JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0155 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der H U, und 2. des Y U, beide vertreten durch Mag. Wissam Barbar, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 24/210b, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 7. März 2025, 1. I404 2297898 1/25E und 2. I404 22979001/25E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind Geschwister. Beide sind Staatsangehörige der Türkei. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 4. April 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 9. August 2024 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revisionen wird geltend gemacht, die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts, aufgrund derer es eine asylrechtlich relevante Verfolgung der revisionswerbenden Parteien verneint hat, sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden.

8Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 27.2.2025, Ra 2025/20/0048, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 29.1.2025, Ra 2024/14/0186, mwN).

9 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich von den revisionswerbenden Parteien einen unmittelbaren Eindruck verschafft hatte, mit deren Vorbringen zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat ausführlich und in nicht unschlüssiger Weise auseinander. Dabei nahm es auf die konkreten Umstände der Situation der revisionswerbenden Parteien Rücksicht, ging auf deren gesamtes Vorbringen ein und nahm auch Bezug auf die Feststellungen zur Lage in der Türkei. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird von den revisionswerbenden Parteien, die in erster Linie bloß pauschal behaupten, ihre Angaben hätten der Wahrheit entsprochen, und die sich ansonsten nur selektiv auf Länderberichte beziehen (aus denen sie ihre eigenen Schlüsse ziehen), nicht aufgezeigt. Ihre Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision laufen darauf hinaus, dass sie ihre eigenen aber ohnedies nur pauschal gehaltenen Überlegungen zur beweiswürdigenden Bewertung der vorhandenen Beweismittel an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt wissen wollen. Darauf kommt es im Revisionsverfahren aber nach dem oben Gesagten nicht an.

10Weiters bringen die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revisionen in Bezug auf die gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen vor, der Zweitrevisionswerber sei seit über 16 Monaten durchgehend in Österreich erwerbstätig und unterliege als türkischer Staatsangehöriger den Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80). Das Bundesverwaltungsgericht verstoße gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), indem es verkenne, dass für einen „in einem Mitgliedstaat erwerbstätigen Unionsbürger die Frage der Beschäftigung“ untrennbar mit einem Aufenthaltsrecht verbunden sei.

11 Abgesehen davon, dass es sich bei den revisionswerbenden Parteien als türkische Staatsangehörige nicht um Unionsbürger handelt, können sich nach der (sich auf die Judikatur des EuGH beziehenden) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur solche türkischen Arbeitnehmer auf ein auf Art. 6 ARB 1/80 gegründetes Aufenthaltsrecht berufen, die während der in dieser Bestimmung angeführten Zeiträume auf die dort näher umschriebene Weise ordnungsgemäß beschäftigt waren. Dies setzt nach der Rechtsprechung des EuGH „eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus“. Während der in Art. 6 ARB 1/80 genannten Zeiträume muss sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden sein. Erst wenn dann der betreffende türkische Arbeitnehmer im Anschluss an einen derartigen Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt verbleibt, kann er sich hinsichtlich des Rechts zur Fortsetzung dieser ordnungsgemäßen Beschäftigung sowie des diesem Zweck dienenden Rechts auf Aufenthalt auf Art. 6 ARB 1/80 berufen. Diese Voraussetzungen erfüllen Fremde, die einewenn auch allenfalls in Einklang mit den Bestimmungen des AuslBG stehendeBeschäftigung ausüben, dann nicht, wenn ihr Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bloß auf Grund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung besteht (vgl. VwGH 22.2.2024, Ra 2024/20/0076, mwN).

12 Somit kann sich der Zweitrevisionswerber, der was in den Revisionen unbestritten bleibtlediglich nach asylrechtlichen Vorschriften vorläufig zum Aufenthalt berechtigt war, nicht erfolgreich auf ein aus Art. 6 ARB 1/80 abzuleitendes Recht auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet berufen. Über eine gesicherte aufenthaltsrechtliche Rechtsposition verfügte er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht (vgl. nochmals VwGH, Ra 2024/20/0076, mwN).

13 Von den revisionswerbenden Parteien wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Mai 2025