JudikaturBVwG

I422 2319317-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. September 2025

Spruch

I422 2319317-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA Algerien, vertreten durch "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2025, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs.1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

Ein algerischer Staatsangehöriger (in Folge Beschwerdeführer) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 15.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge belangte Behörde / BFA) vom 14.06.2023, Zl.: XXXX , vollinhaltlich negativ beschieden wurde und unangefochten mit 04.08.2023 in Rechtskraft erwuchs.

Am 24.04.2025 brachte der Beschwerdeführer erstmalig einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid des BFA vom 20.06.2025, Zl.: XXXX , wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zugleich wurde mit einer Rückkehrentscheidung über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs unangefochten mit 05.07.2025 in Rechtskraft.

Am 08.08.2025 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Hiezu wurde er am 09.08.2025 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und erfolgte am 20.08.2025 die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 21.08.2025, Zl.: XXXX , wies die belangte Behörde den zweiten Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.).

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 04.09.2025 vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie die Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung moniert.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Gericht am 09.09.2025 zur Entscheidung vorgelegt und langten am 10.09.2025 in der Gerichtsabteilung des erkennenden Richters ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Algeriens. Er gehört zur Volksgruppe der Berber und wurde im islamischen Glauben erzogen. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren und lebensbedrohlichen Krankheiten und ist erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX geboren und wuchs in Algerien auf. Er absolvierte in Algerien für rund zehn Jahre die Schule. Er verfügt über familiäre Anbindungen in Algerien.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet folgende meldebehördliche Erfassungen auf: Er war sowohl vom 24.04.2025 bis zum 02.07.2025 als auch am 31.07.2025 in einem Polizeianhaltezentrum meldebehördlich erfasst.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine maßgeblichen privaten oder familiären Anknüpfungspunkte. Auch weist er keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf. Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach und bezieht er Leistungen über die staatliche Grundversorgung.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Vorverfahren des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verließ Anfang Oktober 2020 Algerien, indem er unter Verwendung seines Reisepasses legal in die Türkei flog und von dort aus über Griechenland, Kosovo, Serbien, Ungarn und Slowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet einreiste.

In Österreich stellte der Beschwerdeführer erstmalig am 15.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Beschwerdeführer mit dem Rassismus der Araber gegenüber den Berbern in Algerien. In weiterer Folge entzog sich der Beschwerdeführer seinem Asylverfahren durch Untertauchen. Sein Asylansuchen wurde mit Bescheid des BFA vom 14.06.2023, Zl.: XXXX abgewiesen. Ihm wurde weder der Status des Asylberechtigten noch der Status des subsidiär Schutzberechtigten gewährt. Eine Rückkehrentscheidung wurde erlassen, sowie die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Ebenso wurde ihm keine Frist zur freiwilligen Ausreise erteilt. Eine Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid des BFA erwuchs unangefochten mit 04.08.2023 in Rechtskraft.

Am 24.04.2025 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, dass all seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht bleiben. Er sei mittlerweile zum Christentum konvertiert. Dies sei in Algerien nicht erlaubt und würde er von den Behörden verfolgt werden. Im Falle einer Rückkehr habe er jedoch Angst, aufgrund seiner Konversion von seiner Familie getötet zu werden. Sein erster Folgeantrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 20.06.2025, Zl.: XXXX , sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Eine Rückkehrentscheidung wurde erlassen, sowie die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Ebenso wurde ihm keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt. Zugleich wurde über ihn im Bescheid ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel ein und erwuchs der Bescheid mit 05.07.2025 in Rechtskraft.

1.3. Zum gegenständlichen Asylantrag:

Am 08.08.2025 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft den zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Beschwerdeführer damit, dass er in Österreich bleiben wolle und in Algerien niemanden mehr habe. Er sei vom Islam zum Christentum konvertiert und das sei für ihn in Algerien ein Problem. Da er konvertiert sei, habe er Angst vor einer Verfolgung.

Seit dem Zeitpunkt der letzten inhaltlichen Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers, somit seit der rechtskräftigen Entscheidung des BFA vom 14.06.2023, Zl.: XXXX , ergaben sich weder maßgebliche Änderungen in Bezug auf das Fluchtvorbringen, noch liegt eine für die Frage des internationalen Schutzes entscheidungsrelevante wesentliche Änderung der Umstände, die die Person des Beschwerdeführers betreffen, vor. Der Beschwerdeführer stützte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz auf die gleichen Fluchtgründe, die er bereits im vorigen Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht hatte.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Gemäß § 1 Z 10 HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung) gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat.

Seit der letzten inhaltlichen Entscheidung vom 14.06.2023 hat sich die Situation in Algerien nicht maßgeblich geändert und stellt sich die aktuelle Lage in Algerien – soweit entscheidungsrelevant – auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 01.10.2024, Version 10, wie folgt dar:

Sicherheitslage

Demonstrationen

Spontane Demonstrationen können trotz Verboten auch außerhalb der Hauptstadt Algier stattfinden, insbesondere nach den Freitagsgebeten. Auch bei friedlichem Verlauf können vereinzelt gewaltsame Auseinandersetzungen und Verkehrsbehinderungen nicht ausgeschlossen werden (AA 31.5.2024).

Terrorismus

Algerien unternimmt weiterhin erhebliche Anstrengungen, um terroristische Aktivitäten innerhalb seiner Grenzen zu verhindern, und bleibt daher für terroristische Gruppen ein schwieriges Operationsumfeld. Der dschihadistische Terrorismus in Algerien ist stark zurückgedrängt worden und die Kapazitäten algerischer Terrorgruppen sind aufgrund erfolgreicher Antiterror-Operationen begrenzt. Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) ist auf kleine Reste reduziert, hat sich mehrmals gespalten und ist in Algerien praktisch handlungsunfähig. Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte halten Reste terroristischer Gruppen unter starkem Druck. Terroristen wurden großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben das Land verlassen. Terrorgruppen stellen allerdings weiterhin eine Bedrohung dar, wenn auch in geringerem Ausmaß. Zu erkennen ist die Verringerung terroristischer Aktivitäten auch an den statistischen Werten des Global Terrorism Index für die Jahre 2019 bis 2023 (STDOK 27.6.2024).

Terroristische Aktivitäten richten sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte (AA 31.5.2024). Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB Algier 21.5.2024). Das Fortbestehen bewaffneter islamistischer Gruppen, die in den Bergregionen im Norden und Osten sowie in den Grenzgebieten im Süden sporadische Angriffe auf das Militär verüben, wird allerdings anerkannt. Obwohl diese Gruppen die Unterstützung der lokalen Bevölkerung verloren haben, sind sie weiterhin aktiv und unterhalten Verbindungen zu kriminellen Netzwerken in der Sahelzone (BS 2024).

Spezifische regionale Risiken - Terrorismus

Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 31.5.2024). Die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien, Libyen und zu Mali (ÖB Algier 21.5.2024). In den Grenzgebieten mit den Nachbarländern Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Westsahara besteht weiterhin die Gefahr von terroristischen Anschlägen oder Entführungsversuchen (AA 31.5.2024; vgl. BMEIA 2.9.2024), ebenso wie in den algerischen Saharagebieten und außerhalb der Bezirke der größeren Städte im nördlichen Landesteil von Algerien, in ländlichen Gebieten und Bergregionen (AA 31.5.2024). Immer wieder versuchen kriminelle, terroristische bzw. bewaffnete Gruppen Algeriens Grenzgebiete für ihre Zwecke zu nutzen bzw. diese zu durchqueren (BMEIA 2.9.2024).

Subjektives Sicherheitsempfinden

In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 97% der Befragten an, sich in ihrer Wohngegend entweder "sehr sicher" oder "eher sicher" zu fühlen (STDOK 31.12.2023).

Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht zu 99 % aus sunnitischen Moslems und zu weniger als 1 % aus Christen, Juden und anderen (CIA 7.8.2024; vgl. FH 2024). Verschiedene inoffizielle Schätzungen geben die Anzahl der Christen in Algerien zwischen 20.000 und 200.000 an. Durch den Zuzug von Studenten und Migranten aus Subsahara-Afrika ist die Anzahl der Christen in den letzten Jahren gestiegen. Mit dem Vatikan unterhält Algerien seit 1972 diplomatische Beziehungen, ein Nuntius ist vor Ort (AA 10.5.2023).

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 30.6.2024; vgl. AA 10.5.2023, BS 2024) und verbietet den staatlichen Institutionen ein Verhalten, das mit den islamischen Werten unvereinbar ist (USDOS 30.6.2024). In den letzten Jahren wurde das Recht auf Glaubensfreiheit erheblich eingeschränkt. Durch Verfassungsänderungen im November 2020 wurde das Recht auf Glaubensfreiheit durch das Recht auf „Religionsausübung“ ersetzt (BS 2024). Die Verfassung verbietet jedoch grundsätzlich jedwede Diskriminierung aus persönlichen und weltanschaulichen Gründen, nennt jedoch nicht explizit ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religionszugehörigkeit (AA 10.5.2023). Die Freiheit der Religionsausübung ist somit gewährleistet, wenn sie im Einklang mit dem Gesetz ausgeübt wird. Die „Beleidigung oder Verunglimpfung“ jeglicher Religion ist eine Straftat. Das Gesetz besagt, dass der Staat die Gotteshäuser vor jeglicher politischen oder ideologischen Einflussnahme schützen muss (USDOS 30.6.2024).

Die kollektive Religionsausübung muslimischer wie nicht-muslimischer Religionen ist einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Religiöse Gemeinschaften müssen sich als "Vereine algerischen Rechts" beim Innenministerium akkreditieren lassen, Zulassungen bzw. Neubauten von Moscheen und Kirchen vorab durch das Religionsministerium bzw. eine staatliche Kommission genehmigt werden. Veranstaltungen religiöser Gemeinschaften müssen fünf Tage vor Veranstaltungsbeginn dem örtlichen Wali angezeigt werden. Diese dürfen nur in dafür vorgesehenen und genehmigungspflichtigen Räumlichkeiten stattfinden. Zuwiderhandlungen sind mit Strafe bedroht (AA 10.5.2023). Gemäß Verfassung sind politische Parteien auf Grundlage der Religion verboten (USDOS 30.6.2024).

Gesetzlich ist Konversion nicht verboten, auch weg vom Islam nicht (USDOS 30.6.2024). Missionierungstätigkeit (an Muslimen durch Nicht-Muslime) hingegen ist gesetzlich verboten und unter Strafe gestellt (USDOS 30.6.2024; vgl. AA 10.5.2023, FH 2024), bei einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren (USDOS 30.6.2024; vgl. AA 10.5.2023) sowie einer Geldstrafe. Für Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert sind, ist es nicht gesetzlich vorgesehen ein Erbe zu erhalten, sofern kein Testament vorliegt (USDOS 30.6.2024).

Religiöse Minderheiten sind erheblichen Einschränkungen und Diskriminierungen ausgesetzt (BS 2024; vgl. FH 2024). In den letzten Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen zunehmend behördliche Hindernisse und administrative Einschränkungen gegen nicht-muslimische Religionsgemeinschaften und beobachten ein schärferes Vorgehen gegen vermeintlich „islamkritische Äußerungen“. Die christlichen Kirchen sehen sich zunehmend bürokratischen Hürden gegenüber (AA 10.5.2023).

Die Behörden gehen gegen die Religionsgemeinschaft der Ahmadis vor (FH 2024; vgl. AA 10.5.2023) und werfen ihren Anhängern vor, den Islam herabzuwürdigen, die nationale Sicherheit zu bedrohen und gegen das Vereinigungsrecht zu verstoßen (FH 2024). In Medienberichten wird häufig über Gerichtsverfahren gegen Mitglieder muslimischer Minderheitengemeinschaften wie Ahmadi-Muslime und schiitische Muslime berichtet, wobei hier die Unschuldsvermutung nicht zur Anwendung kommt. In lokalen Medien werden diese Gemeinschaften gelegentlich als „Sekten“ oder „Abweichungen“ vom Islam dargestellt. Ahmadi-Führer erklären, ihr Glaube werde von der Öffentlichkeit oft missverstanden, die weitgehend glaube, die Ahmadi-Gemeinschaft sei nicht-muslimisch (USDOS 30.6.2024).

Die Behörden gehen seit 2017 hart gegen die algerische protestantische Kirche (EPA) vor (FH 2024; vgl. AA 10.5.2023).

Ethnische Minderheiten

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern (CIA 7.8.2024; vgl. AA 10.5.2023), wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit von etwa 15% identifiziert sich selbst jedoch als Berber. Weniger als 1% der Bevölkerung ist europäischer Abstammung (CIA 7.8.2024). Die staatlichen Institutionen werden von keiner spezifischen ethnischen Gruppe dominiert, dort sind sowohl Araber als auch ethnische Berber vertreten (FH 2024).

Systematische staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 10.5.2023).

Trotz flächendeckender Arabisierung der Bevölkerung haben sich in Gebirgsregionen und den Oasen des Südens Sprache und Traditionen der Berber erhalten; insbesondere die Bewohner der Kabylei setzten sich seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur ein. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight neben dem Arabischen zur Amtssprache erklärt (AA 10.5.2023).

Ethnische (Berber)Minderheiten - vor allem im Süden des Landes - berichten von diskriminierendem Verhalten von Sicherheitskräften. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Demnach agieren Polizei und Gendarmerie parteiisch. Außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen. Diese Repressionen sind im Kontext der verstärkten Arabisierungspolitik und verschiedener arabisch-nationalistischer Tendenzen zu betrachten (ÖB Algier 21.5.2024).

Grundversorgung

Algerien ist als flächenmäßig größtes Land des afrikanischen Kontinents ein bedeutender ökonomischer Akteur. Algerien stützt sich wirtschaftlich auf Förderung und Export von Öl und Gas. Eine Diversifizierung steht aber schon länger auf der politischen Agenda. Angesichts der Energiekrise in Europa hat die Bedeutung Algeriens als verlässlicher Lieferant nochmals zugenommen. Algerien möchte diese Position im Energiesektor langfristig sichern. Dazu gehört neben Modernisierung und Ausbau der bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur der Aufbau einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Produktion von Wasserstoff (ABG 8.2024).

Im Jahr 2021 trug eine kräftige Erholung der Erdöl- und Gasproduktion dazu bei, dass sich die Wirtschaft von der durch COVID-19 ausgelösten Rezession erholt hat. Die Außenhandels- und Haushaltssalden erholten sich 2022 merklich und profitierten vom Anstieg der Weltmarktpreise für Erdöl- und Gas. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Erdöl- und Gasboom Algerien Fortschritte in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung ermöglicht. Das Land hat 2008 seine multilateralen Schulden fast beglichen, in Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums investiert und eine umverteilende Sozialpolitik eingeführt, die die Armut gelindert und die Indikatoren für die menschliche Entwicklung deutlich verbessert hat (WB 30.5.2023). Dennoch bleibt die Inflation mit 9,4% hoch. Um die Kaufkraft zu sichern, hat die Regierung Maßnahmen wie die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst und die Einführung von Arbeitslosenunterstützung ergriffen. Dieses Ausgabenniveau könnte jedoch zu einer Herausforderung werden, wenn die Gaspreise in Zukunft sinken (BS 2024).

Die algerische Wirtschaft wird voraussichtlich bis Ende 2023 um 2,8% wachsen, angetrieben durch steigende Erdgasförderung, eine erhebliche Zunahme der Getreideproduktion und verstärkte Investitionen in Industrie und Bauwesen. Algeriens Wirtschaft ist stark von Erdöl und Erdgas abhängig. Etwa 60% der Steuereinnahmen und 90% der Exporteinnahmen des Landes kommen aus diesem Sektor. Das Land setzt verstärkt auf die Diversifizierung seiner Wirtschaft und den Ausbau der lokalen Produktion. Diese Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu verringern und langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu fördern (WKO 13.9.2024).

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB Algier 21.5.2024).

Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 10.5.2023).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Staatliche oder karitative Einrichtungen, die eine Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse sicherstellen, sind nicht bekannt (AA 10.5.2023). In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 61% der Befragten an, dass es ihnen gelingt, ihren Haushalt trotz der aktuellen Lebensmittelpreise ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, 30% können sich gerade so mit Lebensmitteln versorgen und nur 9% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen. Etwas schwieriger ist die Situation beim Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen: 43% der Befragten sind in der Lage, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 42% schaffen es gerade so, und 14% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit diesen Gütern versorgen (STDOK 31.12.2023). [Anm.: Zu beachten ist, dass es sich hier um eine Befragung in Städten handelt, ländliche Gebiete sind nicht erfasst - hier können Unterschiede im Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Konsumgütern bestehen.]

Die Prognosen für die Entwicklungen am algerischen Arbeitsmarkt sind ungünstig, die Arbeitslosigkeit steigt. Dies ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und einer politischen Krise im Jahr 2019. Die Gehälter im öffentlichen Sektor sind höher als in der Privatwirtschaft. Allgemein steigen die Reallöhne in Algerien langsamer als das allgemeine Preisniveau (ABG 8.2024).

Die Arbeitslosigkeit (15-64-Jährige) lag 2022 bei 11,6% (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. BS 2024) bzw. 12,4% und 2023 bei 11,8% (WKO 8.2024), die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-Jährige) 2022 bei 29,0% (ÖB Algier 21.5.2024) bzw. 32,0% und 2023 bei 30,8% (WKO 8.2024). Die Perspektivenlosigkeit der Jugend ist ungebrochen, eine hohe Zahl findet keine geregelte Arbeit. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60% geschätzt wird (ÖB Algier 21.5.2024).

Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen. Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB Algier 21.5.2024).

Medizinische Versorgung

Die Effizienz des Gesundheitswesens in Algerien ist im weltweiten Vergleich eher überdurchschnittlich. Die wohl wichtigste Kennzahl, mit der sich die Effizienz aller Maßnahmen zusammenfassen lässt, ist die allgemeine Lebenserwartung. Also das theoretische Alter, das ein heute Neugeborenes potenziell erreichen wird. Im Moment liegt dieses Alter in Algerien für Männer bei 75,9 und für Frauen bei 78,5 Jahren. Zum Vergleich: Weltweit liegt die Lebenserwartung etwa 5,1 Jahre niedriger (Männer: 69,6 / Frauen: 74,5 Jahre). Insgesamt wird pro Einwohner eine Summe von 188,19 Euro veranschlagt, die jährlich auf Staatskosten für gesundheitliche Maßnahmen ausgegeben wird. Dies entspricht circa 5,5 % des Bruttoinlandsproduktes. International liegt dieser Betrag bei durchschnittlich 1.170,47 Euro (~ 10,4 % des jeweiligen BIP) (Laenderdaten 15.9.2024).

Die medizinische Versorgung durch Ärzte und Krankenhäuser in Algerien ist im Vergleich zur Weltbevölkerung unterdurchschnittlich. Pro 1000 Einwohner stehen im Land 1,9 Krankenhausbetten zur Verfügung. Der weltweite Mittelwert liegt hier bei 2,9 Betten. Innerhalb der EU stehen 4,6 Betten für jeweils 1000 Einwohner zur Verfügung. Mit rund 79.000 ausgebildeten Ärzten in Algerien stehen pro 1000 Einwohner rund 1,73 Ärzte zur Verfügung. Auch hier wieder der Vergleich: Weltweit liegt dieser Standard bei 1,70 Ärzten pro 1000 Einwohnern und in der EU sogar bei 4,28. Durch den niedrigen Versorgungsstand kann die Sterblichkeit wesentlicher, bekannter Krankheiten nur in vergleichsweise wenigen Fällen reduziert werden (Laenderdaten 15.9.2024).

Der Standard in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Niveau (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023). Krankenhäuser, in denen schwierigere Operationen durchgeführt werden können, existieren in jeder größeren Stadt; besser ausgestattete Krankenhäuser gibt es an den medizinischen Fakultäten von Algier, Oran, Annaba und Constantine. Häufig auftretende chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Tuberkulose, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Geschlechtskrankheiten und psychische Erkrankungen können auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden. AIDS-Patienten werden in sechs Zentren behandelt (AA 10.5.2023). Vor allem in Algier sind Privatspitäler entstanden, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen. Der Sicherheitssektor kann auf ein eigenes Netz von Militärspitälern zurückgreifen. Mit Frankreich besteht ein Sozialabkommen aus den 1960er-Jahren, das vorsieht, dass komplizierte medizinische Fälle in Frankreich behandelt werden können. Dieses Abkommen ist seit einiger Zeit überlastet. Nicht alle Betroffenen können es in Anspruch nehmen. Dies soll nun auch aus Kostengründen weiter eingeschränkt werden und entsprechende medizinische Zentren im Land geschaffen werden. Auch mit Belgien besteht ein entsprechendes Abkommen (ÖB Algier 21.5.2024).

In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample im November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage wurde, was den Zugang zu Allgemeinmediziner/Hausarzt betrifft, erhoben, dass 85% des Samples Zugang haben und sich den Besuch leisten können. 11% haben demnach Zugang, können sich den Besuch aber nicht leisten. Zu einem Facharzt (Zahnarzt, Augenarzt, Gynäkologe, Urologe,...) haben drei Viertel der Befragten (75%) Zugang und können sich den Besuch leisten. 22% haben Zugang, könne sich den Besuch aber nicht leisten. Wenn es um Krebsbehandlungen oder Operationen in Krankenhäusern geht, haben nur die Hälfte (50%) der Befragten Zugang und können sich diesen leisten, ca. ein Drittel (30%) haben Zugang, können sich die Behandlung aber nicht leisten. 83% haben Zugang zu Medikamenten und können sie sich auch leisten (STDOK 31.12.2023). [Anm.: Zu beachten ist, dass es sich hier um eine Befragung in Städten handelt, ländliche Gebiete sind nicht erfasst - hier kann ein großer Unterschied v. a. in der medizinischen Versorgung bestehen.]

Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Algerien ausgebildete Ärzte in Frankreich und Deutschland niederlassen, was zu einem Ärztemangel in Algerien führt. Die Versorgung im Landesinneren mit fachärztlicher Expertise ist nicht sichergestellt. Augenkrankheiten sind im Süden häufig. Algerien greift für die Versorgung im Landesinneren auf kubanische Ärzte zurück, z. B. die im April 2013 neu eröffnete Augenklinik in Bechar. Immer wieder kommt es zu Beschwerden und Protesten über den unzureichenden Zustand des Gesundheitssystems, im Zuge der COVID-Pandemie kam es auch zu tätlichen Übergriffen auf Spitalspersonal. Probleme sind auch bei der Spitalshygiene und Medikamentenversorgung (nur Billigimporte oder lokale Produktion) gegeben. Die Müttersterblichkeit und Komplikationen bei Geburten sind aufgrund von Nachlässigkeiten in der Geburtshilfe hoch. Tumorpatienten können medizinisch nicht nach westlichem Standard betreut werden. Schwierig ist die Situation von Alzheimer- und Demenzpatienten und sowie von Behinderten. Oft greift man zu Bestechung, um ein Intensivbett zu bekommen oder zu behalten (ÖB Algier 21.5.2024).

Grundsätzlich ist medizinische Versorgung in Algerien allgemein zugänglich und kostenfrei (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023). Krankenversichert ist jedoch nur, wer einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Die staatliche medizinische Betreuung in Krankenhäusern steht auch Nichtversicherten beinahe kostenfrei zur Verfügung, allerdings sind Pflege und Verpflegung nicht sichergestellt, Medikamente werden nicht bereitgestellt, schwierige medizinische Eingriffe sind nicht möglich. Grundsätzlich meiden Algerier nach Möglichkeit die Krankenhäuser und bemühen sich, Kranke so schnell wie möglich in häusliche Pflege übernehmen zu können. Ohne ständige familiäre Betreuung im Krankenhaus ist eine adäquate Pflege nicht gesichert (ÖB Algier 21.5.2024).

In der gesetzlichen Sozialversicherung sind Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Rentner sowie deren Ehegatten und Kinder bis zum Abschluss der Schul- oder Hochschulausbildung obligatorisch versichert. Die Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht grundsätzlich in staatlichen Krankenhäusern eine kostenlose, in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung. Immer häufiger ist jedoch ein Eigenanteil zu übernehmen. Die höheren Kosten bei Behandlung in privaten Kliniken werden nicht oder nur zu geringerem Teil übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgeführt werden, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (AA 10.5.2023).

Rückkehr

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der österreichischen Botschaft in Algier nicht bekannt (ÖB Algier 21.5.2024). Es gibt seitens der algerischen Regierung keine Reintegrationsprojekte. In der Regel werden Rückkehrer von der Familie aufgefangen. Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung werden von den Familienmitgliedern geleistet. Rückkehrer werden erst wieder in das staatliche Sozialversicherungssystem aufgenommen, wenn sie erwerbstätig sind (AA 10.5.2023).

Von 2018 bis 2022 gab es allerdings das Europäische Rückkehr- und Reintegrationsnetzwerk (ERRIN) – eine Arbeitsgemeinschaft aus 16 EU-Mitgliedstaaten und Schengen-assoziierten Staaten, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (EBCGA/FRONTEX) und der Europäischen Kommission – die in Fragen der Hilfestellung und Begleitung von Rückkehrern tätig war. Als Fortführung des ERRIN-Projekts wurde mit 1.4.2022 das JRS-Programm (Joint Reintegration Services) gestartet. Dieses bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrer in ihre Herkunftsländer. Für die Koordinierung der Reintegrationshilfen bleibt das BMI auf nationaler Ebene weiterhin zuständig. Reintegrationshilfen können ab 1.7.2022 über das europäische JRS-Programm beantragt werden. Für die Umsetzung der 12-monatigen Reintegrationshilfen gelten die bisherigen Projektinhalte fort. Es kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen; häufig sind Fälle, in denen Familien Angehörige mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützt haben. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich und Deutschland, für Personen, die freiwillig ausgereist sind, ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten. In Österreich bietet Return From Austria in Kooperation mit Frontex (JRS) finanzielle Rückkehrhilfe an (ÖB Algier 21.5.2024). IOM führt ein Programm zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach und der Integration in Algerien durch. Das Programm wird aus EU-Mitteln und auch bilateral von deutscher Seite unterstützt (AA 10.5.2023).

Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststeht, dass es sich um algerische Staatsbürger handelt. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB Algier 21.5.2024).

Die illegale Ausreise ist strafbar (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und/oder eine Geldstrafe (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023) zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 137 - 410 Euro] vor (ÖB Algier 21.5.2024).

Üblicherweise werden lediglich Geldstrafen in Höhe von 20.000 Dinar (nach offiziellem Kurs rd. 150 Euro, am Schwarzmarkt ca. 100 Euro) verhängt, die Höhe richte sich nach der Art der illegalen Ausreise. So wird eine Ausreise mit dem Boot etwa höher bestraft als ein simpler „Overstay“ (ÖB Algier 21.5.2024). Nach anderen Angaben werden Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 10.5.2023).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte zu Algerien.

Auszüge aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister sowie der Betreuungsinformation (Grundversorgung) wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.

Darüber hinaus wurde Einsicht genommen in die beigezogenen Verfahren der belangten Behörde zu Zl.en XXXX und XXXX , bezüglich der vorangegangenen Asylverfahren des Beschwerdeführers in Österreich.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Die sonstigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Staatsangehörigkeit, seinem Personal- und Familienstand, seiner Herkunft und Schulbildung sowie seiner familiären Situation in Algerien, ergeben sich aus der Zusammenschau seiner Ausführungen im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zu Zl.: XXXX und den Angaben des Beschwerdeführers in seinen beiden Folgeverfahren.

Dass der Beschwerdeführer an keinen schweren und lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, gründet auf seinen bisherigen Angaben. So ergaben sich im Erstantrag vom 15.11.2022 keinerlei Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Er bestätigte auf Nachfragen, dass er gesund sei und an keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide. Er nehme keine Medikamente ein und könne auch der Erstbefragung folgen. Auch im Folgeverfahren vom 24.04.2025 brachte der Beschwerdeführer vor, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und dass er aktuell nicht in medizinischer Heilbehandlung stehe. Erstmals bringt er im gegenständlichen Verfahren vor, dass er sich 2020 in Griechenland drei Knochen gebrochen habe, und zwar an der rechten Schulter, am rechten Schlüsselbein und am rechten Handknöchel. Zur Behandlung seiner Knochenschmerzen habe er Medikamente erhalten. Hierbei handelt es sich jedoch um keine derartige gesundheitliche Beeinträchtigung, die für sich gesehen eine wesentliche Sachverhaltsänderung darstellt und bleibt auch zu berücksichtigen, dass die Knochenbrüche und die daraus resultierenden Folgebeeinträchtigungen bereits zum Zeitpunkt seines Erstantrages bestanden haben.

Die meldebehördlichen Erfassungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sind durch die Abfragen des zentralen Melderegisters belegt.

Die Feststellungen zu den nicht vorhandenen familiären Anbindungen an Österreich basieren auf den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und wurde dahingehend zuletzt auch im Beschwerdeschriftsatz kein anderslautendes Vorbringen erstattet.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht aufweist, ergibt sich aus der Tatsache, dass er solche im Verfahren weder darzulegen noch formell nachzuweisen vermochte. Aus einer Abfrage des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger leitet sich ab, dass er im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nachging, während eine Abfrage in der Applikation Betreuungsinformation (Grundversorgung) bescheinigt, dass er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht.

Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit erschließt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zum Vorverfahren des Beschwerdeführers und zum gegenständlichen Asylantrag:

Seine Ausreise aus Algerien und die Ausreisemodalitäten sowie seine Einreise nach Österreich gründen auf den Angaben in seinem Verfahren zu Zl.: XXXX.

Die Feststellungen zu seinem ersten, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren in Österreich vom 15.11.2022 ergeben sich unstrittig aus dem Verfahren zu Zl.: XXXX.

Aus der Einsichtnahme in das Verfahren zu Zl.: XXXX gründen die Feststellungen zu seinem zweiten (erster Folgeantrag auf internationalen Schutz), rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vom 24.04.2025.

2.3. Zum gegenständlichen Asylantrag:

Dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes zu Zl.: XXXX lassen sich die Feststellungen zum verfahrensgegenständlichen Asylantrag entnehmen.

Dass seitens des Beschwerdeführers im nunmehrigen Folgeverfahren keine neuen, entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden, gründet auf nachstehenden Überlegungen:

Seinen gegenständlichen Asylantrag begründet der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vom 09.08.2025 damit, dass er gerne in Österreich bleiben und hier leben wolle. In seiner Heimat habe er keine Familie mehr. Dies seien all seine Gründe. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er einer Verfolgung, weil er konvertiert sei. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA vom 20.08.2025 bestätigte er sein diesbezügliches Vorbringen und vermeinte, dass er in Österreich leben und auch hier seine Zukunft aufbauen wolle. Seine Eltern haben ihn in Algerien verlassen, als ich ein kleines Kind gewesen sei. Er habe bei den Großeltern gelebt, die bereits verstorben seien. Ob seine Eltern noch am Leben seien, wisse er nicht. Er sei vom Islam zum Christentum konvertiert, was ein großes Problem für ihn in Algerien darstelle. Auf die Frage, ob sich seine Fluchtgründe geändert haben, vermeinte, der Beschwerdeführer, dass seine „alten Fluchtgründe“ nach wie vor bestehen würden. Auf Nachfragen, was diese „alten Fluchtgründe“ denn gewesen seien, führte er aus, dass er damals bei seinen Großeltern gelebt und dort immer von seinen Geschwistern geschlagen worden sei. Es sei nicht normal gewesen, wie man ihn damals geschlagen habe. Auf Vorhalt, wonach er das Erstverfahren mit dem Rassismus gegenüber den Berbern begründet habe und auf die Frage, ob er diese Gründe aufrecht halte, vermeinte er, dass er auf seine Fluchtgründe – dem Rassismus – bestehe. Für die Algerier, also für die Araber dort, seien sie wie Terroristen. Viele Amasiri seien in den Gefängnissen. Es gebe dort Rassismus. Auf weiteres Nachfragen bestätigte er, dass diese Fluchtgründe schon seit 2019 bestehen würden. Im Falle der Rückkehr habe er Angst vor dem Rassismus. Aufgrund seiner Berberzugehörigkeit, müsse er in Algerien ins Gefängnis. Zudem befürchte er auch, dass ihn seine Familie umbringe. Abschließend brachte der Beschwerdeführer vor, dass er aus der Gegend XXXX , aus dem Gouvernement XXXX stamme und die Flagge Mak heiße. Seine Heimatgegend habe Feindseligkeiten mit der algerischen Armee. Wenn er bekannt gebe, dass er aus dieser Gegend stamme, lande er sofort im Gefängnis.

Das Vorbringen, dass er aufgrund seiner berberischen Volksgruppenzugehörigkeit einer Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt gewesen sei, war bereits Gegenstand seines Erstverfahrens vom 15.11.2022.

Sofern im gegenständlichen Verfahren erstmals vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer die von der kabylischen Bewegung für die Autonomie der Kabylei (kurz „MAK“) propagierte Autonomie der Provinz Kabylei befürworte, er infolge dessen im Jahr 2019 auch an Protesten teilnahm und dass er deshalb vom algerischen Staat als Sezessionist und politischer Aktivist angesehen werden und als solcher massiv verfolgt werde, erweist sich dies für das erkennende Gericht nicht glaubhaft und kann diesem Vorbringen kein glaubhafter Kern beigemessen werden. Vielmehr wertet das erkennende Gericht dies als Steigerung und Versuch, seinem Asylantrag mehr Gewichtung zu verleihen. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht zunächst, dass er ein derart entscheidungswesentliches Vorbringen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bereits in der Begründung seines Erstantrags vom 15.11.2022 erwähnt hätte. Auch die Tatsache, dass dieses Vorbringen erst am Ende seiner Einvernahme geltend gemacht wird, legt den Verdacht eines gesteigerten Vorbringens nahe. Des Weiteren erschöpft sich Vorbringen in einer allgemeinen Behauptung ohne jegliches Tatsachensubstrat. Die Tatsache, dass er die Flagge der Gruppierung benennen kann, bedeutet nicht, dass er tatsächlich an den Demonstrationen teilgenommen hat. Gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens spricht des Weiteren auch der zeitliche Konnex. So habe er im Jahr 2019 an den Demonstrationen teilgenommen, seine Ausreise erfolgte jedoch erst im Oktober 2020. Allfällige staatliche Verfolgungshandlungen gegen seine Person, die im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen stehen, blieben völlig unerwähnt. Letztendlich spricht gegen dieses Vorbringen auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland auf legalem Weg unter Verwendung seines Reisepasses verließ. Bei tatsächlicher Bedrohung durch die heimatstaatlichen Behörden wegen allfälliger politischer Tätigkeiten wäre ihm eine derart problemlose Ausreise mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen.

Gleichsam vermochte auch seinem Vorbringen, wonach er konvertiert sei und aufgrund dessen eine Verfolgung befürchte, kein glaubhafter Kern beigemessen werden. Die mangelnde Glaubhaftigkeit erschließt sich bereits aus den fehlenden Grundkenntnissen zum Christentum. Dies bestätigt sich beispielsweise darin, dass er zwar angibt, dass er Christ sei. Die Frage, wie er sich bis dato am Christentum beteiligt habe, verstand der Beschwerdeführer jedoch nicht. Zudem konnte er auf Nachfragen keinerlei Angaben zum Christentum tätigen oder allfällige christliche Feiertage benennen. Gleichsam widerspricht er sich, wenn er einerseits angibt, dass er „hier“ noch nie in einer Kirche gewesen sei und in derselben Einvernahme wenige Augenblicke später vermeint, dass es im XXXX eine Kirche gäbe, die er bereits zwei, drei Mal besucht habe. Ebenso widersprüchlich erweist sich in diesem Zusammenhang sein Vorbringen, wenn er als Folge seiner Konversion Probleme durch seine Brüder befürchte und zuvor jedoch diametral ausführt, dass er keine Familie mehr in Algerien habe.

Letztendlich greift auch der Beschwerdeeinwand, wonach der Beschwerdeführer bei seinem Erstantrag Medikamente genommen habe, er deshalb keine näheren Angaben zu seinen Fluchtgründen machen habe können und somit seinem Vorbringen der glaubhafte Kern nicht abgesprochen werden könne, zu kurz. Wie sich aus dem Erstbefragungsprotokoll vom 16.11.2022 erschließt, wurde eingangs der Einvernahme bezüglich seiner Mitwirkungspflichten aufgeklärt. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer danach befragt, ob er Beschwerden habe oder an Krankheiten leide, die ihn an seiner Einvernahme hindern oder die ihn an seinem Asylverfahren beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer verneinte dies explizit und bestätigte, dass er seiner Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Ebenso verneinte er die Frage, ob allenfalls eine medikamentöse Behandlung erforderlich sei. Seine Angaben im Protokoll lassen keine Rückschlüsse darauf zu, dass er beeinträchtigt gewesen sei und/oder, dass er dieser nicht habe folgen können. Dem Beschwerdeführer wurden seine Angaben zudem in einer für ihn verständlichen Sprache rückübersetzt. Ergänzungen oder Korrekturen hatte er nicht zu machen und bestätigte die Richtigkeit seiner Angaben durch die Unterfertigung des Erstbefragungsprotokolls.

2.4. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Dass es sich bei Algerien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt ist durch eine Eintragung in der Herkunftsstaaten-Verordnung verschriftlicht.

Die Feststellung, dass sich die Situation in Algerien nicht maßgeblich geändert hat, gründet auf einem Abgleich der dem Ausgangsbescheid vom 14.06.2023 zu Grunde gelegten Länderinformationen mit jenen Länderinformationen, die die Basis für den verfahrensgegenständlichen Bescheid bilden.

Hinsichtlich der berberischen Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers gilt nochmals hervorzuheben, dass die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung Algeriens eine Mischung aus Arabern und Berbern ist und die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist, wobei sich jedoch nur eine Minderheit von etwa 15 % als Berber identifiziert. Die staatlichen Institutionen werden von keiner spezifischen ethnischen Gruppe dominiert, dort sind sowohl Araber als auch ethnische Berber vertreten. Letztlich zeigen die Länderberichte auch auf, dass systematische staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, in Algerien nicht feststellbar sind. Ebensowenig existiert eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung und liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Da das BFA mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/20/0192, mwN).

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 15.04.2024, Ra 2024/05/0011; VwGH 20.01.2021, Ra 2020/19/0381, mwN).

Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 05.07.2023, Ra 2021/18/0270; 10.09.2021, Ra 2021/14/0256, mwN).

Dies ist gegenständlich jedoch nicht der Fall. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Herkunftsstaat mit Problemen aufgrund seiner berberischen Volksgruppe ausgesetzt und mit Rassismus konfrontiert war, war bereits Gegenstand des ersten Verfahrens über internationalen Schutz, welches mit Bescheid des BFA vom 14.06.2023, Zl.: XXXX, rechtskräftig abgeschlossen wurde. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, mangelte es seinem nunmehrigen Vorbringen – aufgrund der Konversion sowie aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2019 und seiner Befürwortung der Autonomie der Provinz Kabylei einer Bedrohung zu unterliegen – an Glaubhaftigkeit.

Soweit in der Beschwerde moniert wurde, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten hätte zuerkennen müssen, ist festzuhalten, dass auch diesbezüglich keine wesentliche Änderung aufgezeigt wurde. Wesentliche Änderungen, etwa in Bezug auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers oder die Lage in Algerien, wurden nicht behauptet, vielmehr wurden im Beschwerdeschriftsatz lediglich allgemeine Ausführungen zur Lage in Algerien und zur Autonomiebewegung in der Kabylei gemacht. Auch aus dem Länderinformationsblatt ergeben sich keine wesentlichen Änderungen, so dass auch hinsichtlich der Frage der Gewährung subsidiären Schutzes keine neue inhaltliche Prüfung notwendig war.

Die belangte Behörde hat daher völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des BFA an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt eine entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Ziffer 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Ziffer 2).

Da der verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Ziffer 1 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war zudem auf Grund der Aktenlage klar.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall wurde sich insbesondere eingehend mit der Thematik einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 AVG auseinandergesetzt (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/20/0192; 15.04.2024, Ra 2024/05/0011; 05.07.2023, Ra 2021/18/0270; 10.09.2021, Ra 2021/14/0256; ua.). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.