Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX in XXXX , vertreten durch die Maggi Kathollnig RechtsanwaltsGmbH-Studio Legale, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2024, XXXX , wegen Zeugengebühren (Grundverfahren XXXX des Landesgerichts XXXX ) den Beschluss (A) und erkennt zu Recht (B):
A) Der Antrag, der Beschwerdeführerin die Kosten der Beschwerde zu ersetzen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Ansonsten wird der Beschwerde Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid, der hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. (Bestimmung der Reise- und der Aufenthaltskosten des Zeugen XXXX für die Verhandlung am XXXX 2024 mit EUR 512,80) als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Übrigen dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt 3. richtig zu lauten hat:
„Der Antrag des Zeugen XXXX , die Entschädigung für Zeitversäumnis mit EUR 773,98 zu bestimmen, wird als unbegründet abgewiesen, sodass seine Zeugengebühr für die Verhandlung am XXXX 2024 insgesamt EUR 512,80 beträgt.“
Der Zeuge XXXX wird gemäß § 23 Abs 3 GebAG aufgefordert, den zuviel erhaltenen Betrag von EUR 774 binnen 14 Tagen zurückzuzahlen.
C) Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Im Verfahren XXXX des Landesgerichts XXXX (im Folgenden kurz: Grundverfahren) fordert eine klagende Partei von der Beschwerdeführerin (BF) als beklagter Partei EUR 165.222,34 s.A.
Mit Schreiben vom XXXX 2024 wurde Davide BERGAMASCO (im Folgenden kurz: Zeuge) in diesem Verfahren an der Adresse XXXX , als Zeuge für die Verhandlung am XXXX .2024, 9:15 Uhr bis 16 Uhr, geladen. Unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ findet sich in der Ladung zum Thema „Geltendmachung und Bescheinigung“ unter anderem folgender Text: „Es wird Ihnen empfohlen, Ihren Gebührenanspruch unmittelbar nach Beendigung Ihrer Vernehmung geltend zu machen. Hiezu ist es erforderlich, dass Sie Ihre Ladung vorlegen und alle Umstände bescheinigen, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind. […] ACHTUNG: Wenn Sie Ihren Gebührenanspruch nicht längstens innerhalb von 14 Tagen nach Ihrer Vernehmung schriftlich oder mündlich bei diesem Gericht geltend machen, verlieren Sie den Anspruch. Kann eine zur Bescheinigung Ihres Anspruchs erforderliche Bestätigung nicht innerhalb der Frist von 14 Tagen vorgelegt werden, so machen Sie Ihren Gebührenanspruch dennoch innerhalb dieser Frist geltend und ersuchen Sie bei Gericht, das Bescheinigungsmittel nach Ablauf der Frist vorlegen zu können.“
Der Zeuge leistete der Ladung Folge und erschien am XXXX ladungsgemäß vor Gericht.
Mit dem am XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Schriftsatz beantragte er über einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt, seine Zeugengebühren für diese Verhandlung mit (gerundet) EUR 1.100 (Reisekosten mit Privat-PKW EUR 533 zuzüglich Autobahngebühren EUR 113,50, Nächtigungskosten EUR 110, Entschädigung für Zeitversäumnis 24 Stunden á EUR 14,20, gesamt EUR 340,80) zu bestimmen und diesen Betrag auf sein Konto zu überweisen.
Mit Schreiben vom XXXX wies die zuständige Sachbearbeiterin des Präsidenten des Landesgerichts XXXX den Zeugen darauf hin, dass der Pauschalbetrag nach § 18 Abs 1 Z 1 GebAG mit 01.01.2024 von EUR 14,20 auf EUR 20,60 erhöht worden sei, und forderte ihn auf, binnen vier Wochen Nachweise für eine selbständige Erwerbstätigkeit oder eine Bestätigung seines Arbeitgebers über seinen Verdienstentgang sowie darüber, dass keine Entgeltfortzahlung erfolgt sei, vorzulegen, ebenso einen Nachweis für die Nächtigungskosten.
Mit Eingabe vom XXXX gab der Zeuge bekannt, nunmehr Zeugengebühren von insgesamt EUR 1.583,88 zu beanspruchen, weil seinem Arbeitgeber für die beiden Tage, die er aufgrund der Verhandlung versäumt habe, CHF 378 pro Tag an Kosten (Gehalt und Sozialabgaben) entstanden seien, in Summe also CHF 756 (umgerechnet EUR 773,98). Daher würden weitere EUR 433,98 an Entschädigung für Zeitversäumnis geltend gemacht. Die Kosten der Übernachtung hätten tatsächlich EUR 163,40 betragen. Gleichzeitig mit dieser Eingabe legte der Zeuge (neben einem Nachweis für die Nächtigungskosten) eine Erklärung seines Arbeitgebers, der in XXXX (Schweiz) situierten XXXX , vor, wonach die Gesamtkosten für ihn als Arbeitnehmer CHF 378 pro Tag betragen würden und er für die beiden Tage, an denen er verhandlungsbedingt abwesend gewesen sei ( XXXX . und XXXX .2024), keine Entgeltfortzahlung erhalten habe, sowie seinen unbefristeten Dienstvertrag vom XXXX .2016, in dem XXXX als Arbeitsort festgelegt ist.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid bestimmte der Präsident des Landesgerichts XXXX die Gebühren des Zeugen mit insgesamt EUR 1.286,80 (gerundet gemäß § 20 Abs 3 GebAG). Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Reisekosten von EUR 349,80 (Spruchpunkt 1), Aufenthaltskosten von EUR 163 (Spruchpunkt 2) sowie der Entschädigung für Zeitversäumnis von EUR 773,98 (Spruchpunkt 3). Gleichzeitig wurde die Auszahlung aus einem von der klagenden Partei des Grundverfahrens erlegten Kostenvorschuss auf das Konto des Zeugen angeordnet. Spruchpunkt 3 dieses Bescheids wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Zeuge seinen Verdienstentgang für den XXXX . und XXXX .2024 in der begehrten Höhe nachgewiesen und auch eine Bestätigung seines Dienstgebers vorgelegt habe, wonach für diese beiden Tage keine Entgeltfortzahlung erfolgt sei.
Ausdrücklich nur gegen die Bestimmung der Entschädigung für Zeitversäumnis mit EUR 773,98 richtet sich die Beschwerde der beklagten Partei des Grundverfahrens, mit der sie eine Abänderung des angefochtenen Bescheids dahingehend anstrebt, dass das Begehren auf Entschädigung für Zeitversäumnis abgewiesen wird. Außerdem erhebt sie ein Kostenersatzbegehren und stellt eventualiter einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass der Zeuge einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe und daher kein Verdienstentgang nachgewiesen worden sei.
Der Präsident des Landesgerichts XXXX stellte die Beschwerde dem Zeugen sowie dem Rechtsvertreter der klagenden Partei des Grundverfahrens zur Beantwortung binnen 14 Tagen zu und legte sie nach dem fruchtlosen Verstreichen dieser Frist samt einem Teil der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung vor. In der Folge wurden dem BVwG auftragsgemäß die fehlenden Teile der Verwaltungsakten nachgereicht.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und aus den Gerichtsakten des BVwG. Da insoweit keine widersprüchlichen Beweisergebnisse vorliegen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 20 Abs 4 GebAG ist im Zeugengebührenbestimmungsverfahren grundsätzlich das AVG anzuwenden. Im Verwaltungsverfahren und im Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem BVwG gilt gemäß § 74 AVG iVm § 17 VwGVG der Grundsatz der Selbsttragung der Kosten (siehe Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 492, 951). Einen Kosten- oder Barauslagenersatz sieht das GebAG auch im Beschwerdeverfahren nicht vor (vgl. (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 22 GebAG Anm 11). Demnach besteht kein Kostenersatzanspruch der BF, sodass der darauf gerichtete Beschwerdeantrag als unzulässig zurückzuweisen ist.
Zu Spruchteil B):
Da die bestimmte Gebühr EUR 200 übersteigt, ist die BF als Partei des Grundverfahrens gemäß § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 2 Z 1 GebAG grundsätzlich zur Erhebung einer Beschwerde an das BVwG berechtigt. Die im Bescheid vom XXXX 2024 bestimmten Reise- und Aufenthaltskosten des Zeugen (Spruchpunkte 1 und 2; Zeugengebühr insgesamt EUR 512,80) sind aber mangels Anfechtung bereits in Rechtskraft erwachsen.
In Bezug auf die im Beschwerdeverfahren strittige Entschädigung für Zeitversäumnis (Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheids) hat der Zeuge zunächst einen Betrag von EUR 340,80 geltend gemacht und diesen dann (weit nach dem Ablauf von vier Wochen nach Abschluss seiner Vernehmung) auf EUR 773,98 ausgedehnt.
Gemäß § 19 Abs 1 iVm § 16 GebAG hat ein aus dem Ausland geladener Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr binnen vier Wochen nach Abschluss seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust geltend zu machen. Diese Frist beginnt mit dem Tag, der dem Abschluss der Vernehmung folgt, oder, wenn er aufgrund einer Ladung zu Gericht gekommen, seine Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist, mit dem darauffolgenden Tag (siehe Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 19 GebAG Anm 5). Der Verlust des Anspruchs bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung ist nur im Zusammenhang mit dem in § 19 Abs 3 GebAG enthaltenen Gebot zu rechtfertigen, den Zeugen in der Ladung auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung aufmerksam zu machen. Unterbleibt die Belehrung des Zeugen, beginnt die Ausschlussfrist für die Geltendmachung nicht zu laufen (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 19 GebAG Anm 7 und 18 sowie E 11; ähnlich VwGH 02.10.1975, 0920/75).
In der Ladung wurde der (aus dem Ausland geladene) Zeuge darauf hingewiesen, dass er seinen Gebührenanspruch verliert, wenn er ihn nicht längstens innerhalb von 14 Tagen nach seiner Vernehmung geltend macht. Diese Belehrung insofern unrichtig, als die Frist für ihn richtigerweise vier Wochen beträgt. Aufgrund der unrichtigen Belehrung, die dem Unterbleiben einer Belehrung gleichzuhalten ist, ist das nach Fristablauf ausgedehnte Begehren auf Entschädigung für Zeitversäumnis nicht verspätet.
Hat ein Zeuge in dem nach § 17 GebAG (oder allenfalls § 4 GebAG) maßgeblichen Zeitraum einen tatsächlichen Verdienst- oder Einkommensentgang oder sonst einen Vermögensnachteil iSd § 3 Abs 1 Z 2 GebAG, so kann er zwischen der Pauschalentschädigung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 GebAG und der Entschädigung eines höheren, konkreten Vermögensschadens nach § 18 Abs 1 Z 2 GebAG wählen. Bei unselbständig Erwerbstätigen wie dem Zeugen XXXX umfasst die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 Z 2 lit a GebAG den tatsächlich entgangenen Verdienst (also das, was er auf die Hand bekommen hätte). Dafür ist grundsätzlich das entsprechende Verdienstentgangsbestätigungsformular des Gerichts zu verwenden (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 18 Anm 8; für das BVwG siehe etwa das unter https://www.bvwg.gv.at/dam/jcr:6cd7e877-9835-4622-b2dc-ae2920732f13/Formular_Verdienstentgangsbestaetigung_02.01.2025.pdf abrufbare Formular). Der Ersatz des tatsächlich entgangenen Einkommens selbständig Erwerbstätiger gemäß § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG, der Stellvertreterkosten gemäß § 18 Abs 1 Z 2 lit c GebAG oder der Kosten einer Haushaltshilfskraft gemäß § 18 Abs 1 Z 2 lit d GebAG ist hier nicht verfahrensgegenständlich.
Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs auf Entschädigung für Zeitversäumnis für unselbständig Erwerbstätige ist der Eintritt eines Verdienstentgangs. Ob der Zeuge einen solchen erleidet, ist nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Bei der Frage, ob er durch die Befolgung einer gerichtlichen Ladung einen Vermögensnachteil erleidet, ist das Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruches entsprechend (anspruchsmindernd) zu berücksichtigen (siehe VwGH 26.02.2001, 2000/17/0209). Dabei sind von Arbeitgebern trotz Entgeltfortzahlungspflicht ausgestellte Verdienstentgangsbestätigungen unbeachtlich; der Zeuge ist in diesen Fällen vielmehr auf seinen privatrechtlichen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber zu verweisen (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 18 GebAG Anm 20 und E 11).
Auf das Beschäftigungsverhältnis des Zeugen ist hier Schweizer Arbeitsvertragsrecht anzuwenden. Nach der relativ zwingenden Bestimmung des Art 324a Abs 1 OR, von der zuungunsten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist, für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist. Der Arbeitgeber ist demnach nach Schweizer Recht verpflichtet, während der Arbeitszeit Gerichtstermine ohne Einkommenseinbußen zuzulassen.
De Zeuge hat somit für die Zeit, während der er verhandlungsbedingt nicht arbeiten konnte, einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber, zumal das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat, sodass er insoweit keinen Vermögensnachteil erlitten hat und kein Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Der angefochtene Bescheid ist somit in Stattgebung der Beschwerde in dem Sinn abzuändern, dass die Zeugengebühr entsprechend reduziert wird und dem Zeugen nur die Reise- und Aufenthaltskosten zustehen.
Da die Gebühr des Zeugen, die stets vor Rechtskraft zu zahlen ist (siehe Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 21 GebAG Anm 7, § 22 GebAG Anm 8 und § 23 GebAG Anm 7), durch diese Entscheidung herabgesetzt wird, ist er gemäß § 23 Abs 3 GebAG zur Zurückzahlung des zuviel erhaltenen Betrags unter Setzung einer Frist von 14 Tagen aufzufordern. Bei nicht rechtzeitiger Zurückzahlung ist der Betrag nach den für die Einbringung der gerichtlichen Gebühren und Kosten geltenden Vorschriften einzubringen.
Die Durchführung einer – von keiner Seite beantragten – mündlichen Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil von der mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.
Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender VwGH-Rechtsprechung orientieren konnte.