JudikaturVwGH

Ra 2023/14/0071 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des A J, vertreten durch die Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2023, W184 2254197 1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 13. April 2021 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Fluchtgründe führte er an, dass in Syrien Kriegszustände herrschen würden und er nicht im Krieg kämpfen wolle.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Februar 2022 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Die Behörde erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit der Gültigkeit für ein Jahr.

3 Die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach Abs. 1 ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, mwN).

8 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. neuerlich VwGH Ra 2023/14/0182, mwN).

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0236, mwN).

11 Soweit sich die Revision in ihrem Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit auf Mängel in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses stützt, übersieht sie, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob der Revisionswerber in den Fokus der syrischen Behörden gelangen könnte und damit eine mit maßgeblicher Wahrscheinlich vorliegende Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers bestünde, mit näherer Begründung unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation und seines wehrdienstfähigen Alters darauf gestützt hat, dass eine Einberufung als Soldat oder Wehrdienstleistender nicht glaubhaft dargelegt worden sei. Es führte aus, dass es in Syrien bisher zu keinem Rekrutierungsversuch gekommen sei, oder der Revisionswerber in Syrien einen Einberufungsbefehl erhalten hätte. Aus dem Umstand, dass sich der Revisionswerber nicht einmal das Militärdienstbuch abgeholt habe und er in weiterer Folge auch zu keiner Musterung geladen worden sei, ergebe sich nicht, dass er von besonderem Interesse für syrische oder oppositionelle Milizen wäre, die eine geplante Einziehung zu den syrischen Streitkräften nahelegen würden.

12 Die Revision hält diesen Erwägungen nichts Stichhaltiges auf die Person des Revisionswerbers bezogen entgegen. Sie begegnet den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes mit einzeln aus den Länderberichten herausgegriffenen Passagen und führt aus, der Revisionswerber sei aufgrund seines wehrdienstfähigen Alters von einer Einberufung zum Militärdienst bedroht und es würde im Falle einer Rückkehr nach Syrien folglich auch eine unverhältnismäßige Haft über den Revisionswerber verhängt werden. Letztlich stellt die Revision damit eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios für den Revisionswerber in den Raum und keine für ihn konkret vorliegende Gefahrenlage.

13 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung ist, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 7.12.2022, Ra 2022/20/0076, mwN).

14 Wie bereits ausgeführt, stellt die Furcht vor der Einziehung zum Militärdienst allein oder die bei seiner Verweigerung drohende Bestrafung im Allgemeinen keine asylrelevante Verfolgung dar. Der Revision gelingt es fallbezogen nicht, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt eine Verknüpfung zu einem der Verfolgungsgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK herzustellen und damit darzulegen, dass die fallbezogene Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, das sowohl eine Bestrafung des Revisionswerbers wegen einer Wehrdienstverweigerung als auch eine Einziehung zum Wehrdienst in der syrischen Armee aufgrund der allgemeinen Ausführungen des Revisionswerbers hinsichtlich seiner Rückkehrbefürchtungen als auch aufgrund der aktuellen Länderberichte in der vorliegenden speziellen Konstellation derzeit nicht maßgeblich wahrscheinlich erachtete, unvertretbar wäre (zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. etwa VwGH 7.4.2022, Ra 2020/14/0360, mwN).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2023

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