Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des H P in N, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. Dezember 2023, LVwG 2023/26/23675, betreffend Übertretung des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Mit Straferkenntnis vom 26. Juli 2023 bestrafte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck den Revisionswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 63 Abs. 1 iVm. § 79 Abs. 2 Z 17 AWG 2002 mit einer Geldstrafe von € 2.100 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 5 Stunden), wobei im Spruch die als erwiesen angenommene Tat wie folgt umschrieben wurde (Schreibweise wie im Original, Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
„Datum/Zeit: 16.12.2022
Ort: N[...] , Gst. 3371, 3372, 3376, 3378 und 3379, jeweils KG N[...]
Sie haben als Geschäftsführer und zur Vertretung nach außen Berufener (§ 9 VStG) der A[...] GmbH nicht dafür Sorge getragen, dass folgende Verwaltungsübertretung verhindert wurde: Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21.12.2020 (Zahl: [...]) wurde Herrn F[...] die abfall und naturschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken 3371, 3372, 3376, 3378 und 3379 jeweils KG N[...] befristet bis zum 30.12.2022 erteilt. Mit Schreiben vom 13.09.2021 wurde der h.a. Behörde mitgeteilt, dass die gegenständliche Bodenaushubdeponie mit Wirkung vom 01.01.2021 von der A[...] GmbH betrieben wird und sämtliche Rechte und Pflichten auf diese übergehen. Der geologisch-geotechnischen Bauaufsicht wurde auf Anfrage mit Schreiben der h.a. Behörde vom 20.04.2022 mitgeteilt, dass erst nach einer Überprüfung der Anlagen und Maßnahmen Abfälle in die Deponie eingebracht werden dürfen. Am 28.04.2022 wurde der h.a. Behörde der Jahresbericht 2021 durch die geologisch geotechnische Bauaufsicht übermittelt. Darin wird vermerkt, dass die Deponie 2021 weiter geschüttet wurde, ohne dass für diese im Einklang mit § 63 Abs. 1 AWG eine Überprüfung vorlag. Der Schlussbericht wurde der h.a. Behörde am 16.12.2022 durch die geologischgeotechnische Bauaufsicht übermittelt. Als Mangel wird im Bericht angeführt, dass die Deponie trotz fehlender Kollaudierung fertig geschüttet wurde. Als verantwortliche Person gemäß § 26 Abs. 6 AWG 2002 wurden Sie, Herr [Revisionswerber], namhaft gemacht. Als Strafrechtlich Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG sind Sie für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die A[...] GmbH verantwortlich.“
2 Diesem Straferkenntnis vorangegangen war eine an den Revisionswerber von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck übermittelte Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Februar 2023, die eine mit dem Spruch des Straferkenntnisses übereinstimmende Beschreibung der vorgeworfenen Tat enthielt.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge, als der Tatzeitraum „dahingehend eingeschränkt“ werde, dass die „verpönte Abfalleinbringung“ in die Bodenaushubdeponie trotz Nichtvorliegens eines behördlichen Überprüfungsbescheides im Zeitraum 7. März 2022 bis 29. Juni 2022 erfolgt sei. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde mit im Revisionsverfahren nicht relevanten Maßgaben als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21. Dezember 2020 sei F. die abfallrechtliche Genehmigung für die Errichtung und für den Betrieb einer Bodenaushubdeponie erteilt worden. Im September 2021 sei der Behörde im Sinn von § 64 Abs. 2 AWG 2002 mitgeteilt worden, dass Inhaberin der Deponie nunmehr statt F. die A. GmbH sei. Handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. GmbH sei der Revisionswerber, der auch nach § 26 Abs. 6 AWG 2002 als verantwortliche Person der A. GmbH bestellt worden sei.
5 Für die Bodenaushubdeponie sei am 7. März 2022 ein Ansuchen um Kollaudierung gestellt worden. Ein Überprüfungsbescheid sei jedoch bislang nicht ergangen. Jedenfalls im Zeitraum 1. Oktober 2021 bis 29. Juni 2022 sei von der A. GmbH Bodenaushubmaterial in die Deponie eingebracht worden. Am 30. Juni 2022 sei Humusmaterial auf die Deponie gebracht und mit der Humusierung der Deponiefläche begonnen worden. Am 16. Dezember 2022 sei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der Schlussbericht des Deponieaufsichtsorgans zugegangen, woraus sich ergeben habe, dass die Deponie „fertiggestellt“ worden sei. Bereits zuvor sei im Jahresbericht vom 28. April 2022 des Deponieaufsichtsorgans für das Jahr 2021 als „Mangel“ festgehalten worden, dass in die gegenständliche Deponie Bodenaushubmaterial eingebaut worden sei. Dieser Bericht sei dem Revisionswerber übermittelt worden.
6In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, es liege eine Übertretung von § 63 Abs. 1 AWG 2002 in objektiver Hinsicht vor. Der Revisionswerber habe gegen die Vorwerfbarkeit der Tat eingewandt, dass er aufgrund einer ihm von einem Fachmann erteilten Auskunft angenommen habe, dass eine Einbringung in die Deponie bereits zulässig wäre. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages auf Kollaudierung mit 7. März 2022 hätte der Revisionswerber insoweit aber zumindest Zweifel haben müssen. Der Tatzeitraum sei daher auf 7. März 2022 bis 29. Juni 2022 einzuschränken gewesen. Der Einwand des Revisionswerbers, wonach die Umschreibung der Tat im Spruch des Straferkenntnisses vom 26. Juli 2023 nicht den Vorgaben des § 44a VStG entsprochen hätte, treffe nicht zu. Insbesondere sei dem Schuldspruch bei einem Gesamtverständnis hinreichend klar ein Tatzeitraum 1. Jänner 2021 bis 16. Dezember 2022 zu entnehmen gewesen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit sowie in den Revisionsgründen unter anderem geltend, das Verwaltungsgericht habe die Tat ausgetauscht. Im Straferkenntnis vom 26. Juli 2023 und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Februar 2023 sei der Tatzeitraum nicht eindeutig umschrieben worden. Es sei nicht ersichtlich gewesen, ob dem Revisionswerber eine Tatbegehung nur am 16. Dezember 2022, nur im Jahr 2021 oder auch beides vorgeworfen worden sei. Der Vorwurf einer Tatbegehung im Zeitraum 7. März 2022 bis 29. Juni 2022 sei jedoch erstmals mit dem angefochtenen Erkenntnis erhoben worden. Hinsichtlich der dem Revisionswerber vom Verwaltungsgericht zur Last gelegten Tat sei daher innerhalb der einjährigen Frist nach § 31 Abs. 1 VStG auch keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, sodass die Tat verjährt sei.
10 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
11Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dabei die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. etwa VwGH 20.1.2022, Ra 2020/04/0175, mwN).
12Dem Revisionswerber wurde die Einbringung von Abfällen auf einer Deponie entgegen § 63 Abs. 1 AWG 2002 und somit die Verwirklichung eines Begehungsdelikts vorgeworfen (vgl. idS zum Betreiben einer Anlage ohne die nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 erforderliche Genehmigung). Die Tatzeit ist bei solchen Delikten durch einen Begehungszeitpunkt bzw. Anfang und Ende des Zeitraumes der Begehung zu konkretisieren (vgl. VwGH 21.7.2022, Ra 2022/04/0018; 26.6.2018, Ra 2017/05/0294, mwN).
13Eine Auswechslung der Tatzeit durch das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht zulässig. Insbesondere stellt eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG dar (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/02/0103 bis 0104; vgl. näher dazu, dass mit der VerwaltungsgerichtsbarkeitsNovelle 2012 keine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens eingeführt wurde VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Das Verwaltungsgericht ist aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs berechtigt, eine im Straferkenntnis unrichtig wiedergegebene Tatzeit zu berichtigen bzw. einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahmen der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 22.3.2022, Ra 2021/10/0075, mwN).
14 Im Spruch des Straferkenntnisses vom 26. Juli 2023 sowie der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Februar 2023 wurde als Tatzeit ausdrücklich der 16. Dezember 2022 genannt. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts handelte es sich dabei tatsächlich nicht um den Zeitpunkt der Tatbegehung somit den Zeitpunkt der Einbringung der Abfälle sondern um den Tag, an dem der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der Schlussbericht durch das Bauaufsichtsorgan übermittelt wurde. Im Weiteren findet sich in der Tatumschreibung der Hinweis, dass nach dem „Jahresbericht 2021“ die Deponie „2021 weiter geschüttet“ worden sei. Daraus könnte allenfalls auch ein Tatzeitraum im Jahr 2021 abgeleitet werden. Hinsichtlich dieses Jahres hat das Verwaltungsgericht eine Vorwerfbarkeit der Tat jedoch nicht für gegeben erachtet.
15 Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts konnte der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Februar 2023 und dem Straferkenntnis vom 26. Juli 2023 dagegen kein Vorwurf der Tatbegehung im Zeitraum von 7. März 2022 bis 29. Juni 2022 entnommen werden. Indem das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber eine Übertretung in diesem Zeitraum vorgeworfen hat, hat es somit eine Auswechslung der Tat vorgenommen, die nach den dargestellten Grundsätzen nicht zulässig ist.
16Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es bedarf daher keines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Revision bzw. darauf, ob die vorgeworfene Tathandlung eine Subsumtion als Verwaltungsübertretung nach § 63 Abs. 1 iVm. § 79 Abs. 2 Z 17 AWG 2002 zugelassen hat.
17Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Mai 2025