Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des Z M, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 3/2/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Juli 2024, L529 22568321/34E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 24. Dezember 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Mai 2022 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem am 18. November 2022 mündlich verkündeten und am 23. Februar 2023 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 12. Juni 2023, E 1007/202321, hob der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. November 2022 auf. In der Begründung hielt der Gerichtshof fest, das Bundesverwaltungsgericht gehe in seiner Entscheidung insbesondere mit Verweis auf die persönliche Situation des Revisionswerbers und die allgemeine Sicherheitslage davon aus, dass ihm im Fall seiner Rückkehr nach Mossul eine reale Gefahr einer Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte nicht drohe. Dabei lasse das Bundesverwaltungsgericht allerdings die sunnitisch arabische Identität des Revisionswerbers und den Umstand, dass dieser aus einem Gebiet stamme, das zuvor vom IS besetzt gewesen sei, unberücksichtigt. Indem es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, sich unter Berücksichtigung der Länderinformationen und des besonderen Risikoprofils des Revisionswerbers mit der sicheren Erreichbarkeit der Region Mossul auseinanderzusetzen, habe es sein Erkenntnis soweit es sich auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daran anknüpfend auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und der Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise beziehe mit Willkür belastet, sodass dieses insoweit aufzuheben sei. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab.
5 Im zweiten Rechtsgang wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung erneut als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erneut an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 3. Oktober 2024, E 3276/2024 5, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
10Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt vor, ihm sei entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund seiner Angehörigkeit als Sunnit und seines Risikoprofils die Rückkehr in sein Heimatland im Hinblick auf eine Gefährdung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang rügt der Revisionswerber Ermittlungs und Feststellungsmängel.
11Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 24.9.2024, Ra 2024/20/0469, mwN).
12 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinenhöheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0447, mwN).
13 Entgegen dem Vorbringen in der Revision ist auf Grundlage des Inhalts der angefochtenen Entscheidung nicht zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre. Das Verwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch, traf unter Zugrundelegung aktueller Länderberichte ausreichende Feststellungen zur Situation sunnitischer Iraker im Allgemeinen und zu den konkreten Umständen des Revisionswebers anhand seines Risikoprofils als auch zur Sicherheitsund Versorgunglage im Herkunftsstaat. Es verneinte vertretbar, dass der Revisionswerber bei der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz der realen Gefahr einer Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.
14 Die Revision legt nicht ausreichend konkret auf die Person des Revisionswerbers bezogen eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dar. Den für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten anzulegenden Maßstab verkennt im Übrigen auch der Revisionswerber mit seinen Ausführungen, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht ausschließen können, dass es im Fall des Revisionswerbers bei der Anreise in seine Heimatstadt zu Grundrechtsverletzungen kommen könnte.
15 Werden Verfahrensmängel wie hier Feststellungs , Ermittlungs und weitere Begründungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch schon in der Begründung der Zulässigkeit der Revision auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 4.9.2024, Ra 2024/20/0356, mwN).
16 Dem wird in der Revision nicht nachgekommen. Anhand der bloß pauschal gehaltenen Ausführungen in der Revision ist nicht ersichtlich, weshalb den behaupteten Verfahrensfehlern Relevanz für den Verfahrensausgang zukommen könnte.
17Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (vgl. VwGH 23.10.2024, Ra 2024/20/0554, mwN).
18 Eine solche Abwägung unter Einbeziehung der fallbezogen maßgeblichen Aspekte hat das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen. Dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre, wird in der Revision mit ihren pauschal gehaltenen Ausführungen zu den Integrationsbemühungen des Revisionswerbers nicht aufgezeigt.
19 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 19. Dezember 2024