Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des H A in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2023, W276 2266054 1/3E, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 829,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Entscheidung über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen hatte, brachte der Revisionswerber eine Säumnisbeschwerde ein, die dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt wurde.
3 Mit Beschluss vom 1. Februar 2023 wies das BVwG die Säumnisbeschwerde mangels Glaubhaftmachung des Ablaufes der Entscheidungsfrist zurück.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die gegenständliche Revision.
5 Am 10. Februar 2023 erhob der Antragsteller abermals eine Säumnisbeschwerde, welcher das BVwG mit Erkenntnis vom 3. Juli 2023 Folge gab und dem BFA auftrug, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung einer näher ausgeführten Rechtsanschauung binnen acht Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses zu erlassen.
6 Mit Eingabe vom 17. August 2023 teilte das BFA dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass es mit Bescheid vom 3. August 2023, der dem Revisionswerber am 11. August 2023 zugestellt wurde, über den von ihm gestellten Antrag entschieden und diesen hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt habe.
7 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 30. August 2023, die dem Revisionswerber am 6. September 2023 zugestellt wurde, wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit eingeräumt, zu dem Umstand, dass über seinen Antrag vom BFA bereits entschieden worden sei, Stellung zu nehmen.
8 Mit Stellungnahme vom 14. September 2023 führte der Revisionswerber mit näherer Begründung aus, dass er durch den Beschluss weiterhin beschwert sei.
9Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
10Unter einer „Klaglosstellung“ im Sinn dieser Norm ist nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung der angefochtenen Entscheidung eingetreten ist. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht nur auf die Fälle dieser formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt danach insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hat und somit materiell klaglos gestellt worden ist (vgl. VwGH 6.10.2023, Ra 2023/19/0281, mwN).
11 Die im Verfahren betreffend den Säumnisschutz erhobeneRevision war schon aus den zuvor dargestellten Umständen als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren nach Anhörung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. etwa auch VwGH 27.11.2023, Ra 2023/18/0128, mwN).
12Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
13Fällt bei einer Revision oder einem Fristsetzungsantrag das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
14 Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass der Revision im Fall einer inhaltlichen Entscheidung Erfolg beschieden gewesen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung des Ablaufes der Entscheidungsfrist im Fall einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen grundsätzlich mündlich und persönlich zu stellenden Antrag auf internationalen Schutz den Inhalt der ihm vorgelegten Akten nicht außer Acht lassen darf. Wenn unter Berücksichtigung des AkteninhaltesZweifel auftreten, ob sich ein bestimmtes Geschehen tatsächlich ereignet hat, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, geeignete Ermittlungen durchzuführen, um die obwaltenden Zweifel einer Klärung zuzuführen (VwGH 27.6.2023, Ra 2023/20/0152, mwN).
Solche Zweifel sind fallgegenständlich beim Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen, ist es doch im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass der Revisionswerber am 23. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (vgl. zu einer derartigen Konstellation VwGH 27.6.2023, Ra 2023/20/0152, mwN sowie zur Vorgehensweise bei bestehenden Zweifeln VwGH 14.12.2023, Ra 2023/20/0051). Die weiteren in der Begründung enthaltenen Erwägungen, die sich inhaltlich auf eine vom Bundesverwaltungsgericht als denkbar erachteteAbweisung der Beschwerde nach § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG beziehen, vermögen die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde nicht zu tragen (vgl. erneut VwGH 27.6.2023, Ra 2023/20/0152).
15Dem Revisionswerber war somit der Ersatz der Aufwendungen gemäß § 58 Abs. 2 VwGG unter Berücksichtigung der §§ 47 ff, insbesondere des § 55 zweiter Satz VwGGdas rechtliche Interesse infolge materieller Klaglosstellung ist nach Einbringung der Revision und Einleitung des Vorverfahrens, aber noch innerhalb der gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist weggefallen in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014 zuzuerkennen.
Wien, am 4. September 2024