Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des D M, 2. der P M, und 3. des A M, alle vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in 1040 Wien, Taubstummengasse 17/4, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 27. Jänner 2025, 1. I425 2300683 1/13E, 2. I425 2300685 1/13E und 3. I425 23006811/13E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des im Jahr 2022 geborenen Drittrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige der Türkei. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 15. Dezember 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 2. September 2024 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revisionen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es seiner Pflicht zu amtswegigen Ermittlungen und seiner Pflicht zur Begründung von Entscheidungen nicht umfänglich nachgekommen sei. Weiters wenden sie sich gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts.
8 Was das Vorbringen zur Verletzung der Begründungspflicht betrifft, ist festzuhalten, dass eine solche in den gegenständlichen Fällen nicht vorliegt. Dass das Bundesverwaltungsgericht nicht solche Feststellungen getroffen hat, die dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien entsprechen, führt allein nicht zur Verletzung der Pflicht zur gesetzmäßigen Begründung einer Entscheidung. Die revisionswerbenden Parteien räumen letztlich selbst ein, dass das Bundesverwaltungsgericht auf ihr Vorbringen im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung eingegangen ist. Dort findet sich anders als die revisionswerbenden Parteien meinen eine ausführliche Darlegung jener Überlegungen, weshalb das Verwaltungsgericht dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien nicht gefolgt ist (und daher auch keine diesem Vorbringen entsprechenden Feststellungen getroffen hat).
9 Aus dem Inhalt des in der Revision enthaltenen Vorbringens ergibt sich des Weiteren, dass sich die revisionswerbenden Parteien in erster Linie wenn auch formal in der Revision zum Teil als Ermittlungsmängel überschrieben die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu bekämpfen trachten. Dabei wiederum streben die revisionswerbenden Parteien an, ihre eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichts zu setzen.
10Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 8.10.2024, Ra 2024/14/0012 bis 0014, mwN).
11 Anhand der Ausführungen der revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung (und im Übrigen auch sonst) ist nicht zu sehen, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, das sich von den revisionswerbenden Parteien im Rahmen der Verhandlung (mit zwei Tagsatzungen) einen persönlichen Eindruck verschafft hatte, mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wären.
12Soweit sich die revisionswerbenden Parteien der Sache nach tatsächlich auf behauptete Ermittlungsmängel beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG gilt. Für das Asylverfahren stellt § 18 AsylG 2005 eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde und des Verwaltungsgerichts dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0016; 8.10.2024, Ra 2023/14/0376, jeweils mwN).
13Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in seiner Rechtsprechung betont, dass dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zukommt. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2019/14/0608, mwN).
14Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 15.10.2020, Ra 2020/20/0334, mwN).
15 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch schon in der Begründung der Zulässigkeit der Revision auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330; 19.12.2024, Ra 2024/20/0737, mwN).
16 Vor diesem rechtlichen Hintergrund gelingt es den revisionswerbenden Parteien weder aufzuzeigen, warum das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen weitere Erhebungen hätte tätigen müssen, noch worin die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler gelegen wäre.
17 Im Besonderen ist betreffend die vom Erstrevisionswerber erwähnte Erkrankung festzuhalten, dass er worauf das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich verweistin der (im Beisein des mit der rechtsfreundlichen Vertretung der revisionswerbenden Parteien bevollmächtigten Rechtsberaters abgehaltenen zweiten Tagsatzung zur) Verhandlung angegeben hat, „keiner ärztlichen oder medikamentösen Dauerbehandlung zu bedürfen“ und wegen seiner früher in der Türkei bereits behandelten Erkrankung seit dem Jahr 2022 „nie mehr beim Arzt gewesen“ zu sein. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass sich aus den Feststellungen zur Situation in der Türkei ergebe, dass dort ein „ausgebautes Gesundheitssystem“ existiere und die revisionswerbenden Parteien dort auch „Zugang zu etwaiger notwendiger Behandlung“ hätten. Dem wird von den revisionswerbenden Parteien nichts Taugliches entgegengesetzt (vgl. zu den Voraussetzungen, wann die Gewährung von subsidiärem Schutz wegen des Bestehens einer Erkrankung überhaupt in Betracht kommt, und zu den vom Fremden nachzuweisenden Umständen, VwGH 24.1.2024, Ra 2021/20/0031, mwN).
18 Weiters bringen die revisionswerbenden Parteien vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Rechtsfrage, wie bei Vorbringen/Verdacht von Folter/Misshandlung eines Asylwerbers bei der Einvernahme vorzugehen“ sei. Darauf war hier schon deswegen nicht weiter einzugehen, weil auch zu diesem auf das Bestehen eines Verfahrensfehlers abzielenden Vorbringen jegliche Relevanzdarstellung fehlt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich im Fall einer unterbliebenen Vernehmung um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzutunin der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären. Das gilt auch für jenen Fall, in dem nicht das gänzliche Unterbleiben der Vernehmung geltend gemacht wird, sondern die Notwendigkeit einer ergänzenden Befragung einer vernommenen Person ins Treffen geführt wird (vgl. etwa VwGH 26.2.2025, Ra 2025/14/0036; 4.9.2024, Ra 2024/20/0356). Nichts anderes hat zu gelten, wenn wie hier nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien eine andere Art der Befragung des Erstrevisionswerbers (nach dem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision durch „Das Gewähren ausreichender Zeit vor der Befragung, Anbieten psychotherapeutischer Betreuung und Verwendung des Istanbul Protokolls“) angebracht gewesen wäre. Dazu findet sich in der Revision nichts konkretes.
19 Von den revisionswerbenden Parteien wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. April 2025