JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0102 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
18. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des L S in W, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen das am 19. Juni 2023 mündlich verkündete und am 28. Juni 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W257 2266912 1/9E, betreffend Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung gemäß § 23b GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Kärnten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber steht als Polizist in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2022 wurde wie folgt ausgesprochen:

„1) In Stattgebung Ihres Ansuchens vom 30.09.2022, eingelangt am 07.10.2022, wird Ihnen gemäß § 23b Absatz 4 Gehaltsgesetz (GehG) 1956, BGBl. Nr. 54 ein Verdienstentgang in der Höhe von € 791,28 zuerkannt, der auf Ihr Ansuchen vom 25.08.2021 von der LPD Wien unter der Zahl ... vom 07.02.2022 errechnet wurde.

2) In Stattgebung Ihres Ansuchens vom 30.09.2022, eingelangt am 07.10.2022, wird Ihnen gem. § 23b Absatz 4 Gehaltsgesetz (GehG) 1956, BGBl. Nr. 54 ein Schmerzengeld in der Höhe von € 400, zuerkannt, wobei sich dieser Betrag aus dem polizeiärztlichen Befund und Gutachten der LPD Kärnten vom 23.11.2022 errechnet.

1) Ihre in Ihrem Antrag vom 30.09.2022 über Punkt 2 des Spruches hinausgehende Vorschussforderung für Schmerzengeld in der Höhe von € 1.800, wird hingegen abgewiesen, da Ihnen keine Ersatzansprüche im Zivilrechtsweg iSd § 23b Abs. l Z 2 Gehaltsgesetz (GehG) 1956, BGBl. Nr. 54 idgF rechtskräftig nach Prüfung des Bestandes zugesprochen wurden und die amtswegige Prüfung des Bestandes gem. § 23b Abs. 4. Gehaltsgesetz (GehG) 1956, BGBl. Nr. 54 idgF ein Ergebnis erbracht hat, welches den unter Punkt 2 bereits zugesprochenen Betrag nicht übersteigt.“

3 Die gegen Spruchpunkt 2) dieses Bescheides erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Dazu hielt das Bundesverwaltungsgericht unter anderem Folgendes fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof, Fehler im Original):

„...

1.3. Der Beschwerdeführer steht als Polizist in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und erlitt am 03.05.2020 im Zuge einer Amtshandlung durch Fremdeinwirkung eine Prellung am rechten Knie. Nachdem der Täter bekannt ist, begehrte der Beschwerdeführer am 09.08.2022 beim Bezirksgericht Innere Stadt einen Schadenersatzanspruch, bestehend aus Schmerzengeld in der Höhe von € 2.200. und einen Verdienstentgang in der Höhe von € 791,28. Das Bezirksgericht Innere Stadt erließ am 09.08.2022 unter Zl 94 C 432/22g einen bedingten Zahlungsbefehl, welcher rechtskräftig ist. Diese Forderung wurde noch nicht beglichen.

1.4. Am 30.09.2022 begehrte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde, ihm den Forderungsbetrag, den er gegen den Täter hat, vorzuschießen.

1.5. Der Beschwerdeführer befand sich vom 03.05.2020 bis 28.05.2020 im Krankenstand.

1.6. Der polizeiärztliche Dienst, Dr. L, erstellte am 23.11.2022 ein Gutachten, indem er auf der Grundlage der ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen feststellte, dass der Beschwerdeführer

- an keinem Tag schwere Schmerzen hatte,

- an einem Tag mittelschwere Schmerzen hatte (03.05 05.05.2020)

- und an zwei Tagen leichte Schmerzen hatte (06.05 11.05.2020).

1.7. Mit Schreiben vom 29.11.2022 seitens der belangten Behörde an den Beschwerdeführer, wurde diesem mitgeteilt, dass die Behörde aufgrund des vorliegenden Gutachtens neben den Verdienstentgang ihm € 400.- an Schmerzengeld zugestehen wird. Das Mehrbegehren würde die Behörde abweisen. In einer Stellungahme vom 13.12.2022 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sich bis zum 28.05.2020 im Krankenstand befunden habe und es somit für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass im Gutachten lediglich Schmerzen bis zum 11.05.2020 attestiert wurden.

1.8. Ein gegenteiliges ärztliches Gutachten hat der Beschwerdeführer nicht eingebracht. Das Gutachten vom 23.11.2022 ist schlüssig widerspruchsfrei und logisch nachvollziehbar. Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund an diesem Gutachten zu zweifeln. Die Beurteilung der Schmerzperioden nach Prof. Holczabek ist ebenso schlüssig und nachvollziehbar.

Der medizinische Sachverständige wurde seitens der belangten Behörde nach Einbringung der Beschwerde nochmals um ein ergänzendes Gutachten gebeten. Dieser bestätigte in einem Aktenvermerk vom 31.01.2023, dass er durch die Beschwerde keinen Anlass erkenne, von seinem Gutachten abzugehen.

Die Einholung eines weiteren Gutachtens, wie in der Beschwerde beantragt, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht notwendig um einen unklaren oder nicht bekannten Beweis zu erhellen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens würde keinen Beweis liefern, der nicht schon durch das schlüssige Gutachten vom 23.11.2022 vorliegt. Der Antrag in der Beschwerde zur Einholung eines weiteren Gutachtens wurde daher abgewiesen.

1.9. Für die dem Gutachten zugrundeliegenden Tage an Schmerzen stehen dem Beschwerdeführer € 400. zu.“

5 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere aus, allein die Tatsache, dass sich der Revisionswerber bis zum 28. Mai 2020 im „Krankenstand“ befunden habe, sei für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Schlüssigkeit des Gutachtens zu zweifeln. Die Selbsteinschätzung des Revisionswerbers, dass er jedenfalls bis zum Ende seines „Krankenstandes“ am 28. Mai 2020 Schmerzen erlitten habe, begegne dem Gutachten des Arztes nicht auf gleichem fachlichen Niveau.

6 Soweit der Rechtsvertreter des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung auf einen möglichen Widerspruch im Gutachten hingewiesen habe, weil im Befund erwähnt worden sei, bei der MRT-Untersuchung am 20. Mai 2020 sei ein „geringgradiger Gelenkserguss“ diagnostiziert worden, und es daher nicht sein könne, dass der Revisionswerber nur bis zum 11. Mai 2020 Schmerzen gehabt habe, sei beweiswürdigend festzuhalten, dass dies keine Widersprüchlichkeit des Gutachtens aufzeige, weil die Ärztin bei der MRT Untersuchung nicht die Beweisfrage zu klären gehabt habe, ob anhand der Unterlagen Schmerzen vorgelegen seien. Die Schmerzperioden seien nach den Kriterien von Prof. Dr. Holczabek „komprimiert auf 24 Stunden Tage“ beurteilt worden.

7 Der medizinische Sachverständige habe selbst in seinem Gutachten von der Feststellung eines „leichten Gelenksergusses“ bei der MRT-Untersuchung berichtet, was bedeute, dass dieser Umstand dem Sachverständigen bekannt gewesen und in seine Beurteilung miteingeflossen sei.

8 Ebenso sei im MRT Gutachten auch festgestellt worden, dass „keine durch die Körperverletzung resultierenden Verletzungen (posttraumatische Läsionen) festgestellt werden konnten“, was jedenfalls gegen weitere anhaltende Schmerzen spreche.

9 Zudem sei im Erstbefund des Krankenhauses Folgendes ersichtlich: „Wiederbestellt bei anhaltenden Beschwerden VORMITTAGS am 7.5.2020.“ Es sei mangels eines diesbezüglichen Befundes davon auszugehen, dass sich der Revisionswerber nicht nochmals im Krankenhaus eingefunden habe. Der Rechtsvertreter habe bei der mündlichen Verhandlung ebenso keine Angaben dazu machen können; der Revisionswerber sei nicht anwesend gewesen. Am 7. Oktober 2022 sei dem Revisionswerber zudem von der belangten Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden, ergänzende ärztliche Unterlagen (Gutachten, Befunde, Berichte, etc.) über die bei dem Dienstunfall erlittenen Verletzungen zu übermitteln. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2022 habe der Revisionswerber mitgeteilt, dass sämtliche Unterlagen bereits übermittelt worden seien. Somit sei davon auszugehen, dass er keine Beschwerden gehabt habe, welche ihm Anlass gegeben hätten, eine weitere Untersuchung im Krankenhaus vorzunehmen.

10 Der medizinische Sachverständige sei von der belangten Behörde nach der Beschwerdeeinbringung - somit in Kenntnis davon, dass sich der Revisionswerber darauf berufe, sich bis 28. Mai 2020 im „Krankenstand“ befunden und bis dann Schmerzen gehabt zu haben - um ein ergänzendes Gutachten ersucht worden. Er habe sein Gutachten vom 23. November 2022 aufrechterhalten.

11 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei länger als zehn Tage an der Ausübung seines Dienstes verhindert gewesen, die „grundsätzlichen“ Anspruchsvoraussetzungen des § 23a GehG seien daher gegeben.

12 Mit näherer Begründung legte das Bundesverwaltungsgericht dar, dass im Fall der Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls keine (gerichtliche) Prüfung des Bestandes im Sinn des § 23b Abs. 1 Z 2 GehG erfolge und daher gegenständlich § 23b Abs. 4 GehG zur Anwendung gelange.

13 Vom Revisionswerber sei „die Höhe von € 400, für die dem Gutachten zugrundeliegenden Tage an Schmerzen nicht bezweifelt“ worden. Er habe weder in der Beschwerde noch durch seinen Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass „diese Tage, nämlich vom 3. bis zum 11. Mai 2020, zu gering bemessen“ worden wären. Er habe lediglich vorgebracht, dass die festgestellten Schmerzperioden in zeitlicher Hinsicht nicht den tatsächlich vorliegenden Schmerzen entsprochen hätten. Der Revisionswerber habe sich daher nicht gegen den Betrag iHv € 400, ausgesprochen, sondern gegen die Dauer der festgestellten Schmerzperioden. Die Behörde habe den Betrag iHv € 400, für zwei Tage leichte und einen Tag mittelschwere Schmerzen auf der Grundlage des § 23b Abs. 4 GehG festgelegt.

14 Nach der zum Zeitpunkt des Dienstunfalls bestehenden überwiegenden Praxis am „Landesgericht Wien“ würden zur Berechnung von Schmerzengeld „Schmerzengeldsätze“ für leichte Schmerzen von zumindest € 110, , für mittlere Schmerzen von zumindest € 220, und für schwere Schmerzen von zumindest € 330, pro Tag herangezogen (mit Verweis auf die Tabellen betreffend „Schmerzengeldsätze“ im Österreichischen Anwaltsblatt, Heft 4/2021, S. 179).

15 Schmerzperioden könnten lediglich als Berechnungshilfe herangezogen werden (Hinweis auf OGH 25.3.2021, 8 Ob 16/21t). Als ebensolcher Rahmen seien auch die in der oben erwähnten Tabelle angeführten „Schmerzengeldsätze“ zu verstehen. Diese „Schmerzengeldsätze“ seien nur Orientierungs bzw. Bemessungshilfen und stellten lediglich die überwiegende Praxis an den in der Tabelle angeführten Landesgerichten dar.

16 Ausgehend von dem Gutachten des Polizeiarztes vom 23. November 2022, der die Schmerzzustände nach Prof. Dr. Holczabek formuliert habe, lägen ein Tag an mittelschweren und zwei Tage an leichten Schmerzen vor.

17 Das Bundesverwaltungsgericht sehe unter Berücksichtigung, dass dem Revisionswerber bei der Erstuntersuchung im Krankenhaus angeboten worden sei, bei anhaltenden Schmerzen nach fünf Tagen erneut vorstellig zu werden und er dies nicht wahrgenommen habe, der medizinische Sachverständige nur von drei Tagen Schmerzen ausgegangen sei, und diese beiden Aspekte gemeinsam „schlüssig“ seien keinen Grund dafür, von dem Betrag iHv € 400, an vorläufigem Schmerzengeld, das dem Revisionswerber von der belangten Behörde zugestanden worden sei, abzugehen.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

19 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen grundsätzliche Verfahrensvorschriften verstoßen, indem es davon ausgehe, dass das Gutachten vom 23. November 2022 schlüssig, widerspruchsfrei und logisch nachvollziehbar sei sowie dass kein Grund bestehe, an diesem Gutachten zu zweifeln und dadurch, dass kein (weiteres) Sachverständigengutachten eingeholt worden sei.

23 Der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde sowie in der Verhandlung die Unschlüssigkeit des Gutachtens ausdrücklich aufgezeigt: So seien gemäß dem Gutachten beim Revisionswerber von 3. bis 5. Mai 2020 mittelschwere Schmerzen von acht Stunden täglich sowie von 6. bis 11. Mai 2020 leichte Schmerzen von jeweils acht Stunden täglich vorgelegen. Diese Zeiten seien jedoch deutlich zu kurz bemessen und schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sich der Revisionswerber in der Zeit vom 5. bis 28. Mai 2020 im „Krankenstand“ befunden habe und somit jedenfalls bis zu diesem Datum Beschwerden beim Revisionswerber vorgelegen seien. Zudem werde im Gutachten auf den MRT Befund vom 20. Mai 2020 Bezug genommen, wonach beim Revisionswerber zwar keine posttraumatischen Läsionen, aber ein leichter Gelenkserguss diagnostiziert worden seien. Ein solcher Gelenkserguss führe jedenfalls zu Schmerzen und es wären daher im Gutachten Schmerzen bis zumindest 20. Mai 2020 festzustellen gewesen.

24 Aufgrund dieser vorliegenden Unklarheiten und Widersprüche im Gutachten sei in der Beschwerde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden. Die Begründung der Abweisung dieses Antrags sei nicht nachvollziehbar, weil „durch den Revisionswerber in seiner Beschwerde ausdrücklich vorgebracht wurde, dass die Seitens der belangten Behörde angenommenen Schmerzperioden beim Revisionswerber somit nicht den tatsächlich vorgelegenen Schmerzen entsprechen und dazu die Einholung eines Gutachtens beantragt wurde“. Zudem sei im Beschwerdeverfahren dargelegt worden, inwiefern das Gutachten vom 23.11.2022 „eben genau nicht schlüssig, widerspruchsfrei und logisch nachvollziehbar“ sei.

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 83c GehG, der Vorgängerbestimmung zu § 23b Abs. 4 GehG, bereits ausgesprochen, dass bei Erfüllung der Einstiegsvoraussetzungen die Geldaushilfe ihrer Höhe nach im Sinne eines effektiven Ausgleichs für entgangenes Schmerzengeld in gleicher Weise zu bemessen ist wie Schmerzengeld bei der Geldendmachung (gegen den Schädiger) im ordentlichen Rechtsweg bemessen werden würde höchstens jedoch mit dem im Gesetz genannten Höchstbetrag. Nach der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte soll der Geschädigte durch das Schmerzengeld Genugtuung für alles Ungemach wegen seiner Verletzungen und deren Folgen erlangen. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach deren Gesamtbild sowie unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzung und des Ausmaßes der psychischen und physischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten zu verschaffen. Maßgeblich sind die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach deren Gesamtbild, die Schwere der Verletzung sowie die Schwere der Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes. Die Ermittlung dieser Umstände erfordert regelmäßig die Einholung eines Gutachtens eines ärztlichen Sachverständigen. Diese Rechtsprechung ist auf § 23b Abs. 4 GehG zu übertragen (vgl. VwGH 14.10.2024, Ra 2023/12/0037, mwN).

26 Die Aufgabe des (Amts-)Sachverständigen ist darin zu sehen, der entscheidenden Behörde auf Grund besonderer Fachkenntnisse die Entscheidungsgrundlage im Rahmen des maßgebenden Sachverhaltes zu liefern. Die Mitwirkung bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch den Sachverständigen besteht darin, dass er Tatsachen erhebt (Befund) und aus diesen Tatsachen auf Grund besonderer Fachkunde Schlussfolgerungen zieht (Gutachten). Der Sachverständige hat somit Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnisse deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen; er muss aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben und darf nicht Rechtsfragen lösen (vgl. erneut VwGH 14.10.2024, Ra 2023/12/0037, mwN).

27 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden. Die unvollständige und unrichtige Befundaufnahme vermag auch ein Laie nachvollziehbar darzulegen. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Fall verpflichtet, sich mit diesen der Sachverhaltsfrage zuzurechnenden Einwendungen in einer Verhandlung auseinanderzusetzen (vgl. etwa VwGH 18.6.2024, Ro 2023/12/0002, mwN).

28 Auch ein Verwaltungsgericht trifft die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb es gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten auseinander zu setzen und dieses gegebenenfalls unter Berücksichtigung dazu vorgebrachter Einwendungen entsprechend zu würdigen. Die Frage, ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht unter Berücksichtigung der Einwendungen als schlüssig qualifiziert wurde, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar beurteilt wurde (vgl. VwGH 28.11.2022, Ra 2022/12/0011, 0122, mwN). Kommt das Verwaltungsgericht daher im Rahmen einer solchen Berücksichtigung der Einwendungen in vertretbarer Weise zu der Beurteilung, das Gutachten sei schlüssig und vollständig, begründet die Nichteinholung weiterer (ergänzender) Gutachten keinen revisiblen Verfahrensmangel.

29 In seiner Beschwerde wandte der Revisionswerber gegen das Gutachten ein, dass die Zeiten darin „deutlich zu kurz bemessen“ und schon deshalb nicht nachvollziehbar seien, weil sich der Revisionswerber in der Zeit vom 5. bis 28. Mai 2020 „im Krankenstand“ befunden habe und „somit jedenfalls bis zu diesem Datum Beschwerden“ vorgelegen seien. Auch in der mündlichen Verhandlung wiederholte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers im Wesentlichen dieses Vorbringen und führte aus, dass die MRT-Untersuchung auch deswegen vorgenommen worden sei, weil der Revisionswerber anhaltende Schmerzen gehabt habe.

30 Bei der Frage der Dauer und der Intensität der Schmerzen, die eine Person erlitten hat, den sogenannten Schmerzperioden, handelt es sich um eine von einem medizinischen Sachverständigen zu lösende, dem Tatsachenbereich angehörende Fachfrage. Dementsprechend obliegt auch die Beurteilung, ob eine Komprimierung der Schmerzperioden nach der Dauer, der Intensität und der Natur der körperlichen Beeinträchtigung durch die Verletzung sachgerecht ist, der Beurteilung des medizinischen Sachverständigen und stellt keine Rechtsfrage dar (VwGH 14.10.2024, Ra 2023/12/0037, mwN).

31 Die Einwendungen, die der Revisionswerber in seiner Beschwerde gegen das Gutachten (das auch den MRT Befund bereits berücksichtigt hatte) erhoben hatte, waren dem Amtssachverständigen bereits von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden. Der Amtssachverständige führte mit ergänzender Stellungnahme vom 31. Jänner 2023 aus, das Gutachten vom 23. November 2022 vollinhaltlich aufrecht zu erhalten, da sich in der Beschwerde des Revisionswerbers keine ergänzenden, neuen medizinischen Erkenntnisse gezeigt hätten. Die Beurteilung des Amtssachverständigen in seinem Gutachten war aufgrund der Komprimierung der Schmerzperioden erfolgt, wobei sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe keine diesbezügliche Unschlüssigkeit aufgezeigt und auch keine Unschlüssigkeit des Ergänzungsgutachtens dargelegt, nicht als unvertretbar erweist.

32 Liegt ein ausreichendes, schlüssiges Gutachten vor, besteht auf die Einholung weiterer, ergänzender Gutachten in einem solchen Fall kein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH 19.9.2023, Ra 2022/12/0103, mwN). Dem Revisionswerber wäre es unbenommen geblieben, dem Gutachten des Amtssachverständigen durch Vorlage eines von ihm beigebrachten Gutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten.

33 Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht dem darüber hinaus nicht weiter konkretisierten in der Beschwerde gestellten Beweisantrag auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens“ nicht nachkam, begründet daher keinen revisiblen Verfahrensmangel.

34 Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der es dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers die Möglichkeit gab, die Gründe darzulegen, aus denen er das vorliegende medizinische Gutachten bestreite (der Revisionswerber war nicht erschienen) und setzte sich mit den Einwendungen des Revisionswerbers in vertretbarer Weise auseinander (s. Rn. 5 bis 10).

35 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwieweit die einzelfallbezogene Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, das vorliegende Gutachten sei schlüssig, unvertretbar wäre oder das Bundesverwaltungsgericht gegen die in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien verstoßen hätte. Dies wird mit dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht dargelegt.

36 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2025