JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0111 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des H, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. August 2024, RV/7102390/2020, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz und Einkommensteuer 2011 bis 2014, Umsatz und Einkommensteuer 2011 bis 2014 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 bis 2014, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Nach einer gemäß § 147 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführten abgabenrechtlichen Prüfung wurden mit Bescheiden vom 19. Dezember 2017 die Verfahren des Revisionswerbers betreffend Einkommen und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. Mit gleichem Datum ergingen auch Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2014.

2 Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Juni 2019 als unbegründet ab.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das infolge Erhebens eines Vorlageantrags zuständig gewordene Bundesfinanzgericht die Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei der Revisionswerber im revisionsgegenständlichen Zeitraum sowohl selbständig in der Lichtwerbungsbranche tätig als auch Geschäftsführer der X GmbH gewesen.

5 Von E seien dem Revisionswerber in den Jahren 2011 bis 2014 insgesamt neunzehn Rechnungen über Fremdleistungen in näher genannter Höhe ausgestellt worden, welche der Revisionswerber als Betriebsausgaben geltend gemacht habe.

6 Es bestünden weder schriftliche Vereinbarungen über die jeweilige Provisionshöhe noch über die sonstigen Abrechnungsmodalitäten. Es existierten auch keine Grundaufzeichnungen, aufgrund welcher Projekte Provisionen in welcher Höhe verrechnet worden seien. Eine diesbezügliche Aufstellung sei anlässlich der Betriebsprüfung nachträglich erstellt worden.

7 Es handle sich bei den dem Revisionswerber von E ausgestellten Rechnungen um Scheinrechnungen, die lediglich der Gewinnminimierung gedient hätten und welchen keine tatsächliche Leistung des E zugrunde liege.

8 Mit Urteil eines Landesgerichts vom 30. März 2021 sei der Revisionswerber wegen des Finanzverbrechens des Abgabenbetrugs sowohl als unmittelbarer als auch als Bestimmungstäter zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten (Probezeit von 3 Jahren) verurteilt worden.

9 Das Landesgericht habe festgestellt, der Revisionswerber habe unter anderem als nicht im Firmenbuch eingetragener Einzelunternehmer näher angeführte Abgabenverkürzungen hinsichtlich Umsatz und Einkommensteuer 2011 bis 2014 unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich Scheinrechnungen, denen keine Leistungen zugrunde gelegen seien, bewirkt.

10 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, ein rechtskräftiges Strafurteil entfalte bindende Wirkung hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruhe, wozu auch jene Tatumstände gehörten, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetze; in diesem Fall erstrecke sich die Bindungswirkung auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen.

11Dem strafrechtlichen Schuldspruch sei unbestritten die Tatsachenfeststellung zu Grunde gelegen, dass der Revisionswerber aufgrund von Scheinrechnungen die genannten Beträge an Umsatz- und Einkommensteuer verkürzt habe, wie dies auch ursprünglich bereits die Betriebsprüfung festgestellt habe. Diese Feststellungen seien dazu geeignet gewesen, als neue Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 BAO eine Änderung der rechtskräftigen Umsatzund Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 herbeizuführen. Wenn der Revisionswerber vorbringe, er habe im Strafverfahren nur deshalb ein Geständnis abgelegt, da sonst eine unbedingte Haftstrafe im Raum gestanden wäre, sei dies für das Vorliegen einer Bindungswirkung nach § 116 BAO unerheblich.

12 Aufgrund der Bindung an den Abgabenbescheid sei der Anspruchszinsenbescheid nicht erfolgreich mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

13 Dagegen wendet sich der Revisionswerber mit der vorliegenden Revision.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17Zunächst wird angemerkt, dass es sich bei den vom Revisionswerber als verletzt geltend gemachten Rechten auf „Durchführung der beantragten Beweise“ sowie „Nichtbindung eines Strafurteiles, welches auf Grund eines Geständnisses ergangen ist, welches den Zweck hatte, eine unbedingte Haftstrafe zu vermeiden“ um keine subjektiven Rechte im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG handelt. Dem Revisionswerber gelingt es aber auch nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

18 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe keinerlei weitere Beweise aufgenommen, das Urteil des Landesgerichts seiner Entscheidung zugrunde gelegt und das Geständnis des Revisionswerbers als bindend angesehen. Der Oberste Gerichtshof habe in einem näher genannten Urteil ausgesprochen, dass ein Geständnis im Rahmen eines diversionellen Verfahrens für ein Zivilgericht nicht bindend sei. Dies insbesondere deshalb, weil der Täter erkennbar das Interesse verfolge, eine strafgerichtliche Verurteilung zu vermeiden. Im Revisionsfall sei das Geständnis nur deshalb abgelegt worden, um einer Verurteilung zu einer unbedingten Haftstrafe zu entgehen. Ein derartiges Urteil könne keine Wirkung im Abgabenverfahren entfalten.

19 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.

20Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen. Diese Bindung besteht (grundsätzlich) nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. etwa VwGH 22.10.2024, Ra 2024/13/0008, mwN).

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass der Abgabenbehörde was gleichermaßen auch für das Verwaltungsgericht giltkeine Rechtswidrigkeit, insbesondere keine Verletzung der Ermittlungspflicht, vorgeworfen werden kann, wenn sie jene Tathandlungen als erwiesen angenommen hat, die zur rechtskräftigen Verurteilung des Täters geführt haben. Da nämlich die Rechtsordnung der Beweiskraft von Beweismitteln, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führen, besondere Bedeutung beimisst, ist davon auszugehen, dass in Fällen, in denen eine Straftat mit rechtskräftigem Urteil als erwiesen angenommen wurde, keine begründeten Zweifel am Tatgeschehen offengeblieben sind, die eine nochmalige Überprüfung durch ein anderes Gericht oder eine Verwaltungsbehörde rechtfertigen (vgl. VwGH 24.4.2025, Ra 2024/15/0060, mwN).

22Dem Einwand des Revisionswerbers, ein Geständnis im Rahmen eines diversionellen Verfahrens sei nicht bindend (vgl. OGH 23.9.2004, 2 Ob 186/04y; vgl. dazu auch Höllwerth in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3, § 191 ZPO, Rz 42), ist zunächst entgegenzuhalten, dass hier ein diversionelles Verfahren nicht vorliegt, der Revisionswerber wurde vielmehr vom Strafgericht verurteilt. Dieses Urteil beruhte zwar wie der Revisionswerber geltend macht auch auf seinem Geständnis. Ein Strafverfahren ist aber vom Grundsatz der materiellen Wahrheit geprägt. Tatsachen können durch die Verfahrensparteien nicht „außer Streit gestellt“ werden. Auch ein Geständnis des Beschuldigten enthebt das Gericht nicht von der Pflicht zur weiteren Nachforschung, ob das Geständnis dem realen Geschehen entspricht (vgl. Schmoller in Fuchs/Ratz, WK StPO, 242. Lfg, § 3 Tz 31; Danek/Mann, WK StPO, 346. Lfg, § 232 Tz 5; Kirchbacher/Sadoghi, WK StPO, 321. Lfg, § 245 Tz 18; vgl. umfangreich zu „Absprachen im Strafverfahren“, insbesondere zu „taktischen Geständnissen“ Velten, WK StPO, 230. Lfg, nach § 1 StPO, Tz 20). Damit besteht aber (anders als allenfalls bei einer diversionellen Erledigung) auch dann eine hohe Richtigkeitsgewähr eines verurteilenden Straferkenntnisses, wenn dieses auf einem womöglich auch bloß „taktischen“ Geständnis beruht. Solange dieses Strafurteil nicht (etwa durch eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens) beseitigt ist, besteht die (wie oben näher dargelegte) Bindung im Abgabenverfahren an dieses Strafurteil.

23 Zur Zulässigkeit der Revision betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz und Einkommensteuer 2011 bis 2014 sowie die Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 bis 2014 enthält die Revision kein gesondertes Vorbringen.

24 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

25Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 18. August 2025