Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision der S, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. Juli 2025, RV/7100799/2024, betreffend u. a. Wiederaufnahme Feststellung Gruppenträger 2009 bis 2012, Feststellung Gruppenträger 2009 bis 2012 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2009 bis 2012, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Bei der Revisionswerberin fand eine abgabenbehördliche Außenprüfung statt, in deren Zuge diverse Feststellungen getroffen wurden. Das Finanzamt erließ in der Folge Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich der Feststellungsverfahren Gruppenträger 2009 bis 2012 und Umsatzsteuer 2010 bis 2012 sowie entsprechende neue Sachbescheide. Zudem wurde die Revisionswerberin mit Bescheiden zur Haftung für die Kapitalertragsteuer der Jahre 2009 bis 2012 herangezogen.
2 Infolge der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde änderte das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen die angefochtenen Feststellungs bzw. Sach und Haftungsbescheide ab. Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide wurde abgewiesen. Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die genannten Wiederaufnahmebescheide ab. Weiters änderte es die Feststellungsbescheide Gruppenträger 2009 bis 2012, Umsatzsteuer 2010 bis 2012 sowie Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer 2010 bis 2012 und behob den Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer 2009. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts soweit für das Revisionsverfahren relevantsei die Revisionswerberin Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988. Der Geschäftsführer der Revisionswerberin sei auch ihr Alleingesellschafter.
5 In der Buchhaltung der Revisionswerberin hätten sich Garantie und Gewährleistungsrückstellungen gegenüber der S Gruppe gefunden, wobei im Wirtschaftsjahr 2009 eine unternehmensrechtliche Dotierung der Rückstellung in Höhe von 4,000.000 € erfolgt sei, die sich steuerrechtlich mit 3,200.000 € ausgewirkt habe. Diese Rückstellung sei in den Jahren 2012 bis 2014 ergebniswirksam aufgelöst worden. Eine Verpflichtung oder Verbindlichkeit der Revisionswerberin gegenüber der S Gruppe habe nicht bestanden.
6 Die Revisionswerberin habe ihrem Geschäftsführer und Alleingesellschafter ein Darlehen zu näher genannter Verzinsung gewährt. Für dessen Besicherung habe der Gesellschafter der Revisionswerberin im Jahr 1996 ein Pfandrecht auf eine Liegenschaft in Wien Hietzing eingeräumt, welches nicht verbüchert worden sei. 2007 habe er dieses Grundstück seiner Ehegattin verkauft. Mit Kaufvertrag vom Dezember 2016 sei das gegenständliche Grundstück an eine dritte Person veräußert worden.
7 Fremde Dritte hätten nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts nach der Veräußerung der als Sicherheit dienenden Liegenschaft eine Zinsanpassung in näher genannter Höhe vorgenommen.
8 Das Bundesfinanzgericht ging mit näherer Begründung davon aus, dass bei der Revisionswerberin sowohl hinsichtlich der genannten Rückstellung als auch betreffend die fremdunüblichen Zinsen aus dem angeführten Gesellschafterdarlehen (und auch hinsichtlich anderer, nicht revisionsgegenständlicher Vorgänge) die objektive und subjektive Tatseite der Abgabenhinterziehung erfüllt seien.
9In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht u. a. aus, für das Finanzamt seien die im Rahmen der Außenprüfung ermittelten Umstände neu hervorgekommen, weshalb das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO gegeben sei. Im Revisionsfall würden die im Rahmen der Ermessensprüfung vorzunehmende Interessensabwägung aufgrund der aus den Wiederaufnahmegründen resultierenden Steuererhöhungen für die Wiederaufnahme der Verfahren sprechen.
10 Die Revisionswerberin sei gegenüber der S Gruppe keine Verpflichtung eingegangen, welche die Berücksichtigung einer Rückstellung rechtfertigen könne. Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung sei, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art, dessen wirtschaftliche Veranlassung im Abschlussjahr gelegen sei, ernsthaft drohe. Dies sei hier nicht zutreffend.
11 Hinsichtlich des Vorliegens einer verdeckten Ausschüttung im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung an den Gesellschafter kam das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin tatsächlich ein Darlehen vorliege, zumal weder hervorgekommen sei, dass eine Rückzahlung von vornherein nicht beabsichtigt gewesen sei, noch dass bereits bei Zuzählung an den Gesellschafter mit einer Uneinbringlichkeit zu rechnen gewesen sei. Es sei lediglich die Verzinsung fremdunüblich niedrig, weil trotz Wegfalls der ursprünglich intendierten Sicherheit keine entsprechende Anpassung des Zinssatzes erfolgt sei. In der Differenz zum fremdüblichen Zinssatz liege eine verdeckte Ausschüttung. Subjektive Voraussetzung für verdeckte Ausschüttungen sei eine ausdrücklich auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft. Dabei könne sich die Absicht der Vorteilsgewährung auch schlüssig aus den jeweiligen Umständen ergeben. Daher liege sie auch dann vor, wenn die Körperschaft Kenntnis von einem zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorteil erlange und nichts unternehme, um diesen rückgängig zu machen. Liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, sei in der Regel von deren Zufluss bei den Gesellschaftern auszugehen.
12 Verdeckte Ausschüttungen zählten zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen. Die Kapitalertragsteuer sei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Die Revisionswerberin sei als Schuldnerin der Kapitalerträge zur Haftung der Kapitalertragsteuer in näher genannter Höhe heranzuziehen.
13 Mit der vorliegenden Revision richtet sich die Revisionswerberin gegen diese Entscheidung.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17In den Zulässigkeitsgründen einer außerordentlichen Revision ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. für viele VwGH 18.8.2025, Ra 2024/13/0127, mwN).
18 Die Revisionswerberin macht geltend, es liege eine Verletzung der „amtswegigen Wahrheitsermittlungspflicht“ vor. Ergänzungsbedürftig sei folgender Sachverhalt geblieben: Man hätte die Person, die die Jahresabschlüsse und die Steuererklärungen tatsächlich erstellt habe, für die Beurteilung der Vorfrage, nämlich ob eine Abgabenhinterziehung vorliege, befragen müssen; man hätte einen Finanzierungsexperten befragen müssen, wovon der Zinsaufschlag hier konkret im Einzelfall abhänge.
19 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Frage, ob eine (weitere) Beweisaufnahme im Rahmen der amtswegigen Ermittlung notwendig ist, der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt. Eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 BVG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. z.B. VwGH 19.5.2021, Ra 2020/15/0065, mwN). Bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe ist überdies schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden könne, darzutun. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. z.B. VwGH 18.1.2024, Ra 2021/13/0029, mwN). Derartiges Vorbringen enthält das Zulassungsvorbringen nicht, die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels wird somit nicht dargelegt.
20 Die Revisionswerberin macht weiters geltend, es liege eine grob fehlerhafte Beweiswürdigung vor. Das Bundesfinanzgericht habe Beweismittel zur Gänze und zu Unrecht nicht berücksichtigt (Zeugenaussage der langjährigen Buchhalterin zur Erstellung der Jahresabschlüsse); es habe Beweismittel falsch gewichtet (etwa die Aussage des Steuerberaters anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter vor der Strafverfolgungsbehörde); die Beweiswürdigung sei entgegen den Grundsätzen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt, wonach Sachverhalte, die in typisierender Betrachtungsweise zu beurteilen seien, nur dann entgegengesetzt beurteilt werden könnten, wenn das Gegenteil lückenlos und zweifelsfrei bewiesen werde.
21Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit unterliegt, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Dabei ist auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt hat (vgl. z.B. VwGH 2.9.2022, Ra 2022/13/0057, mwN). Das Bundesfinanzgericht hat sich entgegen dem Revisionsvorbringen eingehend mit den vorliegenden Beweisergebnissen befasst. Wenn die Revision konkret auf die Zeugenaussage der langjährigen Buchhalterin verweist, so ist aber nicht erkennbar, in welcher Weise deren Aussage den getroffenen Feststellungen entgegenstehe solle (nach den in den Akten befindlichen Niederschrift sagte sie abschließend aus, die Rückstellungsbildung sei vom Steuerberater und vom Gesellschafter Geschäftsführer ausgegangen). Eine Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen kann mit dem pauschalen Vorbringen im Rahmen der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt werden.
22Zuletzt wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von (nicht näher bezeichneter) „ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im materiellen Abgabenrecht“ ab. Ein nicht besichertes und nicht ausreichend verzinstes Gesellschafterverrechnungskonto, welches im Rahmen einer nicht fremdüblichen Vertragsgestaltung gewährt werde, stelle gesellschaftsrechtlich eine verbotene Einlagenrückgewähr dar. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch bei fehlenden Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinssatz, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten nicht von vornherein auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht des Gesellschafters geschlossen werden kann (vgl. in diesen Sinn VwGH 8.10.2020, Ra 2019/13/0075, mwN).
23 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 31. Oktober 2025
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