Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Mag. Haunold und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des M H in R, vertreten durch die Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 24. Jänner 2024, LVwG AV 289/0042019, betreffend Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2021, Ra 2020/05/0128, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 19. Mai 2020 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. In seinen Entscheidungsgründen hielt der Verwaltungsgerichtshof unter anderem fest, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen gewesen wäre, ob den Revisionswerber die Verantwortung für die Nichtbeseitigung der gesetzwidrig abgelagerten Abfälle außerhalb einer hiefür genehmigten Deponie trifft. Der Verwaltungsgerichtshof ging davon aus, dass das Verwaltungsgericht Ermittlungen dazu hätte führen müssen, ob der Revisionswerber die faktische Anordnungsbefugnis gehabt hatte, den schon früher geschaffenen, aber während seiner Geschäftsführertätigkeit noch aufrechten gesetzwidrigen Zustand zu beheben, und ob er Kenntnis vom Erhebungsbericht vom 26. September 2017, in dem die konsenswidrigen Ablagerungen thematisiert worden waren, gehabt hatte.
2 Im fortgesetzten Verfahren wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 24. Jänner 2024 die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 25. Jänner 2019 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die im Bescheid mit 31. Juli 2019 angegebene Frist für die Durchführung der aufgetragenen Maßnahme mit 31. August 2024 neu festgesetzt werde. Die im angefochtenen Bescheid mit 31. August 2019 angeführte Frist für die Vorlage der Nachweise werde mit 30. September 2024 neu festgesetzt. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Verwaltungsgericht soweit für den vorliegenden Revisionsfall maßgeblich fest, der Revisionswerber sei von 26. Februar 2002 bis 20. März 2015 handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH gewesen. Außerdem sei er ab 13. Juli 2017 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen und er habe die Gesellschaft „selbständig“ vertreten. Ob dem Revisionswerber der Erhebungsbericht vom 26. September 2017 zugegangen sei, könne nicht festgestellt werden; jedoch stehe fest, dass der Revisionswerber Kenntnis vom massiven Handlungsbedarf aufgrund der konsenswidrigen Ablagerungen gehabt habe. Zumindest seit seiner Bestellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Juli 2017 habe er auch wenn er mit seinem Vater Rücksprache gehalten habe Anordnungsbefugnisse gehabt.
4 Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, während der Tätigkeit des Revisionswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH im Zeitraum von 2002 bis 2015 sei sein Aufgabenbereich im Wesentlichen im Bereich der Disposition gelegen. Die wesentlichen Entscheidungen seien nicht von ihm, sondern von seinem Vater getroffen worden, der eine „dominierende Stellung“ gehabt habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Rahmen seiner Anordnungsbefugnisse den verfahrensgegenständlichen „abfallrechtswidrigen Zustand“ herbeigeführt bzw. diesbezügliche Veranlassungen oder Anordnung getroffen habe oder treffen habe können.
5 Anders sei jedoch der Zeitraum ab 2017 zu beurteilen. Der Vater des Revisionswerbers sei erkrankt und habe sich als Geschäftsführer der H GmbH zurückgezogen. Der Revisionswerber habe in dieser Situation wieder die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers übernommen. Auch wenn nicht festgestellt werden könne, dass er alle „Hausforderungen“ des Unternehmens im Detail und umfassend gekannt habe, insbesondere nicht, ob er den Erhebungsbericht vom 26. September 2017 gekannt habe, sei ihm doch bekannt gewesen, dass mehrfach konsenslose Ablagerungen beanstandet worden seien. Dazu habe der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass davon immer wieder „zwischen Tür und Angel“ geredet worden sei. Deshalb wäre der Revisionswerber jedenfalls verpflichtet gewesen, sich entsprechend weiter und detaillierter in Kenntnis zu setzen.
6 Auch habe der Revisionswerber seit 2017 über eine umfassende rechtliche Anordnungsbefugnis verfügt. Selbst wenn er mit seinem Vater vor bzw. über seine Entscheidungen Rücksprache gehalten und sein Vater noch immer eine herausragende Stellung im Gefüge der Gesellschaft gehabt habe, sei sein Vater zu diesem Zeitpunkt kein Gesellschafter der H GmbH mehr gewesen und habe ihm daher keine rechtlich verbindlichen Vorgaben erteilen können. Auch wenn der Vater des Revisionswerbers selbst nach Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeitnoch immer eine „starke Stellung“ gehabt habe, sei nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber seine Organfunktion nicht habe ausüben können. Der Revisionswerber habe seine umfassende rechtliche Anordnungsbefugnis ab 2017 auch faktisch ausüben können und er habe es in Kenntnis der im AWG 2002 gründenden Verpflichtungen unterlassen, dafür zu sorgen, dass die bereits abgelagerten Materialien behandelt werden. Vielmehr hätten in dieser Zeit weitere konsenslose Ablagerungen stattgefunden.
7Vor diesem Hintergrund kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, es lägen die Voraussetzungen dafür vor, dass der Revisionswerber als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002 herangezogen werde.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision macht der Revisionswerber zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe sich bei seinen rechtlichen Erwägungen von seinen eigenen Feststellungen entfernt. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Revisionswerber über eine „faktische Anordnungsbefugnis“ verfügt habe, obwohl gleichzeitig die Feststellungen getroffen worden seien, dass der Vater des Revisionswerbers bis Juli 2017 die grundsätzlichen Entscheidungen in der H GmbH getroffen habe und danach zwar keine Funktion in der Gesellschaft mehr innegehabt, aber immer noch über eine starke Stellung verfügt habe. Überdies habe nicht festgestellt werden können, dass dem Revisionswerber der Erhebungsbericht vom 26. September 2017 bekannt gewesen sei.
14 Dieses Vorbringen des Revisionswerbers ist jedoch schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Annahme einer faktischen Anordnungsbefugnis des Revisionswerbers ab Juli 2017, als dieser wieder die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers übernommen hat, während sein Vater aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, mit den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen unvereinbar sein sollte. Insbesondere geht aus dem angefochtenen Erkenntnis deutlich hervor, dass das Verwaltungsgericht zwar davon ausging, der Vater des Revisionswerbers habe nach seinem krankheitsbedingten Rückzug aus dem Unternehmen im Juli 2017 eine „starke Stellung“ innegehabt und der Revisionswerber habe zu seinen unternehmerischen Entscheidungen mit ihm Rücksprache gehalten. Allerdings bejahte das Verwaltungsgericht gerade dessen ungeachtet das Bestehen einer „faktischen Anordnungsbefugnis“ des Revisionswerbers ab Juli 2017 und gründete diese Annahme unter anderem auf in der vorliegenden Revision nicht bekämpfte Feststellungen über unmittelbar vom Revisionswerber selbst getroffene unternehmerische Entscheidungen (Anordnung der Entfernung von Mulden und Steine; Veranlassung von Asphaltierungen).
15 Weiters behauptet der Revisionswerber, es sei nicht ersichtlich, woraus das Verwaltungsgericht „den Schluss zieh[e]“, der Revisionswerber habe Kenntnis von den konsenslosen Ablagerungen gehabt. Insoweit genügt es darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht diese von ihm getroffene Feststellung beweiswürdigend ausdrücklich darauf stützte, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, darüber sei immer wieder „zwischen Tür und Angel“ geredet worden.
16 Sodann rügt der Revisionswerber die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes insbesondere im Zusammenhang mit den Feststellungen zur bestehenden Anordnungsbefugnis des Revisionswerbers als Geschäftsführer.
17 Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG auf. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. VwGH 3.10.2024, Ra 2024/07/0011, Rn. 18, mwN).
18 Das Vorliegen einer solchen Unvertretbarkeit der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Beweiswürdigung zeigt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision nicht auf. Insbesondere lässt er auch in diesem Zusammenhang außer Acht, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Anordnungsbefugnis des Revisionswerbers zwischen dessen Tätigkeit als Geschäftsführer der H GmbH im Zeitraum von 2002 bis 2015 und im Zeitraum ab 2017 unterschieden hat. Aussagen, die sich auf den erstgenannten Zeitraum bezogen haben, vermögen daher schon aus diesem Grund nicht die Unvertretbarkeit der Annahme des Verwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe im Zeitraum ab Juli 2017 eine tatsächliche Anordnungsbefugnis gehabt, aufzuzeigen. Bezogen auf den Zeitraum ab Juli 2017 führt der Revisionswerber zur Darlegung der Unvertretbarkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung insbesondere seine Aussage ins Treffen, wonach er bestimmte Entscheidungen „nach Rücksprache mit seinem Vater“ getroffen habe. Insoweit wird jedoch nicht aufgezeigt, aus welchem Grund eine vorherige oder nachträgliche Rücksprache der Annahme einer tatsächlichen Anordnungsbefugnis des Revisionswerbers entgegenstehen sollte.
19 Auch ist es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht als unvertretbar anzusehen, dass das Verwaltungsgericht aus tatsächlich vom Revisionswerber getroffenen Entscheidungen auf das Bestehen einer diesbezüglichen Anordnungsbefugnis schließt, zumal dem Revisionswerber als alleinigem handelsrechtlichen Geschäftsführer auch die entsprechenden organschaftlichen Befugnisse zukamen.
20 Im Übrigen findet die Behauptung des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht habe aus seiner Aussage, wonach er nach Rücksprache mit seinem Vater Granitsteine und eine Mulde habe abtransportieren lassen, abgeleitet, dass er Kenntnis vom Erhebungsbericht vom 26. September 2017 gehabt habe, im angefochtenen Erkenntnis keine Deckung. Der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach der Revisionswerber aufgrund von Gesprächen über diverse Überprüfungsverhandlungen „zwischen Tür und Angel“ Kenntnis von konsenslosen Ablagerungen hatte und gegebenenfalls weitere Nachforschungen dazu hätte anstellen müssen, tritt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision nicht entgegen.
21Vor diesem Hintergrund zeigt der Revisionswerber auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht mit der Beurteilung, er sei als „Verpflichteter“ iSd § 73 Abs. 1 AWG 2002 anzusehen und es könne ihm daher die Entfernung und Entsorgung der konsenslos abgelagerten Abfälle aufgetragen werden, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
22Soweit der Revisionswerber schließlich in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, „welche Kriterien und Indizien vorliegen müssen, um einem faktischen Geschäftsführer die Eigenschaft als Verpflichteter iSd § 73 Abs. 1 AWG 2002 in zurechenbarer Weise unterstellen zu können“, genügt es darauf hinzuweisen, dass sich diese Frage im vorliegenden Revisionsfall nicht stellt, weil der Revisionswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH war.
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2024