JudikaturBFG

RV/7101001/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
12. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom 23. Jänner 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 22. Jänner 2024, Ordnungsbegriff: ***OB***, über die Zurückweisung der Anträge vom 8. September 2023 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO dahingehend geändert, dass der Antrag vom 8. September 2023 betreffend das Kind ***K1***, VNR: ***1***, für die Zeiträume September 2018 bis Oktober 2021 und der Antrag vom 8. September 2023 betreffend das Kind ***K2***, VNR: ***2***, für die Zeiträume Juli 2020 bis Oktober 2021 wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen werden.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am 6. Mai 2021 über FinanzOnline die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren am ***GebDat1*** in Finnland geborenen Sohn ***K1*** ab Juni 2017 und für ihre am ***GebDat2*** in der Schweiz geborene Tochter ***K2*** ab Juli 2020.

Nachdem die Bf. einem Ersuchen des Finanzamtes um Vorlage weiterer Unterlagen nicht nachgekommen war, wies das Finanzamt den Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 ab.Der Bescheid wurde nicht angefochten und erwuchs in Rechtskraft.

Mit den am 19. September 2023 beim Finanzamt eingelangten und mit 8. September 2023 datierten Vordrucken "Beih 100" beantragte die Bf. die Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn hinsichtlich der Zeiträume ab September 2018 und für ihre Tochter hinsichtlich der Zeiträume ab Juli 2020.

Das Finanzamt wies die Anträge mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 2024 wegen entschiedener Sache als unzulässig zurück.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde sinngemäß vorgebracht, dass der Erstantrag abgelehnt worden sei, weil erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Aufgrund ihrer damaligen finanziellen Lage habe die Bf. auf eine Antragserledigung keinen Wert gelegt. Ihre Situation habe sich jedoch geändert und die Bf. könne nunmehr alle für die Gewährung der Familienbeihilfe erforderlichen Unterlagen beibringen. Sie erfülle auch alle Anspruchsvoraussetzungen. Ihr Lebensmittelpunkt sowie der Lebensmittelpunkt ihrer Kinder sei in Österreich.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Jänner 2025 gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise Folge. Die Beschwerde werde für das Kind ***K1*** von 07/2019 bis 10/2021 und für das Kind ***K2*** von 07/2020 bis 10/2021 abgewiesen. Sonst werde der Beschwerde Folge gegeben.Da der Abweisungsbescheid vom 28. Oktober 2021 bereits in Rechtskraft erwachsen sei, könne die Familienbeihilfe für die beiden Kinder erst ab November 2021 gewährt werden.

Am 11. Februar 2025 stellte die Bf. über FinanzOnline einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorlagebericht vom 1. April 2025 legte das Finanzamt die Beschwerde samt den Verfahrensakten dem Bundesfinanzgericht vor.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (im Folgenden: FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird, und ist dessen Höhe in § 8 Abs. 2 und 3 FLAG 1967 geregelt.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Das Finanzamt Österreich hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen (§ 12 Abs. 1 FLAG 1967).

Gemäß § 13 FLAG 1967 ist ein Bescheid nur insoweit zu erlassen, als einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. etwa VwGH 9.9.2013, 2010/17/0274). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides zu verstehen (VwGH 18.12.2024, Ra 2021/13/0006).

Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 26 Rz 3). Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 13 Rz 25; VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0003).

Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (VwGH 9.12.2020, Ra 2016/08/0059; VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0114; VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050).

Im Erkenntnis VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:"Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich VwGH 29.9.2011, 2011/16/0065, und VwGH 25.3.2010, 2009/16/0121).Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid nicht geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird."

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 wies das Finanzamt den Antrag der Bf. vom 6. Mai 2021 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab Juni 2017" ihren Sohn ***K1*** betreffend und für die Zeiträume "ab Juli 2020" ihre Tochter ***K2*** betreffend ab.

Der genannte Bescheid vom 28. Oktober 2021 stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. VfGH 23.2.2021, E 2917/2020).

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der bereits oben zitierten ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat.Durch den Abweisungsbescheid vom 28. Oktober 2021 liegt daher hinsichtlich der (mit Vordrucken "Beih 100" vom 8. September 2023) beantragten Zeiträume bis einschließlich Oktober 2021 res iudicata vor.

Für die Zeiträume ab November 2021 hat das Finanzamt eine Änderung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem Bescheid vom 28. Oktober 2021 festgestellt, die Familienbeihilfe gemäß § 11 FLAG 1967 ausbezahlt und hierüber gemäß § 12 FLAG 1967 die Mitteilung vom 20. Jänner 2025 ausgestellt. Eine meritorische Entscheidung über die am 19. September 2023 beim Finanzamt eingelangten und mit 8. September 2023 datierten Anträge hätte nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides vom 28. Oktober 2021 geändert hätte und den neuerlichen Anträgen auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich zu entsprechen wäre.

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Die vorliegende Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am 12. August 2025