Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des D A, vertreten durch Mag. Daniel Kirch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Oktober 2024, W603 2275974 1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der im Jahr 2002 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 9. Oktober 2022 mit einem bis 1. November 2022 gültigen Visum C in das Bundesgebiet ein und stellte anschließend einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 2023 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 9. Oktober 2024 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 11. Dezember 2024, E 4419/2024 5, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung der Zulässigkeit der Revision unter mehreren Aspekten gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Revisionswerber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Wehrdienst im Krieg gegen die Ukraine eingezogen werde und ihm daher keine Verfolgung im Sinn des § 3 AsylG 2005, auch vor dem Hintergrund eines fehlenden Konnexes zu einem Konventionsgrund, drohe.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 17.12.2024, Ra 2024/20/0759, mwN). Dass dies der Fall sei, zeigt der Revisionswerber, der in der Revision vor allem auf die Länderberichte verweist, ohne sich mit den beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichtes auseinanderzusetzen, nicht auf.
10 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 28.2.2024, Ra 2023/20/0619, mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. auch dazu VwGH Ra 2023/20/0619, mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung weiters dargelegt, dass es in jedem Fall vor der Asylgewährung wegen behaupteter Wehrdienstverweigerung erforderlich ist, die drohenden Verfolgungshandlungen wegen dieses Verhaltens im Herkunftsstaat zu ermitteln und bejahendenfalls eine Verknüpfung zu einem der Verfolgungsgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. Art. 10 StatusRL herzustellen. Das hat was im Übrigen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) entspricht auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 lit. e StatusRL Platz zu greifen. Allein deshalb, weil einem Wehrdienstverweigerer unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. e StatusRL Bestrafung durch die Behörden seines Herkunftsstaates droht, kann die Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund nicht als gegeben angesehen werden. Die Plausibilität der Verknüpfung zwischen der Verfolgungshandlung und den Verfolgungsgründen ist nach Auffassung des EuGH von den zuständigen nationalen Behörden vielmehr in Anbetracht sämtlicher vom Asylwerber vorgetragenen Anhaltspunkte zu prüfen. Dabei spricht zwar eine starke Vermutung dafür, dass die Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 lit. e StatusRL genannten Voraussetzungen mit einem der fünf in Art. 10 StatusRL genannten Gründe in Zusammenhang steht. Dies entbindet die Asylbehörde und das nachprüfende Verwaltungsgericht aber nicht von der erforderlichen Plausibilitätsprüfung (Rn. 34 in Ra 2023/20/0619).
13 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 26.7.2022, Ra 2022/20/0023, mwN).
14 Das Bundesverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat eine auf in der GFK genannte Gründe zurückzuführende Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen habe. Dabei nahm es sowohl auf die Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation als auch auf die individuelle Situation des Revisionswerbers Bedacht.
15 Dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes mit vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlern behaftet wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
16 Der Revisionswerber legt seinem Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision vielmehr die Prämisse zugrunde, dass es sich bei der Einziehung zum Wehrdienst oder einer Militärdienstverweigerung an sich bereits um einen Asylgrund handle. Im gegenständlichen Fall wird in der Revision nicht aufgezeigt, dass der Revisionswerber in Bezug auf die vorgebrachte ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder im Beschwerdeverfahren ein entsprechend begründetes Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn erkennen ließe. Damit ist aber dem auf der Prämisse des bloß behaupteten Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen auch zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln der Boden entzogen.
17 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2025