JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0109 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der revisionswerbenden Parteien 1. U F in H, 2. A G in G, 3. M H in V, 4. Mag. M K in G, 5. W L in H, 6. M GmbH in V, 7. Dr. K M in G, 8. N S in W, 9. M W in K, 10. Mag. M W in W und 11. G W in B, alle vertreten durch 1. Dr. Herwig Aichholzer, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Waaggasse 18/2, und 2. die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das am 13. Mai 2024 mündlich verkündete und mit 12. Juni 2024 ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten, KLVwG 1921 1931/10/2023, betreffend einen Beseitigungsauftrag und eine Untersagung der Verwendung gemäß K BO 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Velden am Wörther See; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 2014 wurde der Sechstrevisionswerberin die Baubewilligung für die Errichtung der Hotelsuitenanlage M auf näher genannten Grundstücken in der KG V. mit dem Verwendungszweck als touristischer Gast und Beherbergungsbetrieb (Hotel) erteilt. Das Baugrundstück ist als „Bauland reines Kurgebiet“ gewidmet. Dem Betriebskonzept vom 29. August 2013 zufolge waren keine parifizierten Wohneinheiten vorgesehen; TOP X sollte als Rezeption, Bar bzw. Frühstücksraum dienen.

5 Der Antrag der Sechstrevisionswerberin vom 7. April 2020 auf Erteilung einer Bewilligung zur Nutzungsänderung für TOP X von ursprünglich Rezeption, Bar bzw. Frühstücksraum in eine Hotelsuite und Anmietung von Räumlichkeiten in dem der Anlage gegenüberliegenden ML Cafe zur Nutzung als Frühstücksraum und Rezeption (basierend auf dem Betriebskonzept vom 9. September 2020) wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (LVwG) vom 23. Juni 2022 aufgrund eines Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan abgewiesen; die dagegen eingebrachte Revision wies der Verwaltungsgerichtshof zurück (VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0246).

6 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2023 wurde den revisionswerbenden Parteien gemäß § 36 Kärntner Bauordnung 1996 (K BO 1996) und §§ 19, 30 Kärntner Raumordnungsgesetz 2021 (K ROG 2021) die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auf den Grundstücken Nr. 860/2 und Nr. 860/4, beide KG V. entweder durch nachträgliche Beantragung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Gebäudes mit der Verwendung als touristischer Gast und Beherbergungsbetrieb, der die Nutzung der Anlage als Haupt , Zweit oder Freizeitwohnsitz und Apartmenthaus ausschließe, oder durch einen vollständigen Abbruch des Objekts samt Zufahrt und Herstellung des Urgeländes samt Begrünung (Spruchpunkt 1) sowie die sofortige Unterlassung der Verwendung des Objektes (TOP X TOP Y und der Tiefgaragen) ab Rechtskraft des Bescheides bis zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes (Spruchpunkt 2) aufgetragen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG unter anderem der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien (die Beschwerde der Eigentümergemeinschaft EZ [...] wurde in einem mit Beschluss als unzulässig zurückgewiesen; dieser Beschluss ist nicht Gegenstand dieses Revisionsverfahrens) gegen den oben genannten Bescheid insofern Folge, als der Spruch des angefochtenen Bescheides in den Spruchpunkten 1. und 2. wie folgt neu gefasst wurde:

„Bis längstens 30.04.2025 ist das Gebäude [...] samt Zufahrt vollständig abzubrechen und das Urgelände samt Begrünung wiederherzustellen.

Sofortige Unterlassung der Verwendung des Objektes (TOP X TOP Y) und der Tiefgaragen mit der zuvor angeführten Adresse bis zur Herstellung des zuvor beschriebenen rechtmäßigen Zustandes.“

Im Übrigen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Eine Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG den Beseitigungsauftrag betreffend zusammengefasst aus, das baubehördlich bewilligte Betriebskonzept vom 29. August 2013, das einen integrierenden Bestandteil des Bescheides vom 6. Juni 2014 darstelle, sei nicht umgesetzt worden: der in TOP X vorgesehene Versorgungsbereich für die TOPs Z Y in Form einer allen Gästen zugänglichen Rezeption mit Frühstücksraum und Terrasse, Frühstücksvorbereitungsraum, Sanitäranlagen und Wirtschaftsraum sei nie errichtet worden (tatsächlich sei die Anlage gemäß dem Betriebskonzept vom 9. September 2020 [siehe Rn. 5] betrieben worden); sechs Hotelsuiten (TOP Z bis TOP S) seien bereits vor der Fertigstellungsmeldung verkauft und daran Wohnungseigentum begründet worden; TOP Y sei nie vermietet worden. Das Vorhaben sei nicht im Einklang mit der erteilten Baubewilligung ausgeführt und damit errichtet worden. Weiche das vom Bauwerber verwirklichte Projekt von der erteilten Baubewilligung derart ab, dass von einem rechtlichen „aliud“ auszugehen sei, sei diese Baubewilligung erloschen (Hinweis auf VwGH 15.5.2012, 2012/05/0008, mwN). Vorliegend sei das Bauvorhaben nicht in der im Betriebskonzept vom 29. August 2013 beschriebenen Betriebsführung als „touristischer Gast und Beherbergungsbetrieb (Hotel)“ geführt worden. Werde die im Projekt angegebene, die Erteilung einer Baubewilligung mit Rücksicht auf den Verwendungszweck einer Baulichkeit rechtfertigende Bewirtschaftung der im Betriebskonzept genannten Grundstücke unterlassen (hier: gar nicht so aufgenommen wie im Betriebskonzept vom 29. August 2013 dargestellt), trete dadurch für die Baulichkeit ein konsensloser Zustand ein (Hinweis auf VwGH 29.1.2008, [richtig:] 2006/05/0297).

Die Untersagung der Verwendung begründete das LVwG zusammengefasst damit, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben konsenslos sei und für ein solches keine (rechtskonforme) Bauvollendungsmeldung abgegeben werden könne. Die erstattete Bauvollendungsmeldung vom 29. Mai 2018 beziehe sich auf ein Vorhaben, das so nicht verwirklicht worden sei, weshalb auch ohne vorherigen Auftrag die Untersagung der Benützung nach § 40 Abs. 4 K BO 1996 möglich gewesen sei.

8 In der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision wird die Untersagung der Verwendung betreffend vorgebracht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die K BO 1996 eine taugliche Rechtsgrundlage für ein sofortiges Benützungsverbot im Gefolge der Errichtung eines baurechtlichen „aliud“ enthalte. Bei der Errichtung eines Bauwerks ohne Baubewilligung sei ein baupolizeiliches Vorgehen gemäß § 36 leg. cit. (Alternativauftrag bzw. Beseitigungsauftrag) vorgesehen, nicht jedoch ein sofortiges Benützungsverbot. Vom klaren Wortlaut des § 40 Abs. 4 K BO sei nur der Fall erfasst, dass die Bauvollendungsbelege (Abs. 1 lit. a bis c) trotz Aufforderung (Abs. 3) nicht nachgereicht würden; dass § 40 Abs. 4 K BO auch dann anwendbar wäre, wenn ein Bauwerk ohne Baubewilligung errichtet worden sei, sei nicht normiert.

Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat im Fall einer unzulässigen Verwendungsänderung im Sinn des § 6 lit. c K BO 1996 die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. durch Untersagung der unzulässigen Verwendung zu erfolgen (vgl. VwGH 12.2.2024, Ro 2023/06/0012, Rn. 11). In dieser Rechtsprechung wird nicht darauf abgestellt, dass aufgrund der unzulässigen Verwendungsänderung ein „aliud“ vorliegt. § 36 Abs. 1 K BO 1996 stellt wie bereits in dessen Überschrift zum Ausdruck kommt eine Rechtsgrundlage für die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes dar. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG wird daher mit dem Zulässigkeitsvorbringen zur Untersagung der Verwendung nicht aufgezeigt.

9 Den Beseitigungsauftrag betreffend wird in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.2.2016, Ro 2015/05/0012, vorgebracht, weil ein baurechtliches „aliud“ bei einer abweichenden Verwendung nur dann anzunehmen sei, wenn ein für die widmungsgemäße Verwendung entscheidendes Betriebskonzept überhaupt nicht umgesetzt werde; werde dagegen wie im Fall der MVS das Betriebskonzept zwar in anderen Räumlichkeiten „der Anlage“, aber doch vollinhaltlich umgesetzt, liege kein „aliud“ vor. Darüber hinaus liege ein „aliud“ nur bei wesentlichen Abweichungen, nicht aber bei bloß geringfügigen Änderungen vor (Hinweis auf VwGH 26.3.2021, Ra 2021/06/0011). Entscheidend sei dabei, ob das Bauwerk in der abweichend errichteten Form nicht mehr bewilligungsfähig wäre.

Bei unwesentlichen Abweichungen, die am Gesamtcharakter des Gast und Beherbergungsbetriebs und insbesondere an der widmungsgemäßen Verwendung als Hotelsuitenanlage nichts änderten, dürfe gemäß § 36 Abs. 1a Satz 2 und 3 K BO gar kein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 36 Abs. 1 K BO erlassen werden. Diese Regelung sei mit der Novelle LGBl. Nr. 48/2021 neu in das Gesetz eingefügt worden; Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle.

10 Dazu ist vorauszuschicken, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten. Die Frage, ob eine bestimmte bauliche Anlage ein „aliud“ darstellt oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 25.3.2024, Ra 2022/05/0196, Rn. 18f, mwN).

Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 10.5.2024, Ra 2024/05/0050 und 0051, Rn. 13, mwN).

11 Eine Unvertretbarkeit der einzelfallbezogenen Beurteilung des LVwG im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung zeigen die revisionswerbenden Parteien mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht auf. Die Revision tritt den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach der in TOP X vorgesehene Versorgungsbereich in Form einer Rezeption mit Frühstücksraum und Terrasse, Frühstücksvorbereitungsraum, Sanitäranlagen und Wirtschaftsraum nie errichtet worden sei, sechs Hotelsuiten bereits vor der Fertigstellungsmeldung verkauft worden seien und daran Wohnungseigentum begründet worden sei sowie TOP Y nie vermietet worden sei, nicht entgegen. Es wird auch nicht bestritten, dass die verfahrensgegenständliche Anlage durchgehend entsprechend dem Betriebskonzept vom 9. September 2020 betrieben wurde.

Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, „das Betriebskonzept [sei] zwar in anderen Räumlichkeiten der Anlage, aber doch vollinhaltlich umgesetzt“ worden, entfernen sich die revisionswerbenden Parteien vom festgestellten Sachverhalt. Den Feststellungen des LVwG zufolge wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 2014 eine Hotelsuitenanlage bestehend aus acht Hotelsuiten (TOP Z bis TOP Y), zwei separaten Tiefgaragen/Parkdecks mit 14 bzw. 13 PKW Stellplätzen und in TOP X einer Rezeption, einer Bar, einem Frühstücksraum (26 Sitzplätze zuzüglich 22 Sitzplätze auf der Terrasse), geschlechtergetrennten WC Räumlichkeiten, einem Frühstücksvorbereitungsraum/einer Küche und einem Wirtschaftsraum bewilligt. Das der verfahrensgegenständlichen Anlage gegenüberliegende ML Cafe ist nicht Bestandteil dieser Bewilligung (auch nicht der Änderungsbewilligungen vom 1. Dezember 2016 und vom 17. Mai 2018). Dieser Sachverhalt liegt auch dem unter Rn. 5 dargestellten Verfahren betreffend die Versagung der Verwendungsänderung von TOP X zugrunde. Aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des LVwG vom 23. Juni 2022 ergibt sich, dass sofern TOP Y nicht als Rezeption, Bar bzw. Frühstücksraum verwendet wird und diese Funktionen in das ML Cafe ausgelagert werden die Anlage nicht als touristischer Gast- und Beherbergungsbetrieb zu qualifizieren ist und der Flächenwidmung „Bauland reines Kurgebiet“ widerspricht. Damit steht fest, dass die Anlage in der Form, in der sie den Feststellungen des LVwG zufolge tatsächlich betrieben wird, nicht genehmigungsfähig wäre. Eine unwesentliche Abweichung von der Baubewilligung liegt jedenfalls nicht vor.

Zu der Frage, ob in einer derartigen Konstellation einer unzulässigen Verwendungsänderung über die Untersagung der unzulässigen Verwendung hinaus auch ein Beseitigungsauftrag erteilt werden durfte, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts vorgebracht; mangels Überschreiten der Zulässigkeitsschwelle ist es dem Verwaltungsgerichtshof daher verwehrt, auf diese Rechtslage inhaltlich einzugehen (vgl. etwa VwGH 1.2.2023, Ra 2023/06/0013; 24.7.2024, Ro 2022/05/0017, jeweils mwN).

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2024

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