BundesrechtInternationale VerträgeI. Übereinkommen der I. Haager Friedenskonferenz

I. Übereinkommen der I. Haager Friedenskonferenz

In Kraft seit 04. September 1900
Up-to-date

Erster Titel.

Erhaltung des allgemeinen Friedens.

Artikel 1.

Art. 1

Um in den Beziehungen zwischen den Staaten die Anrufung der Gewalt so weit wie möglich zu verhüten, erklären sich die unterzeichneten Mächte einverstanden, alle ihre Bemühungen aufwenden zu wollen, um die friedliche Erledigung der internationalen Streitfragen zu sichern.

Zweiter Titel.

Gute Dienste und Vermittlung.

Artikel 2.

Art. 2

Die unterzeichneten Mächte kommen überein, im Falle einer ernsten Meinungsverschiedenheit oder eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten Macht oder mehrerer befreundeter Mächte anzurufen, soweit dies die Umstände gestatten.

Artikel 3.

Art. 3

Unabhängig hievon halten die unterzeichneten Mächte es für nützlich, daß eine Macht oder mehrere Mächte, die am Streite nicht beteiligt sind, aus eigenem Antriebe den im Streite befindlichen Staaten ihre guten Dienste oder ihre Vermittlung anbieten, soweit sich die Umstände hiefür eignen.

Das Recht, gute Dienste oder Vermittlung anzubieten, steht den am Streite nicht beteiligten Staaten auch während des Ganges der Feindseligkeiten zu.

Die Ausübung dieses Rechtes kann niemals von einem oder dem anderen der streitenden Teile als unfreundliche Handlung angesehen werden.

Artikel 4.

Art. 4

Die Aufgabe des Vermittlers besteht darin, die einander entgegengesetzten Ansprüche auszugleichen und Verstimmungen zu beheben, die zwischen den im Streite befindlichen Staaten etwa entstanden sind.

Artikel 5.

Art. 5

Die Tätigkeit des Vermittlers hört auf, sobald, sei es durch einen der streitenden Teile, sei es durch den Vermittler selbst, festgestellt wird, daß die von diesem vorgeschlagenen Mittel der Verständigung nicht angenommen werden.

Artikel 6.

Art. 6

Gute Dienste und Vermittlung, seien sie auf Anrufen der im Streite befindlichen Teile eingetreten oder aus dem Antriebe der am Streite nichtbeteiligten Mächte hervorgegangen, haben ausschließlich die Bedeutung eines Rates und niemals verbindliche Kraft.

Artikel 7.

Art. 7

Die Annahme der Vermittlung kann, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, nicht die Wirkung haben, die Mobilmachung und andere den Krieg vorbereitende Maßnahmen zu unterbrechen, zu verzögern oder zu hemmen.

Erfolgt sie nach Eröffnung der Feindseligkeiten, so werden von ihr, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, die im Gange befindlichen militärischen Unternehmungen nicht unterbrochen.

Artikel 8.

Art. 8

Die Vertragsmächte sind einverstanden, unter Umständen, die dies gestatten, die Anwendung einer besonderen Vermittlung in folgender Form zu empfehlen:

Bei ernsten, den Frieden gefährdenden Streitfragen wählt jeder der im Streite befindlichen Staaten eine Macht, die er mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare Verbindung mit der von der anderen Seite gewählten Macht zu treten, um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu verhüten.

Während der Dauer dieses Auftrages, die unbeschadet anderweitiger Abmachung, eine Frist von dreißig Tagen nicht überschreiten darf, stellen die streitenden Staaten jedes unmittelbare Benehmen über den Streit ein, welcher als ausschließlich den vermittelnden Mächten übertragen gilt. Diese sollen alle Bemühungen aufwenden, um die Streitfrage zu erledigen.

Kommt es zum wirklichen Bruche der friedlichen Beziehungen, so bleiben diese Mächte mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Gelegenheit zu benützen, um den Frieden wiederherzustellen.

Dritter Titel.

Internationale Untersuchungskommissionen.

Artikel 9.

Art. 9

Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch wesentliche Interessen berühren und einer verschiedenen Würdigung von Tatsachen entspringen, erachten die unterzeichneten Mächte es für nützlich, daß die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen können, soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen mit dem Auftrage, die Lösung dieser Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung die Tatfragen aufklären.

Artikel 10.

Art. 10

Die internationalen Untersuchungskommissionen werden durch besonderes Übereinkommen der streitenden Teile gebildet.

Das Untersuchungsübereinkommen gibt die zu untersuchenden Tatsachen und den Umfang der Befugnisse der Kommissäre an.

Es regelt das Verfahren.

Die Untersuchung wird kontradiktorisch vorgenommen.

Die zu beobachtenden Formen und die einzuhaltenden Fristen werden, sofern sie nicht im Untersuchungsübereinkommen festgesetzt sind, von der Kommission selbst bestimmt.

Artikel 11.

Art. 11

Die internationalen Untersuchungskommissionen werden, unbeschadet anderweitiger Abmachung, auf die im Artikel 32 des gegenwärtigen Übereinkommens bestimmte Art gebildet.

Artikel 12.

Art. 12

Die im Streite befindlichen Mächte verpflichten sich, der internationalen Untersuchungskommission im weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle Mittel und Erleichterungen zu gewähren, welche zur vollständigen Kenntnis und genauen Würdigung der in Frage kommenden Tatsachen erforderlich sind.

Artikel 13.

Art. 13

Die internationale Untersuchungskommission hat den im Streite befindlichen Mächten ihren Bericht, welcher von sämtlichen Kommissionsmitgliedern zu unterzeichnen ist, vorzulegen.

Artikel 14.

Art. 14

Der Bericht der internationalen Kommission, der sich auf die Feststellung der Tatsachen beschränkt, hat in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruches. Er läßt den Parteien volle Freiheit in Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist.

Vierter Titel.

Internationale Schiedssprechung.

Erstes Kapitel.

Schiedswesen.

Artikel 15.

Art. 15

Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstande die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte.

Artikel 16.

Art. 16

In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Übereinkommen wird die Schiedssprechung von den unterzeichneten Mächten als das wirksamste und zugleich der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege geschlichtet worden sind.

Artikel 17.

Art. 17

Schiedsübereinkommen werden für bereits entstandene oder für etwa entstehende Streitverhältnisse abgeschlossen.

Sie können sich auf alle Streitigkeiten oder nur auf Streitigkeiten einer bestimmten Art beziehen.

Artikel 18.

Art. 18

Das Schiedsübereinkommen schließt die Verpflichtung in sich, sich nach Treu und Glauben dem Schiedsspruche zu unterwerfen.

Artikel 19.

Art. 19

Unabhängig von den allgemeinen oder besonderen Verträgen, welche gegenwärtig den unterzeichneten Mächten die Verpflichtung zur Anrufung der Schiedssprechung auferlegen, behalten diese Mächte sich vor, sei es vor oder nach der Ratifizierung der gegenwärtigen Akte, neue allgemeine oder besondere Vereinbarungen zu schließen, um die obligatorische Schiedssprechung auf alle Fälle auszudehnen, die ihr nach ihrer Ansicht unterworfen werden können.

Zweites Kapitel.

Ständiger Schiedshof.

Artikel 20.

Art. 20

Um die unmittelbare Anrufung der Schiedssprechung für die internationalen Streitigkeiten, welche im diplomatischen Wege nicht beigelegt werden konnten, zu erleichtern, verpflichten sich die unterzeichneten Mächte, einen Ständigen Schiedshof zu schaffen, welcher jederzeit zugänglich ist und, unbeschadet anderweitiger Abmachung der Parteien, nach Maßgabe der in diesem Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen über das Verfahren tätig wird.

Artikel 21.

Art. 21

Der Ständige Schiedshof ist für alle Schiedsfälle zuständig, sofern nicht zwischen den Parteien über die Einsetzung eines besonderen Schiedsgerichtes Einverständnis besteht.

Artikel 22.

Art. 22

Ein Internationales Bureau mit dem Sitze im Haag dient dem Schiedshofe für die Bureaugeschäfte.

Dieses Bureau vermittelt die auf den Zusammentritt des Schiedshofes bezüglichen Mitteilungen.

Ihm obliegt die Obhut über das Archiv sowie die Führung aller Verwaltungsgeschäfte.

Die unterzeichneten Mächte machen sich anheischig, dem Internationalen Bureau im Haag eine beglaubigte Abschrift einer jeden zwischen ihnen getroffenen Schiedsabmachung sowie eines jeden Schiedsspruches mitzuteilen, der sie betrifft und durch besondere Schiedsgerichte erlassen ist.

Sie machen sich anheischig, dem Bureau ebenso die Gesetze, allgemeinen Anordnungen und Urkunden mitzuteilen, die gegebenenfalls die Vollziehung der von dem Schiedshofe erlassenen Sprüche dartun.

Artikel 23.

Art. 23

(Anm.: Gegenstandslos.)

Artikel 24.

Art. 24

Wollen die unterzeichneten Mächte sich zur Erledigung einer unter ihnen entstandenen Streitfrage an den Schiedshof wenden, so muß die Auswahl der Schiedsrichter, welche berufen sind, das für die Entscheidung dieser Streitfrage zuständige Schiedsgericht zu bilden, aus der Gesamtliste der Mitglieder des Schiedshofes geschehen.

Wird das Schiedsgericht nicht durch unmittelbare Verständigung der Parteien gebildet, so ist in folgender Weise zu verfahren:

Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter und diese wählen gemeinschaftlich einen Oberschiedsrichter.

Bei Stimmengleichheit wird die Wahl des Oberschiedsrichters einer dritten Macht anvertraut, über deren Bezeichnung sich die Parteien einigen.

Kommt eine Einigung hierüber nicht zustande, so bezeichnet jede Partei eine andere Macht und die Wahl des Oberschiedsrichters wird durch die so bezeichneten Mächte in Übereinstimmung vorgenommen.

Sobald das Schiedsgericht auf diese Weise gebildet ist, teilen die Parteien dem Bureau ihren Entschluß, sich an den Schiedshof zu wenden und die Namen der Schiedsrichter mit.

Das Schiedsgericht tritt an dem von den Parteien festgesetzten Tage zusammen.

Die Mitglieder des Schiedshofes genießen während der Ausübung ihres Amtes und außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen.

Artikel 25.

Art. 25

Das Schiedsgericht hat seinen festen Sitz in der Regel im Haag.

Seinen Sitz darf das Schiedsgericht, den Fall höherer Gewalt ausgenommen, nur mit Zustimmung der Parteien ändern.

Artikel 26.

Art. 26

Das Internationale Bureau im Haag ist ermächtigt, seine Geschäftsräume und seine Einrichtung den unterzeichneten Mächten für die Tätigkeit eines jeden besonderen Schiedsgerichtes zur Verfügung zu stellen.

Die Schiedsgerichtsbarkeit des Ständigen Schiedshofes kann unter den durch die allgemeinen Anordnungen festgesetzten Bedingungen auf Streitigkeiten zwischen anderen Mächten als den unterzeichneten oder zwischen den unterzeichneten und anderen Mächten erstreckt werden, wenn die Parteien übereingekommen sind, diese Schiedsgerichtsbarkeit anzurufen.

Artikel 27.

Art. 27

Die unterzeichneten Mächte betrachten es als Pflicht, in dem Falle, da ein ernsthafter Streit zwischen zwei oder mehreren von ihnen auszubrechen droht, diese daran zu erinnern, daß ihnen der Ständige Schiedshof offen steht.

Sie erklären demzufolge, daß die Handlung, womit den im Streite befindlichen Teilen die Bestimmungen dieses Übereinkommens in Erinnerung gebracht werden, und der im höheren Interesse des Friedens erteilte Rat, sich an den Ständigen Schiedshof zu wenden, immer nur als Betätigung guter Dienste angesehen werden dürfen.

Artikel 28.

Art. 28

Ein Ständiger Verwaltungsrat, bestehend aus den im Haag beglaubigten diplomatischen Vertretern der unterzeichneten Mächte und aus dem niederländischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten als Vorsitzenden wird in der genannten Stadt möglichst bald eingesezt werden, sobald die gegenwärtige Akte von mindestens neun Mächten ratifiziert sein wird.

Diesem Verwaltungsrate wird es obliegen, das Internationale Bureau, welches seiner Leitung und Aufsicht unterstellt bleiben wird, einzusetzen und zu organisieren.

Er hat den Mächten die Konstituierung des Schiedshofes bekanntzugeben und für dessen Einrichtung zu sorgen.

Der Verwaltungsrat erläßt seine Geschäftsordnung sowie alle sonst notwendigen allgemeinen Anordnungen.

Er entscheidet alle Verwaltungsfragen, die sich etwa in Beziehung auf den Geschäftsbetrieb des Schiedshofes ergeben.

Er hat volle Befugnis, die Beamten und Angestellten des Bureaus zu ernennen, ihres Dienstes vorläufig zu entheben oder zu entlassen.

Er setzt die Gehälter und Löhne fest und beaufsichtigt das Kassenwesen.

Die Anwesenheit von fünf Mitgliedern in den ordnungsmäßig berufenen Versammlungen genügt zur gültigen Beratung des Verwaltungsrates. Die Beschlußfassung geschieht nach Stimmenmehrheit.

Der Verwaltungsrat teilt die von ihm genehmigten allgemeinen Anordnungen unverzüglich den unterzeichneten Mächten mit. Er legt ihnen jährlich einen Bericht vor über die Arbeiten des Schiedshofes, über den Betrieb der Verwaltungsgeschäfte und über die Ausgaben.

Artikel 29.

Art. 29

Die Kosten des Bureaus werden von den unterzeichneten Mächten nach dem für das Internationale Bureau des Weltpostvereines festgestellten Verteilungsmaßstabe getragen.

Drittes Kapitel.

Schiedsverfahren.

Artikel 30.

Art. 30

Um die Entwicklung der Schiedssprechung zu fördern, haben die unterzeichneten Mächte folgende Bestimmungen festgestellt die auf das Schiedsverfahren Anwendung finden sollen, soweit nicht die Parteien über andere Bestimmungen übereingekommen sind.

Artikel 31.

Art. 31

Diejenigen Mächte, welche die Schiedssprechung anrufen, unterfertigen einen eigenen Akt (Schiedsvereinbarung), worin sowohl der Gegenstand des Streites als die Machtbefugnis der Schiedsrichter genau bestimmt ist. Dieser Akt schließt die Verpflichtung der Parteien, sich dem Schiedsspruche auf Treu und Glauben zu unterwerfen, in sich.

Artikel 32.

Art. 32

Das Schiedsrichteramt kann einem einzigen oder mehreren Schiedsrichtern übertragen werden, welche von den Parteien nach ihrem Gutdünken bestellt oder von ihnen aus den Mitgliedern des durch die gegenwärtige Akte geschaffenen Ständigen Schiedshofes gewählt werden.

Wird das Schiedsgericht nicht durch unmittelbare Vereinbarung der Parteien gebildet, ist folgendermaßen vorzugehen:

Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter und diese wählen gemeinsam einen Oberschiedsrichter.

Bei Stimmengleichheit wird die Wahl des Oberschiedsrichters einer dritten Macht anvertraut, über deren Bezeichnung sich die Parteien einigen.

Wird hierüber kein Einverständnis erzielt, so bezeichnet jede Partei eine andere Macht und die Wahl des Oberschiedsrichters wird durch die so bezeichneten Mächte in Übereinstimmung vorgenommen.

Artikel 33.

Art. 33

Wird ein Souverän oder ein sonstiges Staatsoberhaupt zum Schiedsrichter gewählt, so wird das Schiedsverfahren von ihm geregelt.

Artikel 34.

Art. 34

Der Oberschiedsrichter ist von Rechts wegen Vorsitzender des Schiedsgerichtes.

Gehört dem Schiedsgerichte kein Oberschiedsrichter an, so ernennt es selbst seinen Vorsitzenden.

Artikel 35.

Art. 35

Im Falle des Todes, des Rücktritts oder der durch irgend einen Grund verursachten Verhinderung eines der Schiedsrichter wird er in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise ersetzt.

Artikel 36.

Art. 36

Der Sitz des Schiedsgerichtes wird von den Parteien bestimmt. In Ermangelung einer solchen Bestimmung durch die Parteien hat das Schiedsgericht seinen Sitz im Haag.

Der einmal bestimmte Sitz kann von dem Schiedsgerichte, den Fall höherer Gewalt ausgenommen, nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.

Artikel 37.

Art. 37

Die Parteien haben das Recht, bei dem Schiedsgerichte besondere Abgesandte oder Vertreter zu bestellen mit der Aufgabe, zwischen ihnen und dem Schiedsgerichte als Mittelsperson zu dienen.

Sie sind außerdem berechtigt, mit der Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen vor dem Schiedsgerichte Rechtsbeistände oder Anwälte zu betrauen, die zu diesem Zweck von ihnen bestellt werden.

Artikel 38.

Art. 38

Das Schiedsgericht bestimmt die Sprachen, deren es sich bedienen wird und deren Gebrauch vor ihm zulässig sein soll.

Artikel 39.

Art. 39

Das Schiedsverfahren zerfällt regelmäßig in zwei gesonderte Abschnitte: das schriftliche Vorverfahren und die Verhandlung.

Das Vorverfahren besteht in der von den betreffenden Vertretern an die Mitglieder des Schiedsgerichtes und an die Gegenpartei zu machenden Mitteilung der Schriftsätze sämtlicher gedruckten oder schriftlichen Akten und aller Urkunden mit den in der Sache bezogenen Rechtsbehelfen. Diese Übermittlung hat in jener Form und innerhalb jener Fristen zu geschehen, welche das Schiedsgericht in Gemäßheit des Artikels 49 bestimmt.

Die Verhandlung besteht in dem mündlichen Vortrage der Rechtsbehelfe der Parteien vor dem Schiedsgerichte.

Artikel 40.

Art. 40

Jedes von einer der Parteien vorgelegte Aktenstück muß der anderen Partei mitgeteilt werden.

Artikel 41.

Art. 41

Die Verhandlung wird vom Vorsitzenden geleitet.

Sie ist öffentlich nur, wenn ein Beschluß des Schiedsgerichtes mit Zustimmung der Parteien dahin ergeht.

Über die Verhandlung wird von Sekretären, die der Vorsitzende ernennt, ein Protokoll aufgenommen. Dieses Protokoll hat allein öffentliche Beweiskraft.

Artikel 42.

Art. 42

Nach dem Schlusse des Vorverfahrens ist das Schiedsgericht befugt, alle neuen Aktenstücke oder Urkunden von der Verhandlung auszuschließen, die ihm etwa eine Partei ohne Einwilligung der andern vorlegen will.

Artikel 43.

Art. 43

Dem Schiedsgerichte steht es jedoch frei, neue Aktenstücke oder Urkunden, auf welche etwa die Vertreter oder Rechtsbeistände der Parteien seine Aufmerksamkeit lenken, in Betracht zu ziehen.

In diesem Falle ist das Schiedsgericht befugt, die Vorlegung dieser Aktenstücke oder Urkunden zu verlangen, unbeschadet der Verpflichtung, der Gegenpartei davon Kenntnis zu geben.

Artikel 44.

Art. 44

Das Schiedsgericht kann außerdem von den Vertretern der Parteien die Vorlegung aller nötigen Aktenstücke verlangen und alle nötigen Aufklärungen fordern. Im Falle der Verweigerung nimmt das Schiedsgericht von ihr Kenntnis.

Artikel 45.

Art. 45

Die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien sind befugt, beim Schiedsgerichte mündlich alle Rechtsbehelfe vorzubringen, die sie zur Verteidigung ihrer Sache für nützlich halten.

Artikel 46.

Art. 46

Sie haben das Recht, Einreden sowie einen Zwischenstreit zu erheben. Die Entscheidungen des Schiedsgerichtes über diese Punkte sind endgültig und können zu weiteren Erörterungen nicht Anlaß geben.

Artikel 47.

Art. 47

Die Mitglieder des Schiedsgerichtes sind befugt, an die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien Fragen zu richten und von ihnen Aufklärungen über zweifelhafte Punkte zu fordern.

Weder die gestellten Fragen noch die von Mitgliedern des Schiedsgerichtes im Laufe der Verhandlung gemachten Bemerkungen dürfen als Ausdruck der Meinung des ganzen Schiedsgerichtes oder seiner einzelnen Mitglieder angesehen werden.

Artikel 48.

Art. 48

Das Schiedsgericht ist befugt, seine Zuständigkeit zu bestimmen, indem es die Schiedsvereinbarung sowie die sonstigen Staatsverträge, die für den Gegenstand angeführt werden können, auslegt und die Grundsätze des internationalen Rechtes anwendet.

Artikel 49.

Art. 49

Dem Schiedsgerichte steht es zu, zur Leitung der Streitsache Anordnungen über das Verfahren zu erlassen, die Formen, die Reihenfolge und die Fristen zu bestimmen, in denen jede Partei ihre Anträge zu stellen hat, und zu allen Förmlichkeiten zu schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt.

Artikel 50.

Art. 50

Nachdem die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien alle Aufklärungen und Beweise zugunsten ihrer Sache vorgetragen haben, spricht der Vorsitzende den Schluß der Verhandlung aus.

Artikel 51.

Art. 51

Die Beratung des Schiedsgerichtes ist nicht öffentlich.

Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichtes.

Die Weigerung eines Mitgliedes sich an der Abstimmung zu beteiligen, muß im Protokolle vermerkt werden.

Artikel 52.

Art. 52

Der Schiedsspruch ist mit Gründen zu versehen. Er ist schriftlich auszufertigen und von sämtlichen Mitgliedern des Schiedsgerichtes zu unterfertigen.

Diejenigen Mitglieder, welche in der Minderheit geblieben sind, können bei der Unterfertigung ihre abweichende Meinung feststellen.

Artikel 53.

Art. 53

Der Schiedsspruch wird in öffentlicher Sitzung des Schiedsgerichtes in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Vertreter und Rechtsbeistände der Parteien verlesen.

Artikel 54.

Art. 54

Der gehörig verkündete und den Vertretern der Parteien zugestellte Schiedsspruch entscheidet das Streitverhältnis endgültig und mit Ausschließung der Berufung.

Artikel 55.

Art. 55

Die Parteien können sich in der Schiedsvereinbarung vorbehalten, die Nachprüfung (Revision) des Schiedsspruches zu beantragen.

Der Antrag muß in diesem Falle, unbeschadet anderweitiger Abmachung, bei dem Schiedsgerichte angebracht werden, das den Spruch erlassen hat. Er kann nur auf die Ermittlung einer neuen Tatsache gegründet werden, die einen entscheidenden Einfluß auf den Spruch auszuüben geeignet gewesen wäre und bei Schluß der Verhandlung dem Schiedsgerichte selbst und der Partei, welche die Nachprüfung beantragt hat, unbekannt war.

Das Nachprüfungsverfahren kann nur durch einen Beschluß des Schiedsgerichtes eröffnet werden, der das Vorhandensein der neuen Tatsache ausdrücklich feststellt, ihr die im vorstehenden Absatze bezeichneten Merkmale zuerkennt und den Antrag insoweit für zulässig erklärt.

Die Schiedsvereinbarung bestimmt die Frist, innerhalb welcher der Nachprüfungsantrag gestellt werden muß.

Artikel 56.

Art. 56

Der Schiedsspruch bindet nur die streitenden Parteien.

Wenn es sich um die Auslegung eines Übereinkommens handelt, an dem sich noch andere Mächte beteiligt haben, als die streitenden Teile, so benachrichtigen diese die anderen von der Schiedsvereinbarung, den sie abgeschlossen haben. Jede dieser Mächte hat das Recht, sich an der Streitsache zu beteiligen. Wenn eine oder mehrere von ihnen von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht haben, so ist die in dem Schiedsspruch enthaltene Auslegung auch in Ansehung ihrer bindend.

Artikel 57.

Art. 57

Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten des Schiedsgerichtes zu gleichem Anteile.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 58.

Art. 58

Dieses Übereinkommen soll möglichst bald ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden.

Über die Hinterlegung jeder Ratifikation ist ein Protokoll aufzunehmen, von welchem jeder auf der internationalen Friedenskonferenz im Haag vertreten gewesenen Macht im diplomatischen Wege eine beglaubigte Abschrift zu übermitteln ist.

Artikel 59.

Art. 59

Die nicht unterzeichneten Mächte, welche auf der internationalen Friedenskonferenz vertreten waren, können diesem Übereinkommen beitreten. Sie haben zu diesem Zwecke ihren Beitritt den vertragschließenden Mächten mittels einer schriftlichen Anzeige bekannt zu geben, welche an die niederländische Regierung zu richten und von dieser allen übrigen vertragschließenden Mächten mitzuteilen ist.

Artikel 60.

Art. 60

Die Bedingungen, unter denen die zur internationalen Friedenskonferenz nicht eingeladenen Mächte diesem Übereinkommen beitreten können, sollen den Gegenstand einer späteren Verständigung zwischen den Vertragsmächten bilden.

Artikel 61.

Art. 61

Sollte einer der hohen vertragschließenden Teile dieses Übereinkommen kündigen, so würde diese Kündigung ihre Wirkung erst ein Jahr nach der Anzeige ausüben, welche schriftlich an die niederländische Regierung zu richten und von dieser unverzüglich allen übrigen vertragschließenden Mächten mitzuteilen ist.

Diese Kündigung soll nur in Ansehung der Macht, die sie erklärt hat, wirksam sein.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigedrückt.

Geschehen im Haag, am neunundzwanzigsten Juli achtzehnhundertneunundneunzig in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften den Vertragsmächten auf diplomatischem Wege übergeben werden sollen.