JudikaturVwGH

Ra 2025/14/0031 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Schartner, Bakk., als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, MA, über die Revision des A S in V, vertreten durch Mag. a Sarah Moschitz Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Frauengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Dezember 2024, W202 2289766 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 28. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Bescheid vom 15. Februar 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und erteilte ihm keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Unter einem erließ es gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis betreffend der Spruchpunkte II. bis VI. nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Im Hinblick auf Spruchpunkt I. stellte es das Verfahren aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Zurückziehung der Beschwerde zu diesem Punkt ein. Die Erhebung einer Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der von ihm erhobenen Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Das BVwG habe die aktuelle Berichtslage zu Afghanistan nicht ausreichend berücksichtigt. Es sei in diesem Land zu keiner relevanten Verbesserung der Sicherheitslage seit dem Jahr 2022 gekommen. Die Begründung des BVwG zur Versorgungslage des Revisionswerbers in Afghanistan sei mangelhaft.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 23.3.2020, Ra 2020/14/0096, mwN).

9 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG seiner Entscheidung die aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan (Version 11), veröffentlicht am 10. April 2024, zur Sicherheits und Versorgungslage, zugrunde gelegt. Es hat außerdem den im Vergleich zu den UNHCR Leitlinien vom Februar 2023 zeitnäheren EUAA Länderleitfaden „Country Guidance: Afghanistan“ vom Mai 2024 zur Beurteilung der Sicherheitslage herangezogen. Vor diesem Hintergrund hat es einerseits die Sicherheitslage und Versorgungslage in der Herkunftsregion des Revisionswerbers (Kabul) beurteilt und andererseits auf die individuellen Besonderheiten seiner Rückkehrsituation Bedacht genommen (die Familie des arbeitsfähigen Revisionswerbers verfügt über Eigentumshäuser in Kabul; seine Brüder, zu denen der Revisionswerber regelmäßigen Kontakt pflegt, können aufgrund ihrer Tätigkeit als Kraftfahrzeugtechniker die Versorgung der Familie im Hinblick auf grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse sicherstellen). Das BVwG hat damit entgegen den Behauptungen der Revision eine vertretbare Einzelfallprüfung vorgenommen (vgl. in diesem Sinne etwa auch VfGH 13.6.2024, E 746/2024).

10 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht, eine im Revisionsverfahren aufzugreifende Fehlbeurteilung des BVwG zur Frage des subsidiären Schutzes (oder der darauf aufbauenden Spruchpunkte) darzutun.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. März 2025

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