JudikaturBVwG

L521 2294048-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 2025

Spruch

L521 2294048-1/15E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über den Antrag des XXXX , vom 06.11.2024 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2024, L521 2294048-1/10E, betreffend Gerichtsgebühren den

BESCHLUSS

gefasst:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2024, L521 2294048-1/10E, wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 23.09.2024, L521 2294048-1/10E, wies das Bundesverwaltungsgericht eine gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes Linz vom 10.05.2024, Zl. 323 Jv 39/23i, erhobene Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Gerichtsgebührengesetzt als unbegründet abgewiesen und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Dem antragstellenden Rechtsanwalt wurde diese Entscheidung am 24.09.2024 zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt begann die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision zu laufen.

2. Am 06.11.2024 – und damit am Tag nach Ablauf der sechswöchigen Frist zur Erhebung einer Revision – langte um 16:18:14 Uhr der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.09.2024, L521 2294048-1/10E, im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht ein.

3. Der antragstellende Rechtsanwalt begründete den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wie folgt:

„Der Einschreiter/sein Sekretariat hat heute, 6.11.2024, vom VwGH den Anruf erhalten, dass die Beschwerde (ao Revision) vom 5.11.2024 dort direkt eingelangt ist per Web-ERV – statt beim BVwG, und beim BVwG umgehend eingereicht werden solle. Dies erfolgt hiermit.

Im Fall Zl. W147 2270895-1/17E BVwG wurde zuletzt am 23.4.2024 von der Kanzlei des Einschreiters völlig fehlerfrei eine VwGH-Beschwerde (ao Revision) eingereicht (technisch als BVwG Ersteingabe), durch dieselbe Sachbearbeiterin im Sekretariat, cand. iur. Bernadette Langer.

Die Anlage der Eingabe im Web-ERV im hiesigen Fall wurde bereits am 29.10.2024 vom Sekretariat gemacht.

Der zu übermittelnde Schriftsatz (ao Revision) ist auch eindeutig an das BVwG gerichtet. Auch als adressierte Dienststelle ist die Geschäftszahl des BVwG angeführt.

Das Sendeprotokoll – das sorgfaltsgemäß umgehend am 5.11.2024 19:01 ausgedruckt wurde - zeigt auch keinen Fehler; insbesondere auch deswegen, weil Schriftsatz als „Verfassungs- Verwaltungsgerichtshof, BVwG“ bezeichnet wird.

Laut Mitteilung des VwGH kommt der Fehler offenbar öfter vor und die Übersendung am nächsten Tag nach Fehleraufklärung wurde angeraten; dass in einem Submenü zur Eingabe irrtümlich „Ersteingabe VwGH“ statt „Ersteingabe BVwG“ angeklickt war, ist keine übliche Kontrolltätigkeit durch den Anwalt, und würde jeden Einsatz einer dritten Person/Dienstnehmer durch den Anwalt zwecklos machen, weil dieser dann im Ergebnis gleich selbst den gesamten Web-ERV machen würde. Eine fehlerhafte Erledigung der Vorbereitung der Eingabe durch die routinierte und sorgfältige Kanzleimitarbeiterin, war in keiner Weise vorhersehbar, noch dazu als dies bisher fehlerfrei erfolgte.“

5. Der vorstehend festgehaltene Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem im Gerichtsakt aufliegenden Zustellnachweis vom 23.09.2024 über die erfolgreiche Hinterlegung des Erkenntnisses von diesem Tag im elektronischen Rechtsverkehr, sodass die Zustellwirkung gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG am folgenden Werktag eintrat, sowie aus dem am 06.11.2024 eingebrachten Antrag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

6. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 gemäß § 46 Abs. 3 erster Satz VwGG bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

7. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt und die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (zu alledem statt aller VwGH 15.03.2023, Ra 2023/09/0151 mwN).

8. Die antragstellende Partei ist Rechtsanwalt und hat die gegenständliche Revision im Rahmen ihrer Rechtsanwaltskanzlei eingebracht, sodass der Sorgfaltsmaßstab eines beruflich rechtskundigen Parteienvertreters maßgeblich ist.

Ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Dazu gehört

auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (VwGH 11.09.2024, Ra 2024/18/0286 mwN).

Ein Vertreter verstößt auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die geeignet sind, im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen hintanzuhalten (VwGH 29.08.2023, Ra 2023/19/0312 bis 0314 mwN). Die Einhaltung der den anwaltlichen Vertreter treffenden Sorgfaltspflicht erfordert es auch, die ordnungsgemäße Einbringung des Schriftsatzes etwa dadurch zu kontrollieren, dass die Sendebestätigung über die Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr geprüft wird. Das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines entsprechenden Kontrollsystems ist nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (VwGH 17.02.2022, Ra 2022/08/0002 mwN).

9. Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag wird erkennbar damit begründet, dass aufgrund eines fehlerhaften Dateneingabe „in einem Submenü“ durch eine stets zuverlässige Kanzleimitarbeiterin die Revision am letzten Tag der Revisionsfrist nicht beim Bundesverwaltungsgericht, sondern direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde. Der Fehler sei aufgrund eines Telefonanrufs der Kanzlei der Verwaltungsgerichtshof am 06.11.2024 erstmalig bekannt geworden sei.

Bei einem solchen Vorbringen sind die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages schon mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die nicht erfüllt (vgl. abermals VwGH 29.08.2023, Ra 2023/19/0312 bis 0314 mwN): Im Wiedereinsetzungsantrag wird nicht einmal behauptet, dass ein Kontrollsystem in der Kanzlei der antragstellenden Partei eingerichtet wurde oder jemals eine Kontrolle (auch) der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte wäre. Vielmehr zieht die antragstellende Partei in Zweifel, dass es sich bei der Überprüfung der Eingaben einer Kanzleikraft im Web-ERV um eine „übliche Kontrolltätigkeit“ handeln würde. Mit einem solchen Vorbringen wird in keiner Weise dargelegt, ob jemals eine Kontrolle (auch) der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist. Somit kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Prozesshandlungenwie vorliegend die

fristgerechte und mängelfreie Einbringung der Revision im elektronischen Rechtsverkehr mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein und liegt schon deshalb kein bloß minderer Grad des Versehens der antragstellenden Partei vor (VwGH 11.09.2024, Ra 2024/18/0286).

10. Aus dem Vorbringen ergibt sich ferner, dass der einen berufliche rechtskundigen Parteienvertreter nach der Rechtsprechung treffenden Sorgfaltspflicht fallbezogen nicht entsprochen wurde. Wenn die Eingabe bereits am 29.10.2024 angelegt wurde, erfolgte offenbar bis zur Einbringung des Schriftsatzes keine Kontrolle des (zugestandermaßen) fehlerhaften Datensatzes durch den antragstellenden Rechtsanwalt. Auch im Nachhinein erfolgte keine Kontrolle der gesendeten Eingabe, zumal der Fehler erst aufgrund eines Telefonanrufs der Kanzlei des Verwaltungsgerichtshofes aufgefallen ist.

Aus den zur Bescheinigung des Wiedereinsetzungsgrundes mitgelieferten Screenshots geht ferner – entgegen dem Antragsvorbringen – in keinster Weise hervor, dass der Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht adressiert war oder die am Bildschirm ersichtlich Maske einen solchen Eindruck erweckte. Vielmehr ist aus dem (ersten) Screenshot überhaupt kein Schriftsatzempfänger ersichtlich und es wird im Antrag auch zugestanden, dass die fehlerhaften Eintragungen in einem „Submenü“ erfolgten. Dass eine Kontrolle des „Submenü“ vom antragstellenden Rechtsanwalt jemals vorgenommen wurde bzw. regelmäßig vorgenommen wird, wurde nicht vorgebracht. Der das Übermittlungsprotokoll zeigende zweite Screenshot ist nicht eindeutig, zumal daraus drei mögliche Schriftsatzempfänger (Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof oder Bundesverwaltungsgericht) hervorgehen. Das Übermittlungsprotokoll ist daher – genauso wie der vorgelegte Screenshot der Eingabemaske – nicht zum Nachweis der erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes an das Bundesverwaltungsgericht geeignet und es hätte daher die gebotene Überprüfung des Einbringungsvorganges weiterer Nachforschungen bedurft, die allerdings (sorgfaltswidrig) unterlassen wurden.

Der vorliegende Sachverhalt ist insoweit mit der Konstellation zu vergleichen, die dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.09.2023, Ra 2023/09/0151, zugrunde lag. Der Verwaltungsgerichtshof hat darin festgehalten, dass sich aus Schriftsatzmaske des ERV im Hinblick auf die Titulierung „Verfassungs-, Verwaltungsgerichtshof, BVwG“ keineswegs ergebe, dass der Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht abgefertigt wurde. Bereits aus diesem Ausdruck hätte der Vertreter der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zufolge Zweifel an der richtigen Eingabe im ERV haben müssen und nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht gesendet werden würde.

Die Überlegungen sind auf den gegenständlichen Fall zu übertragen. An der Verantwortlichkeit des antragstellenden Rechtsanwalts ändert der Verweis auf das Zuarbeiten durch die Kanzleikraft nichts (VwGH 28.03.2020, Ra 2019/18/0479).

11. Zusammenfassend wurde weder das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems in der Kanzlei des antragstellenden Rechtsanwaltes dargelegt, darüber hinaus wurde im Anlassfall die zumutbare Sorgfalt, noch dazu kurz vor Fristablauf, außer Acht gelassen. Gerade unter Zeitdruck und mangels eines etablierten Kontrollsystems hätte der antragstellende Rechtsanwalt die ordnungsgemäße Einbringung des Schriftsatzes kontrollieren müssen, was nicht in ausreichendem Maß erfolgt ist. Es ist daher nicht vom Vorliegen eines minderen Grad des Versehens auszugehen. Die Voraussetzungen des § 46 VwGG sind damit nicht erfüllt, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen ist.

12. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, da die Akten aufgrund der bestehenden Bescheinigungspflicht und des Verbots des Nachtragens weiterer Wiedereinsetzungsgründe erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen nicht beantragt und steht Art. 6 EMRK dem Absehen von der Verhandlung nicht entgegen, da bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten ist (VwGH 23.05.2018, Ra 2018/05/0159).

13. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen und vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, ist vielmehr regelmäßig keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung zukommt (VwGH 03.09.2018, Ra 2018/01/0370; 06.10.2017, Ra 2017/01/0302).