JudikaturVwGH

Ra 2025/14/0226 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des M A, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2025, W226 23001081/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14. Juli 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen mit seiner Furcht vor den Taliban und dem Krieg in Afghanistan begründete.

2Mit Bescheid vom 30. August 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 In der Begründung verneinte das BVwG zunächst die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung und führte zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall relevantaus, dass vor dem Hintergrund der Länderberichte und den Feststellungen zur persönlichen Situation des Revisionswerbers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat gegeben seien.

5 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 2025, E 806/2025 7, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

6 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und stützt sich zunächst darauf, dass das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung im Widerspruch zu seinen Feststellungen davon ausgehe, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in seinem Haus, in welchem seine Familie aktuell lebe, Unterkunft finden könne. Den Feststellungen sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die Familie des Revisionswerbers in seinem Haus lebe, vielmehr würden die Ehefrau und die Kinder des Revisionswerbers von der Familie der Ehefrau versorgt. Zudem sei die Begründung des BVwG zur Sicherheitslage in Afghanistan mangelhaft. Das BVwG habe die Vulnerabilität des Revisionswerbers lediglich im Hinblick auf seine Unterkunftsmöglichkeit verneint und weitere Feststellungen, etwa, dass es sich beim Revisionswerber um einen Analphabeten und Hirten handle und eine Beschäftigung für die Ernährung seiner Familie aufgrund der Dürre in Afghanistan nicht zumutbar sei, unberücksichtigt gelassen.

11Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel (vgl. VwGH 10.3.2025, Ra 2025/14/0031, mwN).

12 Zum Vorbringen der Revision, das BVwG habe sich hinsichtlich der Annahme der Unterkunftsmöglichkeiten des Revisionswerbers bei dessen Familie über seine eigenen Feststellungen hinweggesetzt, ist anzumerken, dass das BVwG durchwegs davon ausging, der Vater und der Bruder des Revisionswerbers würden weiterhin die familieneigene Landwirtschaft betreiben und der Revisionswerber könne unter anderemdort Unterkunft nehmen. Diesen Erwägungen tritt die Revision nicht substantiiert entgegen und legt mit dem Vorbringen zur Frau und zu den Kindern des Revisionswerbers nicht näher dar, inwieweit dem BVwG in diesem Zusammenhang ein relevanter Begründungsmangel unterlaufen wäre (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln VwGH 25.6.2025, Ra 2024/14/0896, mwN).

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen befasste sich das BVwG anhand näher genannter Länderberichte aus verschiedenen Quellen auch mit der Sicherheitsund Versorgungslage in den Provinzen Kunduz und Kabul, wobei es dabei die Entwicklungen nach der Machtübernahme der Taliban ebenso berücksichtigte wie die individuelle Rückkehrsituation des Revisionswerbers. Mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen, welches diesen Ausführungen nichts Stichhaltiges entgegensetzt, gelingt es der Revision nicht, darzulegen, dass derartig exzeptionelle Umstände bestünden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung des nach den Feststellungen des BVwG arbeitsfähigen und gesunden Revisionswerbers mit familiären Anbindungen befürchten ließen.

14 Das BVwG hat damit entgegen den Behauptungen der Revisioneine vertretbare Einzelfallprüfung vorgenommen (vgl. erneut VwGH 10.3.2025, Ra 2025/14/0031, mwN).

15 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht, eine im Revisionsverfahren aufzugreifende Fehlbeurteilung des BVwG zur Frage des subsidiären Schutzes (oder der darauf aufbauenden Spruchpunkte) darzutun.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 19. August 2025