Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz gegen das am 29. November 2023 mündlich verkündete und am 19. Jänner 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark LVwG 50.4 1588/2023 14 und LVwG 40.4 1802/2023 14, betreffend Benützungsuntersagung nach dem Steiermärkischen Baugesetz (mitbeteiligte Partei: J K, vertreten durch die SARTORI Rechtsanwälte OG in Graz; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren wird eingestellt.
1 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz (Amtsrevisionswerber) vom 19. April 2023 wurde der mitbeteiligten Partei gestützt auf § 38 Abs. 7 Z 4 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) die Benützung des auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG W. befindlichen Einfamilienhauses mit der Begründung untersagt, es sei im Zuge einer Erhebung vor Ort festgestellt worden, dass das mit „Baufreistellung“ vom 9. Oktober 2013 baubewilligte Wohngebäude über keinen Außenputz verfüge. Dies stelle einen Mangel dar, der eine ordnungsgemäße Benützung verhindere.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern teilweise statt, als für die Rechtswirksamkeit des Benützungsverbotes eine Frist von sechs Monaten vorgesehen wurde (I.1.). Gleichzeitig wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei, der Beschwerde gegen das Benützungsverbot die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen (II.1.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für unzulässig erklärt (I.2. und II.2.).
3 Der Amtsrevisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
4 Während des vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsverfahren durchgeführten Vorverfahrens teilte die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 11. Juli 2024 mit, dass die Fertigstellung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes in der Zwischenzeit vorgenommen worden sei. Dies sei auch der Baubehörde mit Fertigstellungsanzeige vom 22. April 2024 mitgeteilt worden. Aus Sicht der mitbeteiligten Partei sei dadurch der Rechtsgrund zur Erhebung der außerordentlichen Revision nicht mehr gegeben. Der Mitteilung ist die an die Baubehörde gerichtete Fertigstellungsanzeige inklusive der Bestätigung einer näher genannten Fassaden GmbH vom 22. April 2024 über die Herstellung des Außenverputzes des verfahrensgegenständlichen Gebäudes angeschlossen.
5 Vor diesem Hintergrund wurde dem Amtsrevisionswerber mit verfahrensleitender Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 2024, Ra 2024/06/0049 7, Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen zur Frage der Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Revision Stellung zu nehmen.
6 In seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2024 sprach sich der Amtsrevisionswerber gegen eine Einstellung des Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit aus und brachte dazu vor, am Gebäude der Mitbeteiligten sei kein Vollwärmeschutz angebracht worden, „sondern lediglich ein gewöhnlicher Verputz“. Die näher genannte Fassaden GmbH, die die Bestätigung ausgestellt habe, verfüge über eine Gewerbeberechtigung „eingeschränkt auf Vollwärmeschutz“. Sie sei auch nicht berechtigt, eine Bescheinigung nach § 38 Abs. 2 Z 1 Stmk. BauG auszustellen; diese Befugnis sei Baumeistern vorbehalten. Daher entfalte die Fertigstellungsanzeige fallbezogen keine rechtlichen Wirkungen. Außerdem sei in der Fertigstellungsanzeige ausgeführt worden, dass der Bau „bis auf Badezimmer +WC, Balkon“ fertiggestellt worden sei. Der Bau sei daher nicht fertiggestellt. Sollte der Verwaltungsgerichtshof dennoch von einer Gegenstandslosigkeit ausgehen, „wäre schon eine Detailaussage für die Rechtsentwicklung förderlich, ob die [...] Fassaden GmbH überhaupt befugt“ sei, eine Bescheinigung nach § 38 Abs. 2 Z 1 Stmk. BauG auszustellen. Weiters entfalte „die qualifiziert rechtswidrige Entscheidung des LVwG nicht nur im konkreten Einzelfall Bindungswirkung, sondern beeinflusst darüber hinaus die Vollzugspraxis nicht nur des Revisionswerbers, sondern aller Baubehörden im Bundesland im gegebenen Zusammenhang“.
7 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
8 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist bei einer Revision nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG unter einer Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eingetreten ist. Vielmehr liegt ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber infolge Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde. Diese Judikatur gilt auch für Fälle einer Amtsrevision (vgl. für viele etwa VwGH 26.2.2024, Ra 2023/06/0138, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Diese Rechtsprechung hat ebenso für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. nochmals VwGH 26.2.2024, Ra 2023/06/0138, mwN) und gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrunde liegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse ist (vgl. z.B. VwGH 24.4.2018, Ra 2016/05/0112, oder auch nochmals ebenso eine Revision des Amtsrevisionswerbers betreffend VwGH 26.2.2024, Ra 2023/06/0138, jeweils mwN).
10 Dass fallbezogen der Außenverputz des verfahrensgegenständlichen Wohnhauses zwischenzeitlich hergestellt wurde, bestreitet der Amtsrevisionswerber nicht. Weder die Frage der konkreten Gewerbeberechtigung der ausführenden Firma, noch die Frage, ob diese zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 38 Abs. 2 Z 1 Stmk. BauG befugt ist, ist dabei von Relevanz, da es im Revisionsfall ausschließlich um die Frage des erteilten Benützungsverbotes aufgrund der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht hergestellten Außenverputzes des Gebäudes geht. Es geht hier auch nicht um ein Badezimmer, WC oder Balkon, bzw. darum, dass es sich bei dem hergestellten Außenverputz nicht um einen Vollwärmeschutz handelt, da im Bescheid vom 19. April 2023 lediglich von einem fehlenden Außenverputz des Wohnhauses die Rede ist. Dass dieser Außenverputz nicht hergestellt worden wäre, wird vom Amtsrevisionswerber in seiner Stellungnahme nicht vorgebracht.
11 Im Revisionsfall ist somit mit der zwischenzeitlichen Herstellung des Außenverputzes des verfahrensgegenständlichen Wohnhauses der Rechtsgrund für die mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 19. April 2023 ausgesprochene Benützungsuntersagung weggefallen; ein Vollzug dieser Benützungsuntersagung ist daher nunmehr ausgeschlossen. Im Hinblick darauf ist nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Fall einer meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes noch praktische Bedeutung zukäme (vgl. etwa wiederum VwGH 26.2.2024, Ra 2023/06/0138, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich auch bereits ausgesprochen, dass von Gegenstandslosigkeit auszugehen ist, wenn die Vollstreckung eines Benützungsverbotes wegen wesentlicher Änderung der Sachlage unzulässig ist (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2016/05/0011 oder auch 22.7.2020, Ra 2018/06/0117, jeweils mwN). Zur Klärung von bloß theoretischen Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. erneut VwGH 26.2.2024, Ra 2023/06/0138, mwN).
12 Die vorliegende Amtsrevision war daher wegen des nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren war einzustellen.
Wien, am 27. Juni 2025