JudikaturBVwG

I419 2272444-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2025

Spruch

I419 2272444-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, gesetzlich vertreten durch BH XXXX , vertreten durch Dr. Thomas Beck etc. sowie RAe Mag. Georg Bürstmayr und Mag. Ralf Niederhammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.04.2023, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA dem Spruch zufolge einen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend den Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I), zuerkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II und III).

2. Gegen Spruchpunkt I richtet sich die Beschwerde, in der vorgebracht wird, der Beschwerdeführer müsse, wenn er älter werde, in der Armee mitkämpfen und im Fall einer Rückkehr mit seiner Verhaftung rechnen.

3. Das Erkenntnis dieses Gerichts vom 20.03.2024, mit dem Spruchpunkt I ersatzlos aufgehoben wurde, behob der Verwaltungsgerichtshof (28.05.2025, XXXX ).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein minderjähriger, lediger Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er spricht Arabisch als Muttersprache. Im Herkunftsstaat wurde er in XXXX ( XXXX , XXXX oder XXXX , XXXX ) im Unterbezirk XXXX des Bezirks XXXX in der Provinz XXXX geboren, das ca. 30 km südlich der Stadt XXXX liegt. Nach einem Angriff der Al-Nusra-Front auf in XXXX am 03.04.2016 zog er mit seiner damals seit kurzem verwitweten Mutter und acht Geschwistern in die Türkei, wo er drei Jahre lang die Schule besuchte. Im Herkunftsstaat hatte er dies nur etwa einen Monat lang getan.

Im September 2021 brach er mit seinem jüngsten volljährigen Bruder auf, um in den Niederlanden Asyl zu beantragen, weil dieser davon ausging, dass dort anschließend eine Familienzusammenführung „leichter“ zu erreichen sei. Anschließend gelangten die beiden illegal nach Griechenland und im Oktober 2021 über Ungarn ebenso nach Österreich, wo sie sogleich internationalen Schutz beantragten.

Seither befinden sie sich in Österreich, wo das BFA dem Bruder den Status des Asylberechtigten zuerkannte. Außer diesem, der gut Mitte 20 ist, hat der Beschwerdeführer keine Angehörigen in der EU. In der Türkei halten sich seine Mutter mit etwa Mitte 40 sowie zwei Brüder, ca. 10 Jahre und Mitte 20, und fünf Schwestern im Alter von ca. 20 bis Ende 20 auf. Mit diesen Angehörigen ist er in Kontakt.

Der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist an dem im Spruch genannten Tag geboren, besucht in Österreich eine Schule, wofür er ausreichende Deutschkenntnisse aufweist, und ist gesund sowie arbeitsfähig.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Syrien mit Stand 29.12.2022 zitiert. Derzeit steht ein am 08.05.2025 erschienenes zur Verfügung (Version 12). Das Gericht berücksichtigt auch die Position des UNHCR und die „Interim Country Guidance: Syria“ der EUAA (unten 1.2.2).

Im gegebenen Zusammenhang sind davon die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst (Stand 3.12.2024)

In der syrischen Verfassung von 2012 wurde die Wehrpflicht im Artikel 46 festgehalten. Darin stand, dass die Wehrpflicht eine heilige Pflicht ist, die durch Gesetze geregelt wird. Im zweiten Absatz stand, dass die Verteidigung der territorialen Integrität des Heimatlandes und die Wahrung der Staatsgeheimnisse Pflicht eines jeden Bürgers sind (SeG 24.2.2012). Männliche syrische Staatsbürger unterlagen grundsätzlich ab dem Alter von 18 Jahren dem verpflichtenden Wehrdienst für die Dauer von sieben Jahren. Unter 18-Jährige wurden von der syrischen Armee nicht eingezogen (ÖB Damaskus 2023). Im Gesetzesdekret Nr. 30, das 2007 erlassen worden ist, wurde der Wehrdienst gesetzlich geregelt. Die Dauer des Wehrdienstes betrug 24 Monate. Die Wehrpflicht begann am ersten Tag des Monats Jänner des Jahres, in dem der Bürger das achtzehnte Lebensjahr vollendete und endete in dem Jahr, in dem der Wehrpflichtige das zweiundvierzigste Lebensjahr überschritt oder er wurde von der Wehrpflicht befreit (PoS 12.5.2007). Laut Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Damaskus betrug die offizielle Wehrdienstzeit 2,5 Jahre. Danach musste man noch Reservedienst leisten. Dieser dauerte seit Ausbruch der Krise im Jahr 2011 oft bis zu sieben oder acht Jahre, sodass viele insgesamt zehn bis zwölf Jahre Wehrdienst leisten mussten (VA der ÖB Damaskus 22.9.2024). Bis vor den Fall des Regimes dauerte die Wehrdienstzeit oft nur mehr 6 oder 6,5 Jahre lang (OrthoPatSYR 22.9.2024). [...]

Eine Ausgleichszahlung in Höhe von 3.000 US-Dollar konnte jener Wehrpflichtige bezahlen, der für den fixen Dienst vorgesehen war (SeG 8.11.2020). Ebenfalls wurde eine finanzielle Ausgleichszahlung von allen syrischen Staatsbürgern und Gleichgestellten akzeptiert, die der Wehrpflicht unterlagen und außerhalb der Arabischen Republik Syrien lebten (PoS 12.5.2007). Die Zahlung variierte je nach Dauer des Auslandsaufenthaltes: 7.000 US-Dollar für Wehrpflichtige, wenn der Wehrpflichtige mindestens vier Jahre vor oder nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters im Ausland gelebt hatte, 8.000 US-Dollar, wenn der Wehrpflichtige mindestens drei Jahre, aber weniger als vier Jahre vor oder nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters im Ausland gelebt hatte, 9.000 US-Dollar, wenn der Wehrpflichtige mindestens zwei Jahre, aber weniger als drei Jahre vor oder nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters im Ausland gelebt hatte, 10.000 US-Dollar, wenn der Wehrpflichtige mindestens ein Jahr, aber weniger als zwei Jahre vor oder nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters im Ausland gelebt hatte, 3.000 US-Dollar, wenn der Wehrpflichtige im Ausland geboren wurde und dort oder in einem anderen Land dauerhaft und ununterbrochen bis zum Erreichen des wehrpflichtigen Alters gelebt hatte, 6.500 US-Dollar, wenn der Wehrpflichtige im Ausland geboren wurde und dort mindestens zehn Jahre vor Erreichen des wehrpflichtigen Alters gelebt hatte. Von Letzterem wurden 500 US-Dollar abgezogen für jedes zusätzliche Jahr Aufenthalt im Ausland bis zu einem Maximum von 17 Jahren (SeG 8.11.2020). Diese Ausgleichszahlung war einmalig zu bezahlen. Das Geld, das durch diese Ausgleichszahlungen eingenommen wurde, geht auf das Konto des Verteidigungsministeriums auf der syrischen Zentralbank und wurde in das Jahresbudget übernommen (VA der ÖB Damaskus 22.9.2024). [...]

1.2.2 Der Position des UNHCR von Dezember 2024 ist (übersetzt) zu entnehmen: Zurzeit ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; umfangreiche Binnenvertreibungen, die Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten, eine zerstörte Wirtschaft und eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, da bereits vor den jüngsten Entwicklungen über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigten. [...]

In der Information der EUAA von Juni 2025 heißt es (übersetzt): Ende November 2024 starteten die syrischen Rebellen unter der Führung von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) eine bedeutende Offensive, die am 8. Dezember 2024 zum Sturz des Assad-Regimes führte. Die Rebellen eroberten rasch wichtige Städte, darunter Aleppo, Hama und Damaskus, was zum Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie führte, die daraufhin ins Ausland floh. [...]

Die Übergangsregierung hat die Wehrpflicht abgeschafft, außer in Situationen des nationalen Notstands. Die syrische Armee soll zu einer Freiwilligenarmee werden, zu der die Bevölkerung ermutigt werden soll, sich zu beteiligen, um die Grenzen des Landes zu sichern.

Eine Einberufungskampagne im Falle eines nationalen Notstands ist jedoch nicht ausgeschlossen. Obgleich keine Quellen über die Einberufung durch die Übergangsverwaltung berichten, ist darauf hinzuweisen, dass die Einberufung selbst, die ein legitimes Recht eines Staates ist, im Allgemeinen nicht den Anforderungen von Artikel 9 Status-RL entspricht. [...]

1.3 Zum Fluchtvorbringen:

1.3.1 Beim BFA hat der Beschwerdeführer (dessen Erstbefragung unterblieben war) in Anwesenheit seiner Vertretung angegeben, sie hätten in Syrien nicht mehr leben können; ihr Haus sei bombardiert worden und deswegen zwei seiner dabei verletzten Brüder später in XXXX verstorben. Die syrische Armee habe seine weiteren Brüder M. und R. bereits aufgefordert, sich ihr anzuschließen. Wie diese Brüder davon Kenntnis bekamen, wisse er nicht.

Im Fall einer Rückkehr müssten seine Brüder sicher zur Armee. Wenn er älter werde, habe er vermutlich auch mitzukämpfen. Er fürchte Krieg und Bombardierung. Auch würde er vermutlich von der syrischen Armee verhaftet werden. In Österreich habe er Deutsch gelernt und gehe seit einem Jahr in die Schule.

1.3.2 In einer Stellungnahme wurde anschließend vorgebracht, der Beschwerdeführer sei bei der Einvernahme erst 14 gewesen und in der Türkei nur drei Jahre in die Schule gegangen. Das und seine Traumatisierung seien zu berücksichtigen. Er habe Syrien unter anderem wegen der ihm drohenden Einberufung zum Wehrdienst verlassen. „Neben einer Zwangsrekrutierung durch diverse Kriegsparteien sowie der syrischen Armee“ hätten drei Brüder, die sich im wehrfähigen Alter befänden, Syrien wegen einer drohenden Einberufung verlassen. Familienangehörige könnten allein aufgrund der Verwandtschaft mit dem Flüchtling in der Regel gefährdet sein, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein könnte.

Auf ihn treffe keine der im Länderinformationsblatt angeführten Ausnahmen vom Wehrdienst zu, der für Männer zwischen 18 und 42 Jahren verpflichtend sei. Von Jänner bis November 2020 seien 813 Kinder rekrutiert und eigesetzt worden. Zwangsrekrutierungen von Kindern habe es auch durch das syrische Regime und regimenahe Milizen gegeben. Bei einer Wiedereinreise des Beschwerdeführers würde das Regime „aufdecken“, dass dessen Bruder sich in Österreich aufhalte, weswegen dem Beschwerdeführer zusätzlich Verfolgung wegen seiner Familienzugehörigkeit drohe. Somit hätte er mit einer Verfolgung durch den Staat wegen der auch ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung zu rechnen.

1.3.3 In der Beschwerde wird vorgebracht, beim Beschwerdeführer bestehe das reale Risiko, bei einer Einreise verhaftet zu werden. Die Haft wäre, wenn er nicht unmittelbar dem Militärdienst zugeführt würde, mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ mit Folter verbunden. Sollte er sich weigern, an Kampfhandlungen teilzunehmen, würde ihm eine feindliche politische Gesinnung „der jeweiligen Gruppierung gegenüber“ unterstellt werden. Er habe somit wohlbegründete Furcht vor Zwangsrekrutierung als Minderjähriger sowie zwangsweiser Einberufung zum Militärdienst.

Ergänzend gab er in der Beschwerdeverhandlung an, in Syrien wäre er in Gefahr, von der Regierung als Druckmittel verwendet zu werden, um seine Brüder zur Rückkehr zu zwingen, und getötet zu werden, wenn diese nicht zurückkämen.

1.3.4 Laut der Anfragebeantwortung von ACCORD „Zwangsrekrutierung Minderjähriger / Konzentration auf 14-16-jährige, regionale Unterschiede“ vom Jänner 2022 haben die Vereinten Nationen zwischen Jänner und Dezember 2020 die Rekrutierung und den Einsatz von 813 Kindern in Syrien verifiziert, darunter zwei durch syrische Regierungstruppen. Vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2020, also in zwei Jahren, hat es insgesamt 1.423 bestätigte Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Kindern gegeben, davon 13 durch Regierungstruppen, und von den 13 wurden vier den Regierungstruppen in XXXX zugeschrieben. Das Danish Immigration Service DIS interviewte im Februar 2020 mehrere Expertinnen zum Thema Militärdienst in Syrien. Laut einer Expertin rekrutiert die Syrisch-Arabische Armee keine Personen unter 18 Jahren. Auch weitere Interviewpartnerinnen haben dem Danish Immigration Service angegeben, dass nach ihrem Wissen die Syrisch-Arabische Armee keine Personen unter 18 Jahren rekrutiert.

1.3.5 Nach dem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen „Kinder und bewaffneter Konflikt“ vom Juni 2023 wurden 2022 in Syrien insgesamt 1.696 Kinder rekrutiert und eingesetzt, davon 15 von Syrischen Regierungstruppen. Von einer zwangsweisen Rekrutierung von Kindern ist aber auch in diesem Bericht nicht die Rede.

1.3.6 Damit war und ist es sehr unwahrscheinlich, dass der noch immer nicht volljährige Beschwerdeführer in Syrien von Regierungstruppen rekrutiert würde, was auch im Fall des künftigen Erreichens der Volljährigkeit nicht anders wäre, wie die Länderfeststellungen zeigen.

1.3.7 Der Beschwerdeführer hat im Alter eines Schulanfängers seine Herkunftsregion im Gouvernement XXXX sowie den Herkunftsstaat verlassen und zog in die benachbarte Türkei, also bevor er sein Militärbuch erhielt und von der Armee des früheren Regimes einberufen werden konnte.

1.3.8 Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er im Herkunftsstaat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder verfolgt werden würde. Er ist im Falle einer hypothetischen Rückkehr in seine Heimatregion XXXX des Bezirks XXXX in der unter Kontrolle der nunmehrigen Regierung stehenden Provinz XXXX , wo er als Kind die ersten Jahre lebte, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in Gefahr, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister, dem Register der Versicherungszeiten und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Ferner wurde eine Beschwerdeverhandlung abgehalten, bei der die BH als gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers und das BFA fernblieben.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Die Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe war der Stellungnahme der BH zu entnehmen (AS 67), das Geburtsdatum dem Auszug aus dem Zivilregister (AS 27), dessen Ausstellungsdatum (knapp drei Wochen nach der Geburt) anscheinend im Bescheid einmal versehentlich als Geburtstag angeführt wurde (AS 108 a. E.).

2.2 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen in 1.2.1 wurden dem angeführten Länderinformationsblatt entnommen und stehen mit den in der Beschwerdeverhandlung behandelten im Einklang. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Bei den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs, die es ermöglicht, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Das gilt ebenso für die in 1.2.2 genannten Publikationen des UNHCR und der EUAA, die wie angeführt mitberücksichtigt wurden.

In der Beschwerdeverhandlung hat die Rechtsvertretung auf eine Entscheidung betreffend einen XXXX jährigen Beschwerdeführer (in der es um dessen mögliche Rekrutierung durch die kurdische YPG ging) sowie auf die UNHCR-Erwägungen von 2021 und die Country Guidance der EUAA von 2022 verwiesen. Damit wurde den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

2.3 Zu den Fluchtgründen:

2.3.1 Wie bereits beim BFA vermochte der Beschwerdeführer auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft zu machen, dass er sich aufgrund einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aus einem Konventionsgrund außerhalb des Herkunftsstaates aufhält.

2.3.2 In der Beschwerdeverhandlung räumte er ein, anders als sein asylberechtigter Bruder nicht im Alter des gesetzlich verpflichtenden Wehrdienstes zu sein (S. 7). Betreffend den andernfalls im Raum stehenden Freikauf stellte er das Vorhandensein der Geldmittel in Abrede (S. 6), wogegen sein Bruder erstbefragt angegeben hatte, sie hätten für die Schleppung 2022 pro Person € 9.000,-- bezahlt (AS 11).

2.3.3 Auch die in der Beschwerdeverhandlung erstmals geäußerte Furcht, gleichsam als Geisel der Regierung inhaftiert zu werden, um die Rückkehr der Brüder zu erzwingen, erscheint angesichts dessen, dass eine solche Praxis den Länderfeststellungen nicht zu entnehmen war, und des späten Zeitpunkts dieses gesteigerten Vorbringens wenig einleuchtend.

2.3.4 In dieser Verhandlung fiel auch auf, dass der Beschwerdeführer, der sich - wegen seines geringen Alters bei der Ausreise sehr verständlich - nur wenig an die Zeit in XXXX erinnert, die Regierungsarmee, der er zutraute, ihn zwangsweise zu rekrutieren (S. 9), mit den Angreifern von 2016 verwechselte, nämlich der Jabhat al-Nusra („Können Sie sich erinnern, dass XXXX angegriffen wurde?“ „Ja, das war die Regierung.“, S. 5). In den mehr als fünf Jahren in der Türkei und auch nachher hätte der Beschwerdeführer demnach von niemandem erfahren, wer in Wirklichkeit den Wohnort angegriffen und die Familie vertrieben hatte.

Unter diesem Aspekt wirkt auch die (teils wortgleich formulierte) Ablehnung von Militär und Assad-Regierung (S. 6) wenig authentisch und kann bezweifelt werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich „mit eigenen Augen“ gesehen hat, „was dieses Militär mit den Menschen macht“, und deshalb annahm, sie „würden nicht zurückschrecken“, ihn mitzunehmen (S. 9).

2.3.5 Dem BFA ist damit zuzustimmen (S. 117, 120 / AS 219, 222), dass eine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen nicht glaubhaft ist und diesem in Syrien keine Verfolgung im Sinn der GFK droht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschluss-gründe vorliegt.

Als Flüchtling im Sinne dieser Bestimmung der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Für Staatenlose gilt das, wenn sie sich infolge der genannten Umstände außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, dorthin zurückzukehren.

Einem Antragsteller muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH 03.10.2023, Ra 2023/14/0071)

3.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die behauptetermaßen befürchtete Verfolgung durch den syrischen Staat, konkret Zwangsrekrutierung zu dessen Armee, Inhaftierung (auch) zum Zweck, seiner Brüder habhaft zu werden, Folter, Unterstellung einer feindlichen politischen Gesinnung und Gefängnisstrafe wegen Verwandtschaft mit einem ins Ausland geflohenen Wehrdienstverweigerer, nicht festgestellt oder auch nur glaubhaft gemacht wurde. Den Feststellungen nach ist sie nicht mit der erforderlichen Maßgeblichkeit wahrscheinlich.

Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zu Grunde zu legen. (VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619, Rz. 35, mwN)

Ein Aufzeigen des Bestehens einer bloßen Möglichkeit einer Bedrohung oder Verfolgung kann somit für sich alleine nicht zur Zuerkennung des Asylstatus gemäß § 3 AsylG 2005 führen, wenn es für die Zuerkennung eines solchen Schutzes an der Voraussetzung einer ausreichend konkreten und unmittelbar den Beschwerdeführer persönlich betreffenden aktuellen und maßgeblich relevanten Verfolgungswahrscheinlichkeit aus asylrelevanten Gründen wie Rasse, Religion etc. fehlt.

Das ist vorliegend den Feststellungen zufolge der Fall. Eine hypothetische Rückkehr in die Herkunftsregion und in den Wohnort in XXXX vor der Ausreise wäre ohne solche eine Verfolgungswahrscheinlichkeit ebenso möglich wie auch schon zu Zeiten der Wehrpflicht.

3.3 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. (VwGH 24.01.2024, Ra 2023/19/0408, Rz. 9, mwN)

Somit ist die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch das BFA nicht zu beanstanden. Sonstige Hinweise auf asylrelevante Umstände haben sich auch von Amts wegen nicht ergeben. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht erfüllt.

3.4 Die UNHCR-Position von Dezember 2024 beinhaltet die Empfehlung: „Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Bescheide über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder staatenlosen Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen.“

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das Bundesverwaltungsgericht) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR und der EUAA auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. (VwGH 22.07.2024, Ra 2023/14/0460, Rz. 15, mwN)

3.5 Vorliegend hat der Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Das UNHCR zählt zu den Personen, die internationalen Schutz benötigen, die folgendermaßen (übersetzt) definierten Flüchtlinge („refugees“): „Als Flüchtlinge gelten im weitesten Sinne alle Personen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden und aufgrund einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens, ihrer körperlichen Unversehrtheit oder ihrer Freiheit in ihrem Herkunftsland infolge von Verfolgung, bewaffneten Konflikten, Gewalt oder schweren öffentlichen Unruhen internationalen Schutzes bedürfen.“ (UNHCR: Persons in need of international protection, Juni 2017, 1 f; www.refworld.org/policy/legalguidance/unhcr/2017/en/121440)

Demnach unterfallen auch die im Sinn des § 8 AsylG 2005 subsidiär Schutzberechtigten (deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß dieser Bestimmung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde) dieser Gruppe, womit dieser Status als Form des vom UNHCR angesprochenen internationalen Schutzes anzusehen ist.

Der Aufforderung des UNHCR, keine negativen Bescheide über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen zu erlassen, wird damit auch in Fällen Rechnung getragen, in denen derartigen Anträge (lediglich) durch Zuerkennung internationalen Schutzes entsprochen wird.

3.6 Die Aufforderung des UNHCR steht vorliegend daher einer materiellen Erledigung auch dann nicht entgegen, wenn deren Inhalt die Abweisung des Antrags in Bezug auf den Asylstatus ist. Aus diesem Grund ist die Rechtssache entscheidungsreif und die unbegründete Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides ohne Zuwarten abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Fluchtgründen oder zu asylrelevantem Vorbringen.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Rückverweise