Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der M A, 2. der M S, und 3. des M S, alle vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 8. Mai 2025, 1. W284 229784 1/19E, 2. W284 2299787 1/15E und 3. W284 2297891/16E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers. Alle revisionswerbenden Parteien sind iranische Staatsangehörige und reisten spätestens am 30. März 2023 über Mailand mit einem Visum C für die Schengen Staaten ausgestellt durch die italienische Botschaft in Teheranin das Bundesgebiet ein. Sie stellten am 30. März 2023 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den sie im Wesentlichen damit begründeten, verfolgt zu werden, weil sie im Iran an Demonstrationen teilgenommen hätten, und weil sie nunmehr zum Christentum konvertiert seien.
2Mit Bescheiden jeweils vom 30. August 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber sowohl hinsichtlich der Begehren auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Begehren auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihnen jeweils keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet ab. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils für nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongesondert nach § 28 Abs. 3 VwGG vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Die Revisionswerber machen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revisionen geltend, dass die entscheidende Richterin befangen gewesen sei. Begründet wird dies damit, dass die Befragung der Revisionswerber nicht objektiv erfolgt sei und sich „im Erkenntnis keine objektiven und überprüfbaren Gründe befinden“ würden.
8Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorliegenden Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechts verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 7.5.2024, Ra 2024/20/0267, mwN).
9 Auch indiziert nicht jede verbale Entgleisung eine Befangenheit, wenn nicht die dabei manifestierte Wortwahl geeignet ist, begründete Zweifel an der Bereitschaft des Richters oder der Richterin daran zu erwecken, dass die Einwendungen der Partei im gebotenen Umfang ernst genommen werden und ihr Vorbringen auch zu ihren Gunsten geprüft wird (vgl. VwGH 20.4.2022, Ra 2020/20/0407, mwN).
10 Die Revisionswerber zeigen mit ihrem Vorbringen, die Fragen der Richterin an die revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung hätten Zweifel an ihrer vollkommenen Unbefangenheit erkennen lassen, jedoch nicht auf, dass dies hier der Fall gewesen wäre. Aus einem allenfalls konfrontativen Fragestil der Richterin lässt sich kein Anhaltspunkt ableiten, dass die erkennende Richterin aus unsachlichen psychologischen Motiven an einer unparteiischen Entscheidungsfindung gehemmt gewesen wäre oder unabhängig vom Verfahrensinhalt lediglich eine gegen die Revisionswerber vorgefasste Meinung umgesetzt hätte (vgl. erneut VwGH Ra 2020/20/0407).
11 Wenn die Revisionswerber überdies meinen es liege eine Befangenheit vor, weil sich im Erkenntnis „keine objektiven und überprüfbaren Gründe befinden“, ist dem zu entgegnen, dass der bloße Vorwurf von Verfahrensfehlern, insbesondere fallbezogen der Vorwurf einer unvertretbaren Beweiswürdigung ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umständekeinen Anlass darstellt, die Befangenheit eines Richters anzunehmen (vgl. VwGH 12.12.2023, Ra 2022/19/0239, mwN).
12 Die Revisionswerber bringen weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Regeln der Beweiswürdigung und der Begründungspflicht abgewichen, weil es sich nicht mit den Aussagen der Revisionswerber zur vorgebrachten Konversion auseinandergesetzt habe und deshalb aus dem Erkenntnis nicht „herauszulesen“ sei, „weshalb eine Konversion für das Bundesverwaltungsgericht letztlich nicht glaubwürdig“ gewesen sei.
13Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 24.4.2024, Ra 2022/20/0058, mwN).
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der zur Rechtskontrolle berufeneVerwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. erneut VwGH Ra 2022/20/0058, mwN).
15Die Verfolgung wegen einer aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen (vgl. VwGH 31.1.2022, Ra 2021/20/0486, mwN).
16 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich von sämtlichen Revisionswerbern einen unmittelbaren Eindruck verschafft hatte, mit deren Vorbringen zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat aufgrund der behaupteten Konversion auseinander. Es kam anhand nicht unschlüssiger Ausführungen zum Ergebnis, dass die Revisionswerber bloß zum Schein und nicht aus innerer Überzeugung konvertiert seien. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird von den Revisionswerbern, die nicht ansatzweise darlegen, aus welchen Beweisergebnissen andere Schlüsse zu ziehen gewesen wären, nicht aufgezeigt.
17Soweit die Revisionswerber die unterlassene Vernehmung einer stellig gemachten Zeugin rügen, gelingt es den Revisionswerbern auch nicht, eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen (vgl. zu den Anforderungen an die Darstellung der Relevanz VwGH 23.4.2025, Ra 2025/20/0108 bis 0110, mwN). Nach dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung hätte die Zeugin nämlich nicht zu den von ihr gemachten Wahrnehmungen, sondern bloß zu den von ihr aus ihren Wahrnehmungen (nämlich dass seitens der revisionswerbenden Parteien Besuche der Kirche stattgefunden hätten) gezogenen Schlussfolgerungen befragt werden sollen. Dass aber die revisionswerbenden Parteien Kirchenbesuche getätigt hatten, wurde vom Bundesverwaltungsgericht bei seinen Erwägungen ohnedies berücksichtigt. Konkrete Ausführungen dazu, welche für die Eruierung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts relevanten Angaben zu von ihr konkret gemachten Wahrnehmungen die Zeugin hätte tätigen können, finden sich in den Revisionen, in denen bloß unsubstantiiert behauptet wird, die Zeugin hätte „das christliche Leben“ der revisionswerbenden Parteien bestätigen können, nicht.
18 In den Revisionen wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2025