihm nicht geholfen. Er habe sich dann aufgrund dieser Ereignisse entschlossen, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr befürchte er, aufgrund seiner sexuellen Orientierung weiter misshandelt zu werden.

Am 14.01.2025 wurde der Beschwerdeführer nach Zulassung des Verfahrens anlässlich seines gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Zu den Gründen seiner Antragstellung gab er hierbei an, dass er in Ghana 2019/2020 aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit heißem Wasser überschüttet und mit einem Kabel geschlagen worden sei. Er habe sich an die Polizei gewandt, diese habe jedoch nichts unternommen. Der Vorfall sei passiert, nachdem seine Nachbarn mitbekommen hätten, dass er Männerbesuch gehabt habe. In der Schule sei er bereits einmal von einem Lehrer geschlagen worden, nachdem dieser gesehen habe, dass er von einem Jungen geküsst worden sei. Er habe bereits als er aufgewachsen sei gemerkt, dass in ihm „eine männliche und eine weibliche Seite“ sei. Einmal beim Spielen habe er einen Jungen geküsst, dessen Mutter es seiner Mutter erzählt habe. Es habe dann eine Auseinandersetzung innerhalb der Familie gegeben und sei der Beschwerdeführer von zu Hause ausgezogen. Nach dem oben geschilderten Vorfall (Männerbesuch) sei seine sexuelle Orientierung bekannt gewesen. Man habe ihm angedroht, ihm den Penis abzuschneiden. Seine sexuelle Orientierung habe sich so schnell verbreitet, dass selbst ein Umzug nicht in Frage käme. Die Einstellung der Leute sei überall in Ghana gleich.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12.03.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ghana abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ghana zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.). Begründend wurde ausgeführt, dass er nicht glaubhaft vorbringen habe können, aufgrund seiner behaupteten Bisexualität in Ghana von einer Verfolgung betroffen zu sein.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerde wurde samt Verwaltungsakt am 08.04.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Teilerkenntnis vom 08.04.2025, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben, sodass der Beschwerde infolge dessen gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zukam.

Mit Beschwerdeergänzung vom 06.05.2025 wurde auf die aktuelle Lage von Angehörigen sexueller Minderheiten in Ghana sowie auf einschlägige Judikatur hingewiesen.

Am 07.05.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung sowie eines Englisch-Dolmetschers statt. Ein:e Vertreter:in der belangten Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

Mit der "Stellungnahme und Urkundenvorlage" vom 07.05.2025, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 08.05.2025, wurde zur Situation von LGBTIQ-Personen in Ghana Stellung genommen und Chatprotokolle des Beschwerdeführers, Lichtbilder sowie ein Empfehlungsschreiben eines Bekannten vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtmotiven:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und Staatsangehöriger von Ghana. Er gehört der Volksgruppe der Akan und der christlichen Glaubensrichtung an, wobei er angibt, einen „eigenen Glauben“ zu haben und nicht die Kirche zu besuchen. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer verließ Ghana im Juni 2023 mit dem Flugzeug nach Dubai und gelangte über Albanien, Bosnien und weitere Länder nach Österreich, wo er am 02.09.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Seine Mutter, sein Bruder sowie zahlreiche Onkel und Tanten leben nach wie vor in Ghana, zu diesen besteht jedoch seit ca. neun Jahren kein Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist bisexuell. In Ghana hatte er in der Vergangenheit eine Beziehung mit einer Frau und zwei Mal eine Beziehung mit einem Mann.

Nachdem er im März 2021 von seinen muslimischen Nachbaren dabei gesehen wurde, wie er seinen Freund zum Abschied umarmte und küsste, lauerten ihm 8 oder 9 Personen auf, verprügelten ihn und leerten einen Topf heißes Wasser über seinen Fuß, wovon der Beschwerdeführer Narben davontrug. Der Beschwerdeführer wandte sich an die Polizei, welche jedoch untätig blieb.

Der Beschwerdeführer lebt seine Sexualität auch in Österreich aus. Er ist auf drei Dating-Plattformen angemeldet, besucht Bars und hatte mehrfach One-Night-Stands.

Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner (bi-)sexuellen Orientierung eine individuelle Verfolgung in Ghana. Staatliche Behörden sind nicht schutzwillig. Homosexualität steht in Ghana unter Strafe.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Ghana gilt als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der § 1 Z 8 Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) idF BGBl. II Nr. 129/2022.

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ghana aus dem COI-CMS (Stand: 14.03.2024) auszugsweise soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:

Politische Lage

Die Republik Ghana ist eine Präsidialdemokratie auf Grundlage der Verfassung von 1992 (AA 6.10.2023). Die Dynamik der ghanaischen Demokratie und ihr friedliches Funktionieren werden von Beobachtern einhellig gelobt. Ghana gilt derzeit als eines der dynamischsten politischen Systeme in Westafrika (FD 1.1.2023).

Der Präsident, zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef, wird unmittelbar von der Wählerschaft für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Er verfügt über weitreichende Befugnisse unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßig garantierten Gewaltenteilung (AA 6.10.2023).

Die aktuelle Regierungspartei New Patriotic Party (NPP) um Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo verfügt über eine knappe Mehrheit im Parlament. Die größte Oppositionspartei ist der National Democratic Congress (NDC). Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sind für Ende 2024 geplant (AA 6.10.2023; vgl. FD 1.1.2023).

Das Land hat eine Reihe friedlicher politischer Wechsel zwischen den beiden großen politischen Parteien, dem National Democratic Congress (sozialdemokratisch) und der New Patriotic Party (Mitte-Rechts) durchlebt (FD 1.1.2023).

Im Dezember 2020 wurde Präsident Nana Akufo-Addo, der Partei New Patriotic Party (NPP), für eine zweite und letzte Amtszeit wiedergewählt (FD 1.1.2023). Inländische und internationale Beobachter bewerteten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2020 als transparent und glaubwürdig. Vereinzelt kam es allerdings zu gewalttätigen Zwischenfällen, bei denen bis zu acht Menschen starben, einige davon durch Sicherheitskräfte (USDOS 20.3.2023).

Die Mitglieder des 275 Sitze zählenden Einkammerparlaments werden direkt in Einzelwahlkreisen für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Die NPP, die im vorherigen Parlament die Mehrheit hatte, und die NDC haben bei den Wahlen, die zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl 2020 stattfanden, jeweils 137 Sitze gewonnen. Einen Sitz gewann ein Unabhängiger, der sich bereit erklärte, die NPP zu unterstützen, so dass diese Partei de facto über eine knappe Mehrheit verfügt. Die Wahlbeobachter lobten den allgemeinen Verlauf der Wahlen (FH 2023).

Beobachter der Afrikanischen Union (AU) und der Europäischen Union (EU) bezeichneten den Wahlkampf als gut organisiert und im Allgemeinen friedlich, obwohl die EU-Beobachter eine mangelnde Regulierung der Wahlkampffinanzierung und einen Missbrauch staatlicher Mittel kritisierten. Die unmittelbare Zeit nach der Wahl war von Gewalt geprägt, und die nationale Polizei meldete mindestens fünf Tote in den Tagen nach der Wahl. NDC-Anhänger protestierten nach der Wahl in Teilen Ghanas und marschierten vor allem auf den Sitz der Wahlkommission in Accra (FH 2023).

Die Regierungspartei New Patriotic Party (NPP) hat am 4.11.2023 ihren Kandidaten für die im Dezember 2024 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gewählt. Die Vorwahlen konnte der aktuelle Vizepräsident Mahamudu Bawumia mit 61 % der Stimmen für sich entscheiden. Mahamudu Bawumia wird im Dezember 2024 gegen John Mahama, Kandidat der Hauptoppositionspartei National Democratic Congress (NDC) und ehemaliger ghanaischer Präsident von 2012 bis 2017, antreten (BAMF 17.1.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (6.10.2023): Ghana: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/ghana-node/politisches-portraet/203398, Zugriff 8.3.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.1.2024): Briefing Notes Zusammenfassung, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetchcsui/-29188457/Deutschland._Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes_Zusammenfassung_%2D_Ghana%2C_Juli_bis_Dezember_2023%2C_31.12.2023.pdf?nodeid=29189115 amp;vernum=-2, Zugriff 12.3.2024

- FD - France Diplomatie [Frankreich] (1.1.2023): Présentation du Ghana, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/dossiers-pays/ghana/presentation-du-ghana/, Zugriff 8.3.2024

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Ghana, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094362.html, Zugriff 4.3.2024

- USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089217.html, Zugriff 4.3.2024

Sicherheitslage

Ghana ist im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern relativ sicher und stabil (BMEIA 5.2024; vgl. EDA 18.1.2024).

Angesichts der erheblich verschlechterten wirtschaftlichen Lage kann es landesweit vermehrt zu Demonstrationen kommen, insbesondere in den größeren Städten Accra, Kumasi, Tamale und Takoradi (AA 30.1.2024). Gewisse politische, soziale und wirtschaftliche Spannungen führen sporadisch zu Protesten (EDA 18.1.2024). In der Vergangenheit sind diese friedlich verlaufen (AA 30.1.2024). Bei Demonstrationen sind gewalttätige Ausschreitungen möglich und können nicht ausgeschlossen werden (EDA 18.1.2024; vgl. AA 30.1.2024). Auch Straßenblockaden kommen vor (EDA 18.1.2024).

Es gibt Hinweise, dass terroristische Gruppierungen aus der Sahelzone ihren Aktionsradius nach Ghana ausdehnen. Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land (EDA 18.1.2024). Insbesondere im Norden von Ghana (Northern Region, North-East, Savannah Region, Upper West, Upper East, Bono, Bono East und Oti) besteht erhöhte Unsicherheit, dass terroristische oder kriminelle Gruppen aus dem Nachbarland Burkina Faso auch in Ghana operativ tätig werden (AA 30.1.2024; vgl. EDA 18.1.2024). Die Überwachung der Grenzgebiete wurde deutlich verstärkt (FD 22.1.2024).

Die Gefahr von bewaffneten Raubüberfällen und Kleinkriminalität kann nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 5.2024) Die Kriminalitätsrate ist im regionalen Vergleich gering, steigt aber derzeit aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und der exponentiell angestiegenen Preise (AA 30.1.2024).

Ferner besteht in den nördlichen Landesteilen (Nord Volta, Northern and Upper-East Regions) die Gefahr von Auseinandersetzungen und Spannungen zwischen lokalen Bevölkerungsgruppen im Zusammenhang mit traditionellen Stammesangelegenheiten (BMEIA 5.3.2024; vgl. EDA 18.1.2024, FD 22.1.2024). Ausnahmezustand und Ausgangssperren werden je nach Lage kurzfristig festgesetzt (BMEIA 5.3.2024). Dabei kann es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, die wiederholt Todesopfer und Verletzte fordern (EDA 18.1.2024).

In den Regionen Northern Region, North-East, Savannah Region, Upper West und Upper East besteht ferner die Gefahr von Entführungen und Überfällen, auch auf den Hauptverkehrsstrecken (AA 30.1.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.1.2024): Ghana: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/ghana-node/ghanasicherheit/203372, Zugriff 1.3.2024

- BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (5.3.2024): Reiseinformation Ghana (Republik Ghana), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/ghana/, Zugriff 5.3.2024

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (18.1.2024): Reisehinweise für Ghana, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/ghana/reisehinweise-fuerghana.html#eda5a642c, Zugriff 8.3.2024

- FD - France Diplomatie [Frankreich] (22.1.2024): Ghana, Benin, Conseils par pays/destination, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/ghana/#sante, Zugriff 1.3.2024

Rechtsschutz / Justizwesen

Obwohl die Verfassung und die Gesetze eine unabhängige Justiz vorsehen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), und die Justiz in den letzten Jahren ein höheres Maß an Unparteilichkeit bewiesen hat (FH 2023), ist die Justiz unrechtmäßiger Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Verzögerungen bei der Rechtsprechung stellen weiterhin ein Problem dar (FH 2023). Berichten zufolge nehmen Justizbeamte Bestechungsgelder an, um Fälle zu beschleunigen oder zu verschieben, Akten zu "verlieren" oder für den Bestechenden günstige Urteile zu fällen (USDOS 20.3.2023).

Der verfassungsmäßige Schutz für ein ordnungsgemäßes Verfahren und die Rechte der Angeklagten werden größtenteils aufrechterhalten (FH 2023).

Eine Beschwerdestelle im Justizministerium, die von einem pensionierten Richter des Obersten Gerichtshofs geleitet wird, befasst sich mit Beschwerden der Öffentlichkeit, z. B. über unfaire Behandlung durch ein Gericht oder einen Richter, unrechtmäßige Festnahme oder Inhaftierung, fehlende Prozessunterlagen, Verzögerungen bei Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündung sowie Bestechung von Richtern. Die Regierung hält sich im Allgemeinen an gerichtliche Anordnungen (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Ghana, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094362.html, Zugriff 4.3.2024

- USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089217.html, Zugriff 4.3.2024

Sicherheitsbehörden

The Ghana Police Service (Polizei) ist dem Innenministerium unterstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. CIA 20.2.2024) und für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zuständig (USDOS 20.3.2023). Das Militär ist dem Verteidigungsministerium unterstellt und nimmt weiterhin unterstützend an den Strafverfolgungsmaßnahmen teil. Das Nationale Nachrichtendienstbüro bearbeitet Fälle, die als kritisch für die Sicherheit des Staates angesehen werden, und ist dem Ministerium für nationale Sicherheit unterstellt. Es wurde berichtet, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begangen haben (USDOS 20.3.2023).

Straflosigkeit ist nach wie vor ein großes Problem im ghanaischen Polizeidienst, insbesondere in Bezug auf Korruption und Bestechung. Die Ermittlungs- und Beschwerdeverfahren gehen nicht wirksam gegen Berichte über Misshandlungen und Bestechung vor. Korruption, Brutalität, uneinheitliche Ausbildung, mangelnde Aufsicht und ein überlastetes Justizsystem tragen zur Straflosigkeit der Polizei bei. Die Polizei reagiert oft nicht auf Meldungen von Straftaten (USDOS 20.3.2023).

2022 begann Ghana seine Militärpräsenz im Norden des Landes zu verstärken, um der Bedrohung durch die Terrororganisation Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM) zu begegnen, die Anschläge in den Nachbarländern Burkina Faso, Elfenbeinküste und Togo verübt haben; Ghana hat außerdem eine Initiative zur Stärkung der Sicherheitskooperation und des Informationsaustauschs zwischen den Nachbarländern am Golf von Guinea und den Sahelländern vorangetrieben (CIA 20.2.2024).

Das Büro des Generalinspekteurs der Polizei und der Ausschuss für Berufsstandards der Polizei untersuchten Beschwerden über übermäßige Gewaltanwendung durch Polizeikräfte (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (20.2.2024): The World Factbook – Ghana, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ghana/, Zugriff 4.3.2024

- USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089217.html, Zugriff 4.3.2024

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte werden in Ghana grundsätzlich geachtet, es besteht allerdings noch einige Herausforderungen bezüglich Geschlechtergerechtigkeit und Diskriminierung marginalisierter Gruppen (BMZ 27.10.2023). Die Kommission für Menschenrechte und Verwaltungsjustiz (Commission on Human Rights and Administrative Justice, CHRAJ), die als autonome Behörde eingerichtet wurde, verfügt über Büros im ganzen Land und vermittelt und schlichtet Fälle, die von Einzelpersonen gegen Regierungsbehörden oder Privatunternehmen vorgebracht werden. Die CHRAJ arbeitet ohne offenkundige Einmischung der Regierung. Einige Kritiker stellen jedoch ihre Fähigkeit in Frage, unabhängig gegen Korruption auf hoher Ebene zu ermitteln. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die CHRAJ ist groß (USDOS 20.3.2023).

Laut Verfassung ist der Oberste Gerichtshof die letzte Instanz. Die Beklagten können jedoch beim Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten Rechtsmittel wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen einlegen. Der Zugang zu den Gerichten steht den Bürgern offen, um Schadenersatz für Menschenrechtsverletzungen oder deren Beendigung einzuklagen (USDOS 20.3.2023).

Das Amt für Berufsnormen der Polizei untersuchte ebenfalls Menschenrechtsverletzungen und polizeiliches Fehlverhalten und brachte einige Fälle zum Abschluss, wenn auch selten unter großer Öffentlichkeitswirkung. Beobachter hielten das Gremium für relativ unabhängig, aber in seinen Beratungen für wenig effektiv (USDOS 20.3.2023). Verschiedene inländische und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiten im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersuchen Menschenrechtsfälle und veröffentlichen ihre Ergebnisse. Die Regierungsbeamten sind oft kooperativ und gehen auf ihre Ansichten ein (USDOS 20.3.2023).

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich garantiert und werden in der Regel eingehalten, auch wenn es zu einigen Missbräuchen kam (FH 2023; vgl. USDOS 20.32024). Die Menschen in Ghana können frei und lebhaft Ihre Meinung äußern, private Diskussion führen (FH 2023), selbst Kritik an der Regierung ist möglich und üblich (RSF 2023). Individuelle Meinungsäußerung werden in den sozialen Medien nicht eingeschränkt (FH 2023).

Ghana hat eine vielfältige Medienlandschaft. Auf die meisten Pressedelikte wie Verleumdung stehen seit 2011 keine Haftstrafen mehr. Allerdings kommen Zivilklagen auf hohe Summen, etwa wegen Berichten über Korruption und Machtmissbrauch, vor. Manche Medien üben politisch oder wirtschaftlich motivierte Selbstzensur. Es kam mehrfach vor, dass Sicherheitskräfte Redaktionen gestürmt haben. Immer wieder bedrohen Politiker und andere bekannte Persönlichkeiten Journalisten oder ihre Anhänger werden handgreiflich. Auch hat die Polizei Journalisten wegen vermeintlicher Beleidigung des Präsidenten festgenommen (RSF 2023).

Die NGO Reporter ohne Grenzen konstatierte in ihrer Rangliste der Pressefreiheit 2022 in Ghana eine Verschlechterung der Meinungsfreiheit (AI 28.3.2023). Während des gesamten Jahres 2022 kam es zu einer Häufung von tätlichen Angriffen und Morddrohungen gegen Journalisten, und die Regierung zeigte sich zunehmend intolerant gegenüber abweichenden Äußerungen von Reportern (FH 2023). Für das Jahr 2023 belegt Ghana in der Rangliste der Pressefreiheit Platz 62 von 180 untersuchten Ländern (RSF 2024).

Das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und wird im Allgemeinen geachtet (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2024). Es kam allerdings zu Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (USDOS 20.3.2024), bzw. wurde die Versammlungsfreiheit manchmal nicht von der Regierung respektiert (BAMF 17.1.2024); vgl. USDOS 20.3.2023. Für Versammlungen oder Demonstrationen sind keine Genehmigungen erforderlich (FH 2023); USDOS berichtet hingegen, dass Polizeidienst und Richter, die über Protestgenehmigungen entscheiden, Demonstrationen manchmal behindern oder stark einschränken. Im Juni 2022 setzte die Polizei Tränengas ein, um einen spontanen Schülerprotest an einer islamischen Oberschule in Accra gewaltsam aufzulösen. Die Behörden entfernten daraufhin den stellvertretenden Regionalkommandanten von seinem Posten, und die Polizei organisierte bestimmte Polizeieinheiten neu, um den Zugang zu Schulungen zur Kontrolle von Menschenmengen zu verbessern (USDOS 20.3.2023).

Verschiedene inländische und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiten im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersuchen Menschenrechtsfälle und veröffentlichen ihre Ergebnisse. Die Regierungsbeamten sind oft kooperativ und gehen auf die Ansichten dieser Gruppen ein (USDOS 20.3.2024). NGOs können im Allgemeinen frei agieren und spielen eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Rechenschaftspflicht und Transparenz der Regierung (FH 2023).

Quellen:

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ghana 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094495.html, Zugriff 4.3.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland](17.1.2024): Briefing Notes Zusammenfassung, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetchcsui/-29188457/Deutschland._Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes_Zusammenfassung_%2D_Ghana%2C_Juli_bis_Dezember_2023%2C_31.12.2023.pdf?nodeid=29189115 amp;vernum=-2, Zugriff 12.3.2024

- BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (27.10.2023): Dezentralisierung und Verbesserung der öffentlichen Finanzen sowie Stärkung der Menschenrechte und Gleichberechtigung, https://www.bmz.de/de/laender/ghana/kernthema-frieden-9874, Zugriff 14.3.2024

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Ghana, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094362.html, Zugriff 4.3.2024

- RSF - Reporter ohne Grenzen (2024): Ghana, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ghana, 14.3.2024

- USDOS - US Department of State [USA](20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089217.html, Zugriff 4.3.2024

Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten

Sexuelle Minderheiten werden nach wie vor diskriminiert (AI 28.3.2023; FH 2023). Das ghanaische Parlament hat am 28. Februar 2024 ein drakonisches Gesetz verabschiedet, das die Strafen für einvernehmliches gleichgeschlechtliches Verhalten verschärft und Personen und Organisationen kriminalisiert, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) einsetzen (HRW 5.3.2024).

Nach dem geltenden Gesetz werden gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Männern mit einer Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis geahndet. Nach dem neuen Gesetzesentwurf begeht jeder, der sich als LGBT+ identifiziert oder eine sexuelle oder geschlechtliche Identität hat, die der binären Vorstellung von männlich und weiblich widerspricht, eine Ordnungswidrigkeit und wird bei Verurteilung mit einer Geldstrafe zwischen 750 bis 4.700 US-Dollar oder einer Gefängnisstrafe zwischen zwei Monaten und drei Jahren oder beidem bestraft (HRW 5.3.2024).

Nach der Einführung des Gesetzes im Jahr 2021 wurden 21 LGBT-Aktivisten rechtswidrig festgenommen und inhaftiert, weil sie eine Veranstaltung zur Menschenrechtsaufklärung abgehalten hatten, mit der Begründung, dass sie für Homosexualität warben und es sich um eine rechtswidrige Versammlung handelte. Die Polizei führte auch eine Razzia in einem Zentrum für die LGBT-Gemeinschaft durch, das anschließend geschlossen wurde (HRW 5.3.2024).

LGBT+ Menschen sind erheblicher Diskriminierung ausgesetzt. Gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten sind nach wie vor kriminalisiert, was die Straffreiheit von Gewalt gegen und Belästigung von LGBT+-Menschen fördert. Die NGO LGBT+ Rights Ghana, die im Januar 2021 das erste LGBT+-Gemeinschaftszentrum des Landes eröffnete, sah sich erheblichem Widerstand seitens politischer und religiöser Persönlichkeiten sowie gewalttätigen Drohungen ausgesetzt. Das Zentrum wurde im Februar 2021 von Sicherheitsbeamten gestürmt und später im selben Monat von der Polizei geschlossen (FH 2023).

Anfang August 2021 fand im Parlament die erste Lesung des Gesetzes zur Förderung der korrekten sexuellen Menschenrechte und der ghanaischen Familienwerte statt, das die Zurschaustellung von Zuneigung und Crossdressing unter Strafe stellt. Der Parlamentssprecher erklärte auf einer Medienkonferenz im November 2022, dass noch vor den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2024 ein Gesetz verabschiedet werden soll, welches das offene Bekenntnis zu einer queeren Identität sowie die Unterstützung gleicher Rechte für LGBT+-Personen kriminalisiert (FH 2023).

In seiner ersten Stellungnahme zur Verabschiedung des Gesetzes sagte Präsident Akufo-Addo, Ghana werde bei der Einhaltung der Menschenrechte nicht zurückstecken, und fügte hinzu, das Gesetz sei vor dem Obersten Gerichtshof angefochten worden. Akufo-Addo muss den Gesetzentwurf noch unterzeichnen, damit er in Kraft treten kann (Reuters 4.3.2024).

Der Präsident erwähnte zudem, dass eine Verfassungsklage gegen das Gesetz vor Gericht eingereicht wurde. Der Gesetzentwurf wurde von Menschenrechtsgruppen und einigen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft verurteilt (ABC 5.3.2024).

Quellen:

- ABC - ABC News (5.3.2024): Ghana's president vows no action on anti-LGBTQ+ bill until Supreme Court rules on a challenge to it, https://abcnews.go.com/International/wireStory/ghanas-president-vows-action-anti-lgbtq-bill-supreme-107805959, Zugriff 14.3.2024

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ghana 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094495.html, Zugriff 4.3.2024

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Ghana, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094362.html, Zugriff 4.3.2024

- HRW - Human Rights Watch (5.3.2024): Ghana: President Should Veto Anti-LGBT Bill, https://www.hrw.org/news/2024/03/05/ghana-president-should-veto-anti-lgbt-bill, Zugriff 5.3.2024

- Reuters (5.3.2024): Ghana's president says anti-LGBTQ bill has not reached his desk, https://www.reuters.com/world/africa/ghana-anti-lgbtq-bill-could-derail-imf-support-if-signed-into-law-2024-03-04/, Zugriff 14.3.2024

- USDOS - US Department of State [USA](20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089217.html, Zugriff 4.3.2024

Situation für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTIQ)

Geschlechtsverkehr zwischen Personen gleichen Geschlechts ist seit der englischen Kolonial-herrschaft und heute gemäß Sektion 104 des Strafgesetzbuches strafbar. Zwar ist einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr dort nicht explizit benannt, wird aber unter den verwendeten Begriff „unnatural carnal knowledge“ subsumiert und kann mit Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren sanktioniert werden. Die letzte bekannte Verurteilung erfolgte im Jahr 2003. Das Strafmaß für erzwungenen gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr (Vergewaltigung) liegt bei fünf bis 25 Jahren Haft. Es gibt keine staatliche gezielte systematische Verfolgung von LGBTIQ-Personen. Letztere sehen sich jedoch starker gesellschaftlicher Diskriminierung und Missachtung ausgesetzt, die zuweilen auch in Gewalt umschlägt. Weite Teile der Gesellschaft und die überwiegende Zahl der Religionsgemeinschaften lehnen gleichgeschlechtliche Beziehungen grundsätzlich ab.

LGBTIQ-Personen beklagen fehlenden staatlichen Schutz vor und nach Übergriffen durch Dritte. Anzeigen von Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen bei der örtlichen Polizei führen in der Regel zu keinen Ermittlungsergebnissen. Vielmehr kam es zu Fällen, in denen nach einer Anzeige die sexuelle Orientierung des Opfers durch Polizei oder Staatsanwaltschaft öffentlich gemacht wurde, was dazu führte, dass die Opfer im Nachgang auch noch gesellschaftlich und/oder familiär ausgegrenzt wurden bzw. in Einzelfällen auch ihre Arbeit verloren haben. Es sind Fälle bekannt, in denen LGBTIQ-Personen aufgrund ihres Erscheinungsbildes von der Polizei angehalten, befragt oder gar drangsaliert wurden.

Die Freiheitsräume für LGBTIQ-Personen in Ghana unterscheiden sich erheblich zwischen Stadt und Land. Nach Einschätzung von NROs ist zumindest in der Metropole Accra ein relativ unbehelligtes Leben möglich, sofern es diskret, also nicht öffentlich wahrnehmbar, geführt wird. Dagegen erfahren LGBTIQ-Personen in ländlichen und traditionell konservativeren Regionen sehr viel häufiger Ausgrenzung bis hin zu Übergriffen. Das VN-Entwicklungsprogramm (UNDP) berichtet von Fällen aus dem Jahr 2023 und darauffolgend im Großraum Kumasi, in denen Nutzer von einschlägigen Dating-Apps in einen Hinterhalt gelockt und von einer Gruppe geschlagen und misshandelt wurden.

Es wird wiederholt von Übergriffen berichtet. In einem Einzelfall wurde im Januar 2024 ein homosexueller Student an der University of Ghana in Accra von Kommilitonen ausgezogen, nackt über den Campus getrieben und verprügelt. Filme und Fotos wurden breit in den sozialen Medien geteilt. Anfang März 2023 wurde in Accra im Stadtteil Jamestown eine Geburtstags-feier der LGBTIQ-Community durch das Militär aufgelöst. Die Eröffnung eines Treffpunkts für LGBTIQ-Personen in 2021 in Accra löste in den sozialen Medien eine Welle von Kritik und Ablehnung aus. Im Nachgang kam es vereinzelt zu Drohungen gegen Teilnehmende, darunter Mitglieder des Diplomatischen Corps. Der Vermieter der Lokalität bat daraufhin die Polizei, das Zentrum wenige Wochen nach Eröffnung zu schließen.

Die LGBTIQ-Community engagiert sich, zumindest in Accra, trotz der strafrechtlichen Vor-schriften und gesellschaftlichen Einschränkungen. Es gibt NROs, die sich umsichtig für die Achtung der Rechte Homosexueller einsetzen, oft in Verbindung mit der Bekämpfung von HIV. Auch Personen des öffentlichen Lebens, etwa Vertreter der nationalen Menschenrechtskommission CHRAJ, des National Research Center (NRC) oder von Universitäten, setzen sich für eine weitere Anerkennung und Entkriminalisierung ein. Große Aufmerksamkeit erzielte 2021 ein offener Brief von 67 Personen des öffentlichen Lebens aus Großbritannien mit ghanaischen Wurzeln, die den Staatspräsidenten aufforderten, der LGBTIQ-Community mehr Schutz zu gewähren.

Im August 2021 brachten acht Abgeordnete (sieben der Oppositionspartei NDC, einer der Regierungspartei NPP) einen LGBTIQ-kriminalisierenden Gesetzentwurf, die „Human Sexual Rights and Family Values Bill“, ins ghanaische Parlament ein. Der Gesetzesentwurf wurde als „Private Members Bill“ (d.h. nicht durch Mitglieder der Regierung/Exekutive) eingebracht und am 28. Februar 2024 einstimmig vom Parlament beschlossen. Der Abstimmungsprozess – stark politisch getrieben vom Parlamentssprecher und Befürworter des Gesetzes, einem NDC-Abgeordneten – erfolgte nicht regelkonform: So wurde bspw. die Mindestanzahl der für eine Abstimmung nötigen Abgeordneten deutlich unterschritten. Der Entwurf sieht eine Verschärfung der bereits bestehenden Kriminalisierung aller Formen nicht-heterosexueller Beziehungen vor, einschließlich ihrer Unterstützung in verschiedenen Formen. Der damalige Staatspräsident Akufo-Addo verweigerte die Entgegennahme des Gesetzes zur Unterzeichnung mit Verweis auf ausstehende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) in anhängigen Verfahren gegen das Gesetzesvorhaben. Der Oberste Gerichtshof wiederum erklärte sich am 18.12.2024 für unzuständig, mit der Begründung, er dürfe sich nur mit Gesetzen, die in Kraft getreten seien, befassen. Während die Unterstützer des Gesetzentwurfs weiter dessen Unter-zeichnung fordern, ist er laut neuem Staatspräsidenten aufgrund des Diskontinuitätsprinzips vom Tisch.

Die Einbringung des Gesetzentwurfes hat eine heftige Debatte mit offen homophoben Angriffen in Presse und sozialen Medien ausgelöst, welche durch die Verabschiedung von Seiten des Parlaments deutlich verschärft wurde. Die Präsidentschaftskandidaten von NPP und NDC äußerten im Zuge der Debatte über den Gesetzesentwurf ihre Ablehnung gegenüber LGBTIQ; eine eindeutige Positionierung zur “Family Values Bill“ vermieden sie jedoch im Wahlkampf. Eine Gruppe von 15 ghanaischen Anwälten und Akademikern positionierte sich öffentlich gegen den Gesetzesentwurf und erläuterte dessen Menschenrechtswidrigkeit in einem Memorandum an das Parlament. Die Gruppe erfuhr starke Kritik und öffentliche Verurteilung. Zudem wurde und wird der Gesetzesentwurf häufig sowohl in der Gesellschaft als auch von Polizei-kräften als geltendes Recht wahrgenommen und als Grundlage für Diskriminierung, Befragungen oder Drangsalierungen herangezogen Die LGBTIQ-Community beklagt, dass jedes Auf-flammen der Debatte Missachtung von oder gar Gewalt gegen LGBTIQ-Personen schürt.

Im Rahmen des vierten Staatenüberprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review) des VN-Menschenrechtsrats im Januar 2023 wurde von mehreren Staaten angeregt, den Schutz der LGBTIQ-Personen zu verbessern, die Strafverfolgung von Tätern zu intensivieren und den Gesetzesentwurf fallenzulassen.

Quelle:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.2.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ghana (Stand 10.01.2025), https://www.ecoi.net/en/file/local/2122821/Deutschland.+Ausw%C3%A4rtiges+Amt%2C+Bericht+%C3%BCber+die+asyl-+und+abschiebungsrelevante+Lage+in+Ghana%2C+14.02.2025.pdf, Zugriff 7.5.2025

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, die zitierten Länderberichte zu Ghana sowie die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Beweismittel.

Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Betreuungsinformation (Grundversorgung) und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2025 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtmotiven:

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen Familienverhältnissen, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sowie seiner Ausreise nach Europa ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Auch, dass sich Familienangehörige von ihm in Ghana aufhalten, zu diesen jedoch seit ca. 9 Jahren kein Kontakt besteht, gab der Beschwerdeführer im Verfahren, zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht, gleichbleibend an.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der eingeholten Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Hinsichtlich seines Fluchtvorbringens, dass er in Ghana aufgrund seiner Bisexualität einer individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre, ist auszuführen wie folgt:

Entscheidungsträger müssen nach den SOGI-Richtlinien des UNHCR vom 23.10.2012 eine objektive Herangehensweise bewahren, damit ihre Schlüsse nicht auf stereotypen, ungenauen oder unzutreffenden Vorstellungen von Personen mit der behaupteten sexuellen Orientierung beruhen (vgl. VwGH 05.09.2024, Ra 2023/18/0463, mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt entgegen den getroffenen Feststellungen des BFA nach Abhaltung der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu dem Schluss, dass die bisexuelle Orientierung des Beschwerdeführers und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Ghana glaubhaft sind. Sowohl in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA, der Beschwerde und zuletzt in der Beschwerdeverhandlung hat der Beschwerdeführer widerspruchsfreie und schlüssige Angaben hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung getätigt und war dazu in der Lage, den Weg zu seiner eigenen sexuellen Identität nachvollziehbar zu beschreiben, was insbesondere in der Beschwerdeverhandlung hervorgekommen ist.

Im Zuge der Verhandlung hat der Beschwerdeführer bereitwillig, spontan und offen über seine sexuelle Orientierung gesprochen und alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen beantwortet. Seine Angaben und Darstellungen wirkten weder prozesstaktisch übertrieben noch konstruiert. Er schilderte, bereits in jungen Jahren sich zum gleichen Geschlecht hingezogen gefühlt zu haben und in Ghana im Erwachsenenalter eine Beziehung zu einer Frau und zwei Mal eine Beziehung zu einem Mann geführt zu haben.

Auch den Vorfall, bei welchem der Beschwerdeführer von mehreren Personen mit einem Topf heißem Wasser überschüttet wurde, nachdem sie ihn mit seinem Freund gesehen hatten, schilderte der Beschwerdeführer seit der Erstbefragung gleichlautend und war er in der Lage, Details des Vorfalls zu beschreiben. Bei den Angreifern habe es sich um Muslime gehandelt, es seien ca. 8 oder 9 junge Leute gewesen, sie hätten ihn beobachtet, wie er seinen Freund zu einem Taxi begleitet habe. Zum Abschied habe sein Freund ihn umarmt und geküsst, woraufhin die Gruppe zu lachen und schreien angefangen habe. Sie hätten ihn dann misshandelt. Einer habe seine Arme hinter seinem Rücken zusammengehalten, während die anderen auf ihn einschlugen. Ein Mann habe einen kleinen Topf mit heißem Wasser geholt, welches sie über seine Beine gekippt und ihm gedroht hätten, sein Glied abzuschneiden (Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2025, S 5). Sie hätten ihn auch mit einem Stromkabel auf die Beine geschlagen. In der Beschwerdeverhandlung zeigte der Beschwerdeführer eine ca. 7 cm lange Narbe auf dem Rist seines linken Fußes sowie eine mehrere Zentimeter lange Narbe am linken Oberschenkel. Auf Nachfrage des erkennenden Richters, warum ihm die Personen das Wasser nur über eine kleine Stelle und nicht über den Rumpf oder das gesamte Bein geleert hätten, wo sie ihn doch hätten foltern wollen, gab der Beschwerdeführer in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise an, der Topf sei nicht so groß gewesen und habe der betreffende Angreifer ihm das Wasser über seine Oberschenkel gießen wollen, doch sei er in dem Moment zurückgewichen, sodass das Wasser nur seinen Fuß getroffen habe (Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2025, S 7). Ebenso gleichbleibend gab er an, dass er seit diesem Vorfall im März 2020 oder 2021 (nachdem der Beschwerdeführer bereits vor dem BFA erklärt hatte, den Ausreiseentschluss im Jahr 2021 gefasst zu haben, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich der Vorfall 2021 ereignete) seine Gänge aus dem Haus sorgfältig planen habe müssen, um den Angreifern nicht erneut zu begegnen. In dieser Zeit habe er Geld gespart, um letztlich im Sommer 2023 Ghana verlassen zu können. Auch, dass er sich nach dem Vorfall an die Polizei gewandt habe, diese jedoch nicht aktiv geworden sei, gab der Beschwerdeführer gleichbleibend an. Diese Angaben stehen zudem im Einklang mit den im – dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur Verhandlung übermittelten – Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ghana vom 14.02.2025 enthaltenen Informationen, gemäß welcher LGBTIQ-Personen in Ghana den fehlenden staatlichen Schutz vor und nach Übergriffen durch Dritte beklagen und Anzeigen von Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen bei der örtlichen Polizei in der Regel zu keinen Ermittlungsergebnissen führen (vgl. Punkt II.1.3.).

Der Beschwerdeführer berichtete weiters, in Österreich auf Dating-Plattformen angemeldet sowie aktiv zu sein, mehrfach One-Night-Stands gehabt zu haben und auch beim Bar-Besuch Leute kennengelernt zu haben (Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2025, S 7). Mit Urkundenvorlage vom 07.05.2025 legte er Chatprotokolle sowie drei Lichtbilder vor, die ihn mit einem jungen Mann zeigen (OZ 9). Ein Bild zeigt die beiden nebeneinander offensichtlich auf einer Party, auf dem anderen Bild gibt der Beschwerdeführer dem anderen Mann einen Kuss auf die Wange, auf dem dritten Bild küssen sie sich auf den Mund.

Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die Existenz von Narben allein nicht geeignet ist, die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. zuletzt VwGH 03.03.2025, Ra 2025/18/0035; vgl. ergänzend dazu, dass ein medizinisches Gutachten zwar geeignet sein kann, die Verletzungsursache von vorhandenen Narben zu belegen, jedoch nicht zur Aufklärung der Frage, im Zuge welcher Ereignisse ein Asylwerber die Verletzungen erlitten haben mag, VwGH 18.9.2024, Ra 2024/18/0451, mwN) bzw. in Hinblick auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Screenshots von Chatverläufen hervorzuheben ist, dass derartige Chatprotokolle beliebig erstell- bzw. verfälschbar sind und diesen Beweismitteln daher an sich keine große Beweiskraft zukommt, kommt der erkennende Richter in einer Gesamtbetrachtung, insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung sowie des gesamten Akteninhalts zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Fluchtgrundes glaubhaft sind, zumal er die Umstände, die ihn veranlasst haben, sein Heimatland zu verlassen, widerspruchsfrei und in allen Einvernahmen im Verfahren gleichlautend schilderte. Er konnte – wenngleich zum Teil auf Nachfrage – auch Details angeben, sodass der erkennende Richter zu der Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprechen.

Homosexualität ist in Ghana gemäß Sektion 104 des Strafgesetzbuches mit Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren bedroht. Auch wenn die letzte bekannte Verurteilung im Jahr 2003 erfolgte, hat die ghanaische Regierung auch in jüngster Zeit ihre Ablehnung homosexuellen Verhaltens zum Ausdruck gebracht und eine Entkriminalisierung ausdrücklich verweigert.

Im August 2021 brachten acht Abgeordnete (sieben der Oppositionspartei NDC, einer der Regierungspartei NPP) einen LGBTIQ-kriminalisierenden Gesetzentwurf, die "Human Sexual Rights and Family Values Bill", ins ghanaische Parlament ein. Der Gesetzesentwurf wurde als "Private Members Bill" (d.h. nicht durch Mitglieder der Regierung/Exekutive) eingebracht und am 28. Februar 2024 einstimmig vom Parlament beschlossen. Der Abstimmungsprozess – stark politisch getrieben vom Parlamentssprecher und Befürworter des Gesetzes, einem NDC-Abgeordneten – erfolgte nicht regelkonform: So wurde bspw. die Mindestanzahl der für eine Abstimmung nötigen Abgeordneten deutlich unterschritten. Der Entwurf sieht eine Verschärfung der bereits bestehenden Kriminalisierung aller Formen nicht-heterosexueller Beziehungen vor, einschließlich ihrer Unterstützung in verschiedenen Formen. Der damalige Staatspräsident Akufo-Addo verweigerte die Entgegennahme des Gesetzes zur Unterzeichnung mit Verweis auf ausstehende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) in anhängigen Verfahren gegen das Gesetzesvorhaben. Der Oberste Gerichtshof wiederum erklärte sich am 18.12.2024 für unzuständig, mit der Begründung, er dürfe sich nur mit Gesetzen, die in Kraft getreten seien, befassen. Während die Unterstützer des Gesetzentwurfs weiter dessen Unterzeichnung fordern, ist er laut neuem Staatspräsidenten aufgrund des Diskontinuitätsprinzips vom Tisch. Zuletzt wurde der Gesetzesentwurf erneut eingebracht (vgl. etwa BBC (04.03.2025): Ghanaian MPs reintroduce controversial anti-LGBT bill, https://www.bbc.com/news/articles/cdjy91gr48lo, Zugriff 07.05.2025).

Die Kriminalisierung von LGBTIQ-Personen führt zu deren Diskriminierung, Bedrohung und Verfolgung. Im Falle einer – durchaus sehr wahrscheinlichen – Verfolgung durch Privatpersonen wird sich der Beschwerdeführer ausweislich der Berichtslage auch nicht schutzsuchend an die staatlichen Behörden wenden können.

Zwar gilt Ghana als sicheres Herkunftsland und ist grundsätzlich fähig und willig, seine Bürger vor Übergriffen Dritter zu schützen, dies gilt jedoch nicht im Falle von gesellschaftlicher Diskriminierung und Selbstjustiz betreffend homosexuelle Personen.

Es gibt in Ghana auch keinerlei Gebiete, wo der Beschwerdeführer vor einer Verfolgung aufgrund seiner Bisexualität sicher wäre. Somit steht ihm fallgegenständlich auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Es besteht sohin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ghana einer aktuellen Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgesetzt sein wird.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat basieren auf einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN) und erfolgte zuletzt eine Erörterung der aktuellen Länderberichte – die dem Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertretung zugleich mit der Verhandlungsladung übermittelt worden waren – im Rahmen der Beschwerdeverhandlung (vgl. VwGH 06.04.2021, Ra 2020/18/0506, mwN).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (Vergleiche auch die Verfolgungsdefinition im § 2 Abs. 1 Ziffer 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279). Relevant ist eine wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund seiner bisexuellen Orientierung in Ghana der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung (Homosexualität) ist schon nach den eindeutigen ErläutRV zum AsylG 1991 unter den Tatbestand der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu subsumieren (270 Blg Nr.18. GP11, Putzer-Rohrböck, Asylrecht, S. 43).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in seinem Urteil vom 7. November 2013, C-199/12 bis C-201/12, klar, dass Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe gemäß Art. 10 Abs. 1 lit d der Statusrichtlinie darstellen. Der EuGH wies darauf hin, dass die sexuelle Ausrichtung ein Merkmal darstellt, das so bedeutsam für die Identität ist, dass die Betreffenden nicht gezwungen werden können, darauf zu verzichten. Das erste Kriterium der Definition einer sozialen Gruppe sei daher bei Homosexuellen grundsätzlich erfüllt. Das zweite Kriterium, die wahrgenommene Andersartigkeit und abgegrenzte Identität, sei zu bejahen, wenn Homosexualität im Herkunftsland durch strafrechtliche Bestimmungen kriminalisiert sei. Das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen erfülle jedoch für sich genommen nicht die von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie geforderte Schwere der Menschenrechtsverletzungen. Eine Verfolgungshandlung sei vielmehr erst dann zu bejahen, wenn die angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis auch tatsächlich verhängt werde und sie dadurch zu einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit c der Statusrichtlinie werde. Es sei allerdings unerheblich, ob ein Antragsteller die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass er seine Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt.

Der Beschwerdeführer hat glaubhaft vorgebracht, bisexuell zu sein und in Ghana bereits einen Übergriff in seine persönliche Integrität erlebt zu haben.

Es steht zudem unbestritten fest, dass homosexuelle Kontakte in Ghana strafrechtlich verboten sind. Laut EuGH erfüllt das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen für sich genommen nicht die von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie geforderte Schwere der Menschenrechtsverletzungen – dies ist erst der Fall, wenn die angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis auch tatsächlich verhängt wird. In den letzten 20 Jahren wurden keine Verurteilungen von Personen wegen Homosexualität in Ghana bekannt. Es stellt sich daher die Frage, ob daraus geschlossen werden kann, dass von keiner Verfolgung Homosexueller in Ghana auszugehen ist.

Art. 9 der Statusrichtlinie definiert Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention. Entscheidend für das Vorliegen einer Verfolgung ist die Schwere der Handlung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein muss, dass sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt. Alternativ kann die geforderte Schwere durch eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden. Verfolgungshandlungen sind etwa die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.

Für das Bundesverwaltungsgericht steht aufgrund der unter Punkt II.1.3. zitierten Berichte fest, dass Homosexuelle in Ghana – neben den strafrechtlichen Bestimmungen – mit verschiedenen Eingriffen konfrontiert sind: Die Kriminalisierung von LGBTIQ-Personen führt zu deren Diskriminierung, Bedrohung und Verfolgung durch Privatpersonen. Da homosexuelle Handlungen zudem ein gesellschaftliches Tabu sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer der Übergriffe sehr hoch ist. Es muss daher aufgrund der Kumulierung verschiedener Übergriffe davon ausgegangen werden, dass in Ghana eine Verfolgung homosexueller Personen, welche ihre sexuelle Orientierung nicht verbergen, erfolgt. Im Falle einer – durchaus sehr wahrscheinlichen – Verfolgung durch Privatpersonen wird sich der Beschwerdeführer nicht schutzsuchend an die staatlichen Behörden wenden können, zumal Homosexualität in Ghana unter Strafe steht.

Bei einer Rückkehr nach Ghana wäre der Beschwerdeführer zu seinem eigenen Schutz dazu gezwungen, seine sexuelle Orientierung im Geheimen zu leben. Wie bereits ausgeführt, kann nach der Judikatur des EuGH, des Verwaltungsgerichtshofes und auch des Verfassungsgerichtshofes nicht verlangt werden, dass eine Person die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass sie ihre Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt. Gleiches gilt auch für Angehörige anderer sexueller Minderheiten, wie insbesondere Bisexuelle, Intersexuelle oder Transgender-Personen (vgl. VwGH 08.10.2024, Ra 2024/14/0012).

In diesem Sinne konstatierte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.02.2020, Zl. E 4470/2019 folgendes: „Wenn der EuGH und ihm folgend der VfGH davon ausgehen, dass "von Personen mit homosexueller Orientierung nicht erwartet werden [dürfe], dass sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung beim Leben ihrer sexuellen Ausrichtung ('l'expression de son orientation sexuelle') üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden" (VfSlg 20170/2017 unter Verweis auf EuGH 07.11.2013, verbRs C-199-201/12, X ua, und, im vorliegenden Verfahren, VfGH 11.06.2019, E291/2019), wird unmittelbar einsichtig und offenkundig darauf abgestellt, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung ohne daraus resultierender Gefahr einer Verfolgung im Sinne des §3 Abs1 AsylG 2005 iVm Art1 Abschnitt A Z2 GFK möglich sein muss, auch in der Öffentlichkeit zu ihrer geschlechtlichen Orientierung zu stehen und sich zu entsprechenden Beziehungen zu bekennen. Damit soll das einschlägige Diskriminierungsverbot sicherstellen, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung insbesondere in Gesellschaften, in denen heterosexuelle Beziehungen als gesellschaftliche Norm gesehen werden, homosexuell orientierte Menschen im Hinblick auf dieses für die Anerkennung ihrer Identität so bedeutsamen Merkmals heterosexuell orientierten in der öffentlichen Anerkennung gleichgestellt und in diesem Sinn nicht gezwungen werden, ihre sexuelle Orientierung geheim halten zu müssen (es genügt, dafür auf die genannten Entscheidungen des EuGH und des VfGH zu verweisen).“

Bei einer Gesamtbetrachtung des gegenständlichen Falles besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ghana schwerwiegenden Eingriffen in seine zu schützende persönliche Sphäre ausgesetzt wäre, und zwar aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Bisexuellen. Es ist daher im Sinne der oben zitierten Judikatur ein Zusammenhang zu den in der GFK taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen festzustellen und bestehen vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderberichte auch keinerlei Hinweise darauf, dass diese Verfolgungssituation nicht mehr aktuell wäre.

In Anbetracht des Umstandes, dass Homosexualität in Ghana bereits per Gesetz unter Strafe gestellt ist, gibt es auch keinerlei Gebiete, wo der Beschwerdeführer vor einer Verfolgung aufgrund seiner Bisexualität sicher wäre. Somit steht ihm fallgegenständlich auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Art. 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Art. 1 Abschnitt C der GFK) ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes.