Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Juni 2024, LVwG 2023/47/2271 14, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: DI A B in C, vertreten durch die Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in 4020 Linz, Landstraße 50/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 31. Juli 2023 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft (in der Folge kurz: KG) zu verantworten, dass diese vier namentlich genannte Ausländer (bosnische und serbische Staatsangehörige) in der Zeit vom 1. Mai bis zum Kontrollzeitpunkt am 10. Juni 2021 als Arbeiter (Schaler) auf einer näher umschriebenen Baustelle im Bundesgebiet beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Wegen dieser Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurden über ihn vier Geldstrafen (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juni 2024 Folge, es behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.
Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig.
3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst damit, dass die vier Arbeiter als überlassene Arbeitskräfte im Sinn des § 3 Abs. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz auf einer Baustelle der KG in Österreich eingesetzt worden seien und Arbeitsanweisungen von deren Polier erhalten hätten. Überlasserin der Arbeiter sei die D mit Sitz in Slowenien gewesen. Die Überlassung der Arbeitskräfte sei jedoch nicht direkt zwischen der D und der KG erfolgt. Gemäß der ZKO4 Meldungen sei nämlich die E GmbH inländischer Beschäftigerbetrieb. Diese sei bei der Überlassung zwischen der D und der KG zwischengeschaltet gewesen. Es liege eine sogenannte Kettenarbeitskräfteüberlassung bzw. Subüberlassung von der D über die E GmbH an die KG vor. Eine solche sei laut der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig. Auf den ZKO4 Meldungen sei die E GmbH als inländischer Beschäftigerbetrieb angeführt worden, obwohl die Arbeiter auf einer Baustelle der KG eingesetzt worden seien. Dem Mitbeteiligten sei aber keine Übertretung nach dem Lohn und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz betreffend die vorliegenden ZKO4Meldungen angelastet worden. Es sei zu klären, ob die KG die als überlassene Arbeitskräfte eingesetzten Ausländer ohne das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG eingesetzt habe. Das für die angelastete Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG tatbestandsrelevante Verhalten sei die unberechtigte Beschäftigung von Ausländern. Von einer solchen tatbestandsmäßigen Beschäftigung sei nicht auszugehen, weil für die vier auf der Baustelle der KG eingesetzten Arbeiter EUÜberlassungsbestätigungen gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG ausgestellt gewesen seien. Das Amt für Betrugsbekämpfung vertrete die Ansicht, dass die für die vier Arbeiter ausgestellten EU Überlassungsbestätigungen ins Leere liefen und sohin keine entsprechenden Bestätigungen vorgelegen seien; dieser Rechtsansicht folge das Verwaltungsgericht nicht. Der Mitbeteiligte habe sich auch auf die ausgestellten EUÜberlassungsbestätigungen verlassen können. Weil der Mitbeteiligte daher die ihm zur Last gelegte Tat nicht verwirklicht habe, sei das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen gewesen.
4 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, „ob trotz Vorliegens einer vom AMS ausgestellten EU Arbeitskräfteüberlassung ein Beschäftiger eine aufgrund einer etwaigen unrechtmäßigen Ausstellung dieser Bestätigung unrechtmäßige Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften zu verantworten“ habe.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des gemäß Art. 133 Abs. 8 B VG in Verbindung mit § 28a Abs. 1a AuslBG zur Revisionserhebung legitimierten Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte erstatteten Revisionsbeantwortungen und beantragten jeweils den Zuspruch von Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen und darüber hinaus zusammengefasst vorgebracht, es fehle Judikatur zur Frage der Bewilligungspflicht für einen Letztbeschäftiger im Rahmen einer Kettenüberlassung, wenn die Kettenüberlassung einen ausländischen Überlasser, einen inländischen Zwischenüberlasser und einen inländischen Letztbeschäftiger zum Inhalt habe. Es sei fraglich, ob sich ein Unternehmen auf eine für ein anderes Unternehmen ausgestellte EU Überlassungsbestätigung berufen könne, wenn das slowenische Unternehmen den Umstand der Kettenüberlassung in der ZKO4 Meldung verschweige und aufgrund des Zeitfaktors nicht beurteilt werden könne, ob überhaupt eine Entsendung vorliege. Zur Frage, ob im Fall einer Kettenüberlassung überhaupt eine Entsendung vorliege, werde durch den „Praktischen Leitfaden zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union...“ bzw. im „Beschluss A2“ klargestellt, dass diesfalls keine Entsendung mehr anzunehmen sei, sondern die allgemeinen Regeln des Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO 883/2004 zur Anwendung kämen, zumal die Ausnahme des Art. 12 leg. cit. nicht mehr vorliege.
7 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig; sie ist jedoch nicht begründet:
8Der vorliegende Fall gleicht damit im Hinblick auf die Entscheidungsbegründung durch das Verwaltungsgericht und das in der Revision erstattete Vorbringen in den entscheidungswesentlichen Punkten sowohl von seinem maßgeblichen Sachverhalt wie auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2024/09/0059, zugrunde lag, weshalb zur weiteren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses verwiesen wird.
9Auch die vorliegende Revision war somit aus den in jenem Erkenntnis dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
10Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
11Das Begehren der belangten Behörde, ihr für die Revisionsbeantwortung Aufwandersatz zuzuerkennen, war abzuweisen, weil gegenständlich der Bund als Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG einerseits zum Aufwandersatz verpflichtet wäre und ihm andererseits der Aufwandersatz zufließen würde (vgl. VwGH 4.4.2024, Ra 2023/09/0183, wonach das AuslBG gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 11 BVG in Vollziehung Bundessache ist). Ein Kostenersatz im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt nicht in Betracht (vgl. VwGH 25.11.2021, Ra 2020/11/0038, mwN).
Wien, am 17. Dezember 2024