JudikaturBFG

RV/7102080/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
18. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Jirovec & Partner RechtsanwaltsGesmbH, Bauernmarkt 24, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 10. Oktober 2013 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 16. September 2013 betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben betreffend Einkommensteuer 2010 sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Der Bescheid vom 16. September 2013 betreffend Einkommensteuer 2011 wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom 16. September 2013 setzte die belangte Behörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für die Jahre 2010 und 2011 - unter Annahme seiner unbeschränkten Steuerpflicht und (aufgrund des zur Anwendung kommenden Doppelbesteuerungsabkommens) Anrechnung der für seine im Ausland erzielten Einkünfte dort einbehaltenen Steuer - fest.

In der gegen beide Einkommensteuerbescheide erhobenen (damals) Berufung vom 10. Oktober 2013 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei ab dem Herbstsemester 2010 in der Schweiz als Lehrer (in einer Privatschule) tätig gewesen und habe seine Wohnung in Österreich bis Juni 2012 nicht (selbst) genutzt, sondern vermietet.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom 20. März 2014 (samt gesondert ausgefertigter Begründung vom selben Tag) als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer stellte in der Folge einen Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom 14. März 2018, RV/7102156/2014, - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7. März 2018 - die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 1741/2018-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts brachte der Beschwerdeführer am 5. Dezember 2019 eine außerordentliche Revision ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit Erkenntnis vom 25. Juni 2025, Ra 2021/13/0143, auf und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erkennen lassen, welcher Sachverhalt ihr zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Verfahrensparteien als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. etwa VwGH 19.10.2022, Ra 2021/15/0011, mwN).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.

[…]"

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer übersiedelte mit 1. August 2020 in die Schweiz und nahm dort eine Beschäftigung als Lehrer auf, welche er bis 31.7.2022 ausübte. Im Zuge dessen mietete er mit 1. August 2020 eine Wohnung an der Adresse *** teilmöbliert an und untervermietete diese ab November 2020 zunächst gegen einen Kostenersatz an Frau A und ab Dezember 2011 an Frau B. Mit August 2022 übersiedelte der Beschwerdeführer zurück nach Österreich.

Im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr 2020 erzielte der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid vom 16. September 2013 festgesetzten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit iHv 1.443,54 Euro, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner Beschäftigung beim *** iHv 20.079,52 Euro sowie Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug aus seiner Beschäftigung als Lehrer in der Schweiz iHv 27.052,33 Euro.

Im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr 2021 erzielte der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid vom 16. September 2013 festgesetzten Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug aus seiner Beschäftigung als Lehrer in der Schweiz iHv 85.604,91 Euro.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Es ist dabei unbestritten, dass der Beschwerdeführer mit August 2020 eine Tätigkeit als Lehrer in der Schweiz aufnahm und zu diesem Zweck dorthin übersiedelte. Die belangte Behörde ging jedoch u.a. aufgrund der für die verfahrensgegenständlichen Jahre vorliegenden Hauptwohnsitzmeldung in Österreich davon aus, dass der Beschwerdeführer weiterhin einen Wohnsitz in Österreich zur Verfügung hatte. Dem stehen jedoch die insofern übereinstimmenden und daher glaubhaften schriftlichen und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 7. März 2018 getätigten Zeugenaussagen der Mieterinnen entgegen. Da der polizeilichen Meldung nur eine Indizwirkung zukommt, der Beschwerdeführer nachweislich mit 1. August 2020 in die Schweiz übersiedelte, weiters die gegenständliche Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung durch den Beschwerdeführer mit 1. August 2020 unmöbliert übernommen wurde und abgesehen davon keine stichhaltigen gegenteiligen Nachweise vorliegen, geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die gegenständliche Wohnung in C dem Beschwerdeführer bereits ab seinem Umzug in die Schweiz per August 2020 nicht zur Befriedigung seines Wohnbedarfs zur Verfügung stand.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Der VwGH führte in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 25. Juni 2025, Ra 2021/13/0143, wie folgt aus:

"Entscheidend im vorliegenden Fall ist, ob der Revisionswerber im Streitzeitraum eine Wohnung iSd § 26 Abs. 1 BAO "innehatte". Unter dem "Innehaben" einer Wohnung ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über diese Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen. Es ist nicht entscheidend, in welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0145, mwN; vgl. auch 21.7.2021, Ra 2021/13/0080, mwN). Wird eine Wohnung durch ihren Eigentümer vermietet und hat der Eigentümer nicht die Möglichkeit zur jederzeitigen Benutzung der Wohnung, dann liegt für ihn hinsichtlich dieser Wohnung kein Wohnsitz vor (vgl. VwGH 4.9.2014, 2011/15/0133, mwN)."

Gemäß den Feststellungen gab der Beschwerdeführer mit Aufnahme seiner Schweizer Tätigkeit ab 1. August 2020 seinen inländischen Wohnsitz auf und untervermietete seine mit selbem Datum teilmöbliert angemietete Wohnung in C. Er hatte daher gem. § 1 Abs. 2 EStG iVm § 26 BAO ab 1. August 2020 keinen inländischen Wohnsitz mehr in Österreich. Die ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz erzielten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unterliegen daher nicht der österreichischen Steuerpflicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt wurde und entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl VwGH 25.2.2016, Ra 2016/16/0006, betreffend die Revisionsunzulässigkeit bei Fragen der Beweiswürdigung).

Wien, am 18. August 2025