JudikaturBVwG

I421 2309645-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
25. August 2025

Spruch

I421 2309645-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SUDAN, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 05.02.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2025 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.

II.Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger des Sudan, reiste spätestens am 12.04.2024 illegal nach Österreich ein und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, den er bei der Erstbefragung damit begründete, dass Spannungen zwischen den sudanesischen Streitkräften und den schnellen Unterstützungskräften im Sudan bestehen. Die schnellen Unterstützungskräfte seien bei ihnen zu Hause gewesen und wollten, dass seine Brüder und er für sie kämpfen, sie seien auch mitgenommen worden. Er sei von seinen Kindern und Eltern getrennt worden. Da er nicht kämpfen wollte, sei er geflüchtet.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde oder BFA bezeichnet) legte er bei der niederschriftlichen Einvernahme zu seinem Antrag auf internationalen Schutz seinen sudanesischen Personalausweis und einen Auszug aus dem Personenstandsregister in Original vor. Zum Fluchtgrund gab er an, dass er in Khartum in einer Gegend gelebt habe, wo die Schnellen Unterstützungskräfte die Kontrolle habe und es immer Kampfhandlungen zwischen den Schnellen Unterstützungskräften und dem Militär gegeben habe. Es herrsche Chaos. Die Schnellen Unterstützungskräften hätten im März 2024 versucht, ihn und seine Brüder zu rekrutieren und hätten diese ihn, seine Brüder, seine Eltern und seine Kinder unter Zwang mitgenommen. Seien Rückkehrbefürchtung sei, getötet zu werden, weil es im gesamten Sudan keine Sicherheit gebe.

Mit Bescheid vom 05.02.2025 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan (Spruchpunkt II.) ab. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Sudan festgestellt (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine zweiwöchige Frist gewährt (Spruchpunkt VI.).

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 03.03.2025 wurde vorrangig auf die volatile Situation in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers Bezug genommen. Aufgrund der aktuellen Bürgerkriegssituation wäre der Beschwerdeführer im Sudan in Lebensgefahr. Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen seien veraltet und berücksichtigen nicht die aktuelle Lage, sodass die tatsächliche Rückkehrsituation des Beschwerdeführers unrichtig beurteilt worden sei. Ihm drohe eine asylrelevante Verfolgung durch die RSF – Rapid Support Forces, die versucht habe ihn zwangszurekrutieren und als quasi-staatlicher Akteur angesehen werden könne.

Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.03.2025 zur Entscheidung vorgelegt. Am 06.08.2025 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen wurde. Die belangte Behörde entschuldigte das Fernbleiben eines Vertreters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist sudanesischer Staatsangehöriger, Mitte 30, geschieden und Vater zweier Kinder, die sich im Sudan befinden. Der Beschwerdeführer ist Moslem. Seine Identität steht fest. Er spricht muttersprachlich Arabisch, außerdem Englisch und etwas Deutsch. Er stammt aus Khartum, der Hauptstadt des Sudans. Er wurde in Nigeria geboren, kehrte aber noch im Kleinkindalter mit seinen Eltern in den Sudan zurück, wo er bis zu seiner Ausreise im März 2024 lebte. Er besuchte im Sudan 11 Jahre die Schule, danach hat er als Automechaniker gearbeitet und auch die Ausbildung zum Automechaniker gemacht. Zudem war er als Immobilienhändler tätig. Diese Arbeiten übte er bis zum Ausbruch der Kampfhandlungen im Jahr 2023 aus, von da an bis zur Ausreise im März 2024 lebte er von Erspartem.

Im Sudan leben die Eltern, drei Brüder, die geschiedene Frau und die beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers, wobei der Beschwerdeführer seit seiner Ausreise im März 2024 keinen Kontakt zu diesen hat und auch nicht weiß, wo sie sich aufhalten.

Der Beschwerdeführer hat den Sudan mit einem Reisepass und einem Personalausweis auf dem Landweg nach Ägypten verlassen. Von Ägypten reiste er per Flugzeug nach Bosnien, wo er schlepperunterstützt einen Flug nach Dubai mit Zwischenlandung in Wien buchte. In Wien verließ er das Flugzeug, entsorgte seinen Reisepass und stellte den verfahrensgegenständlichen Asylantrag.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig. Angehörige in Österreich hat er nicht. Er hat im Bundesgebiet keine Sorgepflichten, bezieht Leistungen der Grundversorgung, ist nicht erwerbstätig und befindet sich in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer hat den Sudan wegen des Krieges und der allgemein dort gegebenen sehr schlechten wirtschaftlichen Lage, Sicherheits- und Versorgungslage verlassen. Er wird im Sudan weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden. Insbesondere droht dem Beschwerdeführer im Sudan weder vonseiten der RSF, noch von staatlicher Seite eine Verfolgung, weil eine Konfliktpartei ihm die Unterstützung der jeweils anderen vorwerfen würde.

1.3. Zur Lage im Sudan:

1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (auszugsweise soweit entscheidungsrelevant) wiedergegeben:

1.3.1.1. Politische Lage

Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärische Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).

Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).

Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front – RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen – das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People’s Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).

Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in XXXX durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).

Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).

Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country_report_2022_SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023

EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023

UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.1.2. Sicherheitslage

Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).

Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Khartum operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).

Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).

Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).

Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).

Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).

Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).

Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).

Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).

Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).

Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).

Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024

AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023

BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 2.2.2024

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024

EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023

RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+-+October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

1.3.1.3. Sicherheitsbehörden

Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).

Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).

Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren (AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).

Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau, (CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).

Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.4.2023): Sudan: Political Process to Form a Transitional Government and Shifting Disorder Trends, https://acleddata.com/2023/04/14/sudan-situation-update-april-2023-political-process-to-form-a-transitional-civilian-government-and-the-shift-in-disorder-trends/, Zugriff 31.10.2023

AI - Amnesty International (24.4.2023): Sudan: Kein Ende des Leids für die Zivilbevölkerung, https://www.amnesty.at/presse/sudan-kein-ende-des-leids-fuer-die-zivilbevoelkerung/, Zugriff 31.10.2023

AJ - Al Jazeera (16.4.2023): Sudan unrest: What are the Rapid Support Forces?, https://www.aljazeera.com/news/2023/4/16/sudan-unrest-what-is-the-rapid-support-forces, Zugriff 31.10.2023

CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023

UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1162778/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 31.10.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.1.4. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).

Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).

UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).

Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 13.12.2023

BS 2022 - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 Country Report – Sudan, https://bti-project.org/en/reports/country-report/SDN#pos0, Zugriff 2.11.2023

FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (17.08.2023): UN experts alarmed by reported widespread use of rape and sexual violence against women and girls by RSF in Sudan, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/08/un-experts-alarmed-reported-widespread-use-rape-and-sexual-violence-against, Zugriff 3.11.2023

OMCT - OMCT World Organisation Against Torture (30.8.2021), Sudan: Will the Convention against Torture prompt a better detention system?, https://www.omct.org/en/resources/statements/sudan-will-the-convention-against-torture-prompt-a-better-detention-system, Zugriff 2.11.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.1.5. Wehrdienst und Rekrutierungen

Laut dem weiterhin gültigen „Gesetz über den Nationalen Dienst“ aus 2013, besteht für Männer eine einjährige Dienstpflicht (AA 1.62022). Betroffen sind alle im Alter von 18 bis 33 Jahren (CIA 1.11.2023). Dieser Nationaldienst kann bei der Polizei, bei den SAF, aber auch als Ersatzdienst bei anderen staatlichen Organisationen abgeleistet werden. Für Universitätsabsolventen bestimmter Fachrichtungen, insbesondere Ärzte und Apotheker, ist diese Ersatzpflicht obligatorisch (AA 1.6.2023). Die gesetzlich bestehende Wehrpflicht für Frauen (CIA 1.11.2023) wird in der Praxis häufig nicht durchgesetzt. Frauen müssen zwar ein einjähriges „soziales Jahr“ absolvieren, wobei dieses de facto auch nur Studentinnen bestimmter Fachrichtungen (z. B. Medizin, Buchhaltung) betrifft (AA 1.6.2022).

Das Gesetz verbietet die Rekrutierung von Kindern und sieht strafrechtliche Sanktionen für die Täter vor. Nach wie vor bestehen jedoch Behauptungen, dass bewaffnete Oppositionsbewegungen Kindersoldaten rekrutieren und in ihren Reihen unterhalten (USDOS 20.3.2023). Seit 2015 haben die UN keine Fälle dokumentiert, in denen die SAF Kindersoldaten rekrutiert oder eingesetzt hat (AA 1.6.2022), UN-Experten sind jedoch weiterhin über solche Rekrutierungen besorgt (OHCHR 16.10.2023). Die SAF wurde 2018 von der UN-Liste, die Staaten und Akteure anführt, die Kindersoldaten rekrutieren, gestrichen. Immer wieder hört man, dass die RSF auch Minderjährige rekrutieren (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023

FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.10.2023), Sudan: UN expert warns of child recruitment by armed forces, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/10/sudan-un-expert-warns-child-recruitment-armed-forces, Zugriff 7.11.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.1.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).

Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).

Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 7.11.2023

UNSC - UN Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Sudan, Zugriff 7.11.2023

1.3.1.7. Minderheiten

Die Bevölkerung umfasst mehr als 500 ethnische Gruppen, die zahlreiche Sprachen und Dialekte sprechen. Einige dieser ethnischen Gruppen bezeichnen sich selbst als Araber und berufen sich dabei auf ihre Sprache oder andere kulturelle Merkmale. In Konfliktregionen gibt es immer wieder Fälle interethnischer Gewalt. 2022 gab es mehrere Berichte über Hassreden und diskriminierende Äußerungen, die nach der Ernennung ziviler Gouverneure zunahmen, ebenso interkommunale Spannungen (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine Gesetze, die Frauen oder Angehörige von Minderheiten daran hindern, zu wählen oder anderweitig am politischen Leben teilzunehmen; und sie beteiligen sich auch (USDOS 20.3.2023).

In Blue Nile, der Grenzregion zu Äthiopien, welche von der SPLA/M-North) regiert wird, forderten Zusammenstöße zwischen den ethnischen Gruppen der Hausa und der Birta schon über 100 Menschenleben und führten zu einer massiven Vertreibung in der Region (HRW 12.1.2023). Im Oktober 2022 wurden dort bei Kämpfen zwischen ethnischen Gruppen innerhalb von zwei Tagen mindestens 220 Menschen getötet. Laut UN gab es in diesem Bundesstaat ab Juli immer wieder schwere interethnische Auseinandersetzungen, bei denen mindestens 359 Menschen getötet und 469 verletzt wurden – sowohl Personen, die an den Kämpfen beteiligt waren, als auch unbeteiligte Zivilpersonen. Aufgrund der Kämpfe wurden mehr als 97.000 Zivilpersonen vertrieben. Die Regierung des Bundesstaats Blue Nile verhängte einen 30-tägigen Ausnahmezustand und verbot Versammlungen (AI 28.3.2023).

Quellen:

AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.1.7. Rückkehr

Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen gefährdeten Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 20.3.2023).2021 kehrten knapp 800 sudanesische Flüchtlinge aus Niger, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko, Somalia und Dschibuti zurück, so die IOM. 2022 registrierte die IOM einen starken Anstieg. Rückkehrende können durch IOM betreut werden, sofern sie dies wünschen (AA 1.6.2022).

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) hat keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der nach Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat nach Erkenntnissen des AA bisher nicht zu staatlichen Repressionen geführt (AA 1.6.2022). Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei der Rückkehr. Das gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer. Selbst Personen, die im Ausland Asyl erhalten haben, können in den Sudan zurückkehren, wie im Sudan lebende Betroffene berichten. Mit erhöhter Aufmerksamkeit der Behörden, d.h. zusätzlichen Fragen bei der Einreise, müssen Personen, deren politisches Engagement bekannt ist, bisweilen rechnen. Für Personen, die aus Europa zurückkehren und nicht öffentlich gegen die Regierung auftraten, besteht dieses Risiko im Regelfall nicht (AA 1.6.2022).

Der UNHCR fordert in Anbetracht der derzeit instabilen Lage im Sudan Aufnahmestaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Asylanträge von sudanesischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen auszusetzen. Die Aussetzung sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage im Sudan stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation vorliegen, um die Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes für einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können (RW 5.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

RW – RefWorld (5.2023): Sudan: UNHCR Position on Returns to Sudan, https://www.refworld.org/docid/6450e5814.html?

__cf_chl_tk=qdbnqk0NdHgZHAH7JKbl0k3Ooa.Nr7mClilcr3wPodc-1705498540-0-gaNycGzNDaU, Zugriff 13.12.2023

USDOS - United States Department of State (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

1.3.2. UNHCR-Position zur Rückkehr in den Sudan (auszugsweise):

All claims of Sudanese nationals, as well as claims of stateless persons who were habitual residents of Sudan, who apply for international protection should be processed in fair and efficient procedures in accordance with international and regional refugee law. UNHCR considers that persons fleeing the ongoing conflict in Sudan, as well as Sudanese nationals who are outside the country and who cannot return there because of the conflict, are likely to be in need of international refugee protection under Article 1(2) of the 1969 OAU Convention, or under the Cartagena Declaration; or complementary forms of protection including subsidiary protection under Article 15(c) of the EU Qualification Directive. In addition, persons fleeing the conflict in Sudan or who cannot return because of the conflict may also meet the 1951 Convention criteria for refugee status.

In view of the volatility of the situation in the entire territory of Sudan, UNHCR does not consider it appropriate to deny international protection to Sudanese and former habitual residents of Sudan on the basis of an internal flight or relocation alternative.

Quelle:

UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), Position on Returns to Sudan, May 2023, https://www.refworld.org/policy/countrypos/unhcr/2023/en/124252, Zugriff am 27.02.2025

1.3.3. EUAA-Bericht über humanitäre Krise im Sudan:

The EUAA has just published two new COI reports, a Country Focus and a Security Situation report on Sudan. Conflict-related violence has had a particular impact on women and girls, as well as perceived political opponents, while famine has been declared in at least five parts of the country. The Agency’s new reports come as over 10 000 Sudanese nationals sought asylum in EU+ countries in 2024.

The European Union Agency for Asylum (EUAA) has just published two Country-of-Origin Information (COI) reports on Sudan, including on the security situation as well as an updated Country Focus report that builds on an earlier report from April 2024. Since the beginning of the conflict in 2023, Sudan has been plunged into severe instability leading to the world’s largest internal displacement crisis – with over 11 million people displaced.

Over the past 20 months, indiscriminate violence has affected large portions of the country. The situation is severely worsened by acute food insecurity affecting over 25 million people, and famine has been declared in at least five areas of the country. Food deprivation and sexual violence have also been systematically used as weapons against civilians.

Conflict-related violence has targeted large sections of the civilian population, in particular women and girls, non-Arab Africans in Darfur and Nuba in South Kordofan, journalists and media personnel, humanitarian and health personnel and perceived political opponents. The use of child soldiers has also been documented. Despite international appeals – including from the EU – urging the warring parties to uphold their obligations under international humanitarian law, the civil war continues.

Meanwhile, the conflict remains largely underreported. A crackdown on local media outlets, and repeated communication blackouts, have severely hindered reporting capabilities across the country, making the conflict in Sudan a ‘forgotten war’.

EU Asylum situation for Sudanese nationals

In 2024, Sudanese nationals lodged over 10 000 applications for international protection in the EU+. Throughout the year, Sudanese applications followed an upward trend and with the highest number of monthly applications received in November 2024 (1 100). Almost all (95 %) were first-time applicants. France was the main receiving country for Sudanese nationals, followed at a distance by Greece and Germany.

In 2024, EU+ countries issued approximately 6 300 decisions at first instance on Sudanese applications, with 74 % of the decisions granting refugee status and subsidiary protection (which was up from 66 % in 2023). At the end of the year, there were nearly 7 700 cases pending at first instance, which was up by around 1 900 cases compared to December 2023.

Quelle:

https://euaa.europa.eu/news-events/sudan-faces-unprecedented-humanitarian-crisis-amid-ongoing-forgotten-war, Zugriff am 27.02.2025

Zahlreiche Medien berichten aktuell über die humanitäre Lage im Sudan, so ORF-online am 20.08.2025:

Hilfskonvoi im Sudan unter Beschuss geraten

20. August 2025, 21.44 Uhr

Im Sudan ist gestern ein Hilfskonvoi des Welternährungsprogramms (World Food Programme/WFP) angegriffen worden. Drei der 16 Lastwagen wurden bei dem Vorfall im Bundesstaat Nord-Darfur beschädigt und fingen Feuer, wie ein Sprecher des WFP der Nachrichtenagentur AFP sagte. Es seien aber alle Mitarbeiter in Sicherheit.

Der Hilfskonvoi wurde den Angaben zufolge in der Nähe der Stadt Mellit angegriffen, deren Einwohnerinnen und Einwohner von einer schlimmen Hungersnot betroffen sind. Der WFP-Sprecher machte keine Angaben zu den mutmaßlichen Angreifern.

Größte Hunger- und Flüchtlingskrise der Welt

Die Armee von Militärherrscher Fattah al-Burhan und die RSF-Miliz seines früheren Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo liefern sich seit April 2023 einen blutigen Machtkampf im Sudan. Der Norden und der Osten des Landes sind weitestgehend unter der Kontrolle der Militärregierung. Die RSF kontrolliert große Gebiete des Südens und fast die komplette Region Darfur im Westen des Landes.

Der Konflikt im Sudan hat die größte Hunger- und Flüchtlingskrise der Welt ausgelöst. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR wurden in den vergangenen zwei Jahren Zehntausende Menschen getötet und mehr als 14 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben. Beide Konfliktparteien werden beschuldigt, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen und humanitäre Hilfe zu behindern oder zu plündern.

https://orf.at/stories/3403087/

Die Zeitschrift „Die Zeit“ berichtet in einem Artikel vom 21.08.2025 zum Sudan https://share.google/0sjVPCLEnZV6Ku3l6:

Der Krieg hat nach Angaben der UN die größte humanitäre Krise der Welt ausgelöst. Vor allem die wachsende Zahl schwer unterernährter und hungernder Menschen im Sudan sei schockierend. Es müsse sichere Routen für humanitäre Konvois und Helfer geben, forderte die ALPS-Gruppe. Zivilisten müsse es möglich sein, Gefahrenzonen sicher zu verlassen und Hilfe zu suchen. Die Konfliktparteien wurden dazu aufgerufen, zu ihren Verpflichtungen von Mai 2023 zu stehen, in denen es um die Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts und den Schutz von Zivilisten geht.

Mehr als zwölf Millionen Menschen auf der Flucht

Im Sudan sind seit Beginn des Bürgerkriegs im April 2023 mehr als zwölf Millionen Menschen auf der Flucht. Fast 25 Millionen Menschen, das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung, haben nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) nicht genug zu essen. Insbesondere Gebiete in Nord-Darfur sind seit Monaten von Versorgungsrouten abgeschnitten.

Die Zeitschrift „DER SPIEGEL“ berichtet am 23.08.2025 unter dem Titel »Die Menschen essen Blätter und Wurzeln. Und Tierfutter« zum Sudan von bestehender Hungersnot und der desaströsen Versorgungs- und Sicherheitslage im Land.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes, ebenso die Feststellungen, soweit nicht unten eigens darauf eingegangen wird. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, sowie am 06.08.2025 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Glaubenszugehörigkeit, seinen Angehörigen und deren Verbleib gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Es war festzustellen, dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers Khartum ist, er zwar in Nigeria geboren wurde, aber bereits als Kleinkind mit den Eltern in den Sudan zurückkehrte, wo er aufwuchs und bis März 2024 lebte, wie er dies bei der Einvernahme vor der belangten Behörde und auch in der mündlichen Verhandlung schilderte. Aufgrund der vorgelegten sudanesischen Identitätskarte steht auch die Identität des Beschwerdeführers fest (AS 255 u 267).

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Wie bereits beim BFA vermochte der Beschwerdeführer auch im Beschwerdeverfahren kein plausibles Geschehen darzulegen, das ihn zur Flucht aus Konventionsgründen veranlasste oder aus solchen Gründen zum Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates veranlasst.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S 9f) zum fluchtauslösenden Ereignis im Wesentlichen an, er sei mit seinen Brüdern und seinen beiden Kindern bei seinen Eltern im Elternhaus gewesen, als in der Früh Kämpfer der RSF mit mehreren Autos zu ihnen gekommen seien. Diese hätten alle Personen mitgenommen, auch seine Eltern und seine beiden Kinder. Er und seine Familie seien zu einem nicht weit entfernten Haus gebracht und dort getrennt worden. Die RSF-Kämpfer hatten zu ihm und seinen Brüdern gesagt, sie müssten gemeinsam mit ihnen kämpfen, oder es würden die Eltern getötet. Der Beschwerdeführer habe zu den RSF-Kämpfern gesagt, seine Kinder seien klein und bräuchten Sachen aus dem Elternhaus, die erholen müsse. Seine Brüder hätten zu ihm gesagt, sollte ihm das erlaubt werden, solle er nicht zurückkehren. Das sei gestattet worden und sei er von einem RSF-Kämpfer zum Elternhaus gefahren worden. Der Beschwerdeführer habe dort zu diesem gesagt, er bräuchte Zeit, um die Sachen zu finden, dieser solle schon vorher zurückkehren, sie hätten ja seine Eltern und Kinder. So habe er den RSF-Soldaten überredet, ihn alleine zu lassen. Der Beschwerdeführer habe dann seine Papiere und sein Geld gesucht, dieses und etwas Kleidung genommen und habe die Flucht angetreten. Diese Schilderung des Beschwerdeführers zum fluchtauslösenden Ereignis ist nicht glaubhaft. Aus den Länderbericht zum Sudan und aus zahlreichen Medienberichten zum Bürgerkrieg im Sudan ergibt sich, dass (auch) RSF-Kämpfer schwerste Verbrechen, wie willkürliche Tötungen, Vergewaltigungen und sexuelle Ausbeutung, Verschleppungen und Versklavung, auch von Kindern, zu verantworten haben. Es ist nicht glaubhaft, dass Soldaten dieser völlig verrohten und verbrecherischen Einheiten, den Beschwerdeführer in sein Elternhaus zurückfahren, damit er Kleidung für seine kleinen Kinder holen könne. Dass diese Kämpfer den entführten Beschwerdeführer nur von einem Mann begleiten ließen, welcher zudem noch das Fahrzeug zu lenken hatte, ist ebenso nicht glaubhaft, da keine erforderliche Überzahl gegeben gewesen wäre, um den Beschwerdeführer zu kontrollieren. Dazu wären außer dem Fahrer noch mindestens zwei Bewacher erforderlich gewesen. Schließlich ist gänzlich unglaubwürdig, dass der RSF-Kämpfer den Beschwerdeführer alleine im Elternhaus zurückgelassen habe, weil ihm die Kleidersuche zu lange dauerte und er darauf vertraute, dass der Beschwerdeführer zu seinen Kindern zurückkommen werde. Dass eine entführte Person, in der vom Beschwerdeführer geschilderten Situation, flüchten wird oder sich möglicherweise bewaffnen und so, vielleicht mit Freunden oder Verwandten zu den Entführern zurückkehren wird, um seine Familie zu befreien, ist naheliegend. Ein RSF-Soldat hätte, den Beschwerdeführer keinesfalls unbeaufsichtigt in dessen Elternhaus zurückgelassen. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer den Sudan nicht wegen Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verlassen hat. Vielmehr hat der Beschwerdeführer den Sudan wegen der allgemein volatilen Lage aufgrund des Krieges im Jahr 2024 verlassen.

Somit liegen keine Hinweise auf eine Verfolgung vor, die er im Sudan deswegen oder sonst aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung erlitten oder zu befürchten hätte.

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat entstammen dem Länderinformationsblatt und dessen angeführter Ergänzung samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Bericht stützt sich auf Angaben verschiedener ausländischer Behörden, etwa die Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Ergänzend wurden die UNHCR-Position und ein aktueller EUAA-Bericht vom 12.02.2025 ins Verfahren eingeführt, um die Lage beinahe tagesaktuell abbilden zu können und den Vorwurf in der Beschwerde aufzugreifen, es seien keine aktuellen Länderfeststellungen herangezogen worden.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Berichte zur Lage im Sudan mit dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung erörtert (VH-Protokoll S 11). Dazu verwies die Rechtsvertretung auf die Stellungnahme vom 04.08.2025. Der Beschwerdeführer erklärte, dass die Ausführungen des Richters zur Lage im Sudan zutreffend sind. Den herangezogenen Länderfeststellungen wurde somit nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschluss-gründe vorliegt.

Als Flüchtling im Sinne dieser Bestimmung der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Für Staatenlose gilt das, wenn sie sich infolge der genannten Umstände außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, dorthin zurückzukehren.

Einem Antragsteller muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH 03.10.2023, Ra 2023/14/0071).

Der Beschwerdeführer hat eine einzige explizit gegen ihn als Person gerichtete Verfolgungshandlung, nämlich die behauptete Entführung durch Angehörige der RSF-Einheiten vorgebracht. Staatliche Verfolgung aus anderen Gründen hat der Beschwerdeführer schon bei seiner Einvernahme beim BFA verneint (AS 242f). Das Gericht erachtet diesen geschilderten Sachverhalt – Entführung durch RSF-Einheiten - aus den in der Beweiswürdigung geschilderten Gründen für nicht glaubhaft. Die vom Beschwerdeführer allgemein gehaltenen Rückkehrbefürchtungen wegen des Bürgerkriegszustandes treffen ihn nicht anders, als die restliche Bevölkerung des Sudans und sind die Auswirkungen unter dem subsidiären Schutz zu prüfen.

Da auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers auch sonst nichts in den Feststellungen hinweist, ist es also nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt werden würde, womit ihm den Feststellungen nach keine Verfolgung aus Gründen der GFK droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten; Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg. cit. offen steht.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; VwGH 31.05.2005, 2005/20/0095, VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Aus den in der Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Berichten und den in dieser Entscheidung genannten aktuellen Medienberichten lässt sich die nach wie vor volatile Lage aufgrund des Kriegs erkennen und stellt sich die Lage im Sudan als derart schlecht dar, dass in den letzten 20 Monaten weite Teile des Landes von wahlloser Gewalt heimgesucht worden sind und sich die konfliktbedingte Gewalt gegen große Teile der Zivilbevölkerung richtet. Die Situation wird durch die akute Ernährungsunsicherheit, von der über 25 Millionen Menschen betroffen sind, noch verschärft, und in mindestens fünf Gebieten des Landes wurde die Hungersnot ausgerufen. Unter anderem wird Nahrungsentzug systematisch als Waffe gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Dies schilderte auch der Beschwerdeführer nachvollziehbar in der heutigen Verhandlung, als seine Arbeitsstelle eingekesselt und nur einmal am Tag mit Nahrung versorgt wurde. Von all dem wird auch der Beschwerdeführer betroffen sein und kann er sich – übereinstimmend mit den Empfehlungen von UNHCR – nicht in einen anderen Landesteil zurückziehen, da nicht nur seine Herkunftsregion betroffen ist, sondern sich die Lage im ganzen Land derart darstellt.

Den UNHCR Richtlinien ist besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“) (vgl. etwa VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114, Rn. 9, mwN). Die Verpflichtung zur Beachtung der sowohl vom UNHCR als auch von der EASO herausgegebenen Richtlinien ergibt sich aus dem einschlägigen Unionsrecht (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, Rn. 21ff). Gemäß Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) sind zwecks angemessener Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa EASO und UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschrechtsorganisationen einzuholen, die Aufschluss über die allgemeine Lage insbesondere in den Herkunftsstaaten der Antragsteller geben. Speziell im Zusammenhang mit der Prüfung des internen Schutzes im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) ordnet Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie an, dass unter anderem bei der Prüfung der Frage, ob die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden (vgl. VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0457). Diese Berichte sind vom BFA außer Acht gelassen worden.

UNHCR ist der Ansicht, dass Personen, die vor dem anhaltenden Konflikt im Sudan fliehen, sowie sudanesische Staatsangehörige, die sich außerhalb des Landes befinden und aufgrund des Konflikts nicht dorthin zurückkehren können, wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz oder ergänzende Formen des Schutzes, einschließlich subsidiären Schutzes benötigen. Darüber hinaus können Personen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen oder aufgrund des Konflikts nicht zurückkehren können, auch die Kriterien der GFK für den Flüchtlingsstatus erfüllen.

Da eine individuelle Verfolgung im Sinne der GFK verneint wurde und dem Beschwerdeführer daher nicht der Status des Asylberechtigten zukommen kann, war ihm vor dem Hintergrund der UNHCR- und EASO-Empfehlungen aufgrund der instabilen und volatilen Sicherheits- und Versorgungslage im Sudan der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Bei einer Rückkehr in den Sudan ist eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK (auch im Hinblick auf die aktuellen Medienberichte) maßgeblich wahrscheinlich. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war gleichzeitig auszusprechen, dass ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist.

Mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verlieren die übrigen Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ihre Grundlage und waren diese ersatzlos zu beheben (Punkt III. des Tenors).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur notwendigen Einholung von aktuellen Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa EASO und UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschrechtsorganisationen sowie deren Indizwirkung ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.